Pflichtteilsergänzung Zeitpunkt für die Ermittlung des Grundstückswertes – Thüringer OLG Urteil vom 28. Januar 1999 – 1 U 881/97

Juli 7, 2020

Pflichtteilsergänzung Zeitpunkt für die Ermittlung des Grundstückswertes – Thüringer OLG Urteil vom 28. Januar 1999 – 1 U 881/97

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts vom 28. Januar 1999 befasst sich mit einem Pflichtteilsergänzungsanspruch der Kläger, die Ehefrau und Kinder des am 17. Januar 1998 verstorbenen H F.

Diese Anspruch ergibt sich aus der Schenkung von Grundstücken durch die Erblasserin, M F, an den Beklagten, ihren anderen Sohn, kurz vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland.

Hintergrund

Die Kläger machen einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 69.000 DM geltend.

Der Beklagte hatte von der Erblasserin kurz vor deren Tod erhebliche Grundstücke und den Erbteil am Nachlass ihres vorverstorbenen Ehemannes geschenkt bekommen.

Die Schenkungen umfassten:

Ackergrundstücke im Wert von 351.873,20 DM
Waldgrundstücke im Wert von 6.654,20 DM
Ein Gebäudegrundstück im Wert von 32.000,00 DM
Ein Bankguthaben von 3.057,14 DM

Pflichtteilsergänzung Zeitpunkt für die Ermittlung des Grundstückswertes – Thüringer OLG Urteil vom 28. Januar 1999 – 1 U 881/97

Insgesamt betrug der Wert des Nachlasses 393.584,54 DM, abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten von 3.053,13 DM, verbleiben 390.531,41 DM.

Ein Viertel dieses Betrages als Pflichtteil beträgt 97.632,85 DM, wovon die Kläger einen Teilbetrag von 69.000,00 DM forderten.

Erstinstanzliche Entscheidung

Das Landgericht Erfurt wies die Klage ab mit der Begründung, dass die Voraussetzungen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht schlüssig und substantiiert dargetan seien.

Es argumentierte, dass der ursprüngliche Kläger H F nach seinem Vater ein Drittel und nach seiner Mutter sechs Zehntel des Nachlasses erhalten habe, was mehr als seinem Pflichtteil von einem Viertel entspreche.

Das Landgericht berücksichtigte nicht die wirtschaftlichen Gegebenheiten, sondern lediglich die Anteile am Nachlass.

Berufung und Entscheidung des Oberlandesgerichts

Die Kläger legten Berufung ein, da sie die Entscheidung des Landgerichts für falsch hielten.

Das Oberlandesgericht gab den Klägern recht und stellte fest, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist, da der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß den §§ 2325 ff. BGB besteht.

Pflichtteilsergänzung Zeitpunkt für die Ermittlung des Grundstückswertes – Thüringer OLG Urteil vom 28. Januar 1999 – 1 U 881/97

Das Oberlandesgericht hob das Urteil des Landgerichts auf und wies die Sache zur Feststellung der Höhe der Forderung zurück.

Es argumentierte, dass für die Berechtigung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht die Erbquote, sondern der wirtschaftliche Wert des Nachlasses entscheidend sei.

Da der Nachlass praktisch wertlos war, die Erblasserin jedoch erhebliche Grundstücksschenkungen an den Beklagten gemacht hatte, sei ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gegeben.

Rechtliche Bewertung

Das Oberlandesgericht stellte klar, dass die Vorschriften des BGB zur Pflichtteilsergänzung auch auf Schenkungen anzuwenden seien, die kurz vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland vorgenommen wurden.

Dies sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots zulässig, da die Schenkungen erst mit der Eintragung im Grundbuch vollzogen wurden, was nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit geschah.

Die Anwendung des § 2325 BGB sei daher geboten.

Weiteres Vorgehen

Das Landgericht muss nun ein Gutachten einholen, um den Wert der geschenkten Grundstücke und Grundstücksanteile zum Zeitpunkt der Schenkung und zum Erbfall zu ermitteln.

Pflichtteilsergänzung Zeitpunkt für die Ermittlung des Grundstückswertes – Thüringer OLG Urteil vom 28. Januar 1999 – 1 U 881/97

Es ist zu klären, ob das Eintragungsdatum (11. Juni 1993) korrekt ist und welche Grundstücke der Beklagte tatsächlich erhalten hat.

Ebenso ist zu prüfen, ob der Kläger zwei Kaffeeservices von der Erblasserin erhalten hat und deren Wert festzustellen.

Fazit

Das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts verdeutlicht die Bedeutung der wirtschaftlichen Betrachtung bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen und die Anwendung der BGB-Vorschriften auch auf Schenkungen, die vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland vorgenommen wurden.

Die Entscheidung stellt sicher, dass die berechtigten Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten gewahrt werden, auch wenn der Erblasser durch Schenkungen den Nachlass erheblich reduziert hat.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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