OLG Brandenburg 3 U 5/21

Februar 15, 2023

OLG Brandenburg 3 U 5/21- Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis zur Feststellung der gesamtschuldnerischen Erbenhaftung

Tenor

OLG Brandenburg 3 U 5/21

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 20.11.2020, Az. 11 O 459/18, abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 9.436,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.03.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin 37 % und die Beklagten 63 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert des Berufungsverfahrens: 14.872,68 €

Gründe

OLG Brandenburg 3 U 5/21
I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Forderungen aus der Übernahme der anteiligen Kreditraten für das Hausgrundstück R… in B… für den Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2017 geltend.

Die Klägerin war die Ehefrau des Herrn U… M…, der am 18.08.2014 verstarb. Die Beklagte zu 1 war dessen Schwester, der Beklagte zu 2 ist der Ehemann der Beklagten zu 1.

Der Erblasser erstellte am 20.11.2011 ein handschriftliches Testament, über dessen Auslegung die Parteien sich streiten. Wegen des Inhalts des Testaments wird auf die Anlage K 1, Blatt 13 ff Bezug genommen.

Auf Antrag der Beklagten zu 1 und 2 erließ das Amtsgericht Bad Freienwalde am 24.10.2014 einen Erbschein, der die Beklagten zu 1 und 2 als Erben des Verstorbenen zu je ½ auswies. Mit Beschluss vom 16.11.2017 zog das Amtsgericht Bad Freienwalde den Erbschein auf Antrag der hiesigen Klägerin wegen Unrichtigkeit ein.

Hierbei ging das Nachlassgericht angesichts der bekannten Wertverhältnisse davon aus, dass die Beklagten jedenfalls nicht Miterben zu je ½ geworden sind, wobei es offen ließ, ob die Beklagten überhaupt Miterben oder lediglich Vermächtnisnehmer sind. Gegen den Einziehungsbeschluss legten die Beklagten keine Beschwerde ein. Die Klägerin beantragte im Anschluss daran einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.

Dieser Antrag wurde zurückgewiesen, da der Antrag nicht den Anforderungen des § 352 FamFG entsprach. Die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags hat der Senat mit Beschluss vom 04.03.2019 (3 W 5/19) zurückgewiesen, da die Beschwerde nicht begründet worden ist und die erforderlichen Nachweise auch im Beschwerdeverfahren nicht erbracht worden sind.

Der Erblasser, der zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments Alleineigentümer des Grundstücks war, das ursprünglich im Familienbesitz der Familie M… gestanden hatte, übertrug im Jahr 2014 (das genaue Datum ist nicht bekannt) das hälftige Miteigentum an dem Grundstück an die Klägerin.

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Am 10.04.2015 wurden die Beklagten auf der Grundlage des sie als Erben ausweisenden Erbscheins vom 24.10.2014 als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann hatten im Jahr 2007 zur Finanzierung von Aus- und Umbauarbeiten an dem Haus ein BausparSofortdarlehen bei der BHW Deutschen Bank-Bauspar AG mit der Nr. … über eine Darlehenssumme von 80.000 € aufgenommen. Das Darlehen wurde mit einer Buchgrundschuld über 125.000 € gesichert (Anlage K 3).

In einem vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) mit dem Aktenzeichen 71 O 17/21 geführten

Parallelverfahren zwischen dem Sohn der Klägerin und den Beklagten, das beigezogen war und der mündlichen Verhandlung zugrunde lag und in dem ebenfalls die Frage, wer die Erben des Erblassers sind, entscheidungserheblich war, hat das Landgericht Frankfurt (Oder) nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Vermögenswerte mit Urteil vom 23.09.2021 der Klage des dortigen Klägers stattgegeben und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, das Testament sei so auszulegen, dass der Erblasser die Klägerin als alleinige, hinsichtlich der Immobilien nach § 2113 nicht befreite Vorerbin und die Beklagten als Nacherben eingesetzt habe.

Im Berufungsverfahren 3 U 111/21 hat der Senat mit Urteil vom 05.07.2022 die landgerichtliche Entscheidung abgeändert und dabei zugrunde gelegt, dass die hiesigen Beklagten Erben des Erblassers geworden sind.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe im Zeitraum zwischen dem 01.01.2015 und dem 31.12.2017 insgesamt 29.817,36 € mit dem Hausgrundstück verbundene Kosten, insbesondere die auf dem Grundstück lastenden Kreditraten gezahlt.

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Sie habe monatlich 826,26 € auf die Kreditraten und den Bausparvertrag gezahlt. Diese Summe setze sich zusammen aus 356,67 € Kreditraten für die Vorfinanzierung, 216 € Zahlungen auf den Bausparvertrag und 253,59 € für die Deutsche Bank Baufinanzierung Nr. … .

Diese Zahlungen seien den Beklagten bekannt gewesen, da sie die jährlichen Zahlungsübersichten der kreditgebenden Bank erhalten hätten.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, von diesem Betrag hätten die Beklagten die Hälfte als Gesamtschuldner zu tragen. Hierzu seien die Beklagten mit Schriftsätzen vom 14.10.2015 und 15.03.2015 zur aufgefordert worden. Hierbei hat sie sich darauf berufen, sie selbst sei Alleinerbin geworden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 14.872,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen, die Klägerin habe bereits nicht dargelegt, dass sie, die Beklagten, Erben des Erblassers geworden seien. Nur dann komme aber überhaupt ein Anspruch gegen sie in Betracht.

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Die Klägerin habe immer – auch im Erbscheinsverfahren – die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Testament ergebe, dass sie selbst Alleinerbin und die Beklagten nur Vermächtnisnehmer des streitgegenständlichen Grundstücks geworden seien. Insofern verhalte sie sich widersprüchlich, wenn sie dennoch von den Beklagten Ausgleich verlange.

Die Beklagten haben bestritten, dass die Antragstellerin Zahlungen in der angegebenen Höhe geleistet hat. Erforderliche Nachweise habe sie nicht erbracht, die vorgelegten Unterlagen seien unzureichend. Sie selbst hätten keine jährlichen Zahlungsübersichten erhalten.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 20.11.2020, auf dessen Feststellungen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), der Klage vollumfänglich stattgegeben. Es hat hierzu ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der hälftig geleisteten Kreditraten aus § 426 BGB.

Die Klägerin und der Erblasser seien gegenüber dem Kreditinstitut gesamtschuldnerisch verpflichtet, das Darlehen zu bedienen. In diese Stellung des Erblassers seien die Beklagten eingetreten. Aus der Formulierung im Testament „mein Besitz wie oben benannt geht im vollen Umfang an meine Schwester G… und R… S… über“ ergebe sich, dass die Beklagten einen Großteil des Vermögens des Erblassers erhalten haben. Dies sei als Erbeinsetzung anzusehen.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung.

Sie rügen, das Landgericht habe fehlerhaft seiner Entscheidung den Vortrag der Klägerin, diese habe die Kreditraten in der vorgetragenen Höhe gezahlt, zugrunde gelegt, ohne zu berücksichtigen, dass diese Zahlungen nicht belegt worden seien und sie den Vortrag bestritten hätten.

Das Landgericht habe das Testament auch nicht unter Würdigung aller erheblichen Gesichtspunkte ausgelegt.

Das Landgericht habe nur einen einzelnen Aspekt herausgegriffen.

Eine Auslegung im Sinne der Klägerin hätte nur dann erfolgen können, wenn die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Klägerin zu den Wertverhältnissen der im Testament aufgeführten Vermögensgegenstände konkret vorgetragen hätte.

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Dies habe sie aber nicht getan. Sie verhalte sich auch widersprüchlich, denn sie selbst habe veranlasst, dass der zugunsten der Beklagten erlassene Erbschein eingezogen worden sei und ihrerseits einen Erbscheinsantrag gestellt, der sie selbst als Alleinerbin ausweise.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hat im Berufungsverfahren vorgetragen, es sei unstreitig, dass die Beklagten als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen seien. Deshalb komme es auch nicht darauf an, ob die Beklagten das Miteigentum aufgrund einer Erbeinsetzung oder als Vermächtnis erhalten hätten.

Nach einem Hinweis des Senats auf den unzureichenden Vortrag zur Höhe der geleisteten Zahlungen hat die Klägerin unter Vorlage von Kontoauszügen hierzu weiter vorgetragen und mit Schriftsatz vom 25.10.2021 Zahlungen in Höhe von insgesamt 18.873,04 € belegt.

Hiergegen haben die Beklagten keine Einwände mehr erhoben und die Höhe dieser im Schriftsatz vom 25.10.2021 vorgetragenen Zahlungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt.

Nach einem weiteren Hinweis des Senats darauf, dass ihr Anspruch nur bestehen könne, wenn die Beklagten Erben seien, hat sie sich hilfsweise darauf berufen, dass die Beklagten Erben geworden seien.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

OLG Brandenburg 3 U 5/21

Die Akten 3 U 111/21 (OLG Brandenburg) und die Nachlassakte des Amtsgerichts Freienwalde 40 VI 322/14 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die nach §§ 516 ff ZPO zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB auf Ausgleich der von ihr gezahlten hälftigen Kreditraten.

Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch mit der Klägerin gegenüber der Bank zur Leistung aus dem Darlehensvertrag verpflichtet.

Soweit die Klägerin die Gläubigerin befriedigt hat, sind die Beklagten ihr zum Ausgleich verpflichtet.

1.

Da ursprünglich die Klägerin und der Erblasser gesamtschuldnerisch aus dem gemeinsam geschlossenen Darlehensvertrag verpflichtet waren, setzt die Ausgleichspflicht gegenüber den Beklagten voraus, dass die Beklagten als Erben des Erblassers dessen Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922 BGB) geworden sind, worauf die Klägerin sich jedenfalls hilfsweise beruft.

Dies ist der Fall.

Wie der Senat bereits im beigezogenen Parallelverfahren 3 U 111/21, dessen Inhalt zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens gemacht worden ist, entschieden hat, ergibt die Auslegung des Testamentes, dass der Erblasser die Beklagten als seine Erben eingesetzt hat.

Aufgrund der Zuweisungen des Erblassers in dem Testament sind die Beklagten Erben und die Klägerin Vermächtnisnehmerin geworden.

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Für die Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis stellt die Rechtsprechung auf die Wertverhältnisse der verteilten Gegenstände ab.

Danach liegt es nahe, als Alleinerben die Person oder Personen anzusehen, der oder denen wertmäßig der Hauptnachlassgegenstand zugewiesen ist und als Vermächtnisnehmer die Personen, die mit Gegenständen von verhältnismäßig geringem Wert bedacht sind. Insbesondere wenn eine Immobilie ihrem Wert nach den wesentlichen Teil des Vermögens bildet, liegt es nahe, in ihrer Zuwendung an eine bestimmte Person deren Einsetzung als Alleinerbe zu sehen.

Maßgebend dabei sind die Vorstellungen, die der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses und den Wert der in diesen fallenden Gegenstände hat (BGH, NJW-RR 2017, 1035 Rn. 29; OLG Brandenburg, NJW-RR 2009, 14).

Der Erblasser hat hier sein gesamtes Immobilienvermögen und damit seine wesentlichen Vermögensbestandteile den Beklagten zugedacht, während seine Ehefrau, die Klägerin, ein lebenslanges Wohnrecht, die Pachteinnahmen aus der Windkraftanlage, das Barvermögen, Versicherungen und den Hausrat erhalten sollte. Dies ergibt die Auslegung des streitgegenständlichen Testaments.

Bei der Testamentsauslegung ist vor allem der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften.

Der Erblasserwille geht jedoch nur dann jeder anderen Interpretation, die der Wortlaut zulassen würde, vor, falls er formgerecht erklärt ist. Dazu muss der Wille des Erblassers in dem Testament zumindest andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen sein.

Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den aufgeführten Formzwecken demnach nicht gerecht werden (BGH, NJW 2019, 2317 Rn. 15 ff.).

Die Formulierung

„Mein Besitz wie oben benannt geht in vollem Umfang an meine Schwester G… und R…. Sie können dann bestimmen, wie weiter verfahren wird. Mein Wunsch wäre es im Familienbesitz zu wissen (Kinder).“

ist so zu verstehen, dass der Erblasser die Beklagten als seine Erben einsetzen wollte.

Denn er wollte die Beklagten als Rechtsnachfolger aller seiner Grundstücke einsetzen.

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Die Aufzählung der Grundstücke ist allerdings auslegungsbedürftig, denn er hat im Testament folgende Grundstücke aufgeführt:

B… R…

Blatt … Flur … Flurstück …

dazugehörig P… … Blatt.

Die Angabe „Blatt …, Flur …, Flurstück …“ ist mehrdeutig, weil der Erblasser damit entweder das Wohngrundstück in B…, R… gemeint haben kann, wobei dessen richtige Bezeichnung „Blatt …, Flur …, Flurstück …“ lautet, oder die landwirtschaftliche Fläche in B…, Blatt …, Flur …, Flurstück …, die mit einer Windkraftanlage bebaut ist.

Der Senat geht in der Gesamtbetrachtung des Testaments davon aus, dass Letzteres der Fall ist, weil der Erblasser geregelt hat, dass seine Ehefrau „laut Vertrag, eingetragen im Grundbuch von B..: Erbenrecht Windkraftanlage die Pacht von 6000,00 € jährlich“ erhalten sollte.

Mit Erbenrecht meint der Erblasser offensichtlich die Pachteinnahmen aus dem zugunsten der … Windpark eingetragenen Erbbaurecht. Damit steht fest, dass seine Frau das Grundstück jedenfalls nicht erben, sondern lediglich die Pachteinnahmen beziehen sollte.

Hinzu kommt, dass das Wohngrundstück mit „B… R… “ hinreichend charakterisiert war; der Nennung der Grundbuchdaten, noch dazu in einer neuen Zeile, bedurfte es nicht. Vielmehr deutet die formale Gestaltung darauf hin, dass hiermit ein weiteres Grundstück gemeint war und der Erblasser die Bezeichnungen durcheinander brachte.

Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass der Erblasser nicht umfassend über sein Eigentum verfügen wollte.

Bei sämtlichen zum Nachlass gehörenden Grundstücken handelt es sich um solche, die aus dem Eigentum der Eltern des Erblassers herrühren, weshalb er auch seinen Wunsch angab, die Immobilien im „Familienbesitz (Kinder)“ wissen zu wollen.

Dabei stellt er nachfolgend klar, dass er mit Kindern weder seine eigenen noch die seiner Ehefrau meint. Gemeint sein können demnach nur die Kinder der Beklagten.

Hätte er hingegen das mit der Windkraftanlage bebaute Grundstück in B…, Blatt …, Flur …, Flurstück …, bewusst aus der testamentarischen Verfügung ausgeklammert, wäre dies entweder dem von ihm eingesetzten Erben zuzuordnen oder es wäre gesetzliche Erbfolge eingetreten, wobei sämtliche von ihm konkret zugeordneten Nachlassgegenstände als Vermächtnisse zu werten wären.

Ersteres käme aber wohl nur in Betracht, wenn die Immobilie einen im Verhältnis zum Gesamtnachlass geringfügigen Wert hätte. Das ist hier aber nicht der Fall.

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Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen K… vom 29.07.2019 hatte die Immobilie ohne das Erbbaurecht zum Stichtag 20.11.2011 einen Wert von 34.700 € (Bl. 318 der Beiakte).

Für Letzteres gibt es auch keine Anhaltspunkte, zumal die Beklagten und die Klägerin ohnehin die gesetzlichen Erben wären und der Erblasser hier beiden Parteien jeweils konkrete Vermögensbestandteile zugeordnet hat.

Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass er eine Erbengemeinschaft der beiden Parteien im Hinblick auf das Grundstück beabsichtigte.

Nach dem Erblasserwillen sollten die Beklagten demnach sämtliche Grundstücke erhalten, während die Ehefrau nur ein lebenslanges Wohnrecht, die Pachteinnahmen aus der Windkraftanlage, das Barvermögen, Versicherungen und den Hausrat erhalten sollte.

Dem steht nicht entgegen, dass der Erblasser bei Testamentserrichtung noch Eigentümer des Grundstücks Z… in N… war, dieses aber nicht unter den Grundstücken aufgeführt ist, die die Beklagten nach seinem Tod erhalten sollten.

Denn das Grundstück Z… in N… hat der Erblasser nicht zu seinem Nachlass gezählt. Er hat hierzu im Testament erwähnt, dass das Recht an diesem Grundstück durch einen Mietkaufvertrag geregelt sei.

Durch diesen Mietkauf habe der Sohn der Klägerin alle Rechte und Pflichten eines Grundstückseigentümers und sei somit für alles selbst verantwortlich. Die rechtliche Schlussfolgerung des Erblassers, dass der Sohn der Klägerin einem Grundstückseigentümer gleichgestellt sei, traf zwar seinerzeit nicht zu.

Der Erblasser hat aber seine bereits bei Testamentserrichtung bestehende Absicht, dem Sohn der Klägerin das Grundstück zu übertragen, mit notariellem Vertrag vom 07.05.2014 verwirklicht. Damit gehört nur noch die restliche Kaufpreisforderung zum Nachlass.

Nach Testamentserrichtung eingetretene Änderungen sind dann zu berücksichtigen, wenn der Erblasser diese bereits bei der Testamentserrichtung in seine Überlegungen einbezogen hat.

Folglich sind auch die tatsächlichen Vorstellungen des Erblassers über die weitere Entwicklung seines Vermögens und die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses in die Auslegung einzubeziehen.

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Zum Beleg der Willensrichtung des Erblassers können auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände herangezogen werden, soweit diese auf die Willensrichtung bei Testamentserrichtung schließen lassen

(Horn/Kroiß, Testamentsauslegung, 2. Aufl., Teil 3 § 9 Rn. 46).

Das Grundstück Z… in N… spielt also bei der Frage, ob und wer gegebenenfalls Erbe geworden ist, keine Rolle.

Zwar hat der Erblasser keine Verfügung bezüglich des Kaufpreisanspruchs aus dem notariellen Vertrag vom 07.05.2014 getroffen. Die Rechtsprechung geht aber regelmäßig von einem „Gesamtverfügungswillen“ aus, wenn der Erblasser über mindestens 80 % seines gesamten Vermögens verfügt hat

(jurisPK-BGB/Reymann, BGB, 9. Aufl., Stand: 03.04.2020, § 2174, Rn. 99 m. w. N.).

Entgegen dem Wortlaut des § 2087 Abs. 2 BGB, der nur bei Fehlen eines Erblasserwillens zur Anwendung gelangt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Testierende, wenn er davon ausging, über nahezu sein gesamtes Vermögen zu verfügen, zumindest eine Erbeinsetzung vornehmen wollte

(jurisPK/Reyman, a. a. O., Rn. 100).

Allein die Immobilien hatten bei Testamentserrichtung einen Wert von 217.100 € (siehe Bl. 286). Hinzu kommen die Windpacht bis 2026 in Höhe von 73.626 € (12 Jahre x 6.135,50 €) sowie der hälftige Hausrat (Wert unbekannt) und weitere geringe Werte (ein Auto im Wert von 1.075 € sowie der hälftige Anspruch auf Auszahlung des Guthabens auf dem gemeinsamen Girokonto, der sich zum Todeszeitpunkt auf etwa 584 € belief).

Der Erblasser hat bei Testamentserrichtung somit einen Nachlass im Wert von rund 300.000 € verteilt; demgegenüber fällt die Kaufpreisforderung gegen den Sohn der Klägerin mit 54.250 € (zurückgerechnet auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung) mit rund 15 % nicht entscheidend ins Gewicht.

Der so vorgenommenen Auslegung, wonach die Beklagten Erben und die Klägerin Vermächtnisnehmerin ist, steht auch nicht entgegen, dass das Wohngrundstück wegen des lebenslänglichen Wohnrechts und die landwirtschaftliche Fläche mit dem Windkraftrad wegen des Rechts der Klägerin auf die Pachteinnahmen wirtschaftlich wertlos sind.

Ein Wohnrecht wird ebenso wie ein Nießbrauchsrecht typischerweise in Form eines Vermächtnisses zugewandt (Staudinger/Otte, BGB, 2017, § 1939, Rn. 5; KG Berlin, Beschluss vom 15.03.2016 – 6 W 102/15, Rn. 47, juris).

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Bei Testamentserrichtung stand außerdem noch nicht einmal fest, dass die Klägerin von ihrem lebenslänglichen Wohnrecht überhaupt Gebrauch machen würde.

Das war auch dem Erblasser bewusst, wie sich der Formulierung „Sie selbst entscheidet darüber, ob sie in diesem Haus wohnen bleibt oder nicht.“ im Testament entnehmen lässt.

Abgesehen davon ist für die Annahme einer Erbeinsetzung nicht maßgeblich, ob dem Begünstigten nach Begleichung der Verbindlichkeiten noch ein wirtschaftlicher Vorteil verbleibt (BGH, Urteil vom 07.07.2004 – IV ZR 135/03, Rn. 19, juris; Horn/Kroiß, a. a. O., Rn. 19).

Im Einzelfall kann der Vermächtnisnehmer sogar besser dastehen als der Erbe (Groll/Steiner/Grötsch, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 5. Aufl. 2019, Teil 3 § 7 Rn. 7.15).

Auch der abschließend von dem Erblasser in seinem Testament zum Ausdruck gebrachte Wunsch nach einer Erdbestattung auf dem Friedhof von B…, den ihm seine Frau B… als letzten Wunsch erfüllen möge, lässt nicht den Schluss zu, dass er diese als Erbin einsetzen wollte, auch wenn die Beklagten laut Testament der Ehefrau „in dieser Zeit zur Seite stehen sollten“.

Bei der Entscheidung, ob eine Person als Erbe eingesetzt ist, ist zwar – neben der Zuweisung des Hauptnachlassgegenstandes – auch wesentlich darauf abzustellen, wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass regeln und die Nachlassschulden, zu denen auch die Bestattungskosten zählen, zu tilgen hat und ob der Bedachte unmittelbare Rechte am Nachlass oder nur Ansprüche gegen andere Bedachte erwerben soll (BGH, NJW-RR 2017, 1035 Rn. 32).

Dabei kann auch von Belang sein, wer nach dem Willen des Erblassers die Kosten der Beerdigung tragen soll.

Denn üblicherweise ist Erbe, wem die Aufgabe zufällt, den Nachlass abzuwickeln, wozu auch die Organisation und Finanzierung der Beerdigung zählen (Groll/Steiner/Grötsch, a. a. O., Teil 3 § 7 Rn. 7.15; Horn/Kroiß, a. a. O., § 9 Rn. 18).

Allerdings ergibt sich aus dem streitgegenständlichen Testament nicht explizit, dass die Bestattungskosten der Ehefrau des Erblassers zur Last fallen sollten.

Vielmehr hat der Erblasser in seinem Testament lediglich einen „Wunsch“ in Bezug auf die Ausrichtung seiner Bestattung ohne rechtliche Verbindlichkeit geäußert, was offenbar auf dem persönlichen Näheverhältnis beruht, während die Einsetzung der Beklagten als Erben maßgeblich an der generationsübergreifenden Wahrung des Familienbesitzes orientiert ist.

Dass die Klägerin (hinsichtlich der Immobilien) nicht befreite Vorerbin und die Beklagten Nacherben sind, ist hingegen in dem Testament nicht ansatzweise angedeutet.

Zwar kann wegen der engen Nachbarschaft zwischen der Stellung eines Vorerben und der eines Nießbrauchers oft unsicher sein, ob Vorerbschaft angeordnet worden ist oder Nießbrauch an der Erbschaft eingeräumt werden sollte.

Das Gesetz selbst liefert hierfür keine Vorrang- oder Zweifelsregelung.

Die Abgrenzung kann nicht allein anhand der vom Erblasser verwandten Terminologie vorgenommen werden; dies kann nur eines von mehreren Auslegungskriterien sein.

Gleichwohl müssen bei einer bestimmten Wortwahl des Erblassers zusätzliche Umstände vorliegen, die auf ein abweichendes Verständnis von verwendeten Rechtsbegriffen schließen lassen (MüKo/Lieder, BGB, 8. Aufl. § 2100 Rn. 20). Allein in der Zuwendung des Nießbrauchs liegt aber keine Einsetzung zum Vorerben.

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Soweit dem Nießbraucher dagegen auch die Verfügungsbefugnis über den Nachlass zugewendet worden ist, hat er praktisch die Stellung eines Vorerben, weshalb die letztwillige Verfügung von der Rechtsprechung hier häufig als Anordnung von Vor- und Nacherbschaft ausgelegt worden ist (MüKo/Lieder, a. a. O., § 2100 Rn. 21).

Hier hat die Klägerin aber nur den Nießbrauch an dem Wohngrundstück und der mit der Windkraftanlage bebauten landwirtschaftlichen Fläche erhalten, also noch nicht einmal den Nießbrauch am gesamten Nachlass und schon gar keine Verfügungsbefugnis über den Nachlass.

Der Passus „Sie können dann bestimmen, wie weiter verfahren wird.“, regelt vielmehr eine Verfügungsbefugnis der Beklagten, die den Hauptbestandteil des Nachlasses – die Immobilien – erhalten sollten.

Dass dies erst nach einer Vorerbschaft durch die Ehefrau erfolgen sollte, lässt sich dem Testament nicht – auch nicht sinngemäß – entnehmen, zumal die am 07.11.1941 geborene Beklagte zu 1 deutlich älter ist als die am 26.12.1956 geborene Ehefrau des Erblassers. Es liegt somit kein erkennbarer Erblasserwille vor, wonach zwei Personen nacheinander Erben werden sollten.

Im Ergebnis geht also der Senat, ebenso wie das Landgericht auch im hiesigen Verfahren von einer Erbenstellung der Beklagten aus.

2.

Als Ausgleich kann die Klägerin die Hälfte der von ihr auf die gesamtschuldnerische Verpflichtung geleisteten Zahlungen verlangen (§ 426 Abs. 1 BGB).

Es ist zutreffend, dass die Beklagte die erstinstanzlich behaupteten Zahlungen bestritten hat. Die Beklagte hat nach einem entsprechenden Hinweis des Senats im Laufe des Berufungsverfahren im Schriftsatz vom 25.10.2021 näher zu den geleisteten Zahlungen vorgetragen und Kontoauszüge eingereicht.

Die in diesem Schriftsatz vorgetragenen Zahlungen haben die Beklagte daraufhin unstreitig gestellt. Diese im Schriftsatz vom 25.10.2021 für die einzelnen Monate aufgelisteten Zahlungen ergeben in der Summe einen Betrag von 18.873,04 €.

OLG Brandenburg 3 U 5/21

Die Hälfte davon ergibt einen Betrag in Höhe von 9.436,52 €.

Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht nicht. Weitere Zahlungen hat die Beklagte trotz gerichtlichen Hinweises nicht substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 ZPO,

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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