Steuerfreiheit eines Heisenberg-Stipendiums – BFH VIII R 11/22

Januar 14, 2024

Steuerfreiheit eines Heisenberg-Stipendiums – BFH VIII R 11/22 – Beschluss vom 24. Oktober 2023,
§ 3 Nr. 44 EStG

vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 11. März 2021, Az: 8 K 1264/20

Zusammenfassung von RA und Notar Krau:

Das Bundesfinanzgericht (BFH) entschied in einem Fall bezüglich der Steuerfreiheit eines Heisenberg-Stipendiums gemäß § 3 Nr. 44 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das Finanzgericht Sachsens hatte zuvor entschieden, dass die erhaltenen Zahlungen aus dem Stipendium steuerfrei sind.

Das BFH bestätigte diese Entscheidung und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfüllt sind.

Das Stipendium diente der Förderung der Forschung und wissenschaftlichen Ausbildung, die bewilligten Mittel überstiegen nicht den erforderlichen Lebensunterhalt, und es gab keine schädliche Gegenleistung oder Arbeitnehmertätigkeit im Zusammenhang mit dem Stipendium.

Das Urteil wurde einstimmig getroffen, ohne mündliche Verhandlung, und die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung

A. Beschreibung des Falls

B. Problemstellung

II. Hintergrundinformationen

A. Heisenberg-Stipendium und seine Bedeutung

B. Relevante Gesetzgebung (§ 3 Nr. 44 EStG)

III. Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts

A. Urteil vom 11. März 2021

B. Streitpunkt und Argumentation der Kläger

C. Urteil des Finanzgerichts zugunsten der Kläger

IV. Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFH)

A. Beschluss vom 24. Oktober 2023 (BFH VIII R 11/22)

B. Bestätigung der Steuerfreiheit des Heisenberg-Stipendiums

C. Begründung der Entscheidung

V. Zusammenfassung der Entscheidung

A. Bestätigung der Steuerfreiheit durch den BFH

B. Erfüllung der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit

C. Fehlen einer schädlichen Gegenleistung oder Arbeitnehmertätigkeit

D. Einstimmiges Urteil ohne mündliche Verhandlung

E. Kostenaufteilung

VI. Entscheidungstext (Tenor)

A. Zurückweisung der Revision des Beklagten

B. Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte

VII. Tatbestand

A. Hintergrund des Streitfalls

B. Einkommen der Klägerin

C. Bewilligung des Heisenberg-Stipendiums

D. Einkommensteuererklärung und Einspruch

E. Entscheidung des Finanzgerichts

F. Revision des Finanzamts und Anträge der Parteien

VIII. Entscheidungsgründe

A. Anwendung von § 3 Nr. 44 EStG auf das Stipendium

B. Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 44 EStG

1. Definition von Stipendien und begünstigten Zwecken

2. Prüfung des erforderlichen Lebensunterhalts

a. Berechnung nach allgemeiner Verkehrsauffassung

b. Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten

c. Betrachtung des monatlichen Grundbetrags

3. Prüfung des Sachkostenzuschusses

4. Keine schädliche Gegenleistung

a. Definition und Zweck des Merkmals

b. Verpflichtungen der Klägerin

c. Keine bestimmte Arbeitnehmertätigkeit

C. Abschließende Begründung der Steuerfreiheit

Zum Entscheidungstext:

Tenor


Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 11.03.2021 – 8 K 1264/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Steuerfreiheit eines Heisenberg-Stipendiums – BFH VIII R 11/22 – Tatbestand


I.
Streitig ist, ob Einnahmen aus einem Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) steuerbar, jedenfalls aber gemäß § 3 Nr. 44 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2018 geltenden Fassung (EStG) steuerbefreit sind.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Die Klägerin vertrat von … 2016 bis … 2017 eine Professur an der Universität Z und bezog ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von … €. Ab … 2017 erhielt sie aufgrund eines von der DFG bewilligten Heisenberg-Stipendiums monatliche Stipendienzahlungen in Höhe von insgesamt … €, bestehend aus einem Grundbetrag in Höhe von … € sowie einem Sachkostenzuschuss in Höhe von … €.

In dem Grundbetrag war ein pauschaler Zuschlag in Höhe von … € zum Ausgleich für eine etwaige Versteuerung des Stipendiums enthalten.

Der Klägerin konnten auf Antrag weitere Zuschüsse sowie ein Auslandszuschlag bewilligt werden.

Laut dem Bewilligungsbescheid der DFG vom 30.03.2016 diente das Heisenberg-Stipendium der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Es sollte Wissenschaftlern, die alle Voraussetzungen für die Berufung auf eine Dauer-Professur erfüllen, ermöglichen, sich auf eine wissenschaftliche Leitungsposition vorzubereiten und in dieser Zeit weiterführende Forschungsthemen zu bearbeiten.

Mit der Annahme des Stipendiums war die Klägerin verpflichtet, ihre Arbeitskraft auf ihre Forschungsarbeit zu konzentrieren und der DFG nach Abschluss der Förderung über ihre Ergebnisse zu berichten.

Es wurde erwartet, dass sich die Klägerin mindestens in dem Umfang an Lehrveranstaltungen einer wissenschaftlichen Hochschule beteiligt, der erforderlich ist, um ihre Lehrbefugnis aufrechtzuerhalten.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gaben die Kläger die Zahlungen aus dem Heisenberg-Stipendium in Höhe von … € als der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 44 EStG unterliegende Einkünfte der Klägerin an.

Im Einkommensteuerbescheid vom 20.04.2020 behandelte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) die erklärten Stipendienleistungen als steuerpflichtige Einkünfte der Klägerin aus freiberuflicher Tätigkeit.

Das FA war der Auffassung, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 44 EStG seien nicht erfüllt, da das Stipendium den für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag übersteige.

Den Einspruch der Kläger wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 28.10.2020 als unbegründet zurück.

Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 11.03.2021 aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 1534 mitgeteilten Gründen statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts in Gestalt einer unzutreffenden Auslegung des § 3 Nr. 44 EStG durch das FG.

Das FA beantragt,


das Urteil des Sächsischen FG vom 11.03.2021 – 8 K 1264/20 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,


die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Steuerfreiheit eines Heisenberg-Stipendiums – BFH VIII R 11/22 – Entscheidungsgründe


II.


Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin erhaltenen Zahlungen aus dem Heisenberg-Stipendium bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr außer Ansatz zu lassen sind.

Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Einnahmen aus dem Stipendium als Vergütung für eine selbständig ausgeübte wissenschaftliche Tätigkeit den Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG oder als Vergütung für eine Beschäftigung im Rahmen eines nach den Stipendienvorgaben auszuübenden Lehrauftrags gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder als wiederkehrende Bezüge den Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1, Satz 3 Buchst. b EStG zuzuordnen sind.

Denn das FG hat dies offengelassen und ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, es handele sich um gemäß § 3 Nr. 44 EStG steuerfreie Einnahmen, keine Feststellungen getroffen, die dem Senat eine Beurteilung dieser Abgrenzungsfrage erlauben

(s. hierzu im Einzelnen Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30.11.2016 – VIII R 41/14, BFH/NV 2017, 1180, Rz 16 f.;

vom 08.07.2020 – X R 6/19, BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557

und vom 28.09.2022 – VIII R 39/19, BFHE 278, 221).

Es bestehen im Streitfall aber insbesondere für eine Zuordnung der Einnahmen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit keine Anhaltspunkte (siehe unter II.2.b ee).

Jedenfalls sind die Leistungen aus dem Heisenberg-Stipendium, wie das FG zutreffend entschieden hat, gemäß § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei.

a) Nach § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG sind Stipendien steuerfrei, die aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden.

Das Gleiche gilt nach § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG für Stipendien, die zu den in § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG genannten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) gegeben werden.

Nach § 3 Nr. 44 Satz 3 EStG ist die Steuerfreiheit darüber hinaus davon abhängig, dass die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden (Buchstabe a).

Zum anderen darf der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet sein (Buchstabe b).

Steuerfreiheit eines Heisenberg-Stipendiums – BFH VIII R 11/22

b) Diese Voraussetzungen hat das FG in Bezug auf die Leistungen aus dem Heisenberg-Stipendium zutreffend bejaht.

aa) Bei der DFG handelt es sich um einen privaten Stipendiengeber im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, da die DFG nach § 2 Abs. 2 ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts “Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung verfolgt.

Es liegt auch ein begünstigter Zweck im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG vor, da die im Streitfall erfolgte Bewilligung von Mitteln der Förderung der Forschung und der wissenschaftlichen Aus- und Fortbildung diente.

bb) Die bewilligten Mittel überschritten auch nicht einen für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. a EStG.

aaa) Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Höhe der erforderlichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt mangels konkreter Regelungen in § 3 Nr. 44 EStG nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu bestimmen

(BFH-Urteil vom 24.02.2015 – VIII R 43/12, BFHE 249, 190, BStBl II 2015, 691).

Dabei ist unter Lebensbedarf die Gesamtheit der Mittel zu verstehen, die benötigt werden, um dem Einzelnen ein menschenwürdiges Leben in einem sozialen Umfeld zu sichern.

Er umfasst die für den laufenden Lebensunterhalt unentbehrlichen Aufwendungen für Wohnung, Verpflegung, Kleidung, Ausbildung, Gesundheit, angemessene Freizeitgestaltung und andere notwendige Ausgaben dieser Art.

Bei der Bestimmung des erforderlichen Lebensunterhalts sind das Alter der Stipendiaten, ihre akademische Vorbildung sowie ihre nach der Verkehrsauffassung erforderlichen typischen Lebenshaltungskosten in ihrer konkreten sozialen Situation zu berücksichtigen.

Auf dieser Grundlage kann das vor Inanspruchnahme des Stipendiums vereinnahmte und im Bewilligungszeitraum des Stipendiums zeitweilig ausfallende Entgelt ein gewichtiges Indiz dafür begründen, dass das Stipendium, welches betragsmäßig über den Betrag der vorher bezogenen Einnahmen nicht wesentlich hinausgeht, lediglich den “erforderlichen Lebensbedarf” der Stipendiaten im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. a EStG abdeckt

(BFH-Urteil vom 24.02.2015 – VIII R 43/12, BFHE 249, 190, BStBl II 2015, 691, Rz 29).

bbb) Im Streitfall lag der monatliche Grundbetrag des Stipendiums in Höhe von … € deutlich unterhalb der von der Klägerin vor Inanspruchnahme des Stipendiums erzielten monatlichen Bruttoeinnahmen aus ihrer beruflichen Vortätigkeit.

Denn nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin aus ihrer Tätigkeit im Rahmen der Lehrstuhlvertretung an der Universität Z bis einschließlich … 2017 ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von … € bezogen.

Der Umstand, dass das Stipendium nicht über die Höhe der vorher bezogenen Einnahmen hinausging, stellt nach der Rechtsprechung für sich betrachtet ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass das Stipendium lediglich den erforderlichen Lebensbedarf der Klägerin im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. a EStG abdeckte. Dieses Indiz wird auch durch die sonstigen Umstände des Streitfalls nicht entkräftet.

Denn nach den Feststellungen des FG hatte die verheiratete Klägerin im Streitjahr allein für das Auskommen der Familie und ihrer drei minderjährigen Kinder zu sorgen.

Die in ihrer konkreten sozialen Situation typischerweise anfallenden Lebenshaltungskosten sprechen daher ebenfalls dafür, dass der monatliche Grundbetrag den für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag nicht überstieg.

Dies gilt auch, wenn man darauf abstellt, dass die Klägerin im Streitjahr unter Berücksichtigung weiterer Zuschüsse und Sonderzahlungen Einnahmen in Höhe von … € monatlich bezog, da auch dieser Betrag deutlich unterhalb der von ihr vorher bezogenen monatlichen Bruttoeinnahmen lag.

Steuerfreiheit eines Heisenberg-Stipendiums – BFH VIII R 11/22

ccc) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass in dem Grundbetrag ein monatlicher Zuschlag in Höhe von … € enthalten war, der nach dem Willen der DFG als Stipendiengeberin nicht in erster Linie für die Bestreitung des Lebensunterhalts gewährt wurde, sondern nach seiner Zweckrichtung dem Ausgleich für eine etwaige Besteuerung des Stipendiums diente.

Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des FG Baden-Württemberg (Beschluss vom 01.06.2005 – 3 V 36/04, EFG 2005, 1333), dass die Gewährung eines solchen Zuschlags der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 44 EStG entgegenstehe, weil der Steuerpflichtige ansonsten doppelt begünstigt werde, nämlich durch die Steuerbefreiung einerseits und die Gewährung des Zuschlags andererseits.

Jedenfalls im Streitfall könnte eine solche Doppelbegünstigung nicht eintreten, da der Zuschlag nach dem Bewilligungsbescheid der DFG nur für den Fall der Besteuerung bewilligt wurde, bei einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG also ‑‑wie die Kläger zu Recht geltend machen‑‑ an die DFG zurückzuzahlen ist.

Aufgrund der konkreten Zweckbindung des ausgezahlten Zuschlags war die Klägerin daher weder im Falle der Steuerpflicht noch im Falle der Steuerfreiheit des Stipendiums um die ihr insoweit ausgezahlten Mittel dauerhaft bereichert.

cc) Das FG ist im Ergebnis auch zu Recht davon ausgegangen, dass die weiteren Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. a EStG ebenfalls vorliegen. Insbesondere überstieg der der Klägerin bewilligte Sachkostenzuschuss in Höhe von … € nicht einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe erforderlichen Betrag im Sinne der Vorschrift.

Denn bei typisierender Betrachtung ist davon auszugehen, dass bei der von der Klägerin ausgeübten wissenschaftlichen Tätigkeit und den von ihr zur Vorbereitung auf eine wissenschaftliche Leitungsposition erstellten Forschungsarbeiten monatliche Sachkosten in Höhe des ihr gewährten Pauschalbetrags anfallen.

Darauf, dass beim jeweiligen Stipendiaten tatsächlich Sachkosten in Höhe dieses Pauschalbetrags abgerechnet werden, kommt es nicht an.

Dass das Stipendium auch nach den von der DFG erlassenen Richtlinien vergeben wurde, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

dd) Das FG hat im Streitfall auch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. b EStG für die Steuerbefreiung des Stipendiums zutreffend als erfüllt angesehen.

aaa) Die Klägerin war insbesondere nicht zu einer “bestimmten wissenschaftlichen Gegenleistung” verpflichtet.

Das Merkmal stellt sicher, dass nur solche Zahlungen steuerbefreit werden, die den Charakter eines echten Stipendiums haben und keine offene oder verdeckte Vergütung für eine Arbeitsleistung darstellen (vgl. BTDrucks IV/2400, S. 62).

Dabei ist unter “Gegenleistung” nicht die Verpflichtung zur Erbringung der Forschungsarbeit selbst zu verstehen.

Auch die Verpflichtung, die Forschungsergebnisse im Rahmen eines Abschlussberichts zu präsentieren, begründet ebenso wenig wie die Verpflichtung zur aktiven Mitarbeit in einem Forschungskolleg eine schädliche Gegenleistung im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. b EStG, weil derartige Verpflichtungen lediglich dazu dienen, die Verwirklichung der geförderten Zwecke zu gewährleisten.

Steuerfreiheit eines Heisenberg-Stipendiums – BFH VIII R 11/22

Als schädlich sind allein solche Gegenleistungen anzusehen, die über die Verwirklichung des Förderzwecks hinausgehen und einen eigenen wirtschaftlichen Wert für den Stipendiengeber haben, weil das Stipendium dann bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Entlohnung dieser Tätigkeit darstellt

(vgl. BeckOK EStG/Levedag, 17. Ed. [01.10.2023], EStG § 3 Nr. 44 Rz 50, m.w.N.;

s.a. Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 09.04.2019 – S 2121 A-013-St 231 Rz 3.3).

bbb) Gemessen daran hat das FG zu Recht angenommen, dass es im Streitfall an einer schädlichen Gegenleistung der Klägerin im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. b EStG fehle, da die Klägerin nach dem Bewilligungsbescheid der DFG lediglich verpflichtet war, ihre Konzentration auf ihr Forschungsvorhaben zu richten und über die Ergebnisse ihrer Forschung zu berichten, während sie in der Wahl und Verfolgung ihrer Forschungsthemen frei war.

Diese Verpflichtungen der Klägerin sollten allein gewährleisten, dass der mit der Vergabe des Stipendiums verfolgte Zweck, nämlich die Förderung der Wissenschaft und Forschung, erreicht wurde und die Mittel aus dem Stipendium nicht missbräuchlich für andere Zwecke verwendet werden konnten.

Der fehlende Gegenleistungscharakter des Stipendiums ergibt sich auch daraus, dass das Stipendium in erster Linie der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie der Unterstützung der Forschungstätigkeit der Klägerin in der Zeit bis zur Berufung auf eine Dauer-Professur diente.

Eine über die Verwirklichung dieses Förderzwecks hinausgehende bestimmte Gegenleistung der Klägerin, die einen eigenen wirtschaftlichen Wert für die DFG als Stipendiengeberin hatte, war damit ‑‑wie vom FG erkannt‑‑ nicht verbunden.

ee) Die Klägerin hatte auch nicht eine “bestimmte Arbeitnehmertätigkeit” im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. b EStG zu erfüllen.

Der BFH hat das Vorliegen einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit in diesem Sinne für den Fall bejaht, dass der Stipendiat in einem Dienst- oder einem diesem vergleichbaren Rechtsverhältnis steht, aufgrund dessen er weisungsgebunden zur Ausübung bestimmter Leistungen verpflichtet ist und die Leistungen aus dem Stipendium an die Erfüllung der sich aus diesem Rechtsverhältnis ergebenden Verpflichtungen anknüpfen

(vgl. BFH-Urteil vom 08.07.2020 – X R 6/19, BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557, Rz 47).

Eine hiermit vergleichbare Konstellation liegt im Streitfall nicht vor.

Weder ergibt sich aus den Feststellungen des FG, dass die Klägerin in einem Dienst- oder sonstigen Rechtsverhältnis zu ihrer Universität stand, noch bestehen anderweitige konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie weisungsgebunden zur Durchführung von Lehrveranstaltungen oder anderen Leistungen verpflichtet war.

Auch nach dem Bewilligungsbescheid der DFG wurden Lehrveranstaltungen lediglich in dem erforderlichen Umfang “erwartet” für den Fall, dass die Klägerin ansonsten ihre Lehrbefugnis verlieren würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Steuerfreiheit eines Heisenberg-Stipendiums – BFH VIII R 11/22

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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