LAG Hamm, Beschluss vom 15.02.2013 – 13 TaBV 9/13

Juni 29, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 15.02.2013 – 13 TaBV 9/13

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitnehmerin R1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.09.2012 – 7 BV 139/12 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag abgewiesen wird.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

A.

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten eines eingeschalteten Rechtsanwalts.

Am 14.06.2011 hatte die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Dortmund (AZ: 4 BV 73/11) die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung der Antragstellerin im jetzigen Verfahren, der Arbeitnehmerin R1, begehrt. Den Gerichtstermin am 25.06.2011 nahm für diese Rechtsanwalt Dr. L1 wahr.

Parallel hatte die Antragstellerin beim Arbeitsgericht Köln ein Verfahren wegen einer ausgesprochenen Änderungskündigung eingeleitet. Nachdem diese dort für wirksam erklärt worden war, nahm die Arbeitgeberin am 08.11.2011 ihren Zustimmungsersetzungsantrag zurück.

Die Antragstellerin begehrt nun die Erstattung der Kosten für ihren Verfahrensbevollmächtigten im Beschlussverfahren in Höhe von 1.009,48 €.

Erstinstanzlich hat sie keinen Antrag gestellt, während die Arbeitgeberin beantragt hat, den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Meinung geäußert, eine Vertretung der Antragstellerin im Beschlussverfahren sei gar nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen würde die Erstattung der persönlichen Kosten eine unerlaubte Bevorzugung von Betriebsratsmitgliedern bedeuten.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 04.09.2012 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung darauf hingewiesen, dass nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Rechtsanwaltskosten, die einem Betriebsratsmitglied im Rahmen seiner Beteiligung nach § 103 Abs. 2 BetrVG entstanden sind, nicht gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig seien.

Gegen die Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Ansicht, dass die Arbeitgeberin die Kosten zu erstatten habe, weil sie diese durch die Einleitung eines Beschlussverfahrens und anschließender Rücknahme des Antrags verursacht habe. Nichtamtsträger würden im Falle einer Kündigung nicht vergleichbar belastet.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.09.2012 – 7 BV 139/12 – abzuändern und die Arbeitgeberin zu verpflichten, an die Arbeitnehmerin R1 1.009,48 € zu zahlen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Meinung, die geltend gemachten Kosten seien nicht gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig, weil die antragstellende Arbeitnehmerin R1 im Zustimmungsersetzungsverfahren keine kollektiven, sondern ausschließlich ihre individualrechtlichen Interessen habe wahrnehmen lassen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat nämlich das Arbeitsgericht entschieden, dass der antragstellenden Arbeitnehmerin R1 gegenüber der Arbeitgeberin kein Anspruch auf Erstattung der durch die anwaltliche Vertretung im Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Dortmund (4 BV 73/11) entstandenen Kosten in Höhe von 1.009,48 € zusteht.

I. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG sind nicht gegeben, weil die Antragstellerin R1 in dem genannten Beschlussverfahren nicht in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrates, sondern entsprechend dem Wortlaut des § 103 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ausschließlich als betroffene Arbeitnehmerin beteiligt worden ist. Dementsprechend hat sie in dem Verfahren lediglich ihre persönlichen, individualrechtlichen Interessen wahrgenommen, während allein der Betriebsrat, der die Zustimmung verweigert hatte, in amtlicher Stellung aufgerufen war, die kollektiven Interessen zur Geltung zu bringen.

Vor dem Hintergrund entspricht es allgemeiner Meinung (z.B. BAG, 03.04.1979 – 6 ABR 63/76 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr.16; 21.01.1990 – 7 ABR 39/89 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 28; Fitting, 26. Aufl., § 40 Rn. 62 m.w.N.), dass Anwaltskosten, die einem nach § 103 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zu beteiligenden Arbeitnehmer entstehen, mangels Betriebsratstätigkeit nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig sind.

II. Ein Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG.

Allerdings kann nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (21.01.1990 – 7 ABR 39/89 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 28) eine unzulässige Benachteiligung eines Betriebsratsmitgliedes darin liegen, dass es allein aufgrund seiner Amtsstellung endgültig mit Vermögensaufwendungen belastet wird, die im Falle eines sonstigen Arbeitnehmers in einer vergleichbaren Situation nicht entstehen würden. Im Falle von Bestandsschutzstreitigkeiten kann dies aber erst relevant werden für die zweitinstanzlich entstandenen Rechtsanwaltskosten, weil diese von der unterlegenen Partei nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO in vollem Umfang zu erstatten sind. Demgegenüber besteht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG im Urteilsverfahren erster Instanz kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten, so dass vorliegend auch unter diesem Gesichtspunkt keine Begleichung der geltend gemachten Kosten in Betracht kommt.

Die Tatsache, dass sich die Antragstellerin R1 hier parallel in einem Urteils- und Beschlussverfahren mit einer Änderungskündigung auseinandersetzen musste, führt ebenfalls zu keiner unzulässigen Benachteiligung. Denn genauso wie ein Arbeitnehmer, der sich gegen mehrere Änderungskündigungen wehrt und erstinstanzlich für die gesamten Kosten eines von ihm eingeschalteten Rechtsanwalts aufzukommen hat, hat auch ein Amtsträger in Konstellation wie hier in vollem Umfang für die Rechtsanwaltskosten erster Instanz einzutreten. – Im Übrigen stellt sich die Frage, ob es angesichts der kompetenten Vertretung im (vorrangigen) Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht Köln überhaupt noch erforderlich war, dass sich die Antragstellerin R1 parallel von Beginn an auch in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Dortmund anwaltlich vertreten ließ.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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