OLG Frankfurt am Main 8 U 99/18

September 18, 2022

OLG Frankfurt am Main 8 U 99/18, Urteil vom 13.08.2019 – Vor- und Nacherben können das zwischen ihnen bestehende Verhältnis vertraglich auflösen

Vor- und Nacherben können das zwischen ihnen bestehende Verhältnis vertraglich auflösen.

Tenor

OLG Frankfurt am Main 8 U 99/18

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Juli 2018 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-21 O 75/18) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe OLG Frankfurt am Main 8 U 99/18

I.

Der Kläger macht Ansprüche auf Sicherheitsleistung nach § 2128 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte ist die Mutter des Klägers.

Am XX.XX.1971 verstarb Frau Vorname1 A (im Folgenden: die Erblasserin). In dem am 18. April 1969 errichteten notariellen Testaments der Erblasserin hieß es u. a. wie folgt:

“Ich habe zwei Töchter, nämlich Vorname2 B, geb. A und Vorname3 C, geb. A [= die Beklagte]. Beide sind verheiratet und haben Nachkommen.

Mein Nachlass soll je zur Hälfte diesen beiden Töchtern bzw. ihren Nachkommen als Erben zufallen und zwar nach folgender Maßgabe:

Falls meine Tochter Vorname2 B, die zur Hälfte meine Erbin wird, den Erbfall nicht erlebt, tritt ihre Tochter Vorname6 B verehelichte H an ihre Stelle.

Ersatzerben für Frau H sind deren Kinder zu gleichen Teilen.

Meine Tochter Vorname3 C [= die Beklagte] erhält als Vorerbin 30 % meines Nachlasses. Die restlichen 20 % meines Nachlasses erben deren beide Kinder Vorname4 [= der Kläger] und Vorname5, und zwar zu gleichen Teilen untereinander.

Diese beiden Kinder sind auch Nacherben ihrer Mutter und gegebenenfalls auch deren Ersatzerben. Die Nacherbfolge tritt mit dem Tod der Vorerbin ein.

Das Vermögen, das meine beiden Enkelkinder, Vorname4 und Vorname5, Geschwister C, von mir erben, soll der Verwaltung ihres Vaters entzogen sein.

Fordert meine Tochter Vorname3 C den Pflichtteil, soll auch ihr die Verwaltung am Erbe ihrer Kinder entzogen werden.

Es ist mein Wunsch, dass die beiden mir gehörigen Grundstücke Stadt1, D-Straße … und E-Straße …, der Nachkommenschaft erhalten bleiben.

Deshalb ordne ich Testamentsvollstreckung an, die bis zum 31. Dezember 1980 dauern soll”.

Wegen der weiteren Einzelheiten des notariellen Testaments wird auf die als Anlage SNP 1 (Bl. 9 ff. d. A.) zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen.

Der am 10. März 1971 ausgestellte gemeinschaftliche Erbschein des Amtsgerichts Stadt1 (Aktenzeichen …) wies als Erben Frau Vorname2 B zu 5/10 (Ziff. 1), die Beklagte zu 3/10 (Ziff. 2), den Kläger zu 1/10 (Ziff. 3a) und Frau Vorname5 C (Ziff. 3b) ebenfalls zu 1/10 aus.

Weiter hieß es in dem gemeinschaftlichen Erbschein u. a.: “Bezüglich des 3/10 Erbanteils der [Beklagten] ist Nacherbfolge angeordnet, die mit dem Tode dieser Vorerbin eintritt.

Nacherben sind zu gleichen Teilen die unter Ziff. 3a und b genannten Miterben”. Für die weiteren Einzelheiten des gemeinschaftlichen Erbscheins wird auf die als Anlage SNP 2 (Bl. 12 d. A.) zu den Akten gereichte Kopie verwiesen.

In dem Nachlassverzeichnis vom 10. September 1971, das die Unterschrift der Schwester der Beklagten und die der Beklagten trägt, sind für die beiden Grundstücke in Stadt1 Einheitswerte in Höhe von DM 52.600,00 (D-Straße …) sowie in Höhe von DM 31.900,00 (E-Straße …) angegeben.

Unter Ziff. 6 (“Guthaben bei Banken, Sparkassen und Postscheckamt, Bargeld”) ist ein Betrag von “rd. DM 247.000,00” eingetragen. Bei Ziff. 7 (“Wertpapiere”) findet sich ein Eintrag in Höhe von “rd. DM 42.980,00”. Für die weiteren Einzelheiten des Nachlassverzeichnisses wird auf die als Anlage SNP 5 (Bl. 21 f. d. A.) zu den Akten gereichte Kopie verwiesen.

In der Erbschaftssteuererklärung der Schwester der Beklagten vom 30. Oktober 1971 ist ein Reinwert des Nachlasses in Höhe von DM 348.316,00 angegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Erbschaftssteuererklärung wird auf die als Anlage SNP 3 (Bl. 13 f. d. A.) zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen.

Am 9. Juli 1982 schlossen die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits sowie Frau Vorname2 B (die Schwester der Beklagten) und Frau Vorname5 C (die Schwester des Klägers) einen notariellen Vertrag, der mit “Erbauseinandersetzungsvertrag” überschrieben ist.

Ziff. 4 dieses notariellen Vertrages lautet: “Die vorgenannten beiden Grundstücke sind die einzigen noch vorhandenen Nachlasswerte der Erblasserin […]. In Ziff. 5 heißt es: “Hinsichtlich der Erbengemeinschaft nach [der Erblasserin] setzen sich die Erschienenen wie folgt auseinander”.

Ziff. 5.1 regelte sodann, dass das Eigentum an dem Grundstück in der E-Straße … in Stadt1 zu 6/10 an die Beklagte, zu 2/10 an den Kläger und zu weiteren 2/10 an dessen Schwester fiel.

Unmittelbar danach heißt es: “Der Nacherbenvermerk bleibt bestehen”.

Nach Ziff. 5.2 fiel das Eigentum an dem zweiten Grundstück an die Schwester der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten des notariellen Vertrages vom 9. Juli 1982 wird auf die zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen (Bl. 263 ff. d. A.).

Das Grundstück in der E-Straße … in Stadt1 wurde am 1. April 2016 an einen Dritten veräußert, wobei sich die Parteien dieses Rechtsstreits hinsichtlich der Verteilung des Verkaufserlöses verständigen konnten.

Mit rechtskräftigem Urteil der … Zivilkammer des Landgerichts Stadt1 vom 31. August 2017 ist die Beklagte verurteilt worden, dem Kläger “ein von einem Notar und unter Zuziehung des Klägers aufgenommenes Verzeichnis vorzulegen, das alle zum Zeitpunkt der Aufnahme des Verzeichnisses zum Nachlass der Erblasserin gehörenden Gegenstände beinhaltet, wobei auch sämtliche Gegenstände anzugeben sind, die nach dem Erbfall im Wege der Surrogation in den Nachlass gefallen sind”.

Mit Schreiben vom 2. November 2017 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zum 9. November 2017 auf, den titulierten Auskunftsanspruch zu erfüllen.

Der Kläger hat behauptet, der Nachlass habe neben den zwei Immobilien auch ein erhebliches Wertpapier- und Barvermögen umfasst. Es sei ein Wertpapiervermögen mit einem Bestand von DM 42.983,00 vorhanden gewesen.

Darüber hinaus sei ein Bank- und Sparguthaben in Höhe von DM 246.768,00 vorhanden gewesen. Die auf den Kläger entfallene Vorerbmasse habe heute einen Wert von mehr als € 100.000,00. Für die Wertpapiere sei ein Wertsteigerungsfaktor von 25,83 anzusetzen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, zugunsten der dem Kläger zustehenden Nacherbschaft an dem Nachlass der am XX.XX.1971 im letzten Wohnsitz in Stadt1 verstorbenen Vorname1 A, geb. F, eine Sicherheitsleistung in Höhe von € 100.000,00 zu erbringen,

2. der Beklagten zur Erbringung der Sicherheitsleistung nach dem Antrag zu 1 eine Frist von zwei Wochen ab dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu setzen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne Sicherheitsleistung nicht an sich alleine fordern, sondern gegebenenfalls nur gemeinsam mit seiner Schwester, Frau Vorname5 G.

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Im Übrigen sei sie als befreite Vorerbin berufen worden. Aus der Formulierung “es ist mein Wunsch, dass die beiden mir gehörigen Grundstücke […] der Nachkommenschaft erhalten bleiben” folge, dass hinsichtlich anderer Vermögensgegenstände befreite Vorerbschaft bestehe.

Darüber hinaus habe sie aus dem Nachlass lediglich bescheidenen Schmuck und Hausrat erhalten, der schon im Jahre 1971 gespendet worden sei.

Der Kläger weigere sich überdies, Zahlungen auf eine übernommene monatliche Rentenverpflichtung von € 500,00 zu leisten. Der Kläger wolle die Beklagte wirtschaftlich ruinieren.

Im Übrigen habe das Nachlassverzeichnis im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung der Beklagten auf Seite 1 lediglich die Einträge zum Immobilienbesitz, nicht indes zu Guthaben, Wertpapieren etc. enthalten.

Das unterschiedliche Schriftbild und die verschobenen Schreibmaschineneinträge zeigten, dass die Einträge auf Seite 1 zeitlich gestaffelt erfolgt seien.

Selbst auf Grundlage des klägerischen Vortrags sei dessen Rechnung jedoch falsch.

Die Erklärung vom 10. September 1971 enthalte Nachlassverbindlichkeiten, die aus der Vorerbschaft zu begleichen gewesen seien.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, zugunsten der dem Kläger zustehenden Nacherbschaft an dem Nachlass der am XX.XX.1971 im letzten Wohnsitz in Stadt1 verstorbenen Vorname1 A, geb. F, eine Sicherheitsleistung in Höhe von € 100.000,00 zu erbringen.

Zur Erbringung der Sicherheitsleistung hat das Landgericht der Beklagten eine Frist von zwei Wochen ab dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils gesetzt.

Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, die Beklagte habe trotz ihrer rechtskräftigen Verurteilung (Urteil der … Zivilkammer vom 31. August 2017) ihre Verpflichtung auf Auskunftserteilung nicht erfüllt.

Die Beklagte sei auch nicht als Vorerbin befreit. Eine Befreiung ergebe sich nicht aus dem letzten Absatz der Seite 2 des Testaments und ebenso wenig aus außerhalb des Testaments liegenden Umständen, soweit diese vorgetragen seien. Denn insoweit sei ein Wille der Erblasserin nicht ersichtlich, die Vorerben von deren Beschränkungen zu befreien.

Der Anspruch bestehe gemäß der klägerischen Berechnung in Höhe von zumindest € 100.000,00. Zwar habe die Beklagte den Steigerungsfaktor von 25,83 bestreiten lassen.

Einen ihrer Auffassung nach zutreffenden Wert habe die Beklagte jedoch nicht vorgetragen.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Landgerichts vom 9. Juli 2018 (Bl. 106 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 11. Juli 2018 (Bl. 115 d. A.) zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem hier am 13. August 2018 – einem Montag – eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt (Bl. 131 f. d. A.).

Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. Oktober 2018 (Bl. 141 d. A.) hat die Beklagte sodann mit Anwaltsschriftsatz vom 10. Oktober 2018, der hier am 11. Oktober 2018 eingegangen ist (Bl. 144 ff. d. A.), die Berufung begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Zur Begründung führt die Beklagte u. a. an, mit Ausnahme des zum Nachlass gehörenden Immobilienbesitzes sei sie als befreite Vorerbin berufen worden.

Sie habe aus dem Nachlass A jedenfalls keine Wertpapiere, keine Bank-, keine Sparkassen- und keine Postbankguthaben erhalten.

Es treffe auch nicht zu, dass die Beklagte die Erfüllung des Urteils des Landgerichts Stadt1 vom 31. August 2017 verweigert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 10. Oktober 2018 (Bl. 144 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juli 2018, Aktenzeichen 2-21 O 75/18, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung des Klägers wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 28. November 2018 (Bl. 184 ff. d. A.) verwiesen.

Die Akten des Landgerichts Stadt1 mit dem Aktenzeichen … sowie die Akten des Amtsgerichts Stadt1 mit dem Aktenzeichen … waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

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Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden.

III.

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.

a. Der Begründetheit der Klage steht bereits entgegen, dass die Parteien nicht mehr als Vor- und Nacherbe miteinander verbunden sind, so dass der Anwendungsbereich des § 2128 BGB nicht eröffnet ist.

Mit dem notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag vom 9. Juli 1982 haben die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits sowie Frau Vorname2 B (die Schwester der Beklagten) und Frau Vorname5 C (die Schwester des Klägers) ihre erbrechtlichen Beziehungen grundlegend umgestaltet.

Eine Vorerben-Nacherben-Stellung bestand nach Abschluss dieses notariellen Vertrages (zunächst) allein noch in Bezug auf das Grundstück in der E-Straße … (vgl. Ziff. 5.1 des Vertrages vom 9. Juli 1982: “Der Nacherbenvermerk bleibt bestehen”).

Für ein derartiges Verständnis des Erbauseinandersetzungsvertrages spricht zunächst der unmissverständliche Wortlaut des notariellen Vertrages.

Bereits die Überschrift des notariellen Vertrages kennzeichnet diesen als “Erbauseinandersetzungsvertrag” – und nicht etwa als Teilerbauseinandersetzungsvertrag o. ä.

Zudem heißt es in Ziff. 5 des notariellen Vertrages: “Hinsichtlich der Erbengemeinschaft nach Vorname1 A geb. F setzen sich die Erschienenen wie folgt auseinander”.

Auch insofern fehlt im Wortlaut jeglicher Anhaltspunkt, dass lediglich eine teilweise – auf die Grundstücke beschränkte -Erbauseinandersetzung beabsichtigt gewesen sein könnte.

Dementsprechend heißt es auch in der unmittelbar zuvor aufgeführten Vertragsklausel (Ziff. 4), dass die “beiden Grundstücke […] die einzigen noch vorhandenen Nachlasswerte [sind]”.

Wenn die Parteien also ausweislich des Wortlautes davon ausgegangen sind, dass die beiden Grundstücke die einzigen noch vorhandenen Nachlasswerte darstellten, handelt es sich bei einem Erbauseinandersetzungsvertrag, der diese Grundstücke zwischen den Erben (zum Teil verbunden mit Ausgleichszahlungen) verteilt, offensichtlich um einen Vertrag, der eine vollständige Erbauseinandersetzung beabsichtigte.

Davon ausgenommen war allein das Grundstück in der E-Straße ….

Dem eindeutig in die Richtung einer vollständigen Erbauseinandersetzung der vier Vertragsparteien weisenden Wortlaut kommt im Streitfall eine besondere Bedeutung zu. Zum einen handelt es sich um einen notariellen Vertrag, dessen Inhalt üblicherweise mit besonderer Sorgfalt und Sachkunde formuliert wird

(vgl. etwa BGH, Urteil vom 17.04.2002 – VIII ZR 297/01 -, NJW 2002, 2310, 2311).

Zum anderen war auch der Kläger bereits zum damaligen Zeitpunkt Volljurist (vgl. die Bezeichnung “Assessor” auf S. 1 des notariellen Vertrages), dem auch damals der Unterschied zwischen einem Erbauseinandersetzungsvertrag und einem Teilerbauseinandersetzungsvertrag bekannt gewesen sein dürfte.

Bei Begriffen, die etwa unter Fachleuten, in einer bestimmten Gegend oder einem bestimmten Verkehrskreis einen besonderen Sinn haben, ist regelmäßig jene Bedeutung zugrunde zu legen, wenn die Umstände erkennen lassen, dass sich die Beteiligten als Angehörige der entsprechenden Sondergruppe erklärt und verstanden haben

(vgl. Wendtland, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BGB, Band 1, 4. Aufl. 2019, § 133, Rdnr. 23 f.).

Daher sind juristische Fachausdrücke in aller Regel im Sinne des einschlägigen, von Wissenschaft und Praxis geprägten Sprachgebrauchs auszulegen, wenn die fragliche Erklärung von einem Volljuristen abgegeben wurde

(vgl. etwa Senat, Urteil vom 26.02.2016 – 8 U 218/14 -, juris;

LG Berlin, Urteil vom 17.11.2004 – 28 O 59/04, NJW 2005, 993, 994;

Singer, in: Staudinger, BGB, 2017, § 133, Rdnr. 46;

Längsfeld/Lürken, WM 2019, 999, 1004).

Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand des Klägers, der Begriff der Erbauseinandersetzung erfasse “das vorliegend allein maßgebliche Vor- und Nacherbverhältnis nicht”, “da der Nacherbe […] gerade kein Erbe” sei, “bis der Nacherbfall” eintrete (s. S. 2 des Anwaltsschriftsatzes vom 19. Juni 2019, Bl. 294 d. A.), ist nicht stichhaltig.

Der Kläger verkennt, dass Vorerbe und Nacherbe beide Erben desselben Erblassers und derselben Erbschaft sind und einander nur zeitlich nachfolgen. Der Nacherbe leitet sein Recht daher in gleicher Weise wie der Vorerbe unmittelbar vom Erblasser als dessen Erbe und Rechtsnachfolger ab und nicht vom Vorerben.

Folglich haben beide nacheinander ein ungeteiltes Erbrecht

(vgl. etwa BGH, Urteil vom 10.11.1965 – IV ZR 235/64 -, juris;

Brox/Walker, Erbrecht, 23. Aufl. 2009, Rdnr. 343).

Daher können sich auch Vor- und Nacherben auseinandersetzen

(vgl. etwa BGH, Urteil vom 13.10.2000 – V ZR 451/98 -, NJW-RR 2001, 217, 218).

Auch die Entstehungsgeschichte des notariellen Vertrages aus dem Jahre 1982 spricht dafür, dass damit eine vollständige Erbauseinandersetzung beabsichtigt war, die allein in Bezug auf das Grundstück in der E-Straße … eine Sonderregelung vorsah.

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So ist in dem notariellen Vertrag durchweg von Erbauseinandersetzung o. ä. und nicht etwa von einer Teilerbauseinandersetzung die Rede, etwa in den Schreiben der Beklagten vom 23. November 1980

(Anlage SNP 14, Bl. 241 d. A.: “Vorschlag einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft”; “anstehende Erbauseinandersetzung”; “Auseinandersetzungsverhandlungen”)

und vom 14. Oktober 1980

(Anlage SNP 15, Bl. 242 d. A.: “eine Erbauseinandersetzung”; “Deine Wünsche bzw. Vorschläge bezügl. der Erbauseinandersetzung”),

in dem Schreiben des Rechtsanwalts von Frau Vorname2 B – der Schwester der Beklagten – vom 5. Mai 1981 (Anlage SNP 16, Bl. 243 d. A.:

“Meine Mandantin möchte daher die Erbengemeinschaft nicht fortsetzen und ist daran interessiert, daß die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt wird”; “[…] wenn die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Wege der Realteilung erfolgt”),

in ihrer Vollmacht vom 5. Mai 1981 (Bl. 245 d. A.: “[…] meine Ansprüche wegen/aus Erbauseinandersetzung gegen C […]”),

in dem Schreiben des Klägers vom 18. Mai 1981, das er “in eigener Sache und namens und in Vollmacht” seiner Schwester sowie der Beklagten formulierte (Anlage SNP 17, Bl. 246 f. d. A.: “Ich stimme grundsätzlich einer Erbauseinandersetzung zu”; “[…] auf der Grundlage des auf diese Weise festgestellten Wertes die Erbauseinandersetzung zu betreiben […]”, “[…] im Interesse eines zügigen Auseinandersetzungsverfahrens […]”),

in der durch die Beklagte und die Schwester des Klägers diesem am 18. Mai 1981 ausgestellten Vollmacht (Bl. 249 d. A.: “[Dem Kläger] wird hiermit Vollmacht erteilt, unsere Rechte bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft C/B umfassend wahrzunehmen”),

in dem Schreiben des Klägers vom 31. Dezember 1981 (Anlage SNP 18, Bl. 250 f. d. A.: “die Verhandlungen über die Erbauseinandersetzung”, “als Stichtag der Erbauseinandersetzung”)

sowie in dem Schreiben des Klägers vom 13. Februar 1982 (Anlage SNP 19, Bl. 252 f. d. A.: “[…] als Grundlage einer Erbauseinandersetzung”; “den Erbauseinandersetzungsvertrag”).

Der Wortlaut des notariellen Vertrages vom 9. Juli 1982 und dessen Entstehungsgeschichte machen somit deutlich, dass damals offenkundig alle Vertragsparteien davon ausgingen, dass der Nachlass nur noch aus den beiden Grundstücken in Stadt1 bestand (vgl. wiederum Ziff. 4 des Vertrages).

Dass auch der Kläger davon ausging, ergibt sich nicht nur aus dem unmissverständlichen Wortlaut des notariellen Vertrages, sondern ist von diesem auch im vorliegenden Rechtsstreit eingeräumt worden (s. S. 9 des Anwaltsschriftsatzes vom 22. März 2019, Bl. 232 d. A.).

Wenn aber der Kläger ebenso wie ausweislich des Wortlauts des notariellen Vertrages vom 9. Juli 1982 alle anderen Vertragsparteien damals davon ausgingen, dass es keine weiteren Nachlasswerte gibt, bestand für eine lediglich auf die Grundstücke bezogene Regelung kein Anlass.

Einer umfassenden Regelung der Vertragsparteien des notariellen Vertrages vom 9. Juli 1982 in dem erläuterten Sinne standen auch keine rechtlichen Hindernisse entgegen.

Es ist von Rechts wegen insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Vertragsparteien die in dem Testament der Erblasserin vom 18. April 1969 getroffenen Anordnungen massiv umgestalteten. Vor- und Nacherben können die Bindungen des Vorerben regelmäßig beseitigen, etwa indem sie sich endgültig über die Nacherbschaft auseinandersetzen, also das zwischen ihnen bestehende Verhältnis vertraglich auflösen

(s. etwa Weidlich, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 2100, Rdnr. 18;

vgl. auch BGH, Urteil vom 13.10.2000 – V ZR 451/98 -, NJW-RR 2001, 217, 218;

BayObLG, Beschluss vom 01.03.2005 – 2Z BR 231/04 -, NJW-RR 2005, 956).

Aus § 2113 BGB und § 2120 BGB ergibt sich, dass der Schutz des Nacherben uneingeschränkt seiner rechtsgeschäftlichen Disposition unterliegt. Denn § 2120 BGB begründet nicht erst eine (auf Verfügungen des Vorerben beschränkte) Rechtsmacht des Nacherben, sie setzt diese vielmehr voraus.

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Auch ein sachlicher Grund, diese Dispositionsbefugnis auf die Zustimmung zu Verfügungen des Vorerben zugunsten eines Dritten zu beschränken, ist nicht erkennbar

(vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 13.05.2016 – I-15 W 594/15 -, MittBayNot 2017, 166).

Dem steht auch nicht das angebliche Erfordernis des Schutzes eines etwaigen Ersatznacherbens entgegen. Das Gesetz sieht den Geltungsgrund für die gestufte Erbfolge und die hiermit verbundene Beschränkung des Vorerben allein in der Anordnung des Erblassers.

Aus dessen Sicht ist der Ersatznacherbe jedoch kein (künftig) Berechtigter, sondern lediglich ein Ersatz für den primär bestimmten Nacherben.

Soweit das Gesetz also im Interesse des Erblasserwillens den Nacherben schützt und ihm aber auch die rechtliche Befugnis zugesteht, sich dieses Schutzes zu begeben, ist hiermit immer nur der aktuelle Nacherbe angesprochen

(vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 13.05.2016 – I-15 W 594/15 -, MittBayNot 2017, 166 m. w. N.).

Auch aus dem Erblasserwillen lässt sich keine Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Nacherben herleiten.

Zum einen hat es der Erblasser bei seiner Nachlassgestaltung durchaus in der Hand, die Position des Ersatzerben stärker auszugestalten, wenn es ihm denn um mehr als die Vorsorge gegen einen möglichen Wegfall des (ersten) Nacherben geht, z. B. indem er den Ersatznacherben zugleich zum bedingten Nach-Nacherben einsetzt.

Zum anderen sieht das Gesetz eine Durchsetzung des Erblasserwillens gegen den übereinstimmenden Willen der Lebenden nicht vor

(vgl. etwa im Einzelnen OLG Hamm, Beschluss vom 13.05.2016 – I-15 W 594/15 -, MittBayNot 2017, 166, 166 f.;

Keim, DNotZ 2003, 822, 830).

Ob eine konsensuale Aufhebung von Vor- und Nacherbschaft dann auf rechtliche Grenzen (etwa das Erfordernis der Zustimmung familienfremder Dritter wie Pfleger und Betreuungsgericht) stößt, wenn der Erblasser etwa “die beim Tod des Vorerben vorhandenen Abkömmlinge” als Nacherben einsetzt (vgl. dazu etwa Weidlich, MittBayNot 2017, 167, 168), kann hier offen bleiben. Im Streitfall stellt sich das Problem unbekannter Nacherben nicht, da die Erblasserin nur bestimmte Personen – nämlich den Kläger und dessen Schwester – zu Nacherben ihrer Mutter (der Beklagten) bestimmt hatte.

Gegen eine konsensuale Aufhebung von Vor- und Nacherbschaft im Streitfall spricht auch nicht etwa die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Stadt1 vom 31. August 2017 in dem Verfahren ….

Nach § 322 Abs. 1 ZPO reicht die Rechtskraft eines Urteils so weit, als über den erhobenen (prozessualen) Anspruch entschieden ist. Sie beschränkt sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt auf die Rechtsfolge, die auf eine Klage oder Widerklage aufgrund eines bestimmten Sachverhalts bei Schluss der mündlichen Verhandlung den Entscheidungssatz bildet.

Einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut, werden dagegen von der Rechtskraft nicht erfasst

(vgl. etwa BGH, Urteil vom 17.02.1983 – III ZR 184/81 -, NJW 1983, 2032).

Damit umfasst die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Stadt1 vom 31. August 2017 lediglich den Ausspruch, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein von einem Notar und unter Zuziehung des Klägers aufgenommenes Verzeichnis vorzulegen, das alle zum Zeitpunkt der Aufnahme des Verzeichnisses zum Nachlass der Erblasserin gehörenden Gegenstände beinhaltet, wobei auch sämtliche Gegenstände anzugeben sind, die nach dem Erbfall im Wege der Surrogation in den Nachlass gefallen sind.

Die Frage, ob die Vor- und Nacherbschaft fortbesteht, ist hingegen eine bloße Vorfrage, die nicht von der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Stadt1 vom 31. August 2017 erfasst ist.

Gegen die Annahme einer vollständigen Erbauseinandersetzung einschließlich einer Auflösung der Vor- und Nacherbschaftsstellung spricht auch nicht der von dem Kläger erhobene Einwand, dass er in dem Vertrag vom 9. Juli 1982 nicht auf ihm damals unbekannte Rechtspositionen habe verzichten wollen (s. etwa S. 8 des Anwaltsschriftsatzes vom 19. Juni 2019, Bl. 300 d. A.).

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Richtig ist, dass selbst bei einer eindeutig erscheinenden Erklärung des Gläubigers ein Erlass- bzw. Verzichtswille nicht angenommen oder auch nur vermutet werden darf, ohne dass sämtliche Begleitumstände, einschließlich eines einschränkenden Verständnisses des Wortlauts der Erklärung berücksichtigt worden sind

(Gebot der interessengerechten Auslegung; vgl. etwa Dennhardt, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BGB, Band 1, 4. Aufl. 2019, § 397, Rdnr. 12 m. w. N.).

Diese Frage muss hier jedoch nicht weiter vertieft werden, da sie allenfalls dann relevant wäre, wenn im Streitfall feststünde, dass bei Abschluss des notariellen Erbauseinandersetzungsvertrages vom 9. Juli 1982 – entgegen der ausdrücklichen Erklärung in diesem Vertrag – doch noch weitere Nachlassgegenstände vorhanden gewesen wären.

Zwar hat der Kläger eine entsprechende Behauptung aufgestellt (vgl. etwa den dritten Absatz auf S. 12 des Anwaltsschriftsatzes vom 22. März 2019, Bl. 235 d. A.; s. dazu die Stellungnahme der Beklagten auf S. 1 des Anwaltsschriftsatzes vom 16. April 2019, Bl. 261 d. A.), jedoch insoweit keinen Beweis angeboten, obwohl dieser Punkt bereits in dem Verfahren … streitig zwischen den Parteien diskutiert worden war

(vgl. etwa S. 2 unten des Anwaltsschriftsatzes des Klägers vom 7. Juli 2017, Bl. 55 der Beiakten …, und S. 3 f. des Anwaltsschriftsatzes der Beklagten vom 12. Juni 2017, Bl. 40 f. der Beiakten …)

und es keineswegs zwingend ist, dass von etwaigen Bankguthaben oder Wertpapieren aus dem Jahre 1971 im Jahre 1982 noch etwas übrig ist (und sei es auch nur in der Form von Surrogaten). Vor diesem Hintergrund bestand im Streitfall keine Veranlassung, den anwaltlich vertretenen Kläger auf den fehlenden Beweisantritt hinzuweisen

(vgl. etwa BGH, Urteil vom 21.04.1954 – VI ZR 43/53 -, Entscheidungsumdruck, S. 8;

Urteil vom 28.04.1966 – III ZR 199/63 -, Entscheidungsumdruck, S. 16;

BGH, Urteil vom 04.03.2008 – KZR 29/06 -, NJW 2008, 2175, 2176;

Urteil vom 18.11.2010 – I ZR 155/09 -, GRUR 2011, 617, 621;

BAG, Urteil vom 25.01.2005 – 9 AZR 258/04 -, NZA 2005, 1130, 1131;

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.05.2015 – 11 U 104/14 -, juris).

Auch eine ergänzende Auslegung des notariellen Vertrages vom 9. Juli 1982 kommt nicht in Betracht. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass der Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzepts der Parteien eine Lücke aufweist, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen

(vgl. etwa BGH, Urteil vom 18.06.2008 – VIII ZR 154/06 -, NJW-RR 2008, 1371, 1372).

Eine derartige Lücke liegt hier aber gerade nicht vor, da nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte – mit Ausnahme des Grundstückes in der E-straße … – eine vollständige Auseinandersetzung erfolgen sollte.

Doch selbst wenn man hier – zu Unrecht – davon ausginge, dass der Vertrag vom 9. Juli 1982 eine Lücke dahingehend aufweise, dass die Vertragsparteien in Bezug auf das Schicksal von etwaigen weiteren Nachlassgegenständen keine Regelung getroffen hätten, wäre eine ergänzende Vertragsauslegung in Bezug auf diese etwaigen weiteren Nachlassgegenstände ausgeschlossen.

Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet nämlich aus, wenn die Regelungslücke in verschiedener Weise geschlossen werden kann und keine hinreichenden Anhaltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen vorhanden sind

(vgl. etwa BGH, Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 397/03 -, NJW-RR 2005, 1619, 1621;

Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 157, Rdnr. 10 m. w. N.).

So liegt es hier. Unterstellte man in Bezug auf das Schicksal von etwaigen weiteren Nachlassgegenständen – zu Unrecht – eine Lücke des notariellen Vertrages, so wäre vollkommen offen, ob die Vertragsparteien ihnen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht präsente (etwaige) weitere Nachlassgegenstände nach dem Verteilungsmodus aus Ziff. 5. 3 und Ziff. 8, nach dem aus Ziff. 5.2 oder nach einem gänzlich anderen Modus (etwa nach Köpfen) verteilt hätten.

Soweit die Vor- und Nacherbschaft nach dem notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag vom 9. Juli 1982 in Bezug auf das Grundstück in der E-Straße … zunächst fortbestand, ist diese im Übrigen jedenfalls dadurch konkludent beendet worden, dass dieses Grundstück im April 2016 an einen Dritten veräußert und der Erlös u. a. zwischen den Parteien verteilt worden ist.

Selbst wenn man dies – zu Unrecht – anders beurteilen wollte, hätte dies für den vorliegenden Rechtsstreit keine Konsequenzen, da der Kläger aus der Verwaltung dieses Grundstücks in der E-Straße … und dem später erzielten Erlös aus der Veräußerung dieses Grundstücks keine Rechte gegenüber der Beklagten geltend macht.

b. Selbst wenn man hier – zu Unrecht – davon ausginge, dass die Parteien einander noch als Vor- und Nacherben verbunden seien, stünde der Beklagten hier jedenfalls ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) zu.

Der Beklagten steht gegen den Kläger aus der “Rentenvereinbarung” vom 31. März 2016 (Bl. 58 d. A.) ein Anspruch auf Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente in Höhe von € 500,00 zu.

Dass diese Vereinbarung gemäß Ziff. 7 in Kraft getreten ist, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Trotz seiner Ankündigung von entsprechenden Zahlungen (s. S. 4 oben des Anwaltsschriftsatzes vom 1. Juni 2018, Bl. 68 d. A.) hat der Kläger diese bislang nicht geleistet.

2. Der Kläger hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.

OLG Frankfurt am Main 8 U 99/18

3. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Sache eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.11.2008 – 1 BvR 2587/06 -, NJW 2009, 572, 573;

Beschluss vom 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07 -, FamRZ 2010, 1235, 1236;

Beschluss vom 29.09.2010 – 1 BvR 2649/06 -, juris; BGH,

Beschluss vom 04.07.2002 – V ZB 16/02, NJW 2002, 3029;

Ball, in: Musielak/Voit (Hrsg.), Kommentar zur ZPO, 16. Aufl. 2019, § 543 ZPO, Rdnr. 5;

Heßler, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 543, Rdnr. 11;

Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.09.2016, § 543, Rdnr. 19).

Klärungsbedürftig sind dabei solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2007 – 1 BvR 650/03, NJW-RR 2008, 26, 29;

Beschluss vom 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235, 1236;

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.09.2013 – 15 U 92/12, ZEV 2013, 674, 677;

Heßler, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 543, Rdnr. 11).

Nach diesen Maßstäben wirft die vorliegende Sache keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Sachverhalts geprägte Einzelfallentscheidung. Die rechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 13.10.2000 – V ZR 451/98 -, NJW-RR 2001, 217, 218) geklärt.

Die Zulassung der Revision ist im vorliegenden Fall auch nicht zur “Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung” (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich.

Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt

(vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZR 75/02 -, NJW 2002, 2295;

Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02 -, NJW 2003, 1943, 1945;

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.10.2013 – 15 U 127/13 -, juris;

Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 543, Rdnr. 4b;

Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.09.2016, § 543, Rdnr. 26).

Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im vorliegenden Fall nicht statt.

OLG Frankfurt am Main 8 U 99/18

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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