Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers – BAG Beschluss vom 23.2.2021 – 1 ABR 12/20

Mai 26, 2021

Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers – BAG Beschluss vom 23.2.2021 – 1 ABR 12/20

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Hintergrund und Ausgangslage

Im Mittelpunkt des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 23. Februar 2021 steht der Streit zwischen einem Betriebsrat und mehreren Unternehmen über die Berechnung eines Bonus für die Arbeitnehmer.

Konkret ging es um die Frage, ob der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen kann, bei der Festsetzung eines Faktors zur Berechnung dieses Bonus (Business Performance Factor – BPF) billiges Ermessen walten zu lassen.

Sachverhalt

Die beteiligten Unternehmen gehören zum T-Konzern und betreiben an mehreren Standorten einen gemeinsamen Betrieb, in dem der antragstellende Betriebsrat gewählt wurde.

Eine Betriebsvereinbarung vom 10. November 2016 regelte die Vereinbarung persönlicher Ziele und die Berechnung der variablen Vergütung für AT-Beschäftigte (außertarifliche Mitarbeiter) im Innendienst.

Diese Vereinbarung sah vor, dass Mitarbeiter und Vorgesetzte jährlich individuelle Zielvereinbarungen abschließen, die Geschäfts- und persönliche Ziele enthalten.

Der Erreichungsgrad der Geschäftsziele und der damit verbundene Berechnungsfaktor (BPF) sollten vom Unternehmen bzw. dem zuständigen Geschäftsbereich festgelegt werden.

Im Dezember 2017 kündigte die Leitung des T-Konzerns an, dass für dieses Jahr keine Jahresboni ausgeschüttet würden, da die Unternehmensziele nicht erreicht wurden.

Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers – BAG Beschluss vom 23.2.2021 – 1 ABR 12/20

Daraufhin teilten die Arbeitgeber mit, dass der BPF für das Jahr 2017 in allen Geschäftsbereichen null betrage.

Standpunkte der Beteiligten

Der Betriebsrat argumentierte, dass er gemäß seines Durchführungsanspruchs nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verlangen könne, dass die Arbeitgeber das Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB ausüben und den BPF nach billigem Ermessen festsetzen.

Er meinte, die bisherige Festsetzung des BPF für 2017 sei nicht angemessen gewesen und die zugrunde gelegten Geschäftsziele würden den Vorgaben der Betriebsvereinbarung widersprechen.

Die Arbeitgeberinnen beantragten, die Anträge des Betriebsrats abzuweisen.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Arbeitsgericht gab dem Betriebsrat in erster Instanz teilweise Recht, und auch das Landesarbeitsgericht wies die Beschwerden der Arbeitgeberinnen zurück.

Diese legten daraufhin Rechtsbeschwerde ein.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und wies die Anträge des Betriebsrats ab.

Das BAG entschied, dass der Betriebsrat keinen Anspruch darauf hat, dass der Arbeitgeber die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ausübt.

Die Verpflichtung zur Bestimmung des BPF nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB betrifft nur das individuelle Schuldverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und nicht das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis zwischen den Betriebsparteien.

Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers – BAG Beschluss vom 23.2.2021 – 1 ABR 12/20

Begründung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG stellte klar, dass § 315 BGB eine Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen nur im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien regelt.

Der Betriebsrat kann daher nur verlangen, dass die Leistungsbestimmung erfolgt, nicht jedoch, dass sie nach billigem Ermessen vorgenommen wird.

Die Einhaltung der Billigkeit könne nur im Rahmen individueller Klagen von Arbeitnehmern überprüft werden, nicht jedoch durch den Betriebsrat im Wege eines betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruchs.

Folgen der Entscheidung

Die Entscheidung verdeutlicht die Abgrenzung zwischen betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüchen des Betriebsrats und individuellen arbeitsrechtlichen Ansprüchen der Arbeitnehmer.

Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass der Arbeitgeber seine Leistungspflichten aus einer Betriebsvereinbarung nach den Vorgaben des § 315 BGB ausübt.

Diese Frage ist ausschließlich in Individualklagen der betroffenen Arbeitnehmer zu klären.

Diese Entscheidung hat weitreichende Implikationen für die Praxis, insbesondere für die Ausgestaltung und Durchsetzung von Bonusvereinbarungen in Betriebsvereinbarungen.

Sie zeigt die Grenzen der Durchsetzung von Ermessensentscheidungen des Arbeitgebers durch den Betriebsrat auf und unterstreicht die Bedeutung der individuellen Klagewege für Arbeitnehmer zur Durchsetzung ihrer Ansprüche.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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