OLG München 31 Wx 128/17

August 13, 2017

OLG München 31 Wx 128/17

Ergänzende Auslegung eines Ehegattentestaments

Feststellung der Ersatzerbfolge eines weggefallenen Schlusserben 

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte in diesem Fall über die Wirksamkeit eines Testaments zu entscheiden,

das gegen die Bindungswirkung eines früheren gemeinschaftlichen Testaments verstieß.

Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der Abkömmling eines vorverstorbenen Schlusserben an dessen Stelle treten soll, obwohl keine ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung vorlag.

Hintergrund des Rechtsstreits

Ein Ehepaar hatte ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und den Sohn des Ehemannes aus erster Ehe als Schlusserben einsetzten.

Der Schlusserbe verstarb jedoch vor der Ehefrau.

Die Ehefrau errichtete daraufhin mehrere Testamente, in denen sie jeweils andere Personen als Erben einsetzte.

OLG München 31 Wx 128/17

Schließlich beantragte eine Nichte der Ehefrau die Erteilung eines Alleinerbscheins.

Der Sohn des vorverstorbenen Schlusserben legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein.

Die Entscheidung des OLG

Das OLG gab der Beschwerde statt und hob den Beschluss des Nachlassgerichts auf.

Das Testament der Ehefrau war unwirksam, da es gegen die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments verstieß.

Der Sohn des vorverstorbenen Schlusserben war als Ersatzerbe anzusehen.

Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments

Das OLG stellte fest, dass das gemeinschaftliche Testament eine planwidrige Regelungslücke aufwies, da es keine ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung enthielt.

Diese Lücke war im Wege der ergänzenden Auslegung zu schließen.

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Ergänzende Auslegung

Bei der ergänzenden Auslegung ist zu prüfen, was die Erblasser gewollt hätten, wenn sie die spätere Entwicklung vorausgesehen hätten.

Im vorliegenden Fall war es naheliegend, dass die Ehegatten den Sohn des vorverstorbenen Schlusserben als Ersatzerben einsetzen wollten.

Interessenlage der Ehegatten

Das OLG berücksichtigte die damalige Lebenssituation und Interessenlage der Ehegatten. Sie hatten keine gemeinsamen

Kinder und wollten das eheliche Vermögen im Stamm des Ehemannes halten.

Daher war es naheliegend, dass sie den Enkel des Ehemannes als Schlusserben einsetzen wollten.

Keine neue Schlusserbenbestimmung

Das OLG wies darauf hin, dass der Umstand, dass die Ehegatten nach dem Vorversterben des Schlusserben keine neue Schlusserbenbestimmung getroffen haben,

nicht zwingend gegen den Willen der Ehegatten spricht.

OLG München 31 Wx 128/17

Es sei naheliegender, dass die Ehegatten als juristische Laien es als Selbstverständlichkeit angesehen haben, dass der Enkel an die Stelle seines Vaters tritt.   

Wechselbezüglichkeit der Ersatzerbenberufung

Das OLG stellte fest, dass die Ersatzerbenberufung wechselbezüglich zu der Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin war.

Die Ehegatten hatten ihre jeweiligen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament als bindend angesehen.

Kumulationsverbot

Das OLG wies darauf hin, dass das Kumulationsverbot der Auslegungsregeln der §§ 2069, 2270 Abs. 2 BGB nicht zum Tragen kommt,

da die Berufung des Enkels als Ersatzerbe sich nicht aus der Anwendung des § 2069 BGB, sondern im Wege der individuellen Auslegung ergibt.

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Zusammenfassung der wichtigsten Punkte

  • Das OLG gab der Beschwerde des Enkels statt.
  • Das Testament der Ehefrau war unwirksam.
  • Der Enkel war als Ersatzerbe anzusehen.
  • Die Regelungslücke im gemeinschaftlichen Testament war im Wege der ergänzenden Auslegung zu schließen.
  • Die Interessenlage der Ehegatten sprach für die Einsetzung des Enkels als Schlusserben.
  • Die fehlende neue Schlusserbenbestimmung sprach nicht zwingend gegen den Willen der Ehegatten.
  • Die Ersatzerbenberufung war wechselbezüglich.
  • Das Kumulationsverbot kam nicht zum Tragen.

Fazit

Das Urteil des OLG München zeigt, dass bei der Auslegung von gemeinschaftlichen Testamenten die Interessenlage der Ehegatten und die mutmaßliche Willensrichtung zu berücksichtigen sind.

Auch wenn keine ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung vorliegt, kann der Abkömmling eines vorverstorbenen Schlusserben als Erbe eingesetzt werden,

wenn dies der mutmaßlichen Willensrichtung der Erblasser entspricht.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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