OLG Brandenburg 3 W 80/22

März 24, 2023

OLG Brandenburg 3 W 80/22, 25.10.2022, Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, Testamentsvollstreckung,

Tenor OLG Brandenburg 3 W 80/22


1.

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 31.12.2020 – / VI 463/16 – im Kostenausspruch wie folgt geändert und neu gefasst:

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller S… H… H… und H… A… die für die Beantragung der Erteilung eines Erbscheins angefallenen Gerichtskosten als Gesamtschuldner.

Von ihren außergerichtlichen Aufwendungen für ihren Verfahrensbevollmächtigten tragen sie die Verfahrensgebühr (RVG VV Nr. 3100) und die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (RVG VV Nr. 7002) selbst.

Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens der Beteiligten K… S… auferlegt.

2.

Gerichtsgebühren werden für die Beschwerdeinstanz nicht erhoben. Kosten sind nicht zu erstatten.

3.

Gegenstandswert der Beschwerdeinstanz: bis zu 6.000,00 €

Gründe


I. OLG Brandenburg 3 W 80/22

Die Beschwerdegegner stellten über ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 21.9.2016 den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, nachdem sie jeweils zur Hälfte Erben der Erblasserin sind. Wegen der im Testament angeordneten Testamentsvollstreckung beantragten sie den Zusatz aufzunehmen, dass Testamentsvollstreckung angeordnet ist.

Das Nachlassgericht erteilte den beantragten Erbschein am 13.3.2017. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdegegner teilte dem Nachlassgericht mit Schriftsatz vom 7.9.2017 mit, dass die Testamentsvollstreckung beendet sei und beantragte einen entsprechenden gemeinschaftlichen Erbschein ohne die Anordnung der Testamentsvollstreckung zu erteilen.

Denselben Antrag stellten die Beschwerdegegner persönlich mit Schreiben vom 16.10.2017. Mit Beschluss vom 23.10.2017 zog das Nachlassgericht den erteilten Erbschein ein, weil sich die darin angeordnete Testamentsvollstreckung erledigt hatte.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 24.11.2017 beantragte die Beschwerdeführerin den Erbschein zugunsten der Beschwerdegegner als unrichtig einzuziehen.

Mit Schreiben vom 3.1.2018 beantragten die Beschwerdegegner die Testamentsanfechtung als unbegründet zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 12.1.2018 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdegegner an, dass er sie vertrete.

Mit Schriftsatz vom 9.3.2018 wiederholte der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdegegner den Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins ohne die Anordnung der Testamentsvollstreckung.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin übersandte mit Schriftsatz vom 6.4.2018 den notariell beurkundeten Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Erbscheins als alleinige Erbin.

Das Nachlassgericht hörte die Beteiligten im Termin am 15.1.2020 an und erhob Beweis durch Vernehmung eines Zeugen.

Mit Beschluss vom 31.12.2020 stellte das Nachlassgericht fest, dass die zur Begründung des Antrags der Beschwerdegegner erforderlichen Tatsachen vorliegen und wies den Antrag der Beschwerdeführerin zurück.

Die für die Beantragung der Erteilung des Erbscheins angefallenen Gerichtskosten legte das Nachlassgericht dem Beschwerdegegnern auf. Die übrigen Kosten legte das Nachlassgericht der Beschwerdeführerin auf.

Gegen diesen Beschluss, der dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 18.1.2021 zugestellt worden ist, legte dieser für die Beschwerdeführerin am 11.2.2021 Beschwerde ein.

Nachdem das Landgericht Frankfurt (Oder) in dem streitigen Zivilverfahren der Beteiligten festgestellt hat, dass die Beschwerdegegner Erben zu jeweils 1/2 der Erblasserin sind, beschränkt die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde auf den Kostenausspruch.

Sie rügt, dass das Nachlassgericht sein Ermessen gemäß § 81 Abs. 1 FamFG fehlerhaft ausgeübt habe, weil es allein das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen zum Maßstab genommen hat.

Die Beschwerdeführerin hat beantragt, alle übrigen Kosten (außer den Kosten für die Beantragung des Erbscheins) gegeneinander aufzuheben.

Die Beschwerdegegner haben beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie meinen, dass der Beschwerdeführerin die Kosten im Übrigen aufzuerlegen seien, weil sämtliche Ihrer Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Testaments von vornherein jeglicher Grundlage entbehrt hätten.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 15.6.2022 der Beschwerde unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. OLG Brandenburg 3 W 80/22

Die Beschwerde ist zulässig (§ 58 ff FamFG). Sie ist zum Teil auch begründet.

Grundlage der Kostenentscheidung des Nachlassgerichts des § 81 FamFG. Danach sind die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu verteilen.

Das Nachlassgericht hat zutreffend die Gerichtskosten für die Beantragung des den Beschwerdegegnern erteilten Erbscheins diesen auferlegt. In Streit steht die Kostenentscheidung, soweit mit ihr der Beschwerdeführerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegner auferlegt sind.

Ob die erstinstanzliche Kostenentscheidung durch das Beschwerdegericht nur auf etwaige Ermessensfehler in Form eines Ermessens nicht Gebrauchs, eines Ermessensfehlgebrauchs oder eine Ermessensüberschreitung überprüft werden kann oder, ob das Beschwerdegericht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts setzen kann, ist streitig

(vgl. z.B. OLG Düsseldorf FG Prax 2019,272 – nur Prüfung des Ermessensfehlgebrauchs; OLG Stuttgart FG Prax 2019,329 m. W. N. – volle Überprüfbarkeit).

OLG Brandenburg 3 W 80/22

Der Senat kann die Frage für die zu treffende Entscheidung dahinstehen lassen. Denn jedenfalls liegt ein Ermessensfehlgebrauch bei der Kostenentscheidung durch das Nachlassgericht vor.

Gemäß § 81 Abs. 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens, zu denen gem. § 80 FamFG die Gerichtskosten und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten gehören, nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen.

Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist (§ 81 Abs. 1 S. 2 FamFG). In § 81 Abs. 2 FamFG hat der Gesetzgeber verschiedene Tatbestände geregelt, die vorsehen, dass das Gericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen soll.

Dies ist etwa der Fall, wenn der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste (§ 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG).

Insbesondere für den Fall eines streitig geführten Erbscheinsverfahrens mit widerstreitenden Erbscheinsanträgen – wie hier – war umstritten, ob dem Maß des Obsiegens und Unterliegens im Rahmen der Billigkeitsentscheidung gem. § 81 Abs. 1 FamFG ein besonderes Gewicht zukommt (vgl. zum Meinungsstand BGH NJW-RR 2016, 200 m.w.N.).

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH stellt das Maß des Obsiegens oder Unterliegens im Rahmen der Kostenentscheidung jedoch lediglich einen von mehreren Gesichtspunkten dar,

der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs.1 FamFG eingestellt werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2014, 898).

OLG Brandenburg 3 W 80/22

Insbesondere lässt sich weder dem Wortlaut des § 81 Abs, 1 S. 1 FamFG noch der Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. BT-Drs. 16/6308, 411)

ein Regel-Ausnahme-Verhältnis des Inhalts entnehmen, dass die Kostenverteilung regelmäßig nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens zu erfolgen hätte,

noch umgekehrt, dass, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, es auf den Erfolg nicht ankommt (BGH NJW-RR 2016, 200).

Es sind daher stets sämtliche in Betracht kommende Umstände durch das Gericht in seine Ermessensentscheidung einzubeziehen.

Die Ermessensentscheidung des Nachlassgerichts ist fehlerhaft, weil es allein auf den Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens abgestellt hat.

Im Rahmen der deshalb jedenfalls vom Senat selbst vorzunehmenden Gesamtabwägung entspricht es unter Berücksichtigung der maßgebenden Kriterien billigem Ermessen,

dass die Beschwerdegegner ihre außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst tragen, soweit sie nicht durch ein Verhalten der Beschwerdeführerin verursacht sind.

OLG Brandenburg 3 W 80/22

Die in erster Instanz angefallene Verfahrensgebühr (RVG VV Nr. 3100) und die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (RVG VV Nr. 7002) sind durch die Stellung des Antrags auf Erteilung eines Erbscheins

ohne den Vermerk der Zwangsvollstreckung durch den Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 7.9.2017 angefallen, bevor der Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 24.11.2017 die Einziehung des Erbscheins zugunsten der Beschwerdegegner anregte.

Hinsichtlich der übrigen Kosten sieht es der Senat als angemessen an, sie der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

Neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens ist bei der Ermessensentscheidung auch die Art der Verfahrensführung zu berücksichtigen

(BGH NJW-RR 2016,200).

Hier war deshalb einzubeziehen, dass der Vortrag der Beschwerdeführerin nahezu nur auf Spekulationen und Behauptungen ins Blaue beruhte.

Das Landgericht hat dies in seinem Urteil vom 21.10.2021 zutreffend ausgeführt und deshalb ebenfalls zutreffend keine Veranlassung gesehen, über die einzelnen Behauptungen der Beschwerdeführerin Beweis zu erheben.

Aus diesem Grund hat die Beschwerdeführerin die weiteren Kosten der ersten Instanz zu tragen, soweit sie nicht schon vor ihrer Beteiligung den dem Verfahren angefallen waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81, 80 FamFG.

Wegen des teilweisen Obsiegens der Beschwerdeführerin sieht der Senat es als angemessen an, für die Beschwerdeinstanz keine Gerichtskosten zu erheben und von einer Kostenerstattung unter den Beteiligten abzusehen.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf den voraussichtlich insgesamt entstandenen Auslagen der Beschwerdegegner für ihren Verfahrensbevollmächtigten anhand der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 S. 3 RVG in der zum Zeitpunkt der Beauftragung geltenden Fassung.

OLG Brandenburg 3 W 80/22

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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