OLG Frankfurt am Main 8 U 99/18 – Vorerbe

September 18, 2022

OLG Frankfurt am Main 8 U 99/18 – Vorerbe

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Kernaussage: Vor- und Nacherben haben die Möglichkeit, ihre erbrechtlichen Beziehungen vertraglich neu zu gestalten und die Vor- und Nacherbschaft aufzuheben.

Hintergrund:

  • Die Erblasserin verstarb 1971 und setzte in ihrem Testament ihre beiden Töchter als Erben ein, wobei eine Tochter (die Beklagte) Vorerbin eines Teils des Nachlasses wurde und deren Kinder (darunter der Kläger) als Nacherben eingesetzt wurden.
  • 1982 schlossen die Erben einen Erbauseinandersetzungsvertrag, in dem sie die Aufteilung des Nachlasses regelten. Ein Grundstück wurde der Beklagten als Vorerbin mit bestehendem Nacherbenvermerk übertragen.
  • 2016 wurde dieses Grundstück verkauft und der Erlös aufgeteilt.
  • Der Kläger forderte von der Beklagten Sicherheitsleistung für seinen Nacherbenanspruch, da er behauptete, es gebe noch weitere Nachlassgegenstände.
  • Das Landgericht gab der Klage statt, da es die Beklagte nicht als befreite Vorerbin ansah und davon ausging, dass noch weitere Nachlassgegenstände vorhanden seien.
  • Die Beklagte legte Berufung ein und argumentierte, dass sie befreite Vorerbin sei und der Nachlass bereits vollständig auseinandergesetzt worden sei.

OLG Frankfurt am Main 8 U 99/18 – Vorerbe

Entscheidung des OLG Frankfurt:

  • Das OLG gab der Berufung statt und wies die Klage ab.
  • Es stellte fest, dass der Erbauseinandersetzungsvertrag von 1982 eine vollständige Auseinandersetzung des Nachlasses darstellte, mit Ausnahme des Grundstücks, das der Beklagten mit Nacherbenvermerk übertragen wurde.
  • Der Wortlaut des Vertrags und die Entstehungsgeschichte zeigten, dass die Parteien davon ausgingen, dass keine weiteren Nachlassgegenstände vorhanden waren.
  • Die Vor- und Nacherbschaft bezüglich des Grundstücks wurde durch den Verkauf und die Verteilung des Erlöses konkludent beendet.
  • Selbst wenn noch weitere Nachlassgegenstände existieren würden, wäre eine ergänzende Vertragsauslegung nicht möglich, da keine Anhaltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen bezüglich der Verteilung dieser Gegenstände bestehen.
  • Da keine Vor- und Nacherbschaft mehr besteht, ist der Anwendungsbereich des § 2128 BGB (Sicherheitsleistung) nicht eröffnet und die Klage unbegründet.

Fazit:

  • Vor- und Nacherben können ihre erbrechtlichen Beziehungen durch einen Erbauseinandersetzungsvertrag neu regeln und die Vor- und Nacherbschaft aufheben.
  • Ein solcher Vertrag kann auch konkludent durch die Veräußerung und Verteilung des Erlöses eines Nachlassgegenstandes erfolgen.
  • Die Auslegung eines Erbauseinandersetzungsvertrags erfolgt nach den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung, wobei dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte besondere Bedeutung zukommt.
RA und Notar Krau

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