OLG Hamm 30 U 82/22

August 26, 2022

OLG Hamm 30 U 82/22,

Beschluss vom 15.07.2022

Tenor

OLG Hamm 30 U 82/22,

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 01.04.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster – 010 O 2/22 – nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe OLG Hamm 30 U 82/22,

Die zulässige Berufung der Klägerin hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

I.

Die Parteien streiten über die Beendigung eines gewerblichen Mietverhältnisses.

Unter dem 26.01./05.02.2016 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über eine Ladenfläche im EG2 im noch zu errichtenden Einkaufszentrum “A” ab (Anl. K1, Bl. 37 ff. eA-LG).

§ 3.1 des Mietvertrages sieht vor, dass das Mietverhältnis am Übergabetag beginnen und eine Laufzeit von 10 Jahren haben sollte. Zudem ist in § 5.2.1 eine Umsatzmiete vereinbart, die 4 % des Jahresumsatzes entspricht, wobei gemäß § 5.1.1 monatlich jedoch wenigstens eine Mindestmiete i.H.v. 3.198 € netto zu zahlen ist und zusätzlich Nebenkostenvorauszahlungen zu entrichten sind. § 11 bestimmt darüber hinaus eine Betriebspflicht des Mieters, wonach das Geschäftslokal im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen und behördlichen Regelungen über die Ladenschlusszeiten an allen Verkaufstagen so lange offen zu halten ist, wie die überwiegende Anzahl aller Ladenmieter ihr Geschäft offen hält.

Zeitweise Schließungen sind hiernach grundsätzlich ohne Zustimmung des Vermieters unzulässig .Vereinbart ist ferner, dass ein Verstoß gegen die Betriebspflicht den Vermieter zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt sowie eine Vertragsstrafe begründet. Beigefügt waren dem Mietvertrag die Anlagen B1 bis B7.

Ziff. 3.1 der Anlage B 6 sieht u.a. folgende Regelung vor:

“Abweichend von den Regelungen in Abs. 1 hat der Mieter das Recht, das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen einmalig zum Ablauf des 31.08.2021 mit einer Frist von 6 (sechs) Monaten zu kündigen, sofern der in der Geschäftseinheit erzielte Gesamtumsatz in dem Kalenderjahr 2020 gemäß der vom Mieter dem Vermieter vorgelegten testierten Umsatzmeldung weniger als 600.000,00 netto beträgt”.

Darüber hinaus vereinbarten die Parteien in dieser Anlage eine monatliche Mindestmiete ab dem 3. Mietjahr i.H.v. 3.444 € und ab dem 5. Mietjahr i.H.v. 3.690 €. Zudem trafen sie eine zu § 22 des Mietvertrages ergänzende Regelung im Falle von Betriebsunterbrechungen.

Hinsichtlich der weiteren Vereinbarungen wird auf den Mietvertrag vom 26.01./05.02.2016 nebst Anlagen Bezug genommen.

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Im Folgenden schlossen die Parteien unter dem 29.03./05.04.2016 einen ersten Nachtrag zum Mietvertrag, sowie unter dem 05.09./07.09.2017 einen weiteren Nachtrag, in dem als Übergabetag der 29.08.2016 und ein Mietzeitende mit Ablauf des 30.09.2026 bestimmt wurde.

Im Jahr 2017 erzielte die Beklagte in dem Geschäftslokal einen Umsatz i.H.v. 800.849 €, im Jahr 2018 i.H.v. 774.564 € und im Jahr 2019 erreichte sie einen Umsatz i.H.v. 782.577 €.

Aufgrund der mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden behördlichen Anordnungen musste die Beklagte ihren Betrieb in der Zeit vom 18.03. bis zum 19.04.2020 sowie ab dem 16.12.2020 schließen.

Unter dem 25.03.2020 wandte sich die Verwalterin der Klägerin an die Beklagte und bot die Stundung der Miete für April 2020, alternativ die Reduzierung der Miete um 50 %, an (Anl. B1, Bl. 210 eA-LG). Die Beklagte bat die Klägerin mit Schreiben vom 31.03.2020 (Anl. K5, Bl. 287 eA-LG) um Verständnis dafür, dass die Miete vorerst ausgesetzt werde, und erklärte, sie hoffe auf die Erarbeitung einer partnerschaftlichen Lösung.

Sodann vereinbarten die Parteien unter dem 24./27.04.2020 einen dritten Nachtrag zum Mietvertrag, in dem sie bestimmten, dass für den Monat April 2020 eine Reduzierung der Miete um 50 % erfolge. Ziff. 11 2. des Nachtrags Nr. 3 enthält zudem – so der übereinstimmende Vortrag der Parteien – die Regelung, dass die im Mietvertrag vereinbarten Regelungen fortgelten, soweit diese nicht im Widerspruch zu den Regelungen des 3. Nachtrags stehen.

Entsprechend zahlte die Beklagte für den Monat April 2020 eine um 50 % reduzierte Miete. Für die übrigen Monate im Jahr 2020 zahlte sie die Miete in voller Höhe.

Mit Schreiben vom 22.02.2021 (Anl. K2, Bl. 143 eA-LG) erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung des Mietvertrages mit Wirkung zum 31.08.2021 unter Bezug auf das in Ziff. 3.1 der Anlage B 6 zum Mietvertrag vereinbarte Sonderkündigungsrecht unter Vorlage eines Testats der Deloitte Ireland LLP (Anl. B2, Bl. 211 ff. eA-LG), aus dem sich ein Gesamtumsatz der Beklagten im streitgegenständlichen Ladenlokal für 2020 i.H.v. 539.185 € ergab.

Die Klägerin widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 25.02.2021 (Anl. K3, Bl. 146 ff. eA-LG) und berief sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB.

Mit Schreiben vom 06.08.2021 (Anl. K4, Bl. 153 f. eA-LG) erklärte die Beklagte, sie halte an der Kündigung fest.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die von der Beklagten erklärte Kündigung unwirksam sei.

Bereits eine Auslegung der Ziff. 3.1 der Anlage B 6 ergebe, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechts nicht vorgelegen hätten.

Der Wortlaut zeige eindeutig, dass für den Umsatz auf das Kalenderjahr 2020 und mithin auf 12 volle Monate des Geschäftsbetriebs abzustellen sei. Dass eine Kündigung “ohne Angabe von Gründen” erfolgen könne, solle lediglich klarstellen, dass es keines (weiteren) Kündigungsgrundes bedürfe.

Darüber hinaus sei auch der Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen. Der Beklagten habe die Möglichkeit offenstehen sollen, sich nach Ablauf des 5. Mietjahres vorzeitig von dem Mietvertrag zu lösen, wenn sie ihr Geschäft auf den Mietflächen aus in der Praxis häufiger vorkommenden Gründen, weil das Geschäft beispielsweise aufgrund der Lokalität des Centers, der Umgebung oder der weiteren anwesenden Geschäfte nicht genügend Kunden anziehe, nicht rentabel würde betreiben können. Daher komme ein Kündigungsrecht nur in Betracht, wenn trotz Möglichkeit, die Mietflächen unter normalen Umständen und für volle 12 Monate zu betreiben, auf diesen nicht genügend Umsatz erzielt werde.

Hilfsweise hat sich die Klägerin auf einen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages in Bezug auf das Sonderkündigungsrecht nach § 313 Abs. 1 BGB berufen.

Die Parteien seien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses davon ausgegangen, dass die Beklagte im Kalenderjahr 2020 für volle 12 Monate zumindest die Möglichkeit haben würde, im bzw. aus dem Mietgegenstand Umsätze zu erzielen. Durch die Corona bedingten Ladenschließungen hätten sich diese Umstände grundlegend verändert, denn die Beklagte habe ihren Geschäftsbetrieb im Kalenderjahr 2020 nur in 10,5 Monaten betreiben können. Hätte die Beklagte das Objekt volle 12 Monate bewirtschaftet, hätte sie auch mindestens einen Gesamtumsatz von 600.000 € erwirtschaftet.

Auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit einer AGB-Klauselkombination aus Betriebspflicht, Sortimentsbindung und Konkurrenzschutzausschluss komme es in Bezug auf das hier festzustellende tatsächliche Element, aber auch im Übrigen ebenfalls nicht an; maßgeblich sei allein, wovon die Parteien bei Abschluss des Vertrages ausgegangen seien. Überdies sei eine Abhängigkeit von Betriebspflicht und Sonderkündigungsrecht klägerseits gar nicht vorgetragen.

Bei Kenntnis dieser Umstände hätten die Parteien das Sonderkündigungsrecht nicht für das Geschäftsjahr 2020 vereinbart; allenfalls hätten sich die Parteien darauf geeinigt, das Sonderkündigungsrecht für ein anderes Geschäftsjahr zu vereinbaren. Hierfür spreche bereits der Beweis des ersten Anscheins. Die Vereinbarung in dem Nachtrag Nr. 3 stehe dem nicht entgegen. Die Parteien hätten sich schlicht “keine Gedanken” bezüglich des Sonderkündigungsrechts gemacht und dementsprechend insoweit auch keine konkrete Regelung getroffen.

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Die Parteien hätten das Risiko der Pandemie auch nicht der Klägerin zugewiesen. Eine solche Risikozuweisung zu Lasten der Klägerin ergebe sich weder aus dem Mietvertrag noch aus dem Gesetz. Es möge zwar zutreffen, dass sich die Klägerin des Risikos einer Sonderkündigung wegen zu geringer Umsätze bewusst gewesen sei; dieses Risiko habe die Klägerin aber nur dann tragen sollen, wenn die Beklagte während des vollen Geschäftsjahres 2020 die entsprechenden Umsatzschwellen überschritten hätte. Die Regelungen zur Mindest- und Umsatzmiete verdeutlichten, dass die Klägerin keinesfalls das Umsatzrisiko der Beklagten (mit)tragen wollte. Jedenfalls sei das Risiko, das sich vorliegend verwirklicht habe, nicht umfasst. Es habe sich ein Risiko verwirklicht, das über das gewöhnliche Verwendungsrisiko der Vertragsparteien hinausgehe.

Schließlich sei der Klägerin ein Festhalten am unveränderten Mietvertrag in Bezug auf das Sonderkündigungsrecht auch nicht zumutbar, denn dies hätte zur Folge, dass ihr Mieten für 61 Monate entgingen. Unter den aktuellen Umständen sei es nahezu unmöglich, einen Nachmieter für die Flächen zu finden. Die Beklagte habe weder dazu vorgetragen, welche zumutbaren Anstrengungen sie unternommen habe, um drohende Verluste auszugleichen bzw. welche Unterstützungsleistungen sie erhalten habe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten vom 26.01./05.02.2016 nebst Nachtrag Nr.1 vom 29.03./05.04.2016, Nachtrag Nr.2 vom 05.09./07.09.2017 und Nachtrag Nr. 3 vom 24./27.04.2020 über die Mieteinheit 112.09 im Einkaufszentrum “A” nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.02.2021 beendet wurde;

2. die Beklagte zu verurteilen, einer Anpassung des Sonderkündigungsrechts in Ziffer 3.1 der Anlage B6 zum Mietvertrag dahingehend zuzustimmen, dass das Sonderkündigungsrecht ausschließlich zum 31.08.2023 ausgeübt werden kann, sofern der in der Geschäftseinheit erzielte Gesamtumsatz im Kalenderjahr 2022 gemäß der vom Mieter dem Vermieter vorgelegten testierten Umsatzmeldung weniger als 600.000,00 netto beträgt;

3. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, einer im Ermessen des Gerichts liegenden Anpassung des Sonderkündigungsrechts in Ziffer 3.1 der Anlage B6 zum Mietvertrag zuzustimmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, dass ein Sonderkündigungsrecht nach den vertraglichen Vereinbarungen bestanden habe.

Der Wortlaut sei eindeutig und nicht auslegungsbedürftig; abzustellen sei allein auf den Gesamtumsatz im Kalenderjahr 2020. Das Nichterreichen der Umsatzschwelle sei einzige Voraussetzung für das Sonderkündigungsrecht. Die Klägerin verzerre den Wortlaut.

Ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages aus § 313 Abs. 1 BGB bestehe nicht.

Die Klägerin lasse unberücksichtigt, dass für das Nichterreichen der Umsatzschwelle des Sonderkündigungsrechts gerade kein Sachgrund erforderlich sei. Das Sonderkündigungsrecht solle somit auch und insbesondere in den Konstellationen greifen, in denen außergewöhnliche, von keiner der Parteien beeinflussbare oder zu vertretende Umstände dazu führten, dass die Umsatzschwelle nicht erreicht werde. Eine Verknüpfung des Sonderkündigungsrechts mit der Betriebspflicht sei gerade nicht erfolgt. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die vertraglich vereinbarte Betriebspflicht seien im Mietvertrag selbst ausdrücklich und abschließend geregelt.

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Darüber hinaus sei die vorliegende formularmäßige Vereinbarung der Kombination einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung neben dem Ausschluss des Konkurrenzschutzes wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Verknüpfung der Betriebspflicht mit dem Sonderkündigungsrecht würde zu einer verbotenen geltungserhaltenden Reduktion führen und die AGB-rechtswidrige Kombination aus Betriebspflicht, Sortimentsbindung und Ausschluss des Konkurrenzschutzes sogar noch verstärken.

Auch das hypothetische Element liege nicht vor. Gerade für derartige von außen kommende Ursachen, auf die der Mieter keinen Einfluss nehmen könne, die aber seinen Umsatz so nachhaltig beeinflussten, dass der Store nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könne, sei das Sonderkündigungsrecht vereinbart gewesen. Mit der Fortgeltungsklausel im Nachtrag Nr. 3 hätten die Parteien das Sonderkündigungsrecht auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie ausdrücklich bestätigt.

Es fehle auch am normativen Element. Zwar hätten die Parteien durch die Vereinbarung der Mindestmiete eine Zuweisung des wirtschaftlichen Betriebsrisikos zu Lasten der Beklagten getroffen. Gleichzeitig hätten sie jedoch ein nicht begründungsbedürftiges Sonderkündigungsrecht vereinbart für den Fall, dass die Umsätze der Beklagten im Jahr 2020 unter 600.000 € liegen. Das Sonderkündigungsrecht stelle die Kehrseite und ausdrückliche Ausnahme zu der aufgrund der Mindestmiete getroffenen wirtschaftlichen Risikoverteilung zu Lasten der Beklagten dar; das wirtschaftliche Risiko werde insoweit ohne Ansehung des Grundes auf den Vermieter übertragen. Es habe sich gerade das von der Klägerin vertraglich übernommene Risiko realisiert.

Das Festhalten am vertraglich vereinbarten Sonderkündigungsrecht sei für die Klägerin auch nicht unzumutbar. Die Klägerin habe die Mieten für das Jahr 2020 nahezu vollständig erhalten und faktisch keinerlei Einbußen erlitten. Das wirtschaftliche Betriebsrisiko sei insoweit wie vereinbart ungeschmälert bei der Beklagten verblieben. Die Klägerin könne dann aber nicht gleichzeitig für sich in Anspruch nehmen, dass das von ihr durch das Sonderkündigungsrecht übernommene Risiko eine unzumutbare Härte darstelle und anzupassen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht Münster hat – nach Verweisung des Verfahrens an dieses durch das zunächst angerufene, örtlich unzuständige Landgericht Memmingen mit Beschluss vom 05.01.2022 (Bl. 292 eA-LG) – die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Beklagte habe das Mietverhältnis wirksam gekündigt. Ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestehe nicht.

Die Voraussetzungen für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts hätten vorgelegen. Denn der erzielte Gesamtumsatz für das Jahr 2020 habe weniger als 600.000 € netto betragen. Der Umsatz sei nicht hypothetisch hochzurechnen auf den Umsatz, der bei einem ungestörten Betrieb ohne Lockdown erzielt worden wäre. Für eine solche Vertragsauslegung gebe es keine Anhaltspunkte. Daher habe die Beklagte zum Ablauf des 31.08.2021 kündigen können.

Die Voraussetzungen für eine Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage lägen offensichtlich nicht vor.

Mit der Regelung in Ziffer 3.1 der Anlage B 6 habe die Klägerin einseitig das Risiko übernommen – aus welchen Gründen auch immer -, dass die Beklagte den Mietvertrag frei kündigen könne. Selbst eine freiwillige Geschäftseinstellung dürfte davon erfasst sein. Damit könne der Grund für die Kündigung keinesfalls als Geschäftsgrundlage angesehen werden. Es habe erkennbar ein freies Sonderkündigungsrecht für die Beklagte bei einer entsprechenden Umsatzunterschreitung gerade unabhängig von den vielfältig denkbaren Gründen für einen solchen Umstand, aus wessen Verursachungssphäre auch immer, bestehen sollen.

Darüber hinaus bestünden Rechte wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich nur, wenn der von der Störung betroffenen Partei die unveränderte Vertragserfüllung nicht zugemutet werden könne. Im vorliegenden Fall solle der Klägerin die unveränderte Vertragserfüllung gerade nicht mehr zugemutet werden. Der Vertrag werde durch Kündigung der Beklagten ja gerade beendet, so dass eine Erfüllung für die Klägerin nicht mehr erforderlich sei.

Selbst wenn man dies anders sähe, könne man nicht von einer Unzumutbarkeit ausgehen. Ein untragbares Ergebnis sei nicht feststellbar. Der Vertrag werde beendet. Die Klägerin habe die Möglichkeit, das Mietobjekt neu zu vermieten. Das Risiko einer wirtschaftlichen Verwertung des Mietobjekts sei kein Risiko, was der Mieter in einem Mietvertrag übernehme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (Bl. 344 ff. eA-LG) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

Sie vertritt die Auffassung, dass das Urteil des Landgerichts auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung der §§ 133, 157 BGB beruhe.

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Das Landgericht habe nur unzureichend den Wortlaut der Ziffer 3.1 der Anlage B6 zum Mietvertrag gewürdigt.

Darüber hinaus bestehe der Sinn und Zweck der Regelung darin, dem Mieter, der bei Abschluss eines langfristigen Mietvertrages nicht vorhersehen könne, ob er den gewünschten bzw. erforderlichen Umsatz erzielen könne, eine vorzeitige Lösungsmöglichkeit einzuräumen. Sinn der Regelung sei hingegen nicht, dem Mieter die Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsbeendigung an die Hand zu geben, weil es ihm gerade gelegen komme.

Lege man die Regelung entsprechend aus, so bestehe ein Sonderkündigungsrecht nur dann, wenn die Geschäfte trotz der ganzjährigen Möglichkeit zur Umsatzerzielung “schlecht laufen”. Dies sei aber nicht der Fall, da die Beklagte im Jahr 2020 – ausgenommen den Covid bedingten Schließungszeitraum von mindestens 1,5 Monaten – einen monatlichen Durchschnittsumsatz von fast 60.000 € gehabt habe.

Das Landgericht habe ferner die Systematik der Regelung nicht beachtet. Es übersehe insofern, dass die Parteien in § 11.1 des Mietvertrages eine – gemäß § 26 strafbewehrte – Betriebspflicht vereinbart hätten, wonach der Mieter verpflichtet sei, den Mietgegenstand während der gesamten Mietzeit seiner Zweckbestimmung entsprechend ununterbrochen zu nutzen. Dies zeige eindeutig, dass die Parteien hinsichtlich des Sonderkündigungsrechts von einem ununterbrochenen Betrieb des Geschäfts während des vollen Kalenderjahres ausgegangen seien. Unhaltbar sei vor diesem Hintergrund die Annahme des Landgerichts, dass selbst eine freiwillige Geschäftseinstellung erfasst sein dürfe.

Selbst wenn das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass der Tatbestand des Sonderkündigungsrechts erfüllt sei, habe es in diesem Fall eine ergänzungsbedürftige Regelungslücke annehmen und diese im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung schließen müssen. Die Parteien hätten bei Mietvertragsabschluss ersichtlich nicht den Fall vor Augen gehabt, dass die Beklagte wegen einer weltweit um sich schlagenden Pandemie und damit einhergehenden Betriebsschließungen nicht in der Lage sein könne, im vollen “Kalenderjahr 2020” Umsätze zu erzielen.

Eine angemessene und interessengerechte Lösung sei ohne Ergänzung nicht möglich. Nach der Lösung des Landgerichts würde sich die Pandemie für die Beklagte als großer Glücksfall und für die Klägerin als großes Unrecht erweisen, weil der Beklagten ein Sonderkündigungsrecht zustünde, welches ihr ohne die Pandemie nicht zustehen würde. Insoweit bestehe auch ein Widerspruch zwischen objektiv Vereinbartem, nämlich der Nutzungsmöglichkeit und -pflicht zur Umsatzerzielung, und der tatsächlich eingetretenen Situation.

Zur Schließung der Regelungslücke sei erforderlich gewesen, zu hinterfragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Im Hinblick auf die Kombination aus Betriebspflicht und korrespondierender Vertragsstrafenregelung sei davon auszugehen, dass die Parteien eine Regelung getroffen hätten, die der gemeinsamen Vorstellung des ununterbrochenen Betriebs des Geschäfts der Beklagten gerecht werde.

Auch die Ausführungen des Landgerichts in Bezug auf einen Anspruch auf Anpassung aus § 313 Abs. 1 BGB seien rechtsfehlerhaft. Es liege keine einseitige Übernahme des eingetretenen Risikos durch die Klägerin vor. Das Landgericht habe auch insofern die Regelungen zur strafbewerten Betriebspflicht außer Acht gelassen. Das Festhalten am unveränderten Vertrag sei auch unzumutbar.

Das Landgericht gehe in diesem Kontext von falschen Prämissen aus, wenn es meine, eine Unzumutbarkeit scheide vorliegend schon deshalb aus, weil der Vertrag durch die Kündigung der Beklagten ja gerade beendet worden sei. Vielmehr sei die Perspektive der Klägerin zu dem Zeitpunkt einzunehmen, zu dem festgestanden habe, dass sich die Umstände, die zur Grundlage der vertraglichen Regelung geworden seien, schwerwiegend verändert hätten. Insofern verweise sie auf den erstinstanzlichen Vortrag. Es sei mitnichten problemlos möglich, die Gewerbeflächen weiterzuvermieten. Im Gegenteil habe die Pandemie dazu geführt, dass sich viele Mieter von ihren Mietflächen lösen und wenige neue Flächen anmieten wollten.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

in Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 01.04.2022 (Az.: 010 O 2/22)

1. festzustellen, dass der Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten vom 26.01./05.02.2016 nebst Nachtrag Nr. 1 vom 29.03./05.04.2016, Nachtrag Nr. 2 vom 05.09./07.09.2017 und Nachtrag Nr. 3 vom 24./27.04.2020 über die Mieteinheit E2.09 im Einkaufszentrum “A” nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.02.2021 beendet wurde;

2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, einer Anpassung des Sonderkündigungsrechts in Ziffer 3.1 der Anlage B6 zum Mietvertrag dahingehend zuzustimmen, dass das Sonderkündigungsrecht ausschließlich zum 31.08.2023 ausgeübt werden kann, sofern der in der Geschäftseinheit erzielte Gesamtumsatz im Kalenderjahr 2022 gemäß der vom Mieter dem Vermieter vorgelegten testierten Umsatzmeldung weniger als 600.000,00 € netto beträgt;

3. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, einer im Ermessen des Gerichts liegenden Anpassung des Sonderkündigungsrechts in Ziffer 3.1 der Anlage B6 zum Mietvertrag zuzustimmen;

4. hilfsweise, das angefochtene Urteil des Landgerichts Münster vom 01.04.2022 (Az.: 010 O 2/22) aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Münster zurückzuverweisen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1.

Ein Anspruch auf Feststellung, dass der Mietvertrag zwischen den Parteien vom 26.01./05.02.2016 fortbestehe und nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.02.2021 beendet wurde, besteht nicht. Denn die Beklagte war aufgrund des Sonderkündigungsrechts gemäß Ziff. 3.1 der Anlage B 6 zum Mietvertrag zur Kündigung berechtigt.

a)

Die Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechts gemäß Ziff. 3.1 lagen zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung vor. Hiernach hat der Mieter das Recht, das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen einmalig zum Ablauf des 31.08.2021 mit einer Frist von sechs Monaten zu kündigen, sofern der in der Geschäftseinheit erzielte Gesamtumsatz in dem Kalenderjahr 2020 gemäß der vom Mieter dem Vermieter vorgelegten testierten Umsatzmeldung weniger als 600.000 € netto beträgt.

Die Beklagte hat unstreitig im Kalenderjahr 2020 in der Geschäftseinheit einen Gesamtumsatz i.H.v. 539.185 € netto und damit weniger als 600.000 € netto erzielt. Das diesbezügliche Testat der Deloitte Ireland LLP hat die Beklagte der Klägerin mit der Kündigungserklärung vorgelegt.

b)

Die Vereinbarung in Ziff. 3.1 ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein Sonderkündigungsrecht nur dann bestehen soll, wenn im Kalenderjahr 2020 in allen 12 Monaten Umsätze mit der Mietsache hätten erzielt werden können.

aa)

Der Wortlaut sieht keine entsprechende Einschränkung dahingehend vor. Maßgeblich soll nach ihm vielmehr allein der in dem Kalenderjahr tatsächlich erwirtschaftete Gesamtumsatz sein.

bb)

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Systematik des Mietvertrages einschließlich der Anlagen.

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Eine Verknüpfung des Sonderkündigungsrechts mit der in § 11 des Mietvertrages geregelten Betriebspflicht kann unter systematischer Betrachtung nicht begründet werden. Erstinstanzlich hat die Klägerin insoweit ausdrücklich vorgetragen, sie stelle auf eine Abhängigkeit von Betriebspflicht und Sonderkündigungsrecht gar nicht ab. Im Berufungsverfahren hingegen rügt sie, dass das Landgericht die strafbewehrte Betriebspflicht übersehen habe und deren Vereinbarung eindeutig zeige, dass die Parteien hinsichtlich des Sonderkündigungsrechts von einem ununterbrochenen Betrieb des Geschäfts während des vollen Kalenderjahres ausgegangen seien.

Dem ist indes nicht zu folgen. Während andere vertragliche Regelungen, wie etwa § 3.2.5 (Kündigungsrecht des Vermieters), § 5.2.3 (Berechnung der Umsatzmiete) und § 26 (Vertragsstrafe), ausdrücklich auf die vereinbarte Betriebspflicht Bezug nehmen und sogar für den Fall ihrer Nichteinhaltung auch noch eine Änderung der Berechnungsmodalitäten anordnen (§ 5.2.3), enthält Ziff. 3.1 der Anlage B 3 demgegenüber keinen Verweis auf die in § 11 des Mietvertrages geregelte Betriebspflicht.

Angesichts der soeben angeführten Verweise in anderen Klauseln wäre dies jedoch zu erwarten gewesen, so die Vertragsparteien für das Sonderkündigungsrecht bei nicht volljährigem Betrieb in 2020 eine abweichende Regelung hätten treffen wollen. Die Systematik des Vertrages, nämlich die unterlassene Bezugnahme in Ziff. 3.1 der Anlage B 3 auf die in § 11 des Mietvertrages vereinbarte Betriebspflicht, spricht daher eher gegen eine gewollte Verknüpfung dieser mit dem Sonderkündigungsrecht.

cc)

Sinn und Zweck der Regelung gebieten ebenfalls kein anderslautendes Auslegungsergebnis.

Hintergrund der Regelung war – dies tragen auch beide Parteien so vor -, dass der Beklagten als Mieterin nach Ablauf des 5. Mietjahrs zum Ende des Jahres 2020 die Möglichkeit zustehen sollte, sich vorzeitig von dem noch bis September 2026 laufenden Mietvertrag zu lösen, wenn nicht der Umsatz erwirtschaftet werden konnte, den sie erwartete. Es ging den Parteien demnach gerade um den tatsächlich erzielten bzw. erwarteten und nicht um einen hypothetischen oder anhand in bestimmten Monaten erzielter Umsätze hochzurechnenden Umsatz.

Darauf, aus welchen Gründen dieser tatsächlich erwirtschaftete Jahresumsatz der im Vertrag vereinbarten Marge nicht entsprechend sollte, sollte es hingegen nicht ankommen. Dies folgt schon daraus, dass selbst Gründe, die grundsätzlich in die Verantwortungssphäre und den Risikobereich des gewerbetreibenden Mieters fallen, von dem dann bestehenden Sonderkündigungsrecht nicht ausgenommen sind. Dies lässt aber allein den Schluss zu, dass dann erst Recht nicht solche Gründe ausgenommen sein sollten, die – wie die Coronapandemie – nicht in seinen Risikobereich fallen, mögen sie auch nicht demjenigen der Vermieterin zuzuordnen sein.

Schon aufgrund dessen vermag die Klägerin demgegenüber auch nicht mit Erfolg geltend zu machen, dass die Parteien die Möglichkeit von Betriebsunterbrechungen nicht gesehen hätten. Zudem sind – von der Beklagten nicht zu verantwortende – Betriebsunterbrechungen aber gerade auch ein Grund, der für diese die Aufrechterhaltung ihres Gewerbes in den Mieträumlichkeiten unwirtschaftlich machen kann. Die Annahme, vom Sinn und Zweck des vereinbarten Kündigungsrechts sei der Fall nicht erfasst, dass die Beklagte aufgrund dessen den vereinbarten Jahresumsatz nicht zu erzielen vermag, ist daher fernliegend.

Fehl geht schließlich auch der Einwand der Klägerin, das Sonderkündigungsrecht habe dem Mieter nicht die Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsbeendigung an die Hand geben wollen, weil es ihm gerade gelegen komme. Die Klägerin, die der Beklagten gerade einmal mit der Reduzierung auch nur einer Monatsmiete um 50 % entgegenzukommen bereit war, verkennt hierbei, dass die Beklagte einen realen, im Übrigen von ihr selbst auch nicht angezweifelten, Umsatzverlust aufgrund der Pandemie erlitten hat.

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Weiterhin verkennt sie, dass, wie sie selbst eigentlich zu Recht anführt, der Ausübung des Sonderkündigungsrechts im Falle eines treuwidrigen oder vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten, wie etwa der schuldhaften Verletzung der Betriebspflicht, der Einwand von Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB oder aber gar § 162 Abs. 2 BGB entgegengestanden hätte. Diese Voraussetzungen sind, wie auch die Klägerin nicht anzweifelt, jedoch vorliegend nicht gegeben.

c)

Insoweit kommt auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht. Denn eine solche setzt voraus, dass die vertraglichen Vereinbarungen eine planwidrige Regelungslücke aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 06.05.2020 – VIII ZR 44/19, BeckRS 2020, Rn. 29; Martens in BeckOGK, Stand: 01.04.2022, § 313, Rn. 172).

Zwar haben die Parteien keine ausdrückliche Regelung getroffen, welche Auswirkungen behördlich angeordnete Betriebsschließungen infolge der Covid-19-Pandemie auf das Mietverhältnis der Parteien haben, da sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hiervon keine Kenntnis hatten. Dies führt jedoch noch nicht zur Annahme einer planwidrigen Unvollständigkeit, da die Parteien, wie schon dargelegt, das Risiko eines Unterschreitens des avisierten Jahresumsatzes aus nicht von der Beklagten zu verantwortenden Gründen eindeutig der Klägerin zugewiesen haben.

Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrundeliegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre. Die ergänzende Vertragsauslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus dem Gesamtzusammenhang des Vereinbarten ergeben, so dass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenbarem Widerspruch mit dem nach dem Inhalt des Vertrags tatsächlich Vereinbarten stehen würde (BGH, Urteil vom 04.05.2022 – XII ZR 64/21, COVuR 2022, 327, Rn. 27 m.w.N.). Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.

aa)

Es fehlt schon an einer Regelungslücke. Die Parteien haben, wie oben bereits dargelegt, eine eindeutige Regelung getroffen. Hiernach sollte der Beklagten ein Sonderkündigungsrecht bei einem Jahresumsatz von weniger als 6000.000 € selbst dann zustehen, wenn die hierfür maßgeblichen Umstände in den Verantwortungsbereich der Beklagten fielen, also erst Recht, wenn sie nicht in deren Verantwortungsbereich fielen. Das Verwendungsrisiko, zu dem vor allem das Risiko gehört, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können, und das grundsätzlich dem Mieter obliegt (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2010 – XII ZR 108/08, NJW-RR 2010, 1016, Rn. 17; BGH, Urteil vom 21.09.2005 – XII ZR 66/03, NJW 2006, 899, Rn. 30), hat demnach die Klägerin – jedenfalls partiell – hinsichtlich eines Sonderkündigungsrechts übernommen.

Dem stehen auch nicht die Regelungen zur Mindest- und Umsatzmiete in §§ 5.1 und 5.2 des Mietvertrages entgegen. Denn hieraus folgt lediglich, dass das Umsatzrisiko im Hinblick auf die Miete weiterhin bei der Beklagten verbleiben sollte, da insoweit auch im Falle geringer Umsätze die vereinbarte Mindestmiete von der Beklagten zu zahlen war. Diese Regelungen betreffen jedoch nicht ein Sonderkündigungsrecht der Beklagten, das in Ziff. 3.1 der Anlage B6 geregelt ist. Dort ist – partiell, nämlich hinsichtlich des Sonderkündigungsrechts – eine Risikotragung seitens der Klägerin vereinbart worden.

bb)

Darüber hinaus haben die Parteien an dem Sonderkündigungsrecht auch festgehalten, nachdem es bereits zu der ersten coronabedingten Schließungsanordnung gekommen war. Denn sie haben mit dem Nachtrag Nr. 3 unter dem 24./27.04.2020 vereinbart, dass die Miete für den Monat April 2020 um 50 % reduziert wird und die vertraglichen Regelungen im Übrigen fortgelten. Eine Änderung hinsichtlich des Sonderkündigungsrechts erfolgte also selbst in Kenntnis der pandemiebedingten wirtschaftlichen Belastungen der Beklagten nicht.

cc)

Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass ohne eine zusätzliche Regelung im Hinblick auf die behördlich angeordneten Corona bedingten Schließungen eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erreichen wäre. Denn die getroffene Regelung war von den Parteien gewollt und entsprach mithin ihren Interessen.

d)

OLG Hamm 30 U 82/22

Auch eine Anpassung des Vertrages im Hinblick auf das vereinbarte Sonderkündigungsrecht wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht.

Eine Anpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB scheidet schon wegen der vertraglichen Risikoverteilung sowie zum anderen im Hinblick auf die Anforderungen an das hypothetische Element aus.

aa)

Bereits im Hinblick auf die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung der Risikoverteilung ist ein Anpassungsanspruch abzulehnen.

Denn für eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage ist grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für die Vertragspartei – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, NZM 2022, 99, Rn. 49; BGH, Urteil vom 23.10.2019 – XII ZR 125/18, NZM 2020, 54, Rn. 37 m.w.N.).

Wie schon aufgezeigt, ergibt eine Auslegung der vertraglichen Vereinbarung im Hinblick auf das Sonderkündigungsrecht jedoch, dass die Klägerin damit das Umsatzrisiko der Beklagten insoweit (partiell) übernommen hat.

bb)

Darüber hinaus ist auch nicht davon auszugehen, dass die Parteien den Mietvertrag im Hinblick auf das Sonderkündigungsrecht mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie bei Vertragsabschluss die mit der Covid-19-Pandemie einhergehende Gefahr einer hoheitlich angeordneten Betriebsschließung vorausgesehen und bedacht hätten. Das vereinbarte Sonderkündigungsrecht stellt allein auf die wirtschaftliche Situation der Beklagten ab. Gerade diese wurde aber auch durch die Pandemie nachhaltig negativ beeinflusst.

Überdies haben die Parteien, nachdem es bereits zu der ersten angeordneten Betriebsschließung gekommen war, im Wege des Nachtrags Nr. 3 eine Regelung hinsichtlich der Miete für den Monat April 2020 getroffen, während eine (abändernde) Vereinbarung hinsichtlich des Sonderkündigungsrecht jedoch gerade unterblieben ist.

Da aber klar war, dass die Betriebsschließung auch Einfluss auf den Umsatz der Beklagten haben würde, wäre es, soweit die Parteien eine andere Risikoverteilung im Hinblick auf die Folgen der Covid-Pandemie gewollt hätten, ein Leichtes und auch anzunehmen gewesen, dass sie dies vertraglich geregelt hätten.

cc.

OLG Hamm 30 U 82/22

Schließlich ist – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – aber auch nicht ansatzweise ersichtlich, dass und weshalb der Klägerin ein Festhalten an den ursprünglichen vertraglichen Regeln nicht zumutbar sein sollte. Allein der Umstand, dass sie aufgrund der Kündigung ohne Mieter dastehen könnte, begründet eine solche Unzumutbarkeit nicht. Denn dies war bereits vorhersehbare Folge bei Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts.

Dass die Klägerin im Hinblick auf das streitbefangene Mietverhältnis Investitionen getätigt hat, die sich noch nicht amortisiert hätten, ist auch nicht ersichtlich oder dargetan und zudem angesichts des vereinbarten Sonderkündigungsrechts (erst) nach fünf Jahren Mietdauer auch nicht naheliegend. Zudem ist insoweit, wie schon das Landgericht zutreffend angemerkt hat, zu berücksichtigen, dass aufgrund der Kündigung die Klägerin auch von vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere derjenigen zur Verfügungstellung des Objektes, frei geworden ist.

2.

Demzufolge hat auch der Antrag der Klägerin auf Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zur Anpassung des Sonderkündigungsrechts dahingehend, dass dieses ausschließlich zum 31.08.2023 ausgeübt werden darf, sofern der in der Geschäftseinheit erzielte Gesamtumsatz im Kalenderjahr 2022 weniger als 600.000 € netto beträgt, keinen Erfolg. Denn die Voraussetzungen für eine Anpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB liegen gerade nicht vor.

3.

Aus denselben Gründen scheitert ein Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zu einer im Ermessen des Gerichts liegenden Anpassung des Sonderkündigungsrechts.

4.

Schließlich bleibt der Antrag, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuweisen, ebenfalls ohne Erfolg. Die Voraussetzungen gemäß § 538 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.

III.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senates auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Die Berufung ist auf den Hinweisbeschluss hin zurückgenommen worden.

OLG Hamm 30 U 82/22

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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