Testamentswiderruf und Antragsbindung beim Erbschein – KG Berlin 19 W 50/21- Beschl. v. 13.4.2022 – §§ 2247 Abs. 1 + 2256 Abs. 1 + 2353 BGB
(AG Charlottenburg Beschl. v. 4.3.2021 – 62 VI 1010/20)
Das Kammergericht Berlin (19 W 50/21) entschied, dass die pauschale Bezugnahme auf ein aus amtlicher Verwahrung genommenes Testament nicht den Formvorschriften gemäß § 2247 Abs. 1 BGB entspricht.
Die vorhandenen Testamente von 25.2.2002 und 6.3.2016 sind formunwirksam.
Das notarielle Testament von 25.2.2002 wurde gemäß § 2256 Abs. 1 BGB als widerrufen betrachtet.
Das handschriftliche Testament von 6.3.2016 war formunwirksam.
Die Beteiligten sind gesetzliche Erben zu je 1/2 und haben einen Erbscheinsantrag gestellt, der der Antragsbindung genügt.
Die Anfechtung des Testaments nach § 2078 BGB ist nicht relevant.
I. Zusammenfassung RA und Notar Krau
II. Entscheidungstext
A. Formunwirksamkeit der Testamente von 25.2.2002 und 6.3.2016
1. Notarielles Testament von 25.2.2002 und Änderung vom 3.10.2011
2. Handschriftliches Testament von 6.3.2016
B. Erbschaftsrecht der Beteiligten
1. Gesetzliche Erben zu je 1/2
2. Antragsbindung und Erbscheinsantrag
C. Anfechtung des Testaments nach § 2078 BGB
D. Rechtsfrage zur Formunwirksamkeit von Testamenten
E. Berufungsgrund und Erbscheinsantrag
III. Schlussfolgerungen und Zusammenfassung
Die gemäß den §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts sind die beiden Beteiligten gesetzliche Erben zu je 1/2 geworden und nicht testamentarische Erben.
Entsprechend war festzustellen, dass die für den Erbscheinsantrag erforderlichen Tatsachen vorliegen.
Die Erteilung des entsprechenden Erbscheins ist hingegen dem Amtsgericht vorzubehalten.
Die Beteiligten sind nicht testamentarische Erben geworden.
Die vorhandenen Testamente vom 25.2.2002 und 6.3.2016 sind formunwirksam.
Das notarielle Testament vom 25.2.2002 nebst Änderung vom 3.10.2011 ist gemäß § 2256 Abs. 1 BGB unwirksam geworden,
weil es von der Erblasserin am 25.1.2012 aus der amtlichen Verwahrung genommen wurde und dann von Gesetzes wegen als widerrufen gilt.
Das handschriftliche Testament vom 6.3.2016 ist formunwirksam, da nicht der gesamte wesentliche Inhalt handschriftlich verfasst wurde, § 2247 Abs. 1 BGB.
In dem Testament heißt es lediglich:
„Hiermit widerrufe ich das Schreiben vom 3.10.2011 und erkläre dieses von mir verfaßte Schriftsück für ungültig.
So ist einzig und allein mein von mir verfaßtes Testament vom 25.2.2002, nochmals von mir unterschrieben am 21.3.2014, gültig.“
Testamentswiderruf und Antragsbindung beim Erbschein – KG Berlin 19 W 50/21
Das Testament selbst enthält demnach keine aus sich heraus verständliche, handschriftlich abgefasste letztwillige Verfügung.
Erst im Zusammenhang mit dem notariellen Testament vom 25.2.2002 erschließt sich der Wille der Erblasserin.
Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts genügt die pauschale Bezugnahme auf ein notarielles Testament, das aus amtlicher Verwahrung genommen wurde und damit gemäß § 2256 BGB als widerrufen gilt, nicht den Formvorschriften.
Der Senat verweist zunächst zu dieser Rechtsfrage auf den Meinungsstand, der in der Verfügung vom 27.4.2021 dargestellt wurde, und schließt sich der dort zitierten herrschenden Meinung an,
nach der ein „Widerruf des Widerrufs“ im Gesetz nicht vorgesehen ist und ein entsprechendes Testament deshalb formunwirksam ist.
Von einer näheren Begründung wird mit Blick auf § 38 Abs. 4 Nr. 2 FamFG abgesehen, da die beiden einzigen Beteiligten übereinstimmende Anträge im Erbscheinsverfahren gestellt haben.
Testamentswiderruf und Antragsbindung beim Erbschein – KG Berlin 19 W 50/21
Auf die darüber hinaus erklärte Anfechtung des Testaments nach § 2078 BGB kommt es demnach nicht an.
Die beiden Beteiligten sind die einzigen Kinder der Erblasserin und damit gesetzliche Erben zu jeweils 1/2.
Die nach § 352 Abs. 1 FamFG erforderlichen Angaben und Nachweise liegen vor, so dass die nach § 352 e Abs. 1 S. 1 FamFG vorgesehene Feststellung der erforderlichen Tatsachen zu erfolgen hatte.
Der Berufungsgrund ist regelmäßig nicht in den Erbschein mit aufzunehmen, jedoch im Erbscheinsantrag anzugeben.
Der Erbscheinsantrag, gestützt auf gesetzliche Erbfolge, ist am 2.12.2020 eingereicht worden.
An ihm hat der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren festgehalten, so dass der strengen Antragsbindung Genüge getan ist.
Die Ausführungen im Vergleich vom 4.4.2022, wonach es für die beiden Beteiligten ohne Belang sei, auf welchem Berufungsgrund ihr Erbrecht basiert,
und sie einen Erbschein beantragen, der sie hälftig als Erben ausweise, sind dahin gehend zu verstehen, dass sie auf schnellstem Wege an einen Erbschein gelangen wollen und (was zulässig ist)
hilfsweise ihr Erbrecht auch auf testamentarische Erbfolge stützen würden, sofern nur dies zum Erfolg führen würde
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.