OLG Zweibrücken 1 W 31/21

August 11, 2022

OLG Zweibrücken 1 W 31/21,

Beschluss vom 22.12.2021

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verbietet nicht nur den (mittelbaren) Vermögensaufbau, sondern auch die vorrangige Finanzierung von nicht zur Lebensführung erforderlichen Maßnahmen. Luxusaufwendungen der Partei führen dazu, dass sich die Partei so behandeln lassen muss, als wäre es zu dieser Vermögensminderung nicht gekommen.

Tenor

OLG Zweibrücken 1 W 31/21

1. Die sofortige Beschwerde des Rechtsbehelfsführers wird zurückgewiesen.

2. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

3. Der Beschwerdeführer hat eine Gerichtsgebühr von 66 € zu tragen; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe OLG Zweibrücken 1 W 31/21

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtspflegerin hat unter Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsbeschlusses zutreffend angeordnet, dass der Kläger aus dem vergleichsweise im Rechtsstreit erlangten Betrag von 60.000 € eine Einmalzahlung in Höhe von 4.841,54 € (von der PKH erfasste Gerichtskosten und PKH-Vergütung) an die Gerichtszahlstelle zu erbringen hat.

Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger nicht bereits gehalten war, vor der Rückführung der beiden Darlehen (am 18.09.2019 über 10.000 € und am 31.01.2020 über 15.000 €) sowie der umfassenden Dachsanierung (Kosten von 23.287,63 €, gezahlt nach dem 30.09.2020) und der vollständigen Erneuerung der Tür und der Fenster des Hausanwesens …, … (Kosten von 16.198,40 €, gezahlt nach dem 27.07.2020), Rücklagen für Zahlungsansprüche der Landesjustizkasse im Hinblick auf die ihm vormals bewilligte Prozesskostenhilfe zu bilden.

Auf derartige mögliche Leistungspflichten ist der Kläger bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Jahr 2015 ausdrücklich hingewiesen worden; jedenfalls seit dem 30.08.2019 (Zurücknahme der Berufung durch den Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 03.08.2018) war ihm zudem ersichtlich, den vergleichsweise erlangten Betrag von zumindest 54.683,80 € nicht an die Beklagte zurückführen zu müssen. Zwar trifft es zu, dass kein allgemeiner Grundsatz dergestalt besteht, das aufgrund eines erfolgreichen Prozesses Erlangte vorrangig zur Deckung der von der Staatskasse verauslagten Prozesskosten einsetzen zu müssen. Prozesskostenhilfe stellt allerdings eine Form der Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen im Bereich der Rechtspflege dar.

Die Solidargemeinschaft kann redlicherweise nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Antragsteller bedürftig ist. Das verbietet nicht nur den (mittelbaren) Vermögensaufbau mit Prozesskostenhilfe, sondern auch die vorrangige Finanzierung von nicht zur Lebensführung erforderlichen Maßnahmen. Um letzteres handelte es sich offensichtlich bei der Dachsanierung sowie der Erneuerung der Tür und der Fenster des Hauses; ausweislich der vorgelegten Rechnungen lässt sich ersehen, dass es sich insoweit mitnichten um (notwendige) Instandsetzungen und/oder Reparaturen gehandelt hat.

Jedenfalls war der Kläger gehalten, auf den Einbau einer Markenküche im Wert von 18.500 € (bezahlt nach dem 06.11.2020) zu verzichten. Eine derartige Luxusaufwendung stellt sich als missbräuchlich dar, so dass sich der Kläger so behandeln lassen muss, als wäre es zu dieser Vermögensminderung nicht gekommen (eingehend dazu Hk-ZPO/Kießling, 9. Aufl. 2021, § 115 Rn. 73 ff. m.w.N.). Der Hinweis des Klägers, nach dem Umzug in ein kleineres Haus sei die Anschaffung einer Küche erforderlich gewesen und als Teil des Hausrates bei der Prüfung von Prozesskostenhilfe unbeachtlich, geht fehl.

Offen bleibt dabei schon, weshalb der Kläger nicht seine vormals vorhandene Küche hätte – nach Aus- und Wiedereinbau – weiternutzen können. Hinzu kommt vor allem, dass dem Kläger nicht der Kauf und Einbau einer Küche als solches vorzuwerfen ist, sondern der – gemessen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, die es nach seinem Vortrag erforderlich machen, Sozialhilfe des Staates in Anspruch zu nehmen – völlig unverhältnismäßige Aufwand in Höhe von 18.500 €. Es ist gerichtsbekannt, dass neue Küchen für einen Bruchteil dieses Betrages zu erwerben sind; der Kläger wäre ersichtlich gehalten gewesen, sich bei der Anschaffung deutlich zurückzunehmen.

Lediglich weiterführend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger nach dem Vergleichsschluss Verbindlichkeiten bedient und Aufwendungen getätigt haben will in Höhe von insgesamt 97.053,32 € (72.053,32 € sowie 25.000 €). Diese Leistungen kann er nicht aus dem ihm vergleichsweise zugeflossenen Betrag in Höhe von 54.683,80 € erbracht haben. Weitere erhebliche Mittelzuflüsse hat der Kläger – entgegen der ihn treffenden Rechtspflicht (§ 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO) – indes nicht angezeigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 22 Abs. 1 GKG, KV Nr. 1812, § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 und 3 ZPO nicht erfüllt sind.

OLG Zweibrücken 1 W 31/21

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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