OLG Köln 19 U 51/22

April 19, 2023

OLG Köln 19 U 51/22, Urteil vom 31.10.2022 – Rückzahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielen, keine Lizenz


Tenor


Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.04.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn (Az. 7 O 178/21) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 58.517,70 € nebst Zinsen hieraus i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.09.2021 zu zahlen.

Die Kosten beider Instanzen trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des ihr gegenüber vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 58.517,70 € festgesetzt.

Gründe

OLG Köln 19 U 51/22
I.

Der Kläger macht Rückzahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielen auf der von der Beklagten von ihrem Sitz in S. aus betriebenen Website geltend.

Der Kläger nahm im Zeitraum vom 17.03.2014 bis zum 12.06.2020 auf der in deutscher Sprache abrufbaren Online-Casino-Seite “Q.” an Online-Glücksspielen in Form von “Poker”- und “BlackJack”-Spielen teil.

Die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen(AGB) lauten auszugsweise:

“1.2. Die Software wird Ihnen durch Q. für Ihre private, persönliche Nutzung lizenziert.

Bitte beachten Sie, dass die Software nicht von Personen genutzt werden darf, die (i) unter 18 Jahre alt sind, die (ii) in ihrer Jurisdiktion noch nicht volljährig sind und (iii) in deren Jurisdiktion ein Zugriff auf diese Seite rechtswidrig ist.

Q ist nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit des Service in jeder Jurisdiktion zu prüfen, und es liegt in der Verantwortung des Nutzers, sich in dieser Beziehung kundig zu machen.”

Die Beklagte verfügte im gegenständlichen Zeitraum über die Glücksspiellizenz des Staates S., jedoch nicht über eine Konzession für das Anbieten von Online-Glücksspielen im Bundesland Nordrhein-Westfalen oder im Bundesland Brandenburg.

Der Kläger hat vorsorglich den Widerruf sämtlicher mit der Beklagten geschlossenen Online-Spielverträge unter Verweis auf das Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung erklärt.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Kläger behauptet, er habe in dem streitgegenständlichen Zeitraum einen Geldbetrag in Höhe von 58.517,70 € verloren, der sich aus einer Differenz seiner Einzahlungen auf das Spielerkonto bei der Beklagten und den erhaltenen Auszahlungen der Beklagten an ihn errechne.

Er sei seit dem Jahr 2005 krankhaft spielsüchtig und habe sich in der Zeit von Oktober 2020 bis November 2021 in ambulanter Behandlung hinsichtlich einer pathologischen Spielsucht befunden (vgl. Anlage K6a, Bl. 662 GA).

Mit der Frage der Legalität des Spielangebots habe er sich während des Zeitraums, in welchem er an diesen teilgenommen habe, nicht beschäftigt.

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Er habe die Internetseite der Beklagten für “zuverlässig” gehalten, da sie über eine EU-Lizenz verfügt habe.

Aus dem Umstand, dass die Beklagte über einen deutschen Kundenservice verfügt habe, der alle seine Fragen in deutscher Sprache beantwortet habe sowie aus dem Umstand, dass namhafte deutsche Sportler für die Beklagte geworben hätten, habe er geschlossen, es handele sich um ein seriöses, legales Angebot.

Erst im Jahr 2021 seien ihm aufgrund eines Berichts in der Tagesschau diesbezügliche Zweifel gekommen. Zuvor habe er Medienberichterstattung, die eine Illegalität der Spiele hätte suggerieren können, nicht wahrgenommen.

Alle Spiele seien von seiner Wohnadresse in E., aus O. oder aus Brandenburg. erfolgt.

Aufgrund einer von der Beklagten erteilten DSGVO-Auskunft habe er nachvollzogen, zu welchen Zeiten er im Ausland gewesen sei und habe die von dort getätigten Einsätze bei der Ermittlung der Klageforderung nicht hinzugerechnet.

Auch Einsätze im Rahmen von Sportwetten habe er nicht berücksichtigt. Für das Anbieten von Sportwetten habe die Beklagte aber ebenfalls nicht über eine gültige Lizenz verfügt.

Er hat weiter die Ansicht vertreten, gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV sei das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.

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Dass durch Vorschriften des GlüStV nicht in unionsrechtswidriger Weise der in Art. 56 AEUV geregelten freien Dienstleistungsverkehr eingegriffen werde, sei höchstrichterlich bestätigt worden.

Aufgrund des Verstoßes gegen die Vorschriften des GlüStV und gegen § 284 StGB seien die geschlossenen Verträge gemäß § 134 BGB nichtig.

Er habe daher einen Anspruch auf Rückerstattung seiner Verluste gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB; zudem bestehe ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB und gemäß §§ 826, 31 BGB.

Die Beklagte habe im eigenen Gewinninteresse in Deutschland illegale Online-Glücksspiele angeboten und den ihre Online-Glücksspiel-Angebote nutzenden Verbraucher über die Illegalität bewusst und gewollt getäuscht.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 58.517,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe im Rahmen der Online-Poker-Spiele nicht gegen die Beklagte, sondern gegen andere Spieler gespielt.

Mit diesen sei auch ein Spielvertrag zustande gekommen. Sie selbst sei an den Spielen nicht beteiligt gewesen.

Für die Vermittlung der Gegner und die Bereitstellung des virtuellen Spieltisches erhalte sie lediglich eine Provision bzw. Gebühr (sog. Rake), die nur einen kleinen Bruchteil des Spieleinsatzes ausmache.

Der Rest wandere in den “Pot”, der an den jeweiligen Gewinner des Pokerspiels ausgezahlt werde. Dementsprechend habe der Kläger den weit überwiegenden Teil der Spieleinsätze nicht an sie geleistet, so dass die Klage bereits unschlüssig sei.

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Darüber hinaus habe der Kläger auch legale Sportwetten bei der Beklagten getätigt.

Die Zahlungen an die Beklagte seien überdies auch aus dem europäischen und nichteuropäischen Ausland erfolgt, so dass der GlüStV nicht anwendbar sei.

Sein Spielerkonto habe der Kläger über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren genutzt, er sei somit glückspielerfahren gewesen.

Dass er von dem Verbot der Glücksspiele erst im Nachhinein erfahren habe, sei vor diesem Hintergrund lebensfremd. Jedenfalls habe er sich der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschlossen.

Seit Inkrafttreten des GlüStV a.F. im Jahr 2012 hätten die deutschen Massenmedien ausführlich über Online-Casinospiele und die hierfür geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland berichtet.

Die Thematik sei auch in den Jahren 2014 bis 2020 in sämtlichen Medien omnipräsent gewesen (insbesondere Internet, TV und Zeitungen). Spieler würden sich auch in einschlägigen Internetforen über die Rechtslage austauschen und Möglichkeiten erörtern, wie man Spielverluste zurückbekommen könne.

Schließlich habe der Kläger durch Akzeptieren ihrer AGB ausdrücklich bestätigt, dass er sich über die Legalität der Teilnahme an den Spielen an seinem Aufenthaltsort informieren müsse.

Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum pathologisch spielsüchtig gewesen sei.

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Sie hat die Ansicht vertreten, §§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und § 284 StGB stellten keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar.

Sie dienten nicht dem Vermögensschutz des Einzelnen, sondern Allgemeinwohlzwecken.

Der Gesetzgeber habe kein “Spiel ohne Risiko” ermöglichen wollen.

Dem Kläger sei kein Vermögensschaden entstanden, da den freiwillig erbrachten Spieleinsätzen auch Gewinnchancen und Spielmöglichkeiten gegenübergestanden hätten.

Zumindest treffe ihn gemäß § 254 BGB ein überwiegendes Mitverschulden.

Jedenfalls stehe einer Rückforderung § 242 BGB entgegen, da eine erfolgreiche Klage es dem Kläger ermöglichen würde, risikolos zu spielen, das Wesen der Zufallsabhängigkeit des Glücksspiels auszuhebeln und das Verlustrisiko einseitig auf das das Glücksspiel anbietende Unternehmen abzuwälzen.

Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB zu, da sie stets darauf hingewiesen habe, über eine S. Glücksspiellizenz zu verfügen und sich der Kläger über die Rechtslage an seinem Aufenthaltsort informieren müsse.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm überwiesenen Geldbeträge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB oder § 817 Satz 1 BGB.

Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts ergebe sich aus Art. 6 Abs. 1 c) Rom I-VO.

Die Beklagte habe die Spieleinsätze des Kläger zunächst (im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 BGB) erlangt.

Sofern sie einwende, die Beträge in einen separaten Topf eingebracht und an die Gewinner ausgezahlt zu haben, begründe dies allenfalls den Einwand der Entreicherung i.S.v. § 818 Abs. 3 BGB, dem wohl § 819 Abs. 2, 818 Abs. 4 BGB entgegenstehe, vermöge aber eine Leistungsbeziehung nicht auszuschließen.

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Der Kläger habe seine Spieleinsätze bei der Beklagten ohne rechtlichen Grund getätigt.

Der Vertrag über die Teilnahme an den Online-Spielen sei gemäß § 134 BGB i.V.m. der nach der bis zum 30.06.2021 geltenden Bestimmung in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nichtig gewesen.

§ 4 Abs. 4 GlüStV verbiete das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet.

Das Bundesverwaltungsgericht habe die Norm auch als mit Unions- und Verfassungsrecht vereinbar beurteilt

(BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 14/16).

Dem schließe sich die erkennende Richterin an.

Ein etwaiger Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV sei gerechtfertigt. § 4 Abs. 4 GlüStV stelle eine Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB dar, gegen die die Beklagte durch das öffentliche Anbieten von Glücksspielen im Internet ohne entsprechende Lizenz verstoßen habe.

Der Vertrag mit dem Kläger sei somit nichtig gewesen und seine Leistung rechtsgrundlos erfolgt. Für die Nichtigkeit nach § 134 BGB genüge es, dass der Tatbestand des Verbotsgesetzes objektiv erfüllt sei.

Nach § 817 S. 2 BGB sei eine Rückforderung indes ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last falle.

Zwar könne dem Kläger kein Verstoß gegen 4 Abs. 4 GlüStV vorgeworfen werden.

Er habe jedoch durch seine Teilnahme am Online-Poker gegen § 285 StGB verstoßen.

Hierbei handele es sich um ein gesetzliches Verbot gemäß § 817 S. 2 BGB.

Bei dem von dem Kläger gespielten Spiel “Online-Poker” handele es sich um unerlaubtes Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB.

Der Kläger habe sich durch die Teilnahme auf eigene Rechnung an dem Glücksspiel der Beklagten den vom Zufall abhängigen Gewinn- und Verlustaussichten unterworfen und damit in objektiver Hinsicht gegen § 285 StGB verstoßen.

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Die Rechtsschutzversagung des § 817 S. 2 BGB sei indessen nur gerechtfertigt, wenn gewisse subjektive Voraussetzungen erfüllt seien. Erforderlich sei nach herrschender Meinung, dass sich der Leistende der Einsicht in den Gesetzes- oder Sittenverstoß leichtfertig verschlossen habe.

Ein leichtfertiges Sich-Verschließen sei nicht nur bei offenkundigen Verstößen möglich, sondern generell auch dann, wenn der Betroffene der Frage der Erlaubnis des Glücksspiels überhaupt nicht nachgehe.

Von einem leichtfertigen Sich-Verschließen des Klägers sei nicht nur vor dem Hintergrund der Medienberichterstattung über die Illegalität des Online-Glücksspiels auszugehen.

Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag in erheblichem Umfang an Glücksspielen teilgenommen habe.

Zugleich habe er im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, sich erhebliche Gedanken darüber gemacht zu haben, ob er sein Geld zurückbekomme.

Insofern habe er etwa recherchiert, dass die Beklagte über eine S. Lizenz verfüge und etwa Spieler aus den USA vom Spiel ausgeschlossen gewesen seien.

Dass der Kläger all diese Informationen ermittelt, dabei aber keine Anhaltspunkte dafür erhalten habe, dass das Glücksspiel illegal sei, sei als lebensfremd einzustufen.

Eine andere Bewertung resultiere auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, er sei spielsüchtig gewesen.

Dafür, dass es etwa zu einer schwersten Persönlichkeitsveränderung oder zu einer schweren seelischen Abartigkeit im Sinne von § 21 StGB gekommen sei, ergäben sich keine Anhaltspunkte.

Ein Ausschluss der Kondiktionssperre im Wege einer teleologischen Reduktion komme nicht in Betracht.

Eine solche sei nur dann anzuerkennen, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm, aus der sich die Nichtigkeit ergebe, erst dann verwirklicht werde, wenn der Empfänger das Erlangte herausgeben müsse.

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Ein solcher Fall liege aber nicht vor.

Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, dass § 4 GlüStV dem Schutz des Leistenden diene und bei einer Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB der Verbleib der Leistung beim Empfänger weiteren gesetzes- oder sittenwidrigen Handlungen Vorschub leiste bzw. diese geradezu legalisiere, könne dem nicht gefolgt werden.

§ 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV wolle vornehmlich nicht Individualinteressen schützen, sondern sei im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 GlüStV zu sehen.

Die Norm richte sich vornehmlich an die Glücksspielaufsicht, sodass sich hieraus nicht auf einen Individualschutz schließen lasse.

Die systematische Stellung von § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV als allgemeine Bestimmung lasse keine zwingenden Schlüsse zu.

Die beiderseitige Rechtsschutzverweigerung entspreche deshalb nicht nur dem Grundanliegen der in § 817 S. 2 BGB enthaltenen Konditionssperre; vielmehr liefe ein anderes Ergebnis dem Schutzzweck des Glücksspielstaatsvertrages, Spiel- und Wettsucht zu verhindern und den Spieltrieb in geordnete Bahnen zu lenken, in realiter sogar zuwider.

Weil sich praktisch nicht verhindern lasse, dass deutsche Teilnehmer Seiten von Glücksspielanbietern im Ausland besuchten, erführe der deutsche Teilnehmer an solchen Glücksspielen einen besonderen Anreiz zur Teilnahme, wenn er wisse, dass diese ohne jedes finanzielle Risiko bliebe.

Ein solches Ergebnis führe zu einer Klageflut und sei mit dem ebenfalls in § 817 S. 2 BGB aufgehenden Schutz der Ressourcen der Gerichtsbarkeit vor missbräuchlicher Inanspruchnahme nicht zu vereinen.

Der Rückforderungsausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB scheitere auch nicht daran, dass die Beklagte als Betreiberin im Vergleich zum Kläger ein deutlich schwererer Vorwurf der Sittenwidrigkeit ihres Handelns treffe.

Stehe auf beiden Seiten ein Gesetzesbzw. Sittenverstoß fest, verbiete sich eine Abwägung beider Handlungen. Denn der Rückforderungsausschluss bezwecke, demjenigen die Rechtsordnung zur Durchsetzung der Ansprüche zu versagen, der sich bewusst oder leichtfertig über sie hinweggesetzt habe.

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Zudem verstoße die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs eines Spielers, der sehenden Auges und aus eigenem Handlungsantrieb heraus am illegalen Online-Glückspiel teilgenommen und sodann Verluste eingespielt habe, gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und müsse auch vor diesem Hintergrund ausgeschlossen sein.

Der Kläger habe vorliegend über einen Zeitraum von sechs Jahren auf den Homepages der Beklagten an dem angebotenen Online-Glücksspiel teilgenommen.

Er habe dies in dem Bewusstsein eines dem Glücksspiel immanenten Risikos des Verlustes aber auch des Gewinnes getan. Insoweit verkenne die Einzelrichterin nicht, dass der Kläger dies nach seinem Vortrag ohne positive Kenntnis der Illegalität des angebotenen Online-Casinos getan habe.

Er habe sich aber bewusst dafür entschieden, sein Geld im Rahmen dieses Glücksspiels einzusetzen und seine Freizeit dadurch zu gestalten.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV gegen die Beklagte.

Ob es sich bei § 4 Abs. 4 GlüStV um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handele, könne dahinstehen, da es am Nachweis eines kausalen Schadens fehle.

Kausal für die Vermögenseinbußen des Klägers sei nicht das (für andere Staaten ja auch legale) Angebot der Beklagten, sondern vor allem der Umstand gewesen, dass der Kläger freiwillig an dem Spiel teilgenommen habe.

Es sei zu berücksichtigen, dass den klägerseits erbrachten Spieleinsätzen auch tatsächliche Gewinnchancen und Spielmöglichkeiten gegenübergestanden hätten.

Es sei daher schon nicht ersichtlich, dass das Vermögen des Klägers durch das Anbieten der Online-Spiele durch die Beklagten im Sinne der Differenzhypothese geschädigt worden sei.

Der Kläger habe gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Rückzahlung in der beantragten Höhe gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB.

Es liege schon kein Verbrauchervertrag i.S.d. § 312 Abs. 1 BGB vor, weil die von der Beklagten angebotenen Spielchancen keine gegen Entgelt angebotenen Waren, Dienstleistungen oder andere Gegenleistungen im Sinne der auf gegenseitige Austauschverträge angelegten Vorschrift seien.

Jedenfalls aber sei das Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 12 BGB ausgeschlossen.

Wett- und Lotteriegeschäfte, denen Dienstleistungscharakter zuzuerkennen sei, könnten nach dieser gesetzlichen Wertung nicht widerrufen werden.

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Diese Ausnahme vom Widerrufsrecht sei im Lichte der Verbraucherrechte-Richtlinie auszulegen.

Hiernach verbiete sich eine teleologische Reduktion der Ausnahme auf Fälle rechtsverbindlicher Glücksspielverträge i.S.d. § 763 BGB.

Die Nichtanwendbarkeit des Widerrufsrechts nach dieser Vorschrift sei auch nicht durch ihren zweiten Halbsatz ausgeschlossen.

Die hier streitgegenständlichen Verträge seien weder telefonisch zustande gekommen noch unter den Bedingungen des § 312b Abs. 1 BGB.

Eine vergleichbare Überrumpelungssituation sei nicht erkennbar.

Eine erweiternde Auslegung oder eine analoge Anwendung von § 312b Abs. 1 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht.

Hiergegen wendet sich die zulässige Berufung des Klägers.

Er ist der Ansicht, das Landgericht habe verkannt, dass § 817 S. 2 BGB auf die Rückzahlungsansprüche des Klägers bereits nicht anwendbar sei.

§ 4 Abs. 4 GlüStV richte sich als Verbotsgesetz nur an die Beklagte als Betreiberin von Online-Casinospielen.

Ein Verstoß des Klägers gegen diese Vorschrift scheide aus.

Die Strafnorm des § 285 StGB sei jedenfalls durch die Leistungen des Klägers an die Beklagte nicht erfüllt.

Denn ein tatbestandsmäßiges “Beteiligen” sei erst dann anzunehmen, wenn ein Einsatz auf ein illegales Online-Glücksspiel getätigt worden sei.

Durch die Leistungen des Klägers an die Beklagte werde aber noch kein Einsatz getätigt.

Einem juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittsbürger sei es zudem nicht möglich, zwischen erlaubten und nicht erlaubten Glücksspielen zu unterscheiden.

Demnach könne kein Vorsatz des Klägers festgestellt werden, so dass bereits kein Gesetzesverstoß feststehe.

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Sofern man der Auffassung sein wolle, dass auf das Vermitteln und Veranstalten von Online-Glücksspiel durch die Beklagte kein deutsches Strafrecht zur Anwendung komme, könne sich ein Spieler hieran auch denklogisch nicht gem. § 285 StGB beteiligen.

Das Landgericht habe zudem rechtsfehlerhaft angenommen, dass sich der Kläger leichtfertig der Einsicht in den vorliegenden Gesetzesverstoß bzw. die Illegalität der Online-Glücksspiele verschlossen habe.

Im Rahmen des § 817 S. 2 BGB genüge indes selbst grob fahrlässiges Handeln nicht, soweit ein Gesetzesverstoß – und nicht ein Sittenverstoß – in Rede stehe.

Zu einem bewussten Verstoß des Klägers habe die Beklagte nichts Substantiiertes vorgetragen.

Das Verbot von Online-Glücksspielen sei auch nicht allgemein bekannt. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus den seitens der Beklagten verwendeten AGB, da diese in Anbetracht der komplexen und komplizierten Rechtslage in den verschiedenen Ländern bereits nicht hinreichend erkennen ließen, dass ein illegales Angebot genutzt werde.

Darüber hinaus könne, wenn sich sogar die Beklagte darauf berufe, dass die Illegalität von Online-Casinospielen von einer eingehenden Rechtsprüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit deutschen Rechts mit Europarecht abhänge, eine entsprechende Kenntnis von dem Kläger nicht verlangt werden.

Die seitens des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung getätigten Äußerungen habe das Landgericht aus dem Zusammenhang gerissen.

Dieser habe nachvollziehbar und plausibel erklärt, wieso er von der Legalität des genutzten Online-Glücksspiel-Angebots ausgegangen sei.

Das Landgericht habe auch eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB rechtsfehlerhaft verneint. § 1 GlüStV lasse sich entnehmen, dass die Regeln des GlüStV 2012 u. a. auch dem Schutz der Spieler dienten.

Bei der Erwägung, dass andernfalls mit einer Klageflut zu rechnen sei und Ressourcen der Gerichtsbarkeit missbräuchlich in Anspruch genommen würden, handele es sich um eine rechtsfremde Begründung.

Auch § 242 BGB stehe nicht entgegen. Die Beklagte sei schon nicht schutzwürdig, im Übrigen dürfe das Ergebnis der Anwendung des § 817 S. 2 BGB nicht über § 242 BGB ins Gegenteil verkehrt werden.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts stünden dem Kläger auch deliktische Schadensersatzansprüche gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 31 i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 4 GlüStV, § 284 StGB zu.

Ein Schaden scheide nicht deshalb aus, weil der Kläger freiwillig Spieleinsätze getätigt habe. Er habe keine Gewinnchancen oder Spielmöglichkeiten erlangt, da er etwaiges gewonnenes Geld wegen § 4 Abs. 4 GlüStV i.V.m. § 134 BGB wieder hätte zurückzahlen müssen.

Eine andere Betrachtung laufe zudem dem Schutzgedanken des GlüStV zuwider.

Er sei zudem zur Ausübung eines Widerrufsrechts gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB berechtigt gewesen. § 312g Abs. 2 Nr. 12 BGB finde nur auf legale Online-Glückspiele Anwendung, jedoch nicht bei staatlich nicht legitimierten Spielverträgen.

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Er beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 26.04.2022, Az. 7 O 178/21 zu verurteilen, an ihn 58.517,70 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertritt hierzu die Rechtsansicht, die subjektiven Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB seien vorliegend erfüllt, weil sich der Kläger der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschlossen habe.

Den Kläger treffe ein “Leichtfertigkeitsvorwurf” im Rahmen der § 817 S. 2 BGB und § 285 StGB, weil er – vor dem Hintergrund der Medienberichterstattung über die Illegalität des Online-Glücksspiels – unter Berücksichtigung seines eigenen Vorbringens in “erheblichem Umfang an Glücksspielen teilgenommen” und “sich durchaus erhebliche Gedanken” gemacht habe.

Zutreffend habe das Landgericht es als lebensfremd eingestuft, dass der Kläger angegeben habe, dass er “etwa recherchiert” habe, dass “Spieler aus den USA vom Spiel ausgeschlossen gewesen seien” und “die Beklagte über eine S. Lizenz verfüge”,

er aber trotz all dieser (recherchierten) Informationen “keine Anhaltspunkte dafür erhalten” habe, “dass das Glücksspiel illegal sei”.

Gerade weil der Kläger im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Erstgericht vorgetragen habe, dass “namhafte deutsche Sportler Werbung” für die Spiele der Beklagten gemacht hätten, könne es auch nicht zutreffen, dass ihm die mediale Berichterstattung, aus der sich die Illegalität der Spiele ergeben habe, verbogen geblieben sei.

Selbst wenn der Kläger zudem nicht explizit die Rechtslage recherchiert habe, sei davon auszugehen, dass ihm, nachdem er sich für virtuelle Glücksspiele im Internet interessiert habe, durch Suchalgorithmen entsprechende Internetseiten angezeigt bzw. vorgeschlagen worden seien.

Zutreffend habe das Landgericht eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB verneint, da eine solche ein “Spiel ohne Risiko” zur Folge hätte.

Hinzu komme, dass zwar nach dem Glücksspielstaatsvertrag a.F. ein Totalverbot von Glücksspielen im Internet bestehe, hingegen nach dem Glücksspielstaatsvertrag n.F. eine Erlaubnismöglichkeit gegeben sei.

Hieraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber erkannt habe, dass ein Totalverbot dem Spielerschutz nicht diene; das “Spielerschutzargument” könne eine teleologische Reduktion daher nicht rechtfertigen.

Auch habe das Landgericht zutreffend ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers bejaht und ausgeführt,

dass dieser über einen Zeitraum von sechs Jahren das Angebot der Beklagten in Anspruch genommen und in dem Bewusstsein eines dem Glücksspiel immanenten Risikos des Verlustes aber auch des Gewinnes seine Freizeit gestaltet habe.

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II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, da die Klage zulässig und begründet ist.

1.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die örtliche und internationale Zuständigkeit gegeben.

Diese folgt aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO, da es sich bei dem Kläger um einen Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO handelt.

Als Verbraucher ist (in autonomer Auslegung) jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

Verbraucher ist daher auch die Person, die einen Vertrag über die Teilnahme am Online-Poker-Spiel mit dem Ziel abschließt, daraus erhebliche Gewinne zu erwirtschaften

(Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, Brüssel Ia-VO, Art. 17).

Auch richtet die Beklagte ihre Tätigkeit auf Deutschland aus.

So sind ihre Glücksspielangebote gerade auch in deutscher Sprache verfügbar; wird den Verbrauchern auf der Website die Verwendung einer anderen Sprache als derjenigen ermöglicht, die in dem Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendet wird, so kann dies einen Anhaltspunkt bilden, der die Annahme erlaubt, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf andere Mitgliedstaaten ausgerichtet ist

(EuGH, Urteil vom 07.12.2010 – C-585/08, C-144/09 – NJW 2011, 505, beckonline).

Vorliegend kommt durch das Angebot in deutscher Sprache gerade auch die Absicht der Beklagten zum Ausdruck, um deutsche Kunden zu werben

(so auch LG Meiningen, Urteil vom 26.01.2021 – 2 O 616/20, beckonline).

Ein Indiz für die internationale Ausrichtung ist zudem die Verwendung der von der Beklagten gewählten neutralen Top-Level-Domain (“.eu”)

(vgl. OLG Düsseldorf Urteil vom 01.03.2018 – 16 U 83/17, juris; vgl. auch Saenger, in: Kommentar zur ZPO, EuGVVO Art. 17 Rn. 13, beckonline).

Von der Regelung gemäß Art. 17, 18 EuGVVO erfasst sind auch Bereicherungsansprüche als Folge der Rückabwicklung des Vertrages (

Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Brüssel Ia-VO Art. 17 Rn. 5, beckonline).

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In der Rechtsfolge kann der Kläger als Verbraucher nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO den Gerichtsstand an seinem Wohnsitz wählen, der neben der internationalen zugleich auch die örtliche Zuständigkeit umfasst.

Im Hinblick auf die ebenfalls geltend gemachten deliktischen Ansprüche ist zudem der Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO eröffnet.

Das schädigende Ereignis i.S.d. Nr. 2 ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens

(Thode, in: BeckOK ZPO, 44. Ed. 01.03.2022, Brüssel Ia-VO Art. 7 Rn. 82).

Soweit der Kläger – seitens der Beklagten nicht erheblich bestritten – substantiiert dargetan hat, von seinem Wohnort in E. aus an den streitgegenständlichen Online-Glücksspielen teilgenommen zu haben,

handelt es sich hierbei sowohl um den Ort der schädigenden Handlung – der Zahlung des Klägers an die Beklagte als Glücksspielanbieter -, als auch um denjenigen der Verwirklichung des Schadenserfolgs.

Darüber hinaus ist die internationale Zuständigkeit vorliegend auch durch rügelose Einlassung der Beklagten begründet, Art. 26 Abs. 1 S. 1 EuGVVO

(zuvor Art. 24 S. 1 EuGVVO aF) (vgl. Heinrich, in: Musielak/Voit, 19. Aufl. 2022, ZPO, § 39 Rn. 10).

2.

Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1, S. 1, 1.Alt. BGB ein Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 58.517,70 € zu.

a.

Die Anwendung deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom-I-VO. Hiernach unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

Die Voraussetzungen liegen bei Spielerklagen gegen ausländische Online-Glücksspielanbieter – entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu Art. 18 Abs. 1 EuGVVO – hier vor.

b.

Der Kläger kann Rückzahlung seiner Spieleinsätze in Höhe von 58.517,70 € gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1, 1.Alt., 818 Abs. 2 BGB verlangen, da der zwischen den Parteien geschlossene Spielvertrag gemäß § 134 BGB von Anfang an nichtig war.

aa.

Die Beklagte hat einen Vermögensvorteil in entsprechender Höhe erlangt, zumal der Kläger substantiiert unter Bezugnahme auf eine zur Akte gereichte Tabelle (Anlage K2, Bl. 12 ff. GA) dargelegt hat, in Höhe welcher Summen jeweils Ein- und Ausgänge auf seinem sog. Spielerkonto bei der Beklagten zu verzeichnen waren und wie sich der geltend gemachte Verlust errechnet.

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Hierzu hat er im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Bonn am 15.03.2022 (Bl. 888 ff. GA) erklärt, die Tabelle habe er auf der Grundlage einer auf der DSGVO beruhenden Auskunft der Beklagten erstellt, wobei er mit einer Excel-Filter-Funktion ausländische IP-Adressen herausgefiltert und auch Sportwetten nicht berücksichtigt habe.

Dem ist die Beklagte nicht in vergleichbarer Weise gemäß § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert entgegen getreten.

Insbesondere, da es sich nach dem klägerischen Vorbringen letztlich um Angaben der Beklagten selbst zu den seitens des Klägers vorgenommenen Einzahlungen handelt, wäre ihr ein substantiiertes Bestreiten ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen.

Da sie dies unterlassen hat, gilt der klägerseits errechnete Betrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

bb.

Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, sie habe durch die Einzahlungen des Klägers nichts erlangt, da dieser Spielverträge mit anderen Spielern geschlossen habe, sie die eingezahlten Beträge an den “Gewinner” der Pokerspiele weiterleite und sie selbst lediglich eine Provision (“Rate”) erhalte, kann dem nicht gefolgt werden.

Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen in der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen werden.

Die Zahlungen des Klägers sind gerade nicht an andere, ihm unbekannte Spieler, sondern unmittelbar an die Beklagte erfolgt.

Ob diese anschließend Beträge weitergeleitet hat, mag im Rahmen der Prüfung einer Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB relevant sein; an der zwischen den Parteien bestehenden unmittelbaren Leistungsbeziehung ändert sich hierdurch jedoch nichts.

cc.

Der zwischen den Parteien zustande gekommene Vertrag war gemäß § 134 BGB nichtig, da er gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstieß.

Nach dieser Vorschrift war in dem Zeitraum, in welchem nach dem als zugestanden geltenden Klägervortrag Einzahlungen in entsprechender Höhe auf das bei der Beklagten unterhaltene Spielerkonto zum Zweck der Teilnahme an Glücksspielen erfolgten, das Veranstalten derselben im Internet verboten.

OLG Köln 19 U 51/22

Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 war im fraglichen Zeitraum wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar, insbesondere stellte sie keine inkohärente Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 56 AEUV dar

(vgl. hierzu ausführlich BGH, Urteil vom 28.09.2011 – I ZR 92/09;

BGH, Urteil vom 22.07.2021 – I ZR 194/20, juris;

OLG O., Urteil vom 10.05.2019 – 6 U 196/18, juris;

OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris).

Der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB steht auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtet.

Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss

(BGH, Urteil vom 12.05.2011 − III ZR 107/10, beckonline m.w.N.).

So liegt der Fall indes hier; denn es liefe dem Sinn und Zweck, insbesondere der Bekämpfung der Spielsucht und dem Jugendschutz, zuwider, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen

(vgl. auch Vossler, in: BeckOGK, 01.09.2020, BGB § 134, Rn. 219;

OLG Celle, Beschluss vom 04.05.2009 – 13 U 42/09, beckonline; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 31.07.2009 – 3 U 27/09, juris).

OLG Köln 19 U 51/22

dd.

Die Rückforderung ist vorliegend nicht gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen.

Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt eine Wirksamkeit des Spiel- und Wettvertrags voraus.

Unwirksam sind insbesondere solche Spiele und Wetten, die – wie hier – gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen

(Haertlein, in: BeckOGK, 01.04.2022, BGB, § 762 Rn. 116).

ee.

Der Rückforderung steht auch nicht die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB entgegen.

Wendet der Bereicherungsschuldner ein, dass dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt, so trägt er hierfür die Beweislast.

Denn bei § 817 S. 2 handelt es sich um eine rechtshindernde Einwendung

(Schwab, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 817 Rn. 89).

Ihrer Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf einen Gesetzesverstoß des Klägers ist die Beklagte vorliegend nicht nachgekommen. Insbesondere kann von einem Verstoß des Klägers gegen § 285 StGB nicht ausgegangen werden.

Dieser erfordert zumindest bedingten Vorsatz (Schönke/Schröder/Heine/Hecker, 30. Aufl. 2019, StGB § 285 Rn. 4). Einen solchen hat die Beklagte indes nicht hinreichend dargetan.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei zum Zeitpunkt der Spielteilnahme davon ausgegangen, dass die Online-Spiele, an denen er teilgenommen habe, in Deutschland gesetzlich erlaubt seien.

OLG Köln 19 U 51/22

Das Angebot der Beklagten sei für ihn “zuverlässig” gewesen, die Beklagte habe über eine Lizenz der EU verfügt.

Es seien Spieler aus den USA ausgeschlossen gewesen, daher habe er gedacht, für ihn als Deutschen sei das Spielen grundsätzlich möglich.

Die Beklagte habe über einen deutschen Kundenservice verfügt, der alle Fragen in “perfektem Deutsch” beantwortet habe.

Auch hätten namhafte deutsche Sportler Werbung für die Beklagte gemacht.

Ob das legal oder illegal gewesen sei, habe ihn nicht weiter beschäftigt, das sei für ihn bei der “gesamten Marktpräsenz durch Werbung usw. (…) eigentlich selbstverständlich” gewesen.

Bis zum Jahr 2021 habe er keine Kenntnis von der seitens der Beklagten angeführten Medienberichterstattung gehabt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind diese Angaben des Klägers nicht von vornherein lebensfremd, sondern vielmehr nachvollziehbar.

Aus Sicht des Klägers gab es keine zwingenden Anhaltspunkte, die für die Illegalität des Spielangebots der Beklagten sprachen.

Deutliche Hinweise auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite, dass Online-Glücksspiele in Deutschland – mit Ausnahme eines begrenzten Angebots in Schleswig-Holstein – unzulässig waren, bestanden nicht.

Vielmehr vermittelten die deutschsprachige Internetseite und der deutschsprachige Kundenservice den Anschein der Legalität.

Dadurch, dass auf der Homepage der Beklagten zudem der Hinweis auf die EU-Lizenz der Beklagten enthalten war und diese nach dem unbestrittenen Klägervorbringen dort auch die europäische Flagge verwendete, musste vielmehr für einen unvoreingenommenen Betrachter der Eindruck entstehen, dass sich das Angebot an die Bürger sämtlicher EU-Mitgliedsstaaten ohne jegliche Einschränkung richtete.

Für die Legalität des Angebots musste aus Sicht des Klägers auch sprechen, dass er sich ohne weiteres von seinem Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen auf der Homepage der Beklagten anmelden und ein sog. Spielerkonto errichten konnte.

OLG Köln 19 U 51/22

Soweit die Beklagte auf ihre AGB verwiesen hat, wonach “Q (…) nicht in der Lage (sei), die Rechtmäßigkeit des Service in jeder Jurisdiktion zu prüfen, und es in der Verantwortung des Nutzers (liege), sich in dieser Beziehung kundig zu machen”, lässt sich hieraus ebenfalls nicht ohne weiteres entnehmen, dass das Angebot der Beklagten nicht in allen Ländern der EU erlaubter Weise genutzt werden konnte und insoweit eine individuelle Überprüfung durch jeden Nutzer erforderlich sei.

Jedenfalls aber fehlt es an einem Vorbringen der Beklagten dazu, dass der Kläger den entsprechenden Hinweis tatsächlich wahrgenommen und verstanden sowie eine Prüfung der Legalität der Spielteilnahme tatsächlich vorgenommen hatte.

Sollte er dies unterlassen haben, so könnte auch ein vorsätzliches Handeln nicht angenommen werden. Nicht alle Verbraucher nehmen die seitens eines Unternehmers bereitgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen umfassend zur Kenntnis – erst recht nicht, wenn diese nicht in Schriftform zur Verfügung gestellt werden, sondern lediglich elektronisch abrufbar sind und einen gewissen Umfang haben.

Auch das Setzen eines “Häkchens” bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass der Verbraucher alle AGB-Klauseln gelesen oder sich gar inhaltlich mit diesen auseinandergesetzt hätte.

Eine positive Kenntnis des Klägers folgt auch nicht aus der Tatsache, dass die Unzulässigkeit von Online-Glücksspielen in Medien erörtert worden wäre oder daraus, dass die Werbung für entsprechende Angebote einen textlich dargestellten oder schnell gesprochenen Hinweis auf die Unzulässigkeit des Angebots außerhalb von Schleswig-Holstein enthält.

Hieraus lässt sich weder eine allgemeine Bekanntheit, noch eine konkrete Kenntnis des Klägers ableiten

(vgl. hierzu auch OLG Frankfurt a. M., Hinweisbeschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris).

OLG Köln 19 U 51/22

Sofern die Beklagte sich darauf berufen hat, im Rahmen des § 817 S. 2 BGB reiche leichtfertiges Handeln des Bereicherungsgläubigers aus, so trifft dies nicht zu.

Denn vorliegend steht kein sittenwidriges, sondern ein gesetzeswidriges Verhalten in Rede. Insoweit muss sich der Gläubiger des Verstoßes bewusst gewesen sein und ihn trotzdem gewollt haben.

Darauf, ob sich der Kläger leichtfertig der Erkenntnis des Verbots des Glücksspiels verschlossen hat, kommt es dementsprechend nicht an

(vgl. hierzu OLG München, Beschluss vom 22.11.2021 – 5 U 5491/21, m.w.N., abrufbar unter www.gesetzebayern.de).

Durch eine andere Bewertung würde verkannt, dass fahrlässiges – und somit auch grob fahrlässiges oder leichtfertiges Handeln – von § 285 StGB gerade nicht erfasst und somit auch nicht mit einem Unwerturteil verbunden ist.

Selbst wenn man jedoch leichtfertiges Verhalten für die Anwendbarkeit der Vorschrift im vorliegenden Fall genügen lassen wollte, wäre das Ergebnis kein anderes.

Denn auch ein leichtfertiges Verhalten des Klägers kann unter Zugrundelegung des wechselseitigen Parteivorbringens nicht angenommen werden.

Insbesondere kann der Inhalt von § 4 GlüStV 2012, zumal bei einem juristischen Laien, nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden.

Eine allgemeine Bekanntheit lässt sich auch nicht aus Beiträgen in der Presseberichterstattung ableiten.

Diese haben, das Beklagtenvorbringen zugrunde gelegt, jedenfalls kein solches Ausmaß erreicht, dass eine allgemeine Kenntnis bei Spielern mit durchschnittlichem Medienkonsum nach der Lebenserfahrung zu erwarten wäre.

OLG Köln 19 U 51/22

Auch wenn die Werbung für Online-Glücksspiele einen textlich dargestellten und/oder schnell gesprochenen Hinweis darauf zu enthalten pflegt, dass sich das Angebot nur an Spieler in Schleswig-Holstein richte, lässt sich daraus keine allgemeine Bekanntheit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes in Deutschland herleiten

(vgl. hierzu OLG Frankfurt a. M., Hinweisbeschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris).

Ein leichtfertiges Sich-Verschließen des Klägers lässt sich auch nicht aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ableiten, zumal diese keinen klaren, auch für juristische Laien allgemeinverständlichen Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Angebots für Nutzer aus Nordrhein-Westfalen, sondern im Wesentlichen lediglich einen Hinweis auf eine eigenverantwortliche Prüfung der “Rechtmäßigkeit des Service in jeder Jurisdiktion” enthielten.

Die Beklagte hat schon nicht behauptet, dass der Kläger die AGB tatsächlich zur Kenntnis genommen hätte.

Darüber hinaus waren die Umstände, dass die Beklagte über eine Lizenz eines EU-Staates verfügte, sie ihr Angebot gerade auch in deutscher Sprache bereitstellte und es Spielern auch aus Nordrhein-Westfalen nach ordnungsgemäßer Registrierung tatsächlich möglich war, das Online-Glücksspielangebot der Beklagten zu nutzen, geeignet, etwaige Bedenken gegen die Legalität des Angebots der Beklagten zu zerstreuen (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).

ff.

Jedenfalls aber wäre – wollte man einen Verstoß gegen § 285 StGB seitens des Klägers bejahen wollen – eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB vorzunehmen.

Im Rahmen des Rückforderungsverbots des § 817 S. 2 BGB kann nicht außer Betracht bleiben, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolgt. Im Einzelfall kann eine einschränkende Auslegung der Vorschrift geboten sein

(BGH, Urteil vom 31.05.1990 – VII ZR 336/89, beckonline).

Innerhalb der Leistungskondiktion darf der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm nicht dadurch konterkariert werden, dass der durch sie zu verhindernde sittenwidrige Zustand perpetuiert oder weiterem sitten- und verbotswidrigen Handeln Vorschub geleistet wird (BGH, Urteil vom 18.12.2008 – III ZR 132/08, beckonline m.w.N.).

OLG Köln 19 U 51/22

Dies gilt auch für den Fall, dass sich der Leistende der Einsicht der Sittenwidrigkeit möglicherweise leichtfertig verschlossen hat. So hat der Bundesgerichtshof etwa für die Fälle der sog. Schenkkreise ausgeführt, dass die Kondiktionssperre nicht dazu führen dürfe, dass die Initiatoren der “Spiele”, die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürften

(BGH, Urteil vom 10.11.2005 – III ZR 72/05, beckonline).

Auch innerhalb der Leistungskondiktion ist der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenen Norm maßgebend, der nicht konterkariert werden darf

(BGH, Urteil vom 13.03.2008 – III ZR 282/07, beckonline).

Vorliegend sind Regelungen des GlüStV – wie ausgeführt – dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glückspiels zu schützen.

Auch die konkret einschlägige Verbotsnorm gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV verfolgt jedenfalls unter anderem den Zweck des Spielerschutzes.

Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben

(so auch LG Gießen, Urteil vom 25.02.2021 – 4 O 84/20, Rn. 26 – 28, juris).

gg.

Da eine positive Kenntnis des Klägers von einem Nichtbestehen seiner Leistungspflicht – wie ausgeführt – aufgrund des wechselseitigen Parteivorbringens nicht angenommen werden kann, steht der Rückforderung auch nicht § 814 BGB entgegen.

OLG Köln 19 U 51/22

hh.

Hinsichtlich einer Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB fehlt es bereits an substantiiertem Vorbringen der Beklagten.

Eine solche könnte allenfalls dann – teilweise – angenommen werden, wenn und soweit die Beklagte die erhaltenen Zahlungen tatsächlich weitergeleitet hätte und die der Beklagten ihrerseits aufgrund der Nichtigkeit der geschlossenen Spielerverträge zustehenden Bereicherungsansprüche gegen andere Spieler nicht erfolgsversprechend durchgesetzt werden könnten.

Hierzu hat die Beklagte indes nichts dargetan.

Darüber hinaus scheitert der Einwand auch an der bestehenden Kenntnis der Beklagten vom Fehlen des Rechtsgrundes, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB

(vgl. hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris).

Denn diese hat unter Bezugnahme auf diverse Beiträge in sämtlichen Medien zur umfassenden Presseberichterstattung hinsichtlich der Illegalität ihres Angebots vorgetragen, woraus sich zugleich ihre Kenntnis von dieser ergibt.

ii.

Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.

Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten kann schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden.

Vor diesem Hintergrund erscheinen ihre Interessen auch nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB. Indem die Beklagte einen ihr ohne weiteres möglichen Hinweis unterlassen hat, dass die Online-Glücksspiele in Deutschland nicht zulässig waren, ist sie zum einen bewusst die Gefahr eingegangen, Gelder ohne Rechtsgrund einzunehmen.

Dass das Behalten von Geldern, die die Beklagte durch die rechtswidrige Veranstaltung von Glücksspiel eingenommen hat, besonders schutzwürdig wäre, ist nicht ersichtlich.

Zum anderen hat der Kläger für die von ihm geleisteten Spieleinsätze aber auch keine einklagbaren Forderungen erhalten, so dass es nicht treuwidrig erscheint, die Spieleinsätze zurückzufordern

(vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 – 8 W 20/21, nicht veröffentlicht). Im Übrigen ist auch im Rahmen von § 242 BGB die oben im Zusammenhang mit der teleologischen Reduktion des § 817 Satz 2 BGB dargelegte Wertung zu beachten

(vgl. OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021 – 12 W 13/21, beckonline).

OLG Köln 19 U 51/22

c.

Ein Anspruch des Klägers folgt zudem auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV, § 284 StGB.

aa.

§ 4 Abs. 4, Abs. 1 GlüStV ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Rechtsnorm ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen.

Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat.

Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben.

Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Es reicht deshalb nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen

(vgl. nur BGH, Urteil vom 13.03.2018 – VI ZR 143/17, beckonline;

BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 212/09, beckonline;

BGH, Urteil vom 13.03.2018 – II ZR 158/16, beckonline).

OLG Köln 19 U 51/22

Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz nur geeignet, soweit das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind

(BGH, Urteil vom 23.07.2019 – VI ZR 307/18, juris).

Diesen Anforderungen genügt § 4 Abs. 4 GlüStV.

Dadurch, dass die Norm ein Verbot der Veranstaltung von Glückspielen im Internet vorsieht, dient sie gerade auch den in § 1 GlüStV aufgeführten Zwecken, zu denen die Verhinderung bzw. Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht, dem Spieler- und Jugendschutz und dem Schutz des Spielers vor betrügerischen Machenschaften.

Zwar dient die Norm hiernach vor allem auch Allgemeininteressen; gerade auch der Schutz des einzelnen Spielers vor den genannten Gefahren des Glücksspiels liegt hiernach jedoch auch im Aufgabenbereich der Norm.

bb.

Durch die Veranstaltung von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis hat die Beklagte zudem den Tatbestand des § 284 StGB erfüllt.

Dieser hat ebenfalls Schutzgesetzcharakter; denn § 284 StGB dient primär der Absicherung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebs und damit dem Schutz des Einzelnen vor der Gefahr von Manipulationen beim Glücksspiel- und insofern auch vor manipulativer Ausbeutung

(Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB,§ 284 Rn. 5).

Die Beklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

Sofern sich die Beklagte darauf berufen wollte, sie sei in Anbetracht der von ihr angenommenen Unionsrechtswidrigkeit des GlüStV a.F. davon ausgegangen, einer Erlaubnis nicht zu bedürfen, so käme allenfalls ein Verbotsirrtum in Betracht

(Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 284 Rn. 31),

der jedoch angesichts des klaren Wortlaut des § 4 Abs. 4 GlüStV jedenfalls vermeidbar gewesen wäre

(vgl. hierzu auch Rock, ZfWG 2022, 118, 124).

Die Tat ist auch im Sinne des § 3 StGB im Inland begangen.

Deutsches Recht kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Veranstalter des Glücksspiels im Ausland handelt, aber die Beteiligung im Inland über das Internet erfolgen kann.

Nach überwiegender Auffassung ist als Taterfolg die Eröffnung der Beteiligungsmöglichkeit anzusehen, sodass nach § 9 Abs. 1 StGB auch ausländische Spieleveranstalter nach § 284 StGB strafbar sind, wenn die Beteiligung im Inland möglich ist

(Hollering, in: BeckOK StGB, 52. Ed. 01.02.2022, StGB § 284 Rn. 25).

cc.

Durch die Verletzung der Schutzgesetze ist dem Kläger auch ein Schaden in Höhe des substantiiert dargelegten Verlustes entstanden. Insofern kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen,

der Kläger habe durch die Hingabe des Geldes eine Gewinnchance erworben; denn aufgrund der Nichtigkeit des Spielvertrags hätte der Kläger im Fall eines Gewinns keinen einklagbaren Anspruch erworben.

dd.

Auch ist der Anspruch des Klägers nicht gemäß § 254 BGB aufgrund eines überwiegenden Mitverschuldens ausgeschlossen oder beschränkt; denn ein Verschulden des Klägers in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online-Glücksspiels anzunehmen, liefe Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV zuwider und würde auch dessen Charakter als Schutzgesetz konterkarieren.

OLG Köln 19 U 51/22

Der GlüStV a.F. dient mit seinem Ziel der Vermeidung und Bekämpfung von Spielsucht gerade auch in gewissem Umfang des Spielers vor sich selbst, was eine Anwendung des § 254 BGB ausschließt. § 254 BGB kann auch demjenigen Glücksspieler nicht entgegen gehalten werden, der im Rahmen eines Selbstsperrevertrags zur Befriedigung seiner Spielsucht das Hausrecht der Spielbank verletzt

(BGH, Urteil vom 15.12.2005 – III ZR 65/05, juris).

d.

Ob der Kläger darüber hinaus zum Widerruf der geschlossenen Spielverträge gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB berechtigt war und er nach Abgabe der entsprechenden Erklärung seine Spieleinsätze auch aus diesem Rechtsgrund zurückfordern konnte, kann hiernach dahinstehen.

e.

Ansprüche des Klägers sind schließlich auch nicht verjährt, §§ 195, 199 BGB. Denn der Kläger hat schlüssig und seitens der Beklagten nicht erheblich bestritten dargetan, dass er erst im Jahr 2021 aufgrund entsprechender Berichterstattung in der “Tagesschau” von der möglichen Unwirksamkeit der mit der Beklagten geschlossenen Verträge erfahren habe.

Der Lauf der Verjährungsfrist hat somit erst mit dem 21.12.2021 begonnen.

f.

Der Zinsanspruch besteht gemäß §§ 291, 288 BGB seit dem 25.09.2021, da die Klage ausweislich des Rückscheins (Bl. 82 GA) am 24.09.2021 der Beklagten zugestellt wurde.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO.

IV.

Ein Revisionszulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegt entgegen der seitens der Beklagten vertretenen Auffassung nicht vor. Insbesondere ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB in einem Fall wie dem vorliegenden nicht einschlägig ist, da die Anwendung der Norm voraussetzen würde, dass der Kläger in subjektiver Hinsicht vorsätzlich oder zumindest leichtfertig gehandelt hätte.

Ein Zulassungsgrund ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass erstinstanzliche Urteile klägerische Ansprüche in vergleichbaren Fällen verneint haben.

Denn von einer divergierenden Rechtsprechung im Sinne des § 543 Abs. 2, 2.Alt. ZPO wäre nur dann auszugehen, wenn ein gleich- oder höherrangiges Gericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet hätte, wovon vorliegend gerade nicht auszugehen ist

(vgl. hierzu auch OLG München, Beschluss vom 20.09.2022 – 18 U 538/22, bislang n.v., m.w.N.).

Auch ist nicht ersichtlich, dass die Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts im Sinne des § 543 Abs. 2 Alt. 1. ZPO erforderlich wäre

OLG Köln 19 U 51/22

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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