OLG Köln 2 Wx 190/22

November 23, 2022

OLG Köln 2 Wx 190/22 Beschluss vom 14.09.2022 Nachweis der Erbfolge durch privatschriftliches Testament im Erbscheinsverfahren

Tenor OLG Köln 2 Wx 190/22

Auf die Beschwerde des Beteiligten vom 23.08.2022 wird der am 22.08.2022 erlassene Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Aachen, 700G VI 1086/22, aufgehoben.

Die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags des Beteiligten vom 29.04.2022 auf Erteilung eines Alleinerbscheins erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.

Gründe OLG Köln 2 Wx 190/22

I.

Am xx.xx.2022 ist A B (im Folgenden: Erblasserin) verstorben. Sie war in einziger Ehe verheiratet mit dem am xx.xx.2010 vorverstorbenen C B.

Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat die Erblasserin am 23.03.1988 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt, ansonsten aber keine Verfügung getroffen haben.

OLG 2 Wx 190/22

Am 17.09.2010 hat die Erblasserin ein privatschriftliches Testament errichtet (Bl. 20 d. Testamentsakte 700G IV 582/22), in dem sie Folgendes verfügt hat:

“Hiermit setze ich meinen Sohn D B geb. x.xx.1957 als meinen Alleinerben ein.”

Mit notarieller Urkunde vom 29.04.2022 – UVZ-Nr. X1/22 des Notars E in F – hat der Beteiligte die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt (Bl. 2 ff. d.A.). Er hat sich hierbei auf das Testament vom 17.09.2010 gestützt und ausgeführt, dass die Erblasserin danach von ihm, ihrem Sohn, als Alleinerbe beerbt worden sei.

Das Nachlassgericht hat den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten daraufhin aufgefordert, eine beglaubigte Geburtsurkunde des Beteiligten zu übersenden. Dem ist der Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 22.06.2022 entgegengetreten und hat ausgeführt, dass der Beteiligte mit Vor- und Nachnamen sowie Geburtsdatum im Testament genannt worden und im Übrigen durch bereits vorliegende Unterlagen identifizierbar sei.

Durch am 22.08.2022 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zurückgewiesen, weil er nicht durch Vorlage einer Abstammungsurkunde oder ähnliches nachgewiesen habe, der Sohn der Erblasserin zu sein (Bl. 29 ff. d.A.). Die Bezeichnung als Sohn sei ein maßgebliches Kriterium für die Erbeinsetzung und nicht nur eine ergänzende Angabe zur Identifikation des eingesetzten Erben.

Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigtem des Beteiligten am 22.08.2022 zugestellten Beschluss hat dieser im Namen des Beteiligten mit am 23.08.2022 beim Amtsgericht Aachen eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Beschwerde eingelegt (Bl. 33 f. d.A.). Er hat vorgetragen, dass der Beteiligte im Testament durch die Angaben von Namen und Geburtsdatum eindeutig als Erbe bezeichnet worden sei und es auf das zusätzliche Merkmal “mein Sohn” nicht ankomme.

Durch am 07.09.2022 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 51 f. d.A.).

II.

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu Unrecht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Alleinerbscheins liegen vor. Dementsprechend hat der Senat die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags erforderlich sind, gem. § 352e Abs. 1 S. 1, 2 FamFG für festgestellt erachtet.

OLG Köln 2 Wx 190/22

Ist der Erbe – wie hier – aufgrund einer Verfügung von Todes wegen berufen, so hat er die Verfügung von Todes wegen zu bezeichnen, auf der sein Erbrecht beruht (§ 352 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), anzugeben, ob weitere Verfügungen von Todes wegen vorhanden sind (§ 352 Abs. 2 Nr. 2 FamFG), und weitere Angaben über den Todeszeitpunkt und letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zu machen, sowie darüber, ob ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist, er die Erbschaft angenommen hat und welche Größe sein Erbteil ausmacht.

Zusätzlich hat er Angaben über weggefallene Personen zu machen, die seinen Erbteil schmälern oder seine Berufung ausschließen würden (§ 352 Abs. 2 Nr. 3 FamFG).

Gem. § 352 Abs. 3 S. 1 FamFG hat er die Urkunde vorzulegen, auf der sein Erbrecht beruht. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Insbesondere liegt das Testament vom 17.09.2010 vor, in dem der Beteiligte von der Erblasserin namentlich und unter Angabe seines Geburtsdatums als Alleinerbe bezeichnet worden ist.

Zwar kann das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen, wenn hierfür Anhaltspunkte vorliegen.

OLG 2 Wx 190/22

So genügt insbesondere die bloße Vorlage einer Verfügung von Todes wegen nicht, wenn testamentarisch bedachte Personen lediglich über Beschreibungen, z.B. über die Bezeichnung als “Sohn”, und daher nur unter Berücksichtigung weiterer Umstände identifiziert werden können (MüKo-FamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, § 352 Rn. 40; BeckOK-FamFG/Schlögel, Stand: 01.07.2022, § 352 Rn. 13; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 2353 Rn. 15).

In einem solchen Fall kann daher auch der gewillkürte Erbe zur Vorlage einer Abstammungsurkunde verpflichtet sein.

Hier hat das Nachlassgericht indes zu Unrecht die Vorlage einer Abstammungsurkunde vom Beteiligten verlangt.

Denn die Identität des Erben steht aufgrund der Angaben von Namen und Geburtsdatum des Erben im Testament fest.

Auf die Angabe “mein Sohn” kommt es daher nicht mehr an, zumal diese Bezeichnung des Beteiligten im Testament nicht als Bedingung für seine Einsetzung verstanden werden kann. Denn ob der Beteiligte tatsächlich der Sohn der Erblasserin ist oder von der Erblasserin nur als ihr Sohn bezeichnet worden ist, weil es sich beispielsweise um ein Pflegekind oder einen Sohn ihres vorverstorbenen Ehemannes gehandelt hat, wird die Erblasserin selbst am besten gewusst haben.

Es kann daher ausgeschlossen werden, dass die Erblasserin die Alleinerbenstellung des unter Angabe von vollständigem Namen und Geburtsdatum genannten Beteiligten davon abhängig machen wollte, dass er ihr Sohn ist.

Der Vorlage einer Abstammungsurkunde bedarf es nicht.

Der Erbschein ist daher vom Nachlassgericht antragsgemäß zu erteilen.

OLG 2 Wx 190/22

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

cemetery with bare trees

Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22

April 18, 2024
Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22Zusammenfassun…
paragraph, a book, law

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

April 18, 2024
Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 232…
paragraph, gold, law

Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23

April 18, 2024
Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23Inhaltsverzeichnis:…