organschaftliche Vertretungsmacht kann nicht durch Vollmacht vollständig auf einen Dritten übertragen werden – KG 1 W 484/10

Juli 25, 2021

organschaftliche Vertretungsmacht kann nicht durch Vollmacht vollständig auf einen Dritten übertragen werden – KG 1 W 484/10

Zusammenfassung des Urteils KG 1 W 484/10

Kernaussage:

Das Kammergericht Berlin (KG) entschied, dass ein Geschäftsführer seine organschaftliche Vertretungsmacht nicht vollständig auf einen Dritten übertragen kann. Eine sogenannte „Generalhandlungsvollmacht“, die dies versucht, ist unwirksam. Zudem bedarf die Erteilung einer solchen Vollmacht gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG der Mitwirkung aller Geschäftsführer.

Sachverhalt:

  • In einer notariellen Verhandlung wurde im Namen einer GmbH & Co. KG eine Auflassung von Grundstücksanteilen erklärt.
  • Die Vertretung der GmbH & Co. KG erfolgte durch einen Dritten, der eine „Generalhandlungsvollmacht“ von einem der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH erhalten hatte.
  • Das Grundbuchamt wies den Antrag auf Eigentumsumschreibung zurück, da die Identität der erwerbenden Gesellschaften nicht eindeutig festgestellt werden konnte und Zweifel an der Vertretungsberechtigung bestanden.
  • Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller Beschwerde ein.

Entscheidung des Gerichts:

organschaftliche Vertretungsmacht kann nicht durch Vollmacht vollständig auf einen Dritten übertragen werden – KG 1 W 484/10

  • Das KG wies die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung des Grundbuchamts.
  • Es fehlte an einer hinreichend bestimmten Auflassungserklärung, die die Identität der erwerbenden Gesellschaften eindeutig feststellt.
  • Die Vertretungsberechtigung des Dritten war nicht nachgewiesen, da die erteilte „Generalhandlungsvollmacht“ unwirksam war.
  • Ein Geschäftsführer kann seine organschaftliche Vertretungsmacht nicht vollständig auf einen Dritten übertragen.
  • Die Erteilung einer Generalhandlungsvollmacht bedarf der Mitwirkung aller Geschäftsführer.

Aufhebung durch den Bundesgerichtshof:

  • Der Bundesgerichtshof (BGH) hob die Entscheidung des KG auf.
  • Der BGH stellte fest, dass die GmbH & Co. KG bei der Auflassung wirksam vertreten wurde.
  • Die Vollmacht gestattete dem Vertreter nicht, wie ein Gesellschaftsorgan zu handeln, sondern lediglich in Unter-Vollmacht der Geschäftsführerin.
  • Für die Erteilung der Vollmacht bedurfte es nicht der Mitwirkung der weiteren Geschäftsführerin.

Schlussfolgerungen:

  • Die organschaftliche Vertretungsmacht eines Geschäftsführers kann nicht vollständig auf einen Dritten übertragen werden.
  • Eine wirksame Generalhandlungsvollmacht erfordert die Mitwirkung aller Geschäftsführer.
  • Die Vertretungsberechtigung muss im Grundbuchverfahren eindeutig nachgewiesen werden.
  • Die Entscheidungen des KG und des BGH haben Auswirkungen auf die Gestaltung von Vollmachten und die organschaftliche Vertretung in der Praxis. Es ist wichtig, die Grenzen der Übertragbarkeit der Vertretungsmacht zu beachten und die Mitwirkung aller Geschäftsführer bei der Erteilung von Generalhandlungsvollmachten sicherzustellen.

Inhaltsverzeichnis RA und Notar Krau

  1. Einleitung
    • Hintergrund und Ausgangslage des Falles
  2. Kernaussagen und Entscheidungen
    • Hauptentscheidungen des Kammergerichts (KG 1 W 484/10)
    • Aufhebung durch den Bundesgerichtshof (BGH V ZB 1/11)
  3. Die organschaftliche Vertretungsmacht
    • Definition und rechtliche Grundlage
    • Grenzen der Übertragbarkeit der Vertretungsmacht
    • BGH-Urteile zur Vertretungsmacht (NJW-RR 2002, 1325; 1986, 778)
  4. Unwirksamkeit der Generalhandlungsvollmacht
    • Beispiel der unwirksamen Generalhandlungsvollmacht
    • Anforderungen an eine wirksame Generalhandlungsvollmacht (§ 54 HGB)
  5. Notwendigkeit der Mitwirkung aller Geschäftsführer (§ 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG)
    • Bedeutung und Anforderungen
    • Konsequenzen bei Missachtung
  6. Fallbeschreibung und Analyse
    • Sachverhalt und Verfahrensverlauf
    • Bewertung der notariellen Verhandlung vom 10. November 2009
    • Entscheidung des Grundbuchamts und Beschwerdeprozess
  7. Rechtliche Beurteilung und Argumentation
    • Gründe für die Zurückweisung des Antrags auf Eigentumsumschreibung
    • Anforderungen an die Bestimmtheit der Auflassungserklärung
    • Vertretungsmacht und Nachweis der Vertretungsberechtigung
  8. Aufhebung der Entscheidung durch den Bundesgerichtshof
    • BGH-Beschluss vom 29. September 2011
    • Begründung und rechtliche Argumentation des BGH
  9. Schlussfolgerungen
    • Auswirkungen der Entscheidungen auf die Praxis
    • Wichtige Lehren für die Gestaltung von Vollmachten und die organschaftliche Vertretung

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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