Leitsätze:
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 19.12.2016 – 41 O 19643/16
Der Kläger und seine beiden Brüder sind Erben zu gleichen Teilen gemäß dem Testament der am … 2006 verstorbenen G. vom 27.9.1994. Durch dieses Testament hat die Erblasserin dem Kläger das streitgegenständliche Grundstück als Vorausvermächtnis zugewendet. Mit notariellem Vertrag vom 25.2.2011 verkauften und übertrugen die Brüder des Klägers ihre Erbteile an die Beklagte. Der Kläger und die Beklagte sind als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks in ungeteilter Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagte betreibt beim Amtsgericht W. unter dem Aktenzeichen 1 K 37/13 die Teilungsversteigerung des streitgegenständlichen Grundstücks. Diesbezüglich ist ein Teilungsversteigerungsvermerk ins Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 23.12.2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, das Vermächtnis bis spätestens 15.1.2012 geltend zu machen. Eine Reaktion des Klägers erfolgte nicht.
Der Kläger hat beantragt,
eine einstweilige Verfügung zu erlassen mit dem Inhalt, dass im Grundbuch des Amtsgerichts M. von K., Gemarkung K., Flurstück 2259/9, Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum, Garten, B. Hausnummer 6, 0,01080 ha, Blatt 2411, zu Lasten des Miteigentums der im Grundbuch eingetragenen Antragsgegnerin eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Auflassung und Eintragung zu Alleineigentum eingetragen wird.
Die Beklagte hat beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagte hat entgegenstehende Rechtshängigkeit eingewandt. Ferner hat sie ihre Passivlegitimation bezweifelt, da sie nicht als Miteigentümerin (sondern nur als Mitglied einer Gesamthandsgemeinschaft) ins Grundbuch eingetragen sei; daher sei der Anspruch auch auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass kein Verfügungsanspruch bestehe, weil das Vermächtnis nach § 2307 Abs. 2 BGB als ausgeschlagen gelte. Schließlich wendet sie Verjährung ein. Auch sei das Rechtsschutzziel des Klägers durch die begehrte einstweilige Verfügung nicht zu erreichen, weil der eingetragene Teilungsversteigerungsvermerk einer eventuellen Vormerkung im Rang vorgehe.
Das Landgericht hat nach durchgeführter mündlicher Verhandlung die begehrte einstweilige Verfügung mit dem beantragten Inhalt erlassen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen.
Das Grundbuchamt des Amtsgerichts M. hat die Eintragung der Vormerkung aufgrund dieses Urteils abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Grundbuchbeschwerde blieb erfolglos.
Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte die Abweisung der Verfügungsklage weiter. Der Kläger hat form- und fristgerecht Anschlussberufung eingelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts München I vom 19.11.2016 aufzuheben und die Verfügungsklage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das bezeichnete Urteil unter Zurückweisung der Berufung abzuändern und eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt zu erlassen, dass im Grundbuch des Amtsgerichts M. von K., Gemarkung K., Flurstück 2257/9, Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum, Garten, B. Nr. 9, 0,1080 ha, Blatt 2411 zu Lasten des Gesamthandseigentums der im Grundbuch eingetragenen Erbengemeinschaft, die aus der B. GmbH (jetzt H. GmbH) – Berufungsklägerin – und Herrn U. F. – Berufungsbeklagter – besteht, eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Klägers (= Berufungsbeklagten und Anschlussberufungsklägers) auf Auflassung und Eintragung zu Alleineigentum an den Kläger eingetragen wird; hilfsweise: das Urteil des Landgerichts München I vom 19.12.2016 unter Zurückweisung der Berufung abzuändern und eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt zu erlassen, dass im Grundbuch des Amtsgerichts M. hinsichtlich des bezeichneten gesamten Grundstücks eine Eigentumsvormerkung zugunsten des Verfügungsklägers zur Sicherung seines Anspruchs aus dem Vorausvermächtnis eingetragen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Zurückweisung der Anschlussberufung.
B.
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Vielmehr war im Ergebnis die einstweilige Verfügung des Landgerichts nach Maßgabe der mit der Anschlussberufung gestellten Anträge zu bestätigen.
Die im dortigen Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München nach § 522 Abs. 2 ZPO für unbeachtlich gehalten. Hierüber liegt also keine rechtskräftige Entscheidung vor.
Allerdings wäre der erstinstanzliche Antrag des Klägers in der dort gestellten Form (Vormerkung zu Lasten des Miteigentumsanteils der Beklagten) zurückzuweisen gewesen. Neben der dargestellten erbrechtlichen Lage war die Eintragung einer Vormerkung zu Lasten eines Miteigentumsanteils der Beklagten auch aus grundbuchrechtlicher Sicht nicht möglich, weil ein solcher nicht voreingetragen war. Denn eine Eintragung ins Grundbuch setzt neben dem Antrag eines Antragsberechtigten (§ 13 GBO) und der Bewilligung des Betroffenen (§ 19 GBO) auch dessen Voreintragung voraus (§ 39 Abs. 1 GBO). Dabei ersetzt eine entsprechende einstweiligen Verfügung zwar die Bewilligung des Betroffenen, vermag aber am Erfordernis von dessen Voreintragung nichts zu ändern (vgl. dazu Palandt / Weidlich, BGB, 76. Aufl., § 885 Rz. 14). Dieses Problem stellt sich in der Berufungsinstanz aufgrund des neuen klägerischen Antrags nicht mehr, spielt aber für die Kostenentscheidung noch eine Rolle (vgl. unten C.).
Richtig ist zunächst der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach für die Ausschlagung des Vermächtnisses – anders als für die Ausschlagung der Erbschaft (vgl. § 1944 BGB) – eine gesetzliche Frist nicht vorgesehen ist. Im gesetzlichen Normalfall steht es also im Belieben des Vermächtnisnehmers, ob und wann er seinen Vermächtnisanspruch geltend macht; mit dieser Unsicherheit muss der Beschwerte – bis zum Eintritt der Verjährung – leben.
Gemäß § 2303 BGB besteht ein Pflichtteilsanspruch nur, wenn der grundsätzlich Berechtigte (Abkömmling, Ehegatte, Elternteil des Erblassers) „durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist“. Einen Pflichtteilsanspruch nach dem Erblasser hat daher grundsätzlich nicht, wer sein Erbe oder Vermächtnisnehmer ist. Von diesem Grundsatz finden sich jedoch Ausnahmen in §§ 2305 – 2307 BGB. Wer auf ein Erbteil eingesetzt ist, welches wertmäßig hinter dem Pflichtteilsanspruch zurückbleibt, kann die Differenz als Zusatzpflichtteil verlangen (§ 2305 BGB). Wer als Erbe eingesetzt, aber (insbesondere durch Testamentsvollstreckung oder Nacherbfolge) beschränkt oder (mit einem Vermächtnis oder einer Auflage) beschwert ist, kann die Erbschaft ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen (§ 2306 BGB). Wer mit einem Vermächtnis bedacht ist, kann dieses ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen (§ 2307 Abs. 1 BGB). Wer Erbe und Vermächtnisnehmer ist, muss in der Gesamtschau der Regelungen beides ausschlagen, um den Pflichtteil verlangen zu können.
Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich den vorgelegten Gesetzesmaterialien (BTDrucks. 16/8954; BTDrucks. 16/13543) ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers nicht entnehmen. Dort ist zwar wiederholt die Rede davon, dass erbrechtliche Ansprüche der Regelverjährung unterliegen sollten. Mit Grundstücksvermächtnissen befassen sich die Materialien aber nicht. Es kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers – entgegen dem von ihm gewählten Wortlaut der Übergangsvorschrift – auch für Grundstücksvermächtnisse eine Verjährungsfrist von 3 Jahren gelten sollte.
Entgegen Damrau, ZErbR 2015, 333 sieht der Senat auch keine Anhaltspunkte für eine anderweitige systematische Auslegung. Zwar mag es sein, dass unter Geltung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB diese erbrechtliche Verjährungsregelung als vorrangig gegenüber § 196 BGB zu verstehen war. Dieses Verhältnis von zwei Spezialvorschriften zueinander gibt aber kein Argument dafür, dass nurmehr – entgegen dem Wortlaut der Übergangsvorschriften und dem allgemeinen Spezialitätsgrundsatz – die allgemeine Vorschrift des § 195 BGB der Spezialvorschrift des § 196 BGB vorgehen sollte.
III. Die Darlegung eines Verfügungsgrundes war für den Kläger wegen § 885 Abs. 1 S. 2 BGB entbehrlich. Soweit die Beklagte die hiernach bestehende Vermutung für einen Verfügungsgrund damit widerlegen will, dass eine eventuelle Auflassungsvormerkung die Teilungsversteigerung nicht hindern könne, weil der bereits eingetragene Teilungsversteigerungsvermerk vorrangig sei, kann ihr nicht gefolgt werden.
Richtig ist zwar, dass der Rang des mit der Vormerkung gesicherten Rechts nach der Eintragung der Vormerkung (§ 883 Abs. 3 BGB), also nach der Reihenfolge der Eintragungen (§ 879 BGB) richtet. Eine Vormerkung wäre vorliegend also tatsächlich nachrangig und würde mit dem Zuschlag in der Teilungsversteigerung erlöschen (vgl. Palandt / Weidlich, a.a.O., § 883 Rz. 27). Der Kläger würde aber auch in diesem Fall am Erlösverteilungsverfahren teilnehmen, wobei der Erlös bis zur Erlangung eines rechtskräftigen Hauptsachetitels des Klägers zu hinterlegen wäre (Palandt / Weidlich, a.a.O.). Dem Kläger kann also ein Sicherungsbedürfnis nicht abgesprochen werden.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1, Abs. 2 ZPO. Dabei war zunächst zu berücksichtigen, dass die Anschlussberufung des Klägers wirtschaftlich auf das selbe Begehren gerichtet war wie sein ursprünglicher Antrag, so dass sie den Streitwert nicht erhöht und damit für das Maß des Obsiegens außer Betracht bleibt. Der Kläger hat daher in vollem Umfang obsiegt, aber nur wegen seiner Antragsumstellung in der Berufungsinstanz; nach seinem erstinstanzlichen Antrag wäre er unterlegen. Dies rechtfertigt es, dem Kläger nach § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die Kosten erster Instanz hat jedoch der Beklagte zu tragen, weil er insgesamt unterlegen ist (§ 91 ZPO) und eine dem § 97 Abs. 2 ZPO entsprechende Sondervorschrift insoweit fehlt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Eine Entscheidung über die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 542 Abs. 2 ZPO).