OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2018 – I-7 U 34/17 Ausstattungen, Zuschüsse, Einkünfte i.S.d. § 2050 BGB

Dezember 6, 2018

OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2018 – I-7 U 34/17
Ausstattungen, Zuschüsse, Einkünfte i.S.d. § 2050 BGB
1. 1.
Überlassen Grundstückseigentümer oder Nießbrauchsberechtigte ihrem Kind nach Abschluss der Ausbildung zum Heilpraktiker unentgeltlich Räume zum Betrieb einer Praxis und den zur Herrichtung der Räume erforderlichen Geldbetrag, kann es sich um Ausstattungen i.S.v. §§ 2050 Abs. 1, 1624 Abs. 1 BGB handeln.
2. 2.
Überlassen Grundstückseigentümer oder Nießbrauchsberechtigte ihrem Kind für einen unbegrenzten Zeitraum unentgeltlich Räume zur Nutzung als Wohnung, liegt darin kein Zuschuss zur Verwendung als Einkünfte i.S.v. § 2050 Abs. 2 BGB.
3. 3.
Veranlassen Grundstückseigentümer oder Nießbrauchsberechtigte ihre Mieter, fortlaufend die geschuldete Miete an ihr Kind zu zahlen, kann es sich um Zuschüsse zur Verwendung als Einkünfte i.S.v. § 2050 Abs. 2 BGB handeln.
(LG Duisburg, Urt. v. 09.02.2017 – 4 O 275/13)
Aus den Gründen:
Die Parteien sind als gewillkürte Erben auf dasjenige als Erben eingesetzt, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden, § 2052 BGB. Nach §§ 2052, 2050 BGB hat der Beklagte die Zuwendungen der Erblasserin in der Höhe auszugleichen, wie sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge als Ausstattung oder als sonstiger Zuschuss zur Ausgleichung zu bringen wären. Dabei ist von einem erweiterten Erblasserbegriff auszugehen. Auch wenn die Zuwendungen nicht von der Mutter, der eigentlichen Erblasserin, sondern ganz oder z.T. von dem Vater der Parteien stammten, gelten sie i.S.d. § 2050 BGB als vom Erblasser geleistet. Grund dafür ist, dass die Ehegatten durch ein Berliner Testament verbunden waren und die Abkömmlinge wie nach gesetzlicher Erbfolge erben (Damrau/Tanck/Bothe, Erbrecht, 3. Aufl., § 2050 Rn. 36). Deshalb ist auch der vorverstorbene Ehegatte als Erblasser im Sinne der Ausgleichsvorschriften anzusehen.
Das LG hat Zuwendungen an den Beklagten i.H.v. 18.301,45 € für die Einrichtung seiner Heilpraktikerpraxis zu Recht als ausgleichungspflichtig angesehen. Dabei handelt es sich um eine ausgleichungspflichtige Ausstattung des Beklagten gem. § 2050 Abs. 1 BGB. Was als ausgleichungspflichtige Ausstattung i.S.d. § 2050 Abs. 1 BGB zu verstehen ist, wird in § 1624 Abs. 1 BGB definiert. Dies ist – im Lichte des § 2050 Abs. 1 BGB gelesen – dasjenige, was einem Abkömmling mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung von dem Erblasser zugewandt wird. Dabei ist die Ausstattung eine von der Schenkung zu unterscheidende Art der unentgeltlichen Zuwendung mit einer causa sui generis (OLG Karlsruhe, ZEV 2011, 531 f.). Ob eine solche Ausstattung gegeben ist und einer der genannten Ausstattungszwecke mit der Zuwendung verfolgt wird, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Hier ergibt die Auslegung, dass dem Beklagten 26.000 DM (vom LG gem. § 2055 BGB und von den Parteien unbeanstandet indexiert auf 18.301,45 €) zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung, nämlich als Zuwendung zur Einrichtung seiner Heilpraktikerpraxis, zugewendet worden sind.
Dem Beklagten sind von dem Vater der Parteien insgesamt 26.000 DM überwiesen worden, von denen er den Großteil dafür verwendet hat, die Räume, in denen er später seine Praxis eröffnet hat, in irgendeiner Weise „herzurichten“. Bei dieser Zahlung des Vaters an den Beklagten handelt es sich um Leistungen an den bislang noch nicht berufstätigen Beklagten, die ihm zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung von dem Erblasser zugewandt worden sind. Es ist unstreitig geworden, dass der Beklagte das überwiesene Geld in das Ladenlokal in dem damals den Eltern der Parteien gehörenden Haus zur dortigen Einrichtung einer Heilpraktikerpraxis investiert hat und nicht für sonstige Ausgaben – wie etwa für eine Urlaubsreise oder für den Lebensunterhalt – verwendet hat. Soweit der Beklagte moniert, dass die Zahlungen des Vaters zum Großteil nichts mit der Einrichtung der Praxis zu tun gehabt hätten, sondern damit, zunächst einmal die Räume überhaupt so herzurichten, dass dort irgendetwas betrieben werden konnte, ist sein Vortrag unerheblich. Das Geld des Vaters ist unstreitig dem Mobiliar der Praxis und nach den Behauptungen des Beklagten nicht nur dem Mobiliar, sondern überwiegend den Räumen zu Gute gekommen, die der Beklagte später für seine Praxis genutzt hat. Was die Eltern mit den – nach den Behauptungen des Beklagten stark renovierungsbedürftigen – Räumen gemacht hätten, wenn er sie nicht übernommen hätte, ist ohne Belang. Ob die Eltern die Räume dann, um Investitionen zu vermeiden, hätten leer stehen lassen, oder ob die Eltern, wenn sie die Räume fremdvermietet hätten, ebenfalls erhebliches Geld für Renovierungsaufwendungen in die Hand genommen hätten, ist rein spekulativ. Wird die Behauptung des Beklagten als wahr unterstellt, dass ein erheblicher Renovierungsstau bestanden hat, wäre den Eltern eine Absprache mit einem Fremdmieter über eine Renovierung auf dessen eigene Kosten möglich gewesen; ebenso eine Überlassung der Räume an einen Fremdmieter zu einem geringeren Mietzins als üblich. Es hätte auch erneut ein Friseur als Mieter ausgesucht werden können, der zur Herrichtung der Räume jedenfalls einen geringeren Renovierungsaufwand gehabt hätte als ein Heilpraktiker.
Das LG hat ferner zu Recht festgestellt, dass der Beklagte die unentgeltliche Nutzung der Praxisräume mit einem Betrag von 64.678,81 € im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses der Erblasserin gem. §§ 2050, 2052 BGB auszugleichen hat. Nach überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, kann eine Ausstattung nach § 2050 Abs. 1 BGB auch in der Einräumung von Nutzungsrechten, insbesondere an einem Grundstück gesehen werden, etwa in der Form des Gewährens freien Wohnens oder eben wie hier der unentgeltlichen Nutzung von Praxisräumen (Staudinger/Hilbig-Lugani (2015) BGB, § 1624, Rn. 10; RG, Recht 1906 Nr. 2634; LG Mannheim, NJW 1970, 2111 [LG Mannheim 18.03.1970 – 5 S 139/69]). Dabei liegt die Zuwendung, anders als das LG und die Kläger meinen, nicht in dem wiederkehrenden monatlichen Erlass einer etwaigen Miete, sondern in der einmaligen und unbefristeten Einräumung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts an den Praxisräumen, so dass es auf die Frage, ob § 2050 Abs. 2 BGB gegenüber § 2050 Abs. 1 BGB bei wiederkehrenden Leistungen eine Art Spezialregelung darstellt (vgl. RGZ 79, 267; Palandt/Weidlich, BGB, 77. Aufl., § 2050, Rn. 8), nicht ankommt. Dass dem Grunde nach nicht auf wiederkehrende Leistungen abgestellt werden kann, ergibt sich daraus, dass der Wille der Eltern, dem Beklagten die Praxisräume zu überlassen, nicht monatlich wiederkehrend neu und auch nicht auf der Basis eines Mietvertrages getroffen worden ist, sondern auf die einmalige Zuwendung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts an den Beklagten ausgerichtet war, das sich über einen von vornherein nicht begrenzten Zeitraum erstreckte. Damit kommt es auf die Frage eines Übermaßes, die sich erst bei Zuschüssen und Aufwendungen i.S.d. § 2050 Abs. 2 BGB stellt und vom LG für den Zeitraum nach der Überlassung nach Ablauf von drei Jahren bejaht worden ist, nicht an.
Der Beklagte hat nicht das unentgeltliche Nutzungsrecht an seiner Wohnung auszugleichen. Es ist bereits mehr als fraglich, ob dabei von einer Zuwendung i.S.d. § 2050 Abs. 2, 1. Alt. BGB ausgegangen werden kann. § 2050 Abs. 2, 1. Alt. BGB behandelt Zuschüsse, die zu dem Zweck gegeben worden sind, als Einkünfte verwendet zu werden. Als Beispiel wird Unterhalt während eines Vorbereitungsdienstes genannt (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2050, Rn. 8). Unter derartige Zuschüsse fallen eigene Nutzungsrechte nicht, da sie schon keine positiven Einkünfte darstellen. Bereits der Wortlaut der Norm könnte zudem vorgeben, dass sich sein Anwendungsbereich lediglich auf Geldleistungen bezieht (so ausdrücklich Damrau/Tanck/Bothe, a.a.O., § 2050 Rn. 25 a.A. juris PK-BGB/Schermann, 8. Aufl., § 2050 Rn. 51; Erker/Oppelt in Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 4. Aufl., § 26 Rn. 74). Eine Geldzuwendung ist hier nicht gegeben. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Wollte man die genannte Norm auch über Geldzuwendungen hinaus anwenden, liegt die Zuwendung nicht, wie das LG angenommen hat, in einer wiederkehrenden Leistung, sondern in der von vorn herein nicht befristeten einmaligen Einräumung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts an der Wohnung. Auch aus diesem Grunde ist der Anwendungsbereich des § 2050 Abs. 2 BGB 1. Alt., der Zuschüsse in der Form laufender Einkünfte wie Unterhalt betrifft, nicht eröffnet. Deshalb kommt es auf die vom LG bejahte Frage, ob ein Übermaß vorliegt, nicht an.
Die Berufung der Kläger ist jedoch begründet, soweit dem Beklagten Mieteinnahmen durch Mietzahlung fremder Mieter zugeflossen sind. Bei diesen Zuwendungen handelt es sich um Zuwendungen gem. § 2050 Abs. 2 BGB 1. Alt. Es liegen Geldzahlungen vor, die wirtschaftlich den Eltern zuzurechnen sind, und die als wiederkehrende Leistung an den Beklagten ausgelegt waren. Die von den jeweiligen Mietern der Eltern gezahlten und nach dem Eigentumserwerb des Beklagten aufgrund des Nießbrauchrechts der Erblasserin zustehenden Mieten flossen dem Beklagten durch die wirtschaftliche Zuwendung der Eltern unmittelbar monatlich zu und konnten zur Deckung seines Lebensbedarfs verwendet werden. Es handelte sich um Geldzuwendungen zur Verwendung als Einkünfte wie ein Unterhalt.
Mit dem LG ist zudem davon auszugehen, dass diese Zuwendungen jedenfalls ab 1994/1995 übermäßig waren. Auch angesichts des erheblichen Immobilien- und sonstigen Vermögens der Eltern können diese Zuwendungen nicht mehr als angemessen angesehen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eltern dem Beklagten bereits eine Praxis zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung eingerichtet hatten. Darüber hinaus hatten sie ihm unentgeltliche Nutzungsrechte für die Praxisräume sowie für seine eigene Wohnung übertragen. Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte durch die Ausstattung der Eltern als ausgebildeter Heilpraktiker eine selbständige Lebensstellung erzielen konnte, war es auch angesichts der guten Vermögensstellung der Eltern übermäßig, ihm zusätzlich noch Mietzahlungen fremder Mieter als Zuwendungen zur Verwendung als Einkünfte zu überlassen.
Die Ausgleichungspflicht des Beklagten ist – anders als das LG meint – nicht durch die Erblasserin wirksam ausgeschlossen worden. Eine wirksame Bestimmung der Mutter, dass diese Zuwendung nicht anzurechnen sei, ist nicht gegeben. Der Zusatz zu der handschriftlichen Erklärung vom 12.10.2003 ist – wenn man ihn inhaltlich überhaupt zugunsten des Beklagten auslegen wollte, was bereits sehr zweifelhaft ist – nicht wirksam. Mit dem Zusatz hat die Erblasserin, wenn sie damit inhaltlich die Ausgleichungspflicht des Beklagten beseitigen wollte, gegen ihre Bindung aus dem Berliner Testament verstoßen. Wenn in dem Text nach Auslegung ein evtl. Vorausvermächtnis zugunsten des Beklagten zu sehen wäre (vgl. dazu BeckOK-BGB/Lohmann, 43. Edition, § 2050 Rn. 10), wäre dieser Passus gem. §§ 2270 Abs. 2, 2271 Abs. 2 BGB unwirksam, weil ihm die Bindungswirkung der Erbeinsetzung der Parteien zu gleichen Teilen entgegenstünde.

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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