Schenkung unter Auflage der unentgeltlichen Weitergabe – BGH X ZR 11/21 – Zusammenfassung

Juli 19, 2024

Schenkung unter Auflage der unentgeltlichen Weitergabe – BGH X ZR 11/21 – Zusammenfassung

RA und Notar Krau

Die Kläger fordern von den Beklagten die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück auf Basis eines Schenkungsvertrags.

Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 sind Kinder des am 6. September 2017 verstorbenen F. H. (Erblasser) aus dessen erster Ehe.

Der Beklagte zu 2 ist das Kind des Erblassers aus dessen zweiter Ehe mit der Beklagten zu 1. Diese Ehe bestand seit dem 29. September 1995, und es wurde Gütertrennung vereinbart.

Der Vater des Erblassers, der am 3. März 2019 verstarb, schloss mit dem Erblasser am 12. Dezember 1995 eine notarielle Vereinbarung über die Übertragung des Grundstücks in der I. Straße in M.

Darin verpflichtete sich der Erblasser zur Rückübereignung des Grundstücks bzw. zur Übereignung an seine leiblichen Kinder unter bestimmten Bedingungen.

In einem notariellen Nachtrag vom 15. Mai 2003 vereinbarten die Parteien des ursprünglichen Übergabevertrags, dass die Kläger das Grundstück spätestens beim Tod des Erblassers je zur Hälfte erhalten, falls es nicht schon zu Lebzeiten des Erblassers übertragen werde.

Ein weiterer Nachtrag vom 25. Juni 2008 sah vor, dass das Grundstück spätestens beim Tod des Erblassers an die Kläger und den Beklagten zu 2 zu je einem Drittel übereignet wird.

Bis zum Tod des Erblassers erfolgte keine Übereignung des Grundstücks. Derzeit sind die vier Parteien als Miterben Eigentümer des Grundstücks.

Schenkung unter Auflage der unentgeltlichen Weitergabe – BGH X ZR 11/21 – Zusammenfassung

Das Landgericht verurteilte die Beklagten, der Übertragung des Grundstücks auf die beiden Kläger und den Beklagten zu 2 zuzustimmen und die entsprechende Grundbucheintragung zu bewilligen.

Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück.

Die Beklagten streben mit ihrer Revision weiterhin die Abweisung der Klage an.

Die Kläger waren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten.

Gründe:

Die Revision ist zulässig und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Urteil beruht nicht auf der Säumnis, sondern auf einer umfassenden Sachprüfung.

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass den Kindern des Erblassers der geltend gemachte Anspruch zustehe, da das Grundstück dem Erblasser nur unter der Auflage einer schuldrechtlichen Weitergabepflicht an seine Kinder überlassen worden sei.

Eine solche Auflage könne auch eine lebzeitige Weitergabeverpflichtung beinhalten, die spätestens mit dem Tod des Erstbeschenkten zu erfüllen sei.

Schenkung unter Auflage der unentgeltlichen Weitergabe – BGH X ZR 11/21 – Zusammenfassung

Im Streitfall hätten der Erblasser und dessen Vater bereits in der notariellen Vereinbarung vom 12. Dezember 1995 eine entsprechende Regelung getroffen.

Die Vereinbarung sei auslegungsbedürftig, da sie keine ausdrückliche Aussage zur unentgeltlichen Weitergabepflicht enthalte.

Den nachfolgenden Vereinbarungen komme Bedeutung für die Auslegung der ursprünglichen Vereinbarung zu, da sie Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien zuließen.

Die Nachträge aus den Jahren 2003 und 2008 spiegelten den übereinstimmenden Willen wider, dass die leiblichen Kinder des Erblassers den überlassenen Haus- und Grundbesitz spätestens beim Tod ihres Vaters erhalten sollten.

Soweit die Beklagten auf das Testament des Erblassers verwiesen, ändere dies nichts an der Tatsache, dass der Erblasser diese Regelung im Jahr 2008 bekräftigt habe.

Das Berufungsgericht führte weiter aus, dass die vereinbarte Schenkungsauflage auch nicht wegen fehlender Zustimmung der Beklagten zu 1 unwirksam sei.

Die Schenkung des Grundstücks an den Erblasser habe von Anfang an unter der Auflage der Pflicht zur Weitergabe an seine Kinder gestanden, weshalb in das Vermögen des Erblassers nie ein unbelastetes Grundstück gelangt sei.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hielt der rechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand. Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand spätestens mit seinem Tod unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, sei wirksam.

Diese Frage wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet.

Schenkung unter Auflage der unentgeltlichen Weitergabe – BGH X ZR 11/21 – Zusammenfassung

Ein Teil der Literatur hält solche Klauseln für wirksam, da sie als Rechtsgeschäft unter Lebenden anzusehen seien, das weder die Testierfreiheit des Beschenkten noch die Rechte dessen Erben beeinträchtige.

Andere Stimmen halten solche Klauseln für unwirksam, da sie als Umgehungsgeschäfte im Sinne des § 2302 BGB anzusehen seien.

Das Berufungsgericht ging zu Recht davon aus, dass eine solche Auflage wirksam vereinbart werden könne.

Allerdings fiel die Vereinbarung vom 25. Juni 2008 nicht unter den Tatbestand des § 2302 BGB, da sie den Erblasser nicht zur Abgabe eines Schenkungsversprechens, sondern zur Übereignung des Grundstücks verpflichtete.

Die Verpflichtung des Erblassers zur Übereignung des Anwesens an seine Kinder war rechtlich einer Verpflichtung gleichzustellen, die erst nach seinem Tod zu erfüllen war.

Diese Verpflichtung war zwar zu Lebzeiten des Erblassers entstanden, jedoch erst nach seinem Tod durchsetzbar.

Die Auslegung des Vertrags vom 12. Dezember 1995 durch das Berufungsgericht war fehlerhaft.

Die ursprüngliche Vereinbarung enthielt keine Regelung zur unentgeltlichen Weitergabe des Grundstücks an die Kinder des Erblassers.

Die Nachträge von 2003 und 2008 ergänzten die ursprüngliche Vereinbarung lediglich, um dem Bestreben des Schenkers nach einem Verbleib des Grundstücks in der Familie stärker Rechnung zu tragen.

Das Berufungsgericht hat sich nicht ausreichend mit dem Umstand befasst, dass der Kreis der Berechtigten in den Nachträgen nicht übereinstimmt.

Dies hätte zusätzliche Anhaltspunkte erfordert, um anzunehmen, dass die Regelung von 2008 den ursprünglichen Willen der Vertragsparteien widerspiegelte.

Angesichts dieser Diskrepanz und fehlender Feststellungen zur Vereinbarung von 2008 kann nicht abschließend beurteilt werden, ob diese wirksam zustande gekommen ist.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht die maßgeblichen Umstände aufzuklären haben.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Top view of white vintage light box with TAXES inscription placed on stack of USA dollar bills on white surface

BFH 15. Mai 2024 – II R 12/21 – Begünstigungstransfer bei der Erbschaftsteuer

September 7, 2024
BFH 15. Mai 2024 – II R 12/21 – Begünstigungstransfer bei der ErbschaftsteuerRA und Notar KrauDas Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15…
green female angel statue

Aufgaben des Nachlasspflegers – OLG München Beschluss 7. 1. 2010 – 31 Wx 154/09

August 25, 2024
Aufgaben des Nachlasspflegers – OLG München Beschluss 7. 1. 2010 – 31 Wx 154/09RA und Notar KrauDer Nachlasspfleger hat gemäß § 1960 BGB d…
beige 2-story house

Steuerbefreiung für ein Familienheim FG Niedersachsen Urteil 13.03.2024 – 3 K 154/23

August 20, 2024
Steuerbefreiung für ein Familienheim FG Niedersachsen Urteil 13.03.2024 – 3 K 154/23RA und Notar KrauDas Finanzgericht Niedersachsen hat i…