organschaftliche Vertretungsmacht kann nicht durch Vollmacht vollständig auf einen Dritten übertragen werden – KG 1 W 484/10

Juli 25, 2021

organschaftliche Vertretungsmacht kann nicht durch Vollmacht vollständig auf einen Dritten übertragen werden – KG 1 W 484/10

Inhaltsverzeichnis RA und Notar Krau

  1. Einleitung
    • Hintergrund und Ausgangslage des Falles
  2. Kernaussagen und Entscheidungen
    • Hauptentscheidungen des Kammergerichts (KG 1 W 484/10)
    • Aufhebung durch den Bundesgerichtshof (BGH V ZB 1/11)
  3. Die organschaftliche Vertretungsmacht
    • Definition und rechtliche Grundlage
    • Grenzen der Übertragbarkeit der Vertretungsmacht
    • BGH-Urteile zur Vertretungsmacht (NJW-RR 2002, 1325; 1986, 778)
  4. Unwirksamkeit der Generalhandlungsvollmacht
    • Beispiel der unwirksamen Generalhandlungsvollmacht
    • Anforderungen an eine wirksame Generalhandlungsvollmacht (§ 54 HGB)
  5. Notwendigkeit der Mitwirkung aller Geschäftsführer (§ 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG)
    • Bedeutung und Anforderungen
    • Konsequenzen bei Missachtung
  6. Fallbeschreibung und Analyse
    • Sachverhalt und Verfahrensverlauf
    • Bewertung der notariellen Verhandlung vom 10. November 2009
    • Entscheidung des Grundbuchamts und Beschwerdeprozess
  7. Rechtliche Beurteilung und Argumentation
    • Gründe für die Zurückweisung des Antrags auf Eigentumsumschreibung
    • Anforderungen an die Bestimmtheit der Auflassungserklärung
    • Vertretungsmacht und Nachweis der Vertretungsberechtigung
  8. Aufhebung der Entscheidung durch den Bundesgerichtshof
    • BGH-Beschluss vom 29. September 2011
    • Begründung und rechtliche Argumentation des BGH
  9. Schlussfolgerungen
    • Auswirkungen der Entscheidungen auf die Praxis
    • Wichtige Lehren für die Gestaltung von Vollmachten und die organschaftliche Vertretung

Zum Entscheidungstext:

Eine “Generalhandlungsvollmacht”, die ein nur gemeinschaftlich vertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH einem Dritten dahin erteilt “mich in allen Angelegenheiten der Gesellschaft, soweit dies gesetzlich zulässig ist, gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.

Der Bevollmächtigte ist insbesondere befugt, die Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der … GmbH & Co. KG gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten …” ist unwirksam, da ein Geschäftsführer seine organschaftliche Vertretungsmacht nicht vollständig auf einen Dritten übertragen kann (vgl. BGH, NJW-RR 2002, 1325, 1326; 1986, 778).

Die Vollmachtserklärung ist auch nicht als Generalhandlungsvollmacht nach § 54 HGB wirksam; die Erteilung einer solchen Vollmacht bedarf gemäß § 35 Abs.2 S.1 GmbHG der Mitwirkung aller Geschäftsführer.

aufgehoben durch:

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 29. September 2011 – V ZB 1/11 –

“Die Beteiligte zu 9 ist bei der Auflassung … durch ihre Komplementärgesellschaft wirksam vertreten worden. Die im Namen der Geschäftsführerin J. von ihrem rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten abgegebenen Erklärungen sind wirksam. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts enthält die ihm erteilte Generalhandlungsvollmacht … nicht eine unzulässige Übertragung organschaftlicher Geschäftsführerbefugnisse.

Denn die Vollmacht gestattete dem Vertreter nicht, wie ein Gesellschaftsorgan tätig zu werden; vielmehr war er lediglich Unterbevollmächtigter der Geschäftsführerin. Für die Erteilung der Vollmacht bedurfte es nicht gemäß § 35 Abs.2 GmbHG der Mitwirkung der weiteren Geschäftsführerin H. Denn die Vollmacht ist nicht auf die unmittelbare Vertretung der GmbH, sondern lediglich auf ein Handeln in (Unter-)Vollmacht der Geschäftsführerin J gerichtet.”

Tenor
Die Beschwerde wird nach einem Wert von bis 720.000,00 € zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

organschaftliche Vertretungsmacht kann nicht durch Vollmacht vollständig auf einen Dritten übertragen werden – KG 1 W 484/10 – Gründe

I.

In notarieller Verhandlung vom 10. November 2009 (UR-Nr. P 6… /2… des Notars Dr. W… P…, Bl. 5 ff. d.A.) wurde namens der Beteiligten zu 9) als Veräußerin, die sich auf eine zuvor erklärte Auflassung der eingetragenen Eigentümerin an sie beruft, und namens der Beteiligten als Erwerber die Auflassung von im Urkundenanhang (Bl. 95 d.A.) bezeichneten Bruchteilen des im Beschlusseingang genannten Grundstücks an die ebenfalls im Anhang bezeichneten Beteiligten erklärt. Die Beteiligte zu 1) wird dabei als „GbR“ aufgeführt; es folgen Namen, Geburtsdaten und Wohnsitz ihrer Gesellschafter. Ferner ist das Datum des Beitritts zur Beteiligten zu 9) – 16. Oktober 2008 – genannt.

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Für die Beteiligten zu 2) und 4) bis 7) gilt Entsprechendes.

Mit Schreiben vom 16. November 2009 hat der Urkundsnotar u.a. die Eigentumsumschreibung und Eintragung von Grundschulden beantragt (Bl. 3 f. d.A.). Wegen der hierzu eingereichten Unterlagen wird auf Bl. 5 bis 154 d.A. Bezug genommen.

Das Grundbuchamt hat unter dem 16. Juni 2010 auf Hindernisse hingewiesen (Bl. 155 d.A. i.V.m. Bd I Bl. 262 f. der Grundakten von Tempelhofer Vorstadt Blatt 12782). Der Notar hat weitere Unterlagen eingereicht (Bl. 158 bis 189 und 191 bis 194 d.A.), u.a. eine notariell beglaubigte Erklärung der Gesellschafter der Beteiligten zu 1) vom 28. Juli 2010 (UR-Nr. F 8… /2… des Notars J… F… , Bl. 191 ff. d.A.).

In dieser heißt es, sie hätten sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts „unter der Bezeichnung („GbR 6.0.2“)“ zusammengeschlossen und beabsichtigten mit dieser Gesellschaft Eigentümer eines Bruchteils an dem im Beschlusseingang genannten Grundstück zu werden. Die Gesellschaft sei ausschließlich von ihnen gegründet worden, weitere Gesellschafter seien der Gesellschaft nicht beigetreten, was sie hiermit versicherten.

Namens der zuvor bezeichneten Gesellschaft bestätigten sie die Vollmacht an Dr. L… H… und genehmigten die für die Gesellschaft in der notariellen Verhandlung vom 10. November 2009 (UR-Nr. P 6… /2… des Notars Dr. W… P… ) abgegebenen Erklärungen. Die Gesellschafter der Beteiligten zu 2) und 4) bis 7) haben vergleichbare Erklärungen abgegeben.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2010 hat das Grundbuchamt die Anträge auf Eigentumsumschreibung und Eintragung von Grundschulden zurückgewiesen (Bl. 195 ff. d.A.). Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 10. November 2010 (Bl. 199 ff. d.A.), mit der auch geltend gemacht wird, die Anträge auf Eigentumsumschreibung bzw. Eintragung der Grundschulden seien jeweils nicht als verbunden zu behandeln, sondern einzeln gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 ff. GBO), jedoch nicht begründet. Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eigentumsumschreibung zu Recht gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GBO zurückgewiesen, weil der Eintragung ein nicht rückwirkend behebbares Hindernis entgegen steht (vgl. BayObLG, DNotZ 2001, 557; Demharter, GBO, 27. Aufl., § 18 Rn. 5 ff.). Mündliche oder schriftliche „Zusagen“ des Grundbuchamts zu einer abweichenden Verfahrensweise sind unerheblich.

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Es fehlt an einer hinreichend bestimmten Auflassungserklärung, die gemäß § 20 GBO erforderlich ist.

Die zum Nachweis der Auflassung vorgelegte Ausfertigung der notariellen Verhandlung vom 10. November 2009 (UR-Nr. P 6… /2… des Notars Dr. W… P… ) ist nicht geeignet, mit der für Grundbucheintragungen notwendigen Bestimmtheit die Identität der Gesellschaften festzustellen, an die die Miteigentumsanteile aufgelassen werden und die als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden sollen. In der Auflassungsurkunde muss eine erwerbende Gesellschaft bürgerlichen Rechts so genau bezeichnet sein, dass sie als unverwechselbares Rechtssubjekt identifizierbar ist (Senat, NZG 2010, 861; Beschluss vom 25. November 2010 – 1 W 417/10; OLG München, NZG 2010, 341).

Das ist bezüglich der Beteiligten zu 1) nicht der Fall.

Die Erklärungen vom 10. November 2009 werden für eine „GbR“ abgegeben, die in dem Anhang nur durch Angaben zu ihren Gesellschaftern und den Zeitpunkt des Beitritts zur Beteiligten zu 9) gekennzeichnet ist. Das genügt schon angesichts der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass dieselben Gesellschafter mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts halten, nicht.

Notwendig wären eindeutige die Gesellschaft als unverwechselbares Rechtssubjekt identifizierende Angaben, wozu etwa Erklärungen zum Gründungsort und zum Gründungszeitpunkt, aber auch Name und Sitz gehören können (vgl. § 15 Abs. 1 lit. c Hs. 2 GBV).

Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken (DNotZ 2010, 301 ff.) ergibt sich nichts Abweichendes. In der dort behandelten Vertragsurkunde war die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – neben der Angabe der Gesellschafter – durch Name und Sitz hinreichend individualisiert.

Die Kennzeichnung der Gesellschaft als unverwechselbares Rechtssubjekt ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Erwerber materiellrechtlich ggf. durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. Weimer, NZG 2010, 335 f.).

Einer Auslegung der gemäß § 20 GBO nachzuweisenden Auflassung sind im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und das Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsgrundlagen im Grundbuchverfahren engere Grenzen gesetzt. Vor der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bedurfte es keiner Individualisierung, weil Vertragspartner und Rechtsträger nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter (in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit) waren.

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Eine Zwangsvollstreckung in Gesellschaftsvermögen kam nur unter den Voraussetzungen des § 736 ZPO in Betracht.

Schließlich besteht die Möglichkeit, dass dieselben Gesellschafter mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts halten, nicht bloß „abstrakt“ und liegt wesentlich näher als die Möglichkeit, dass 2 natürliche Personen denselben Namen und dasselbe Geburtsdatum aufweisen (vgl. dazu BT-Drucks. 16/13437 S. 24).

Dem Senat ist aus mehreren Rechtsstreiten und auch aus Grundbuchverfahren bekannt, dass – gerade bei grundstückshaltenden Gesellschaften – die Gründung von mehreren Gesellschaften bürgerlichen Rechts durch dieselben Gesellschafter nicht unüblich ist.

Die Erklärungen der Gesellschafter der Beteiligten zu 1) vom 28. Juli 2010 (UR-Nr. F 8… /2… des Notars J… F…, Bl. 191 ff. d.A.) genügen zur Feststellung der Identität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ebenfalls nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die fehlende Kennzeichnung der Gesellschaft als unverwechselbares Rechtssubjekt im Hinblick auf §§ 925 Abs. 1, 873 BGB nicht durch nachträgliche Erklärungen einer Vertragspartei ergänzt werden kann.

Denn es ist schon nicht gemäß § 29 Abs. 1 GBO nachzuweisen, dass die Personen, die am 28. Juli 2010 für die Beteiligte zu 1) gehandelt haben, noch zu diesem Zeitpunkt gemäß §§ 709 Abs. 1, 714 BGB zur Vertretung der spätestens am 16. Oktober 2008 gegründeten Gesellschaft berechtigt waren.

Selbst die Vorlage eines formgerechten Gesellschaftsvertrags würde nicht genügen, da dieser nur Auskunft über Gesellschafterbestand und Vertretungsbefugnis zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt (vgl. BGH, NJW 2006, 2189, 2190). Die Vertretungsmacht ist auch durch eine Eigenerklärung des Vertreters nicht nachzuweisen. Geständniserklärungen sind nur erheblich, wenn der Erklärende noch die Rechtsmacht hat, die bestätigte Rechtshandlung selbst vorzunehmen (vgl. Demharter, a.a.O., § 29 Rn. 10 m.w.N.).

Es ist aber nicht festzustellen, ob die für die Beteiligte zu 1) Handelnden am 28. Juli 2010 noch ihre (alleinigen) Gesellschafter waren. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Brandenburg (Beschluss vom 7. Oktober 2010 – 5 Wx 77/10 – juris Rn. 27) ist es unerheblich, dass sie am 28. Juli 2010 in der Lage waren, „eine solche Gesellschaft mit diesem Gesellschafterbestand“ zu gründen. Es kommt auf die Vertretungsbefugnis für die konkrete Gesellschaft und nicht für andere Gesellschaften an, die jederzeit gegründet werden könnten.

Geben z.B. 2 Gesellschafter einer Rechtsanwaltssozietät, die tatsächlich aus 3 (nur gemeinschaftlich vertretungsbefugten) Gesellschaftern besteht, Erklärungen im Namen der Sozietät ab, ist es für das Fehlen ihrer Vertretungsberechtigung irrelevant, dass die 2 Handelnden die Rechtsmacht haben, eine nur aus ihnen bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu gründen.

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Die Vertretungsberechtigung ist durch eine (auch eidesstattliche) Versicherung der als Gesellschafter Auftretenden nicht nachzuweisen (vgl. OLG München, NZG 2010, 1263, 1264 f.; 1065, 1066; OLG Brandenburg, a.a.O., Rn. 34; OLG Saarbrücken, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 2. November 2010 – 15 W 440/10 – juris Rn. 21), weil das der Form des § 29 Abs. 1 GBO nicht genügt. Ausnahmen von dieser Form kommen – abgesehen von § 35 Abs. 3 GBO – nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, überwiegend zum Nachweis negativer Tatsachen in Betracht.

Vorliegend geht es jedoch um den Nachweis der Vertretungsmacht als eintragungsbegründenden Tatbestand. Im Grundbuchverfahren besteht auch keine Vermutung, dass Rechtsverhältnisse – hier die Organstellung am oder vor dem 16. Oktober 2008 – fortbestehen.

Demgemäß kann z.B. die Stellung als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht durch einen Monate alten Ausdruck aus dem Handelsregister nachgewiesen werden (vgl. OLG Saarbrücken, MittBayNot 1993, 398).

Vollmachten sind im Hinblick auf § 172 BGB, § 47 BeurkG in Urschrift oder Ausfertigung vorzulegen; eine beglaubigte Abschrift der Vollmachtsurkunde reicht regelmäßig auch dann nicht, wenn keine Anhaltspunkte für einen Widerruf der Vollmacht bestehen (vgl. Senat, FGPrax 1998, 7; BayObLG, NJW-RR 2000 161, 162; Demharter, a.a.O., § 19 Rn. 80).

Veränderungen im Gesellschafterbestand und darüber hinaus Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Eintritts, Ausschlusses o.ä. von Gesellschaftern sind gerichtsbekannt auch keine fernliegenden, rein rechtstheoretische Möglichkeiten.

Aus den zuvor genannten Gründen ist auch nicht festzustellen, dass die Erklärungen, die Dr. L… H… in der Auflassungsverhandlung vom 10. November 2009 im Namen der spätestens am 16. Oktober 2008 gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts abgegeben hat, gemäß §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB für die Gesellschaft wirken.

Es ist nicht nachgewiesen, dass die bei der Genehmigungserklärung vom 28. Juli 2010 als Gesellschafter Handelnden nach §§ 709 Abs. 1, 714 BGB zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt waren.

Für die Beteiligten zu 2) und 4) bis 7) gilt Entsprechendes.

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Die genannten Hindernisse stehen auch der Buchung der Beteiligten zu 3), 8) und 9) als Miteigentümer entgegen. Das Grundbuchamt hat den Antrag vom 16. November 2009, das Eigentum auf die Erwerber umzuschreiben, zutreffend als nur einen Antrag i.S.v. § 13 Abs. 1 S. 1 GBO gewertet.

Denn der Antrag ist nach seinem Inhalt und der Formulierung unter Nr. III Abs. 1 S. 3 der UR-Nr. P 6… /2… („beantragen die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch“) auf nur eine Eintragung – wenn auch mehrerer Bruchteilseigentümer – in Abt. I des Grundbuchs gerichtet (§§ 44 Abs. 1, 47 GBO).

Sofern nach den Angaben in der Beschwerdeschrift ggf. nunmehr für jeden Miteigentümer eine gesonderte Eintragung erfolgen soll, handelt es sich um einen neuen (Hilfs-)Antrag, der nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein kann (vgl. Demharter, a.a.O., § 74 Rn. 6).

Aber selbst wenn der Antrag auf Eigentumsumschreibung vom 16. November 2009 als mehrere – gemäß § 16 Abs. 2 GBO verbundene – Anträge zu verstehen wäre, deren Vorbehalt im Hinblick auf die Ermächtigung des Notars unter Nr. V Abs. 1 der UR-Nr. P 6… /2… jetzt zurückgenommen ist, könnte eine isolierte Eintragung der Beteiligten zu 3), 8) und 9) als Miteigentümer nicht erfolgen.

Insoweit fehlt es an der Verfügungsberechtigung der Beteiligten zu 9), die für die Auflassung (§ 20 GBO) und Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) erforderlich ist. Aus der Auflassung der eingetragenen Eigentümerin an die Beteiligte zu 9) ergibt sich keine Einwilligung i.S.v. § 185 Abs. 1 BGB, nur unvollständige Miteigentumsanteile an dem Grundstück auf Dritte zu übertragen.

Zwar liegt in der Auflassung für den Empfänger regelmäßig die Ermächtigung, als Nichtberechtigter über das Grundstück zu verfügten (vgl. BGH, NJW 1997, 936, 937 m.w.N.), d.h. das Eigentum an einen oder mehrere Dritte zu übertragen.

Das gilt jedoch nicht, soweit die Rechtswirkungen der Verfügung für den eingetragenen Eigentümer hinter der Übereignung des Grundstücks auf den Empfänger zurückbleiben.

Eben so wenig, wie die Beteiligte zu 9) einen Teilvollzug der Auflassung an sie verlangen kann, weil sich die Einigung mit der eingetragenen Eigentümerin bzw. deren Bewilligung auf die Übertragung des gesamten Eigentums an dem Grundstück richtet (vgl. Demharter, a.a.O., § 13 Rn. 19), ist sie ermächtigt, unvollständige Miteigentumsanteile an Dritte zu übertragen und damit eine Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff., 1008 ff. BGB zwischen diesen und der eingetragenen Eigentümerin zu begründen.

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Im Übrigen steht der Eigentumsumschreibung hinsichtlich sämtlicher Beteiligten ein weiteres Hindernis entgegen. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Erklärungen in der UR-Nr. P 6… /2… für die Beteiligte zu 9) wirken.

Die Beteiligte zu 9) wird gemäß §§ 125, 161 Abs. 2, 170 HGB durch ihre Komplementärin vertreten, die im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg zu HRB 115777 B eingetragene ‘A… U…’ Verwaltungs GmbH. Diese wird, wie auch vom Notar bescheinigt, durch ihre nur gemeinschaftlich vertretungsbefugten Geschäftsführerinnen Dr. L… H… und M…-F… J…-G… vertreten (§ 35 Abs. 1 und 2 S. 1 GmbHG).

Die im Namen der M…-F… J…-G… abgegebenen Erklärungen des A… G… wirken nicht gemäß §§ 164 Abs. 1, 167 Abs. 1 BGB für und gegen sie. Die „Generalhandlungsvollmacht“ vom 9. November 2009 (UR-Nr. 6… /2… des Notars H…-J… S… , Bl. 17 ff. d.A.) ist unwirksam.

Ein Geschäftsführer kann seine organschaftliche Vertretungsmacht nicht – wie hier („in allen Angelegenheiten der Gesellschaft“) – vollständig auf einen Dritten übertragen (vgl. BGH, NJW-RR 2002, 1325, 1326; 1986, 778).

Die Vollmachtserklärung ist auch nicht als Generalhandlungsvollmacht nach § 54 HGB wirksam.

Die Erteilung einer solchen Vollmacht ist eine Vertretungshandlung i.S.v. § 35 GmbHG (vgl. BGHZ 62, 166, 168; Baumbach/Zöllner/Noack, GmbHG, 19. Aufl., § 35 Rn. 76 und 84, § 46 Rn. 52), die gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG der Mitwirkung beider Geschäftsführer bedarf.

Schließlich hat das Grundbuchamt auch die Eintragung der Grundschulden zu Recht abgelehnt. Es fehlt bereits an der Bildung von Miteigentumsanteilen, die für die Belastung von Bruchteilen des Grundstücks gemäß §§ 1114, 1192 Abs.1 BGB erforderlich ist.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 GBO vor.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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