Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung – Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen – Revisionsverfahren – BAG 3 AZN 45/22

Mai 20, 2022

Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung – Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen – Revisionsverfahren – BAG 3 AZN 45/22

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in der Rechtssache 3 AZN 45/22 betrifft die Zulassung einer Revision gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. November 2021 (Aktenzeichen: 4 Sa 337/20).

Die Beschwerde der Beklagten wurde zugelassen, da sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

Um als grundsätzlich bedeutsam eingestuft zu werden, muss eine Rechtsfrage vorliegen, deren Klärung für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits entscheidend ist und deren Beantwortung entweder allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung hat oder die Interessen eines größeren Teils der Allgemeinheit betrifft.

Diese Frage muss auch klärbar und klärungsbedürftig sein.

Dabei handelt es sich um Fragen zur Wirksamkeit, zum Geltungsbereich, zur Anwendbarkeit oder zum Inhalt einer Norm.

Die Beschwerde betrifft die Auslegung der Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas (AVR Caritas), die als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) betrachtet werden.

Obwohl AGB keine normative Wirkung haben und grundsätzlich keine Rechtsnormen im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes sind, können sie eine Bedeutung erlangen, die einer Rechtsnorm gleichkommt, insbesondere wenn sie ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit berühren.

In diesem Fall betrachtet das BAG die betroffenen Regelungen der AVR Caritas als Rechtsnormen mit abstrakter Bedeutung für die Allgemeinheit.

Daher ist die aufgeworfene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für das Rechtssystem.

Aufgrund dieser Feststellungen wird auf eine weitere Begründung gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 2 ArbGG verzichtet.

Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren fortgesetzt.

Die Beklagte hat nun zwei Monate Zeit ab Zustellung dieses Beschlusses, um die Revision zu begründen.

Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung – Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen – Revisionsverfahren – BAG 3 AZN 45/22 – Inhaltsverzeichnis

I. Zusammenfassung

II. Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen

  1. Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
    • 1.1 Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit
    • 1.2 Allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung
    • 1.3 Relevanz für die Interessen der Allgemeinheit
  2. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB)
    • 2.1 Einordnung der AVR Caritas als AGB
    • 2.2 Normative Wirkung von AGB
    • 2.3 Bedeutung von AGB mit abstrakter Relevanz für die Allgemeinheit

III. Entscheidungsgründe des BAG

  1. Erfüllung der Voraussetzungen für eine Revisionszulassung
    • 3.1 Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage
    • 3.2 Anwendung der Grundsätze auf die AVR Caritas
  2. Verzicht auf weitere Begründung gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 2 ArbGG
  3. Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens als Revisionsverfahren
    • 3.3 Beginn der Revisionsbegründungsfrist

Zum Entscheidungstext:

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. November 2021 – 4 Sa 337/20 – zugelassen.

Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung – Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen – Revisionsverfahren – BAG 3 AZN 45/22 – Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg.

Die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 72a, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen vor.

Die Beschwerde wirft eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.

I.

Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt.

Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat.

Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie in der Revisionsinstanz nach Maßgabe des Prozessrechts beantwortet werden kann.

Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist.

Von allgemeiner Bedeutung ist die Rechtsfrage, wenn sie sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt

(BAG 19. Januar 2022 – 3 AZN 774/21 – Rn. 2;

8. Dezember 2020 – 3 AZN 849/20 – Rn. 8 f.;

23. Juli 2019 – 9 AZN 252/19 – Rn. 11).

Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung – Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen – Revisionsverfahren – BAG 3 AZN 45/22

II.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Es liegt eine Rechtsfrage in diesem Sinne vor.

Allerdings betrifft die von der Beklagten aufgeworfene Frage eine Auslegung der Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas (AVR Caritas).

Als auf dem Dritten Weg entstandene Regelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (BAG 4. August 2016 – 6 AZR 129/15 – Rn. 26).

Solche haben trotz ihrer weiten Verbreitung keine normative Wirkung und sind grundsätzlich keine Rechtsnormen iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

(BAG 24. Juli 2019 – 3 AZN 627/19 – Rn. 5;

11. April 2019 – 3 AZN 720/18 – Rn. 6;

24. Januar 2017 – 3 AZN 822/16 – Rn. 13).

Das gilt jedoch dann nicht, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen eine Bedeutung erlangen, die einer Rechtsnorm mit abstrakter Bedeutung für die Allgemeinheit gleichkommt.

Denn dann erfordert der Zweck des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, den Zugang zum Revisionsgericht für Fragen zu gewährleisten, an deren Klärung ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit besteht, sie als Rechtnorm zu behandeln

(noch offengelassen BAG 19. Januar 2022 – 3 AZN 774/21 – Rn. 5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die betroffenen Regelungen der AVR Caritas Rechtsnormen in diesem Sinne.

III.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 2 ArbGG abgesehen.

IV.

Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren fortgesetzt.

Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Revisionsbegründungsfrist von zwei Monaten (§ 72a Abs. 6 iVm. § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

Zwanziger

Spinner

Roloff

Wischnath

Möller

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Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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