OLG München 18 U 538/22

April 19, 2023

OLG München 18 U 538/22 Rückzahlung von Verlusten bei Teilnahme an Onlineglücksspielen – keine Lizenz


Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 20.12.2021, Aktenzeichen 3 O 1549/21, wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Dieser Beschluss und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
  4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.175,00 € festgesetzt.

Gründe

OLG München 18 U 538/22
I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Verlusten in Anspruch, die er in der Zeit vom 01.10.2018 bis zum 29.09.2020 im Rahmen der Teilnahme an Onlineglücksspielen erlitten hat. Die Beklagte mit Sitz in Malta war die Anbieterin dieser Glücksspiele. Sie verfügt zwar über eine Glücksspiellizenz der Glücksspielbehörde von Malta; nicht hingegen über eine Glücksspiellizenz in Deutschland oder in Bayern, wo der Kläger seinen Wohnsitz hat.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 20.12.2021, Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage zugesprochen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils verwiesen.

Das Urteil ist der Beklagten am 05.01.2022 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 21.01.2022, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tage, hat die Beklagte Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit weiterem Schriftsatz vom 06.04.2022, eingegangen am selben Tage, begründet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Traunstein aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagtenvertreter vom 06.04.2022 (Bl. 150/157 d.A.), vom 09.09.2022 (Bl. 205/215 d.A.) und vom 14.09.2022 (Bl. 216/273 d.A.) sowie die Schriftsätze der Klägervertreter vom 26.04.2022 (Bl. 159/186 d.A.) und vom 15.06.2022 (Bl. 187/188 d.A.), jeweils nebst den zugehörigen Anlagen, verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 20.12.2021, Aktenzeichen 3 O 1549/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.

Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 04.08.2022 (Bl. 193/204 d.A.) Bezug genommen.

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. P. und Richterin am Oberlandesgericht H., die an diesem Beschluss nicht mitgewirkt haben, aber nunmehr nach der Geschäftsverteilung des Senats zur Mitentscheidung berufen sind, machen sich den Inhalt dieses Beschlusses in vollem Umfang zu eigen.

Auch die Ausführungen in den Schriftsätzen der Beklagtenvertreter vom 09.09. und vom 14.09.2022 geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.

OLG München 18 U 538/22

Soweit die Beklagte meint, es könne keine Sachbehandlung gem. § 522 Abs. 2 ZPO erfolgen, sondern es müsse “der Behauptung der Beklagten nachgegangen” werden, der Kläger habe “bewusst und gewollt das Geschäftsmodell des ‘Spielens ohne Risiko'” betrieben, wobei er gewusst habe,

dass “in Deutschland für öffentliches Glücksspiel gegen Geld eine Erlaubnispflicht besteht”, ist anzumerken, dass für die behauptete Kenntnis des Klägers die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trägt.

Nach dem Sach- und Streitstand lässt sich aber – auch aus Sicht des Senats – aus den beklagtenseits herangezogenen Umständen (insbesondere den einschlägigen Pressemitteilungen / -berichterstattungen [Anlagenkonvolut B1]) nicht hinreichend sicher darauf schließen,

dass der Kläger damals Kenntnis vom Verbot gehabt oder sich der Einsicht in die Gesetz- bzw. Sittenwidrigkeit zumindest leichtfertig verschlossen hätte.

Daran ändern auch die Ausführungen der Beklagten zu einem anwaltlichen “Geschäftsmodell des ‘Spielens ohne Risiko'” in der Gesamtschau nichts.

Sonstige Beweisangebote hat die Beklagte hierzu nicht unterbreitet; vielmehr zieht sich die Beklagte auch im Schriftsatz vom 14.09.2022 (auf S. 57) darauf zurück, die (unzutreffende) Rechtsauffassung zu vertreten, sie trage keine Beweislast.

Damit korrespondierend wurde bereits im unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils zu Recht nicht festgestellt, dass dem Kläger das Verbot von Onlineglücksspielen bekannt gewesen wäre.

Vielmehr findet sich dieser Punkt im streitigen Teil des Tatbestands (LGU S. 2 und 3; siehe dazu auch die Entscheidungsgründe, LGU S. 7).

Einen Tatbestandsberichtigungsantrag hat die Beklagte nicht gestellt. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist insoweit daher in der Berufungsinstanz keine mündliche Verhandlung geboten.

Bei dieser Sachlage ist es dem Kläger zudem – wie bereits das Landgericht zutreffend dargelegt hat (LGU S. 8) – auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, die streitgegenständlichen Ansprüche geltend zu machen.

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Wie im Einzelnen bereits im Hinweisbeschluss erläutert, ist das “Internetverbot” des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. – anders, als die Beklagte meint – mit Unionsrecht vereinbar.

Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass insoweit auch in den Blick zu nehmen ist, dass das Totalverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. zwischenzeitlich in der Neufassung zu Gunsten eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt entfallen ist.

Dies führt in der Gesamtschau aber gleichwohl nicht dazu, dass das Totalverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. gegen Unionsrecht, namentlich gegen die in Art. 56 AEUV verbürgte Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern, verstoßen hätte

(vgl. dazu die Erwägungen des BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16, NVwZ 2018, 895, 900 f., Rn. 41 ff., in Bezug auf die erfolgte Zulassung der Ausnahmen für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten, die insoweit für die hier zur Entscheidung stehende Konstellation entsprechend gelten).

Der Eingriff in diese Grundfreiheit war nämlich nichtsdestoweniger zur kohärenten und systematischen Förderung der mit ihm verfolgten Gemeinwohlzwecke geeignet und hielt sich in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit.

Dabei steht es grundsätzlich den Mitgliedstaaten zu, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen (BVerwG, a.a.O., Rn. 39 ff. m.w.N. zur einschlägigen Rechtsprechung des EuGH).

Der Beklagten ist zuzugeben, dass die Entscheidungen, die der Senat im Hinweisbeschluss im Einzelnen dargelegt hat, nicht unmittelbar den hier streitgegenständlichen Sachverhalt betreffen.

Die zitierten, dort ausgeführten Erläuterungen zur Vereinbarkeit von Glücksspiele betreffenden Einschränkungen bzw. Verboten mit höherrangigem nationalen Recht und Unionsrecht sowie insbesondere auch zur Frage, ob diese verhältnismäßig sowie geeignet und erforderlich sind, die “Kanalisierungsaufgabe” des Staatsvertrags zu erreichen, lassen sich auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall jedoch gleichwohl entsprechend heranziehen.

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Soweit die Beklagte sich an der Formulierung “Rechtsbrecher” stört, ist anzumerken, dass es sich bei der betreffenden Passage im Hinweisbeschluss (auf S. 7 = Bl. 198 d.A.) – was wohl auch die Beklagte einräumt – ersichtlich lediglich um Zitate aus der Entscheidung des Kammergerichts Berlin

(Urteil vom 06.10.2020 – 5 U 72/19, Rn. 47 bis 49)

handelt; dort wird insoweit Bezug genommen auf die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021, Drucksache 20/448 der B. Bürgerschaft.

Es geht insoweit zudem nicht um die Beklagte, sondern vor dem Hintergrund der Frage der Eignung des Verbots, die “Kanalisierungsaufgabe” des Staatsvertrags zu erreichen, in einer Gesamtbetrachtung darum, ob ein “strukturelles” oder ein “faktisches Vollzugsdefizit” besteht.

Der Vollständigkeit halber ist ferner anzumerken, dass – wie bereits im angegriffenen Urteil und im Hinweisbeschluss im Einzelnen dargetan – auch die streitgegenständlichen, von der Beklagten angebotenen Glücksspiele gegen das Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. verstießen;

die Beklagte stellt selbst nicht in Abrede, dass sie über keine Glücksspiellizenz in Deutschland und Bayern verfügte und argumentiert sogar (Schriftsatz vom 14.09.2022, S. 57), der Kläger habe insoweit durch die Teilnahme an den Glücksspielen der Beklagten gegen ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 817 BGB und gegen § 285 StGB (Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel) verstoßen.

Die Beklagte geht also offenbar selbst nicht davon aus, dass die Glücksspiele sich nicht als Bruch des Rechts des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. darstellten; sie argumentiert lediglich, diese Norm sei wegen Verstoßes gegen Unionsrecht nicht anwendbar.

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Eine Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst; dem betreffenden Antrag der Beklagten ist daher nicht zu entsprechen.

Wie schon im Hinweisbeschluss (auf S. 3 unter Ziffer I.3) erläutert, hat der BGH erst jüngst mit Beschluss vom 22.07.2021 (Az.: I ZR 199/20) nicht nur klargestellt, dass auch er – wie das Kammergericht Berlin (Urteil vom 06.10.2020 – 5 U 72/19, zitiert nach juris) – nicht von einem Verstoß gegen Unionsrecht ausgeht.

Er hat zudem unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH dargelegt, dass insoweit auch keine Vorlage an diesen gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV veranlasst sei.

So stelle sich im dortigen Streitfall keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten sei.

Der Gerichtshof habe entschieden, dass die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte sei.

Die für diese Prüfung maßgeblichen Grundsätze des Unionsrechts habe er bereits geklärt.

Auch angesichts der Ausführungen in der Gegenerklärung und im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 14.09.2022 bleibt es dabei, dass sich der Senat diesbezüglich dem Bundesgerichtshof anschließt

und es daher aus den insoweit entsprechend geltenden Gründen vorliegend ebenfalls nicht für geboten hält, den EuGH – wie in der Berufungsbegründung beantragt – im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Auslegung von Art. 56 AEUV zu befragen

(siehe dazu auch BVerfG, Beschluss vom 30.09.2013 – 1 BvR 3196/11, BeckRS 2013, 59939 unter Ziffer 5).

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Soweit die Beklagte insoweit in ihren Schriftsatz vom 14.09.2022 (auf Seiten 6 bis 56) einen Schriftsatz an das Bundesverwaltungsgericht hineinkopiert hat, betrifft dieser nicht zuletzt die Frage, ob im dortigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Bundesland Baden-Württemberg “alle erforderlichen Elemente dargelegt [hat], um seine Verbotsverwaltungsakte zu legitimieren”.

Überdies ist – soweit in der hineinkopierten Passage neben Rechtsmeinungen auch Tatsachen erwähnt werden – nicht dargetan oder ersichtlich, ob insoweit nun auch im hiesigen Verfahren ein neuer Sachvortrag erfolgen soll.

Da die Klagepartei unter ausdrücklicher Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung dezidiert zur Eignung des Internetverbots sowie zu dessen Verhältnismäßigkeit und seiner Vereinbarkeit mit Unionsrecht vorgetragen hat (siehe Replik, S. 15/23 = Bl. 82/90 d.A.), würde sich betreffender neuer Sachvortrag als verspätet darstellen.

Aber selbst, wenn man diesbezüglich von neuem Sachvortrag ausgehen und diesen zu Gunsten der Beklagten berücksichtigen würde, ist insoweit hinsichtlich des hier zur Entscheidung stehenden Verfahrens nach dem hiesigen Sach- und Streitstand jedenfalls gleichwohl nicht ein “Vollzugsdefizit” dargetan oder ersichtlich

(siehe dazu auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. April 2022 – 23 U 55/21, juris Rn. 52),

angesichts dessen bezüglich der streitgegenständlichen Regelung im GlüStV von einer “Inkohärenz” ausgegangen werden könnte

(vgl. dazu z.B. EuGH, Urteil vom 15.09.2011 – C-347/09 –, juris Rn. 44 und 56).

Dies gilt erst recht, nachdem beklagtenseits insoweit im Wesentlichen in Bezug auf eine auf Grundlage des Ersten Glückspielstaatsvertrags ergangene Verbotsverfügung aus 2010 von angeblichen Verstößen des Bundeslandes Baden-Württemberg gegen eine systematische und kohärente Beachtung der Bestimmungen des GlüÄndStV die Rede ist.

Hieraus ergibt sich für die streitgegenständlichen, im Zeitraum 2018 bis 2020 in Bayern getätigten Online-Glücksspiele aber keine maßgebliche Erkenntnis.

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Die Rückforderung der streitgegenständlichen Glücksspielverluste ist – anders, als die Beklagte wie bereits erstinstanzlich nun in der Gegenerklärung und im Schriftsatz vom 14.09.2022 erneut geltend macht – auch nicht gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen (vgl. hierzu bereits LGU, S. 7).

6.1. Denn die dort normierte Kondiktionssperre greift hier jedenfalls schon deshalb nicht, weil die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte

(siehe dazu Grüneberg/Sprau, 81. Aufl., § 817 BGB, Rn. 24)

nicht nachgewiesen hat (vgl. bereits LGU, S. 2, 3 und 7), dass der Kläger in subjektiver Hinsicht vorsätzlich verbots- oder sittenwidrig gehandelt oder sich der Einsicht in die Gesetz- bzw. Sittenwidrigkeit zumindest leichtfertig verschlossen hat (vgl. Grüneberg/Sprau, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.).

Dies verkennt die Beklagte, die auch im Schriftsatz vom 14.09.2022 (auf S. 57) noch fälschlich davon ausgeht, es genüge ein objektiver Verstoß.

6.2. Lediglich der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass es überdies geboten ist, die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB in solchen Fällen nicht eingreifen zu lassen, in denen ein Ausschluss der Rückforderung nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar wäre.

Dies ist dann der Fall, wenn – wie hier – die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen

(vgl. z.B. Grüneberg/Sprau, 81. Aufl., § 817 BGB, Rn. 18 m.w.N.).

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Die Normen des GlüStV sollen ausweislich dessen § 1 Satz 1 u.a. die Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels schützen.

Damit korrespondierend verfolgt gerade auch die vorliegend einschlägige Verbotsnorm des Internetverbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. den Zweck, zum Schutze der Spieler illegales Glücksspiel zu unterbinden

(siehe dazu auch Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 329 m.w.N.).

Wenn man davon ausginge, von einem Spieler getätigte Einsätze wären gem. § 817 S. 2 BGB kondiktionsfest und verblieben dauerhaft beim Anbieter des verbotenen Glücksspiels, würde diese Intention des Verbotsgesetzes somit untergraben.

III.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  2. Der Ausspruch, dass das angefochtene Urteil nunmehr ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, ergibt sich aus § 708 Nr. 10 und § 713 ZPO.
  3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO bestimmt.
  4. Bereits im Hinweisbeschluss (auf S. 10 = Bl. 202 d.A. unter Ziffer I.10) war unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 22.07.2021 – I ZR 199/20, dargelegt worden, dass kein Revisionszulassungsgrund gem. § 543 Abs. 2 ZPO vorliegt. Daran vermag auch die Argumentation der Beklagten in der Gegenerklärung und im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 14.09.2022 nichts zu ändern.

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4.1. So sind die Fragen, ob das Totalverbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. ein wirksames – insbesondere unionsrechtskonformes – Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB statuiert,

so dass sich für den Spieler nach dem anwendbaren deutschen Sachrecht ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 ergibt, in der obergerichtlichen- und höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt.

Insoweit darf insbesondere nochmals auf die Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts

(Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16, BVerwGE 160, 193 = NVwZ 2018, 895)

und des Bundesgerichtshofes (Urteile vom 22.07.2021 – I ZR 194/20 und I ZR und 199/20, jeweils zitiert nach juris) verwiesen werden.

Ebenso auch ein weiteres Mal auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

(BVerfG, Beschluss vom 30.09.2013 – 1 BvR 3196/11, BeckRS 2013, 59939);

dass der letztgenannte Beschluss schon einige Jahre alt ist, ändert – anders, als offenbar die dies monierende Beklagte meint – nichts an dessen Einschlägigkeit; das Bundesverfassungsgericht ist von dieser Rechtsprechung auch in der Zwischenzeit nicht abgegangen.

4.2. Ebenfalls geklärt ist, dass die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB in einem Fall wie dem hier zur Entscheidung stehenden nicht einschlägig ist.

So herrscht in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung Einigkeit, dass die Anwendung dieser Norm jedenfalls voraussetzen würde,

dass der Kläger in subjektiver Hinsicht vorsätzlich verbots- oder sittenwidrig gehandelt oder sich der Einsicht in die Gesetz- bzw. Sittenwidrigkeit zumindest leichtfertig verschloss hat.

Davon kann aber nach dem hiesigen Sach- und Streitstand nicht ausgegangen werden (siehe bereits oben unter Ziffer II.1).

4.3. Anders, als die Beklagte meint, ergibt sich ein Zulassungsgrund zur “Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung” i.S.d. § 543 Abs. 2 Alt. 2 ZPO nicht aus der Tatsache, dass diverse Amts- und Landgerichte in vergleichbaren Fallgestaltungen Ansprüche von Spielern verneint haben.

Denn von einer divergierenden Rechtsprechung in diesem Sinne wäre nur dann auszugehen, wenn ein gleich- oder höherrangiges Gericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet hätte

(siehe z.B. Seiler in Thomas/Putzo, 43. Aufl., § 543 ZPO, Rn. 4b).

OLG München 18 U 538/22

Derartige Entscheidungen von Oberlandesgerichten oder höherrangigen Gerichten sind aber weder dargetan noch ersichtlich.

Im Gegenteil: mehrere Beschlüsse von Oberlandesgerichten stehen gerade nicht in Divergenz

(vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2021 – I-12 W 13/21, zitiert nach juris (Anlage K22);

OLG München, Beschluss vom 22.11.2021 – 5 U 5491/21 (Anlage K23);

OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 – 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956;

OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, zitiert nach juris).

4.4. Auch der vorliegende Einzelfall lässt sich somit in Übereinstimmung mit der zitierten obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung nach den betreffenden kongruenten Rechtssätzen entscheiden. Dass über die streitgegenständlichen Fragen ein relevanter Meinungsstreit bestehen würde

(siehe dazu BGH, Beschluss vom 12.11.2019 – XI ZR 148/19, juris Rn. 13),

ist weder dargetan noch ersichtlich.

Das Bestreben, gleichsam vorbeugend eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern für den Fall, dass in Parallelverfahren – wie bislang nicht – künftig in Entscheidungen eines höheren oder gleichgeordneten Gerichts doch noch ein divergierender abstrakter Rechtssatz aufgestellt werden sollte, erfüllt ebenfalls keinen Zulassungsgrund

(vgl. BGH, Beschluss vom 28.06.2016 – II ZR 290/15, juris Rn. 7).

4.5. Die Fortbildung des Rechts i.S.d. § 543 Abs. 2 Alt. 1 ZPO gebietet hier ebenso wenig eine Revisionszulassung (vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.2021 – I ZR 199/20); dass sich die streitentscheidenden Fragen aufgrund des Geschäftsmodells der Beklagten und weiterer Anbieter von Internet-Glücksspielen in weiteren Fällen stellen und eine Vielzahl vergleichbar gelagerter Fälle anhängig sind,

macht sie nach dem Sach- und Streitstand in der Gesamtschau für die Allgemeinheit gleichwohl nicht in einem Maße rechtlich bedeutsam, das eine Revisionszulassung rechtfertigen würde.

Eine Pflicht zur Vorlage an den EuGH begründet vorliegend ebenfalls keinen Zulassungsgrund, da eine solche hier (wie bereits oben unter Ziffer II.5 dargelegt) nicht besteht.

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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