LAG Hamm, Urteil vom 01.10.2010 – 10 Sa 449/10

September 29, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 01.10.2010 – 10 Sa 449/10

Das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB kann verwirken.
Auch eine mit dem Betriebserwerber abgeschlossene Vereinbarung über die Änderung der Altersversorgung kann bei entsprechend gewichtigem Zeitablauf – hier 6,5 Jahre – zu einer Verwirkung des Widerspruchsrechts führen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.02.2010 – 5 Ca 1286/09 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen nach dem Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsteilübergangs ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis besteht.
Der am 23.02.1955 geborene Kläger wurde von der Beklagten, Mitglied des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V., mit Anstellungsvertrag vom 13.10.1989 (Bl. 25 ff d.A.) ab dem 13.11.1989 als Kundendiensttechniker eingestellt. In § 4 Abs. 1 dieses Anstellungsvertrages war eine tarifliche Eingruppierung nach der Gehaltsgruppe T 3 geregelt und in § 2 für die Grundvergütung auf eine Anlage A-1 verwiesen worden. Als Nebenleistung stellte die Beklagte dem Kläger ein Firmenfahrzeug zur Verfügung, § 3 Abs. 1 des Anstellungsvertrages. Durch den Nachtrag Nr. 3 vom 17.08.1998 (Bl. 34 d.A.) übertrug die Beklagte dem Kläger mit Wirkung zum 01.09.1998 die Tätigkeit als Kundendienstmeister, wobei eine tarifliche Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 5 vorgesehen war.
Der Kläger nahm seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses an der im Betrieb der Beklagten eingerichteten betrieblichen Altersvorsorge gemäß Versorgungsordnung vom 25.06.1973 i.d.F. vom 27.06.1989 teil.
Der Kläger, Mitglied der IG Metall, wurde im März 2002 in den Betriebsrat gewählt und ist seither als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender freigestellt.
Im Rahmen einer Neuorganisation wurden die gesamten deutschen Geschäftsaktivitäten der D1 Unternehmensgruppe innerhalb der Produktdivision A1, zu der der Vertrieb, die Montage und Installation sowie der Service von Automatiktüren und der dazu erforderlichen Antriebseinheiten gehören, ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.07.2002 von der Beklagten auf die zu diesem Zweck neu gegründete D1 A1 GmbH + Co. KG übertragen. Diese war und ist nicht Mitglied des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V.. Im Wege eines Betriebsteilüberganges gingen zum Stichtag am 01.07.2002, die Arbeitsverhältnisse des Klägers und von 156 weiteren bis dahin bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer auf die D1 A1 GmbH + Co. KG über. Dazu erhielten die betroffenen Mitarbeiter ein Unterrichtungsschreiben vom 17.06.2002 (Bl. 8 ff d.A.), in dem es u.a. heißt:
“… Auch Ihr Arbeitsverhältnis ist hiervon betroffen und wird zum 01.07.2002 durch Teilbetriebsübergang nach § 613 a BGB auf die D1 A1 GmbH + Co. KG übergehen.
Wir möchten besonders darauf hinweisen, dass mit diesem Übergang die Konditionen Ihres Arbeitsverhältnisses nicht verändert werden, d.h. insbesondere auch, dass Ihre Zusage zur betrieblichen Altersversorgung unverändert weiter geführt wird und dass durch Ihre einzelvertragliche Vereinbarung für Sie weiterhin die Regelungen des Tarifvertrages der Metallindustrie NRW gelten, obwohl die neue Gesellschaft nicht tarifgebunden ist. …
Für Verpflichtungen Ihnen gegenüber, die sich aus Ihren Arbeitsverhältnis ergeben, haften vom Zeitpunkt des Übergangs bis zum Ablauf eines Jahre nach diesem Datum beide Unternehmen gemäß § 613 a Abs. 2 BGB gesamtschuldnerisch. …
Wird sind gesetzlich verpflichtet, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie gem. § 613 a Abs. 6 BGB innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Schreibens das Recht haben, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. …
Geht nach dieser Frist kein Widerspruch bei uns ein, gehen wir davon aus, dass Sie dem Betriebsübergang zustimmen. …”
Wegen des weiteren Textes des Unterrichtungsschreibens vom 17.06.2002 wird auf den Inhalt der Kopie (Bl. 8 ff d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger führte als Mitarbeiter der D1 A1 GmbH + Co. KG sein Betriebsratsamt aufgrund des Umstandes, dass die Beklagte und die D1 A1 GmbH + Co. KG einen Gemeinschaftsbetrieb bilden, auch über den 01.07.2002 hinaus fort.
Nach dem Tarifabschluss für die Metallindustrie im Jahre 2004 wurde am 15.04.2004 zwischen der D1 A1 GmbH + Co. KG und der IG Metall, Bezirksleitung NRW, ein Haus- bzw. Änderungstarifvertrag mit Geltung für die Tariferhöhungen 2004 und 2005 vereinbart, in dem u.a. geregelt ist:
“… sind im Wege des Betriebsübergangs Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern …, für die infolge deren Verbandsmitgliedschaft Tarifbindung bestand, auf die D1 A1 … übergegangen. Aufgrund des Betriebsübergangs sind die Einzelarbeitsvertragsverhältnisse mit der entsprechenden Tarifbindung auf die D1 A1 übergegangen. … Für diese Arbeitnehmer … wird nunmehr hinsichtlich der tarifvertraglichen Regelung folgender abändernder Tarifvertrag vereinbart:
..
2.1. Ansprüche … aus dem Tarifabschluss 2004 … bestehen bis auf weiteres nicht …”
Mit Nachtrag vom 07.11./14.12.2005 (Bl. 119 d.A.) schloss der Kläger mit der D1 A1 GmbH + Co. KG eine Änderungsvereinbarung zur Versorgungszusage, in der unter Bezugnahme auf die Versorgungsordnung vom 25.06.1973 nebst Ergänzung vom 27.06.1989 die Möglichkeit der Abfindung der zugesagten Versorgungsleistungen vereinbart wurde. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Nachtragsvereinbarung vom 07.11./14.12.2005 (Bl. 119 d.A.) Bezug genommen.
Bei der Betriebsratswahl im Jahre 2006, die erstmals für einen Gemeinschaftsbetrieb der Beklagten und der D1 A1 GmbH + Co. KG stattfand, kandidierte der Kläger ausdrücklich als Mitarbeiter der D1 A1 GmbH + Co. KG. Der Kläger wurde als Mitarbeiter der D1 A1 GmbH + Co. KG geführt und wiederum in den Betriebsrat gewählt. Seit dieser Wahl ist der Kläger freigestellter Betriebsratsvorsitzender.
Bereits im Jahre 2005 kam es anlässlich der Tariflohnerhöhung im Bereich der Metallindustrie zum Streit zwischen dem Betriebsrat und der D1 A1 GmbH + Co. KG darüber, ob die Bestimmungen der Tarifverträge der Metallindustrie dynamisch oder nur statisch fortgalten. Zahlreiche Mitarbeiter der Beklagten machten die jeweiligen Tariflohnerhöhungen gegenüber der D1 A1 GmbH + Co. KG erfolglos geltend. Hierzu gehörte auch der Kläger, der mit Schreiben vom 15.10.2005, 21.08.2006, 16.07.2007 und 03.09.2009 (Bl. 115 ff d.A.) jeweils die Tariflohnerhöhungen gegenüber der D1 A1 GmbH + Co. KG erfolglos geltend machte.
Bis einschließlich Oktober 2008 erhielt der Kläger von der D1 A1 GmbH + Co. KG monatliche Entgeltabrechnungen (Bl. 162 d.A.), die u.a. ein “Tarifgehalt” und eine “feste ERA-Leistungszulage” auswiesen. Seit der Abrechnung für November 2008 (Bl. 163 d.A.) ist stattdessen u.a. ein “Grundentgelt” und eine “Leistungszgl.” aufgeführt.
Zur Klärung der Frage, ob die Bestimmungen der Tarifverträge der Metallindustrie dynamisch oder statisch fortgalten, leitete der Betriebsrat im Jahre 2007 ein Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht – 4 BV 46/07 Arbeitsgericht Hagen – ein. Durch rechtskräftigen Beschluss vom 13.12.2007 wurde entschieden, dass der gestellte Antrag als unbegründeter Globalantrag abzuweisen war.
Daraufhin versuchten zwei Mitarbeiter der D1 A1 GmbH + Co. KG mit den am 04.03.2008 beim Arbeitsgericht Hagen eingegangenen Klagen – 4 Ca 570/08 und 5 Ca 571/08 – Tariflohnerhöhungen durchzusetzen. Wegen der fehlenden dynamischen Tarifbindung der D1 A1 GmbH + Co. KG wurden die Klagen abgewiesen. Die hiergegen eingelegten Berufungen zum erkennenden Gericht – 2 Sa 1394/08 und 2 Sa 1412/08 LAG Hamm – wurden durch Urteil vom 13.05.2009 rechtskräftig zurückgewiesen.
Der Kläger war während dieser Verfahren vom 02.01.2007 bis zum 20.06.2008 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 10.06.2008 (Bl. 124 d.A.) teilte er als Arbeitnehmer der D1 A1 GmbH + Co. KG mit, dass er ab dem 23.06.2008 seine Tätigkeit bei der D1 A1 wieder aufnehmen werde.
Bereits zuvor hatte der Kläger mit Schreiben vom 27.05.2008 (Bl. 125 d.A.) gegenüber der D1 A1 GmbH + Co. KG einen Anpassungsanspruch nach § 37 Abs. 4 BetrVG geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 15.12.2008 (Bl. 10 d.A.), bei der Beklagten eingegangen am 19.12.2008, widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die D1 A1 GmbH + Co. KG “aufgrund des Teilbetriebsüberganges am 01.07.2002” und forderte die Beklagte auf, ihm das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses schriftlich zu bestätigen.
Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 14.01.2009 (Bl. 11 d.A.) ab.
Der Kläger, der nach einer Verdienstabrechnung der D1 A1 GmbH + Co. KG für Mai 2009 (Bl. 24 d.A.) einen Gesamtverdienst in Höhe von 5.395,50 Euro; brutto hatte, erhob daraufhin am 20.05.2009 beim Arbeitsgericht Hagen die vorliegende Klage, mit der er den Fortbestand seines seit dem 13.11.1989 bestehenden Arbeitsverhältnisses gegenüber der Beklagten geltend macht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Widerspruch sei nicht verfristet, da von einer ordnungsgemäßen Unterrichtung über die rechtlichen und mittelbaren wirtschaftlichen Folgen des Betriebsteilüberganges im Schreiben vom 17.06.2002 nicht ausgegangen werden könne. Darin sei keine ausreichende Mitteilung darüber enthalten, dass sich die bei der Beklagten bestehende dynamische Tarifbindung bei der D1 A1 GmbH + Co. KG in eine nur noch statisch wirkende Tarifbindung ändern würde. Auch über das Haftungssystem des § 613 a Abs. 2 BGB habe das Schreiben vom 17.06.2002 nur unvollständig informiert, weil die im Gesetz enthaltende Differenzierung einerseits nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Forderung – vor oder nach dem Zeitpunkt des Überganges – und andererseits nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit – innerhalb oder außerhalb eines Jahres nach Übergangs – fehle.
Im Übrigen sei sein Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Dabei könne dahinstehen, ob das dafür erforderliche Zeitmoment erfüllt sei, wobei es eine absolute zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts nach dem Gesetz ohnehin nicht gebe. Jedenfalls fehle es an dem darüber hinaus notwendigen Umstandsmoment. Mit Ausnahme der Wahrnehmung seines Betriebsratsamtes im gemeinsamen Betrieb habe er, der Kläger, keine Umstände gesetzt, die ein Vertrauen der Beklagten in eine Nichtausübung des Widerspruchsrechtes rechtfertigen könnten. Die widerspruchslose Weiterarbeit beim Betriebsübernehmer genüge dafür nicht. Auch der Nachtrag zur Versorgungszusage vom 07.11./19.12.2005 ändere hieran nichts. Zwar er sei er vordergründig mit D1 A1 GmbH + Co. KG abgeschlossen worden. Der Nachtrag nehme aber ausdrücklich auf eine Fortgeltung der Versorgungsordnung der Beklagten Bezug. Diese Versorgungsordnung finde im gesamten Gemeinschaftsbetrieb Anwendung, für ihn, den Kläger, sei jedenfalls ein spezieller Bezug zur D1 A1 GmbH + Co. KG nicht transparent gewesen. Dispositionen über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses habe er nicht getroffen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass zwischen den Parteien seit 13.11.1989 ununterbrochen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Widerspruch des Klägers vom 15.12.2008 nicht innerhalb der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB und damit verspätet sei, weil das Unterrichtungsschreiben vom 17.06.2002 alle Anforderungen des § 613 a Abs. 5 BGB in ausreichender Weise erfüllt habe. Ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass sich die infolge ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bestehende dynamische Tarifbindung bei der D1 A1 GmbH + Co. KG in eine statische Tarifbindung ändern würde, sei gerade nicht notwendig gewesen. Darauf, dass die D1 A1 GmbH + Co. KG nicht tarifgebunden sei, sei im Unterrichtungsschreiben vom 17.06.2002 hingewiesen worden. In jedem Fall sei das Unterrichtungsschreiben vom 17.06.2002 ordnungsgemäß, weil es inhaltlich jedenfalls den Anforderungen entsprochen habe, die an ein solches im Juni 2002 allgemein gestellt worden seien. § 613 a BGB sei erst mit Wirkung zum 01.04.2002 um die Absätze 5 und 6 ergänzt worden. Die Frage der statischen bzw. dynamischen Fortgeltung von Tarifverträgen sei seinerzeit nicht für unterrichtungspflichtig angesehen worden.
In jedem Falle müsse aber von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts des Klägers ausgegangen werden. Das Zeitmoment sei nach rund 6,5 Jahren offensichtlich erfüllt. Das Umstandsmoment ergebe sich sowohl aus der tatsächlichen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der D1 A1 GmbH + Co. KG als auch aus der Wahrnehmung des betriebsverfassungsrechtlichen Mandats durch den Kläger für die D1 A1 GmbH + Co. KG. Der Kläger habe durch den Abschluss der Nachtragsvereinbarung vom 07.11./14.12.2005 zu seiner Versorgungszusage ausdrücklich und rechtsgeschäftlich über das übergegangene Arbeitsverhältnis disponiert und insoweit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in geänderter Form mit der D1 A1 GmbH + Co. KG bestätigt. Ferner habe er trotz der Auseinandersetzung um die dynamische Fortgeltung der Tarifverträge der Metallindustrie immer die D1 A1 GmbH + Co. KG in Anspruch genommen und ihr gegenüber seine Ansprüche geltend gemacht. Damit habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger sein behauptetes Widerspruchsrecht nicht mehr geltend machen würde.
Durch Urteil vom 09.02.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe sein Fortsetzungsverlangen gegenüber der Beklagten verwirkt. Das Zeitmoment sei angesichts eines Zeitraumes von 6,5 Jahren zwischen dem Betriebsteilübergang zum 01.07.2006 und dem Widerspruch mit Schreiben vom 15.02.2008 erfüllt. Auch das Umstandsmoment, das in Wechselwirkung zu der Länge des Zeitablaufs zu setzen sei, sei gegeben. Auch wenn in der widerspruchslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Betriebsübernehmerin seit dem 01.07.2002 allein noch keine Verwirkung des Widerspruchsrechts gesehen werden könne, habe der Kläger neben dem Ablauf von fast 6,5 Jahren jedenfalls mit der Vereinbarung des Nachtrags zu seiner Versorgungszusage vom 07.11./14.12.2005, der mit der D1 A1 GmbH + Co. KG abgeschlossen worden sei, das Vertrauen der Beklagten erweckte, er werde dem Betriebsteilübergang nicht mehr widersprechen. Bei Vorliegen eines sehr gewichtigen Zeitmoments könnten nicht die gleichen strengen Anforderungen für das Umstandsmoment gelten, die das Bundesarbeitsgericht bei einem Zeitablauf von zwölf bis fünfzehn Monaten für erforderlich gehalten habe. Insoweit liege angesichts des erheblichen Zeitablaufs eine für das Umstandsmoment ausreichende Disposition über das Arbeitsverhältnis bereits bei jeder einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages des Arbeitnehmers mit dem Betriebserwerber vor. Der Kläger habe zum Ausdruck gebracht, dass er den Erwerber als neuen Arbeitgeber akzeptiert und anerkannt habe.
Gegen das dem Kläger am 05.03.2010 zugestellt Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Kläger am 30.03.2010 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 05.05.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens ist der Kläger nach wie vor der Auffassung, dass aufgrund seines Widerspruchs das Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortbestehe. Das Arbeitsgericht habe schon nicht geprüft, ob der Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 17.06.2002 ausreichend und ordnungsgemäß i.S.d. § 613 a Abs. 5 BGB über den Betriebsteilübergang informiert worden sei. In keinem Falle könne angenommen werden, dass sein Widerspruchsrecht als verwirkt angesehen werde. Insbesondere liege das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment nicht vor. In diesem Zusammenhang könne die Beklagte sich insbesondere nicht auf die Nachtragsvereinbarung zu seiner Altersversorgung vom 07.11./14.12.2005 berufen. Allein diese Vereinbarung stelle eine qualifizierte Disposition über den Bestand bzw. den Kern des Arbeitsverhältnisses nicht dar. Dies ergebe sich schon daraus, dass unstreitig die Versorgungsordnung einheitlich im Gemeinschaftsbetrieb angewendet werde und Geltung beanspruche. Für den Kläger sei für den Abschluss der Vereinbarung vom 07.11./14.12.2005 kein spezieller Bezug zur D1 A1 GmbH + Co. KG erkennbar gewesen. Die Versorgungsordnung habe auch nicht allgemein beseitigt werden sollen. Mit dem Abschluss dieser Vereinbarung sei für den Kläger kein spezieller Bezug zur Betriebsübernehmerin transparent gewesen.
Auch die handelnden Personen auf Arbeitgeberseite hätten es mit der Identität der jeweils handelnden Unternehmen nicht genau genommen. Bezeichnenderweise hätten sich auch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 16.04.2010 nicht etwa für die Beklagte, sondern für die im Gemeinschaftsbetrieb eingeschlossene D1 Holding GmbH & Co. KG gemeldet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.02.2010 – 5 Ca 1286/09 – abzuändern und festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 13.11.1989 ununterbrochen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Nach dem Unterrichtungsschreiben vom 17.06.2002, das in enger Abstimmung mit der Rechtsabteilung erstellt worden sei und den damaligen Anforderungen entsprochen habe, habe der Kläger von seinem Widerspruchsrecht ca. 6,5 Jahre keinen Gebrauch gemacht und zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht einverstanden sei. Vielmehr habe er das Vertrauen der Beklagten erweckt, er werde dem Betriebsteilübergang nicht mehr widersprechen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass der Kläger mit der Betriebsübernehmerin durch die Vereinbarung vom 07.11./14.12.2005 eine Änderung seiner Versorgungszusage vereinbart habe. Damit habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er diese Firma als seine neue Arbeitgeberin akzeptiert habe. Darüber hinaus habe er vielfach zum Ausdruck gebracht, dass die D1 A1 GmbH + Co. KG seine Arbeitgeberin sei. Gegenüber dieser Firma habe er seine Lohn- und Gehaltsansprüche geltend gemacht. Gegenüber dieser habe er nach längerer Arbeitsunfähigkeit mit Schreiben vom 10.06.2008 die Wiederaufnahme seiner Arbeit angekündigt. Gegenüber dieser Firma habe er mit Schreiben vom 17.09.2008 aufgrund des Auslaufens seines vorherigen Vertrages einen neuen Dienstwagen bestellt. Auch durch seine Tätigkeit als freigestelltes Betriebsratsmitglied habe der Kläger wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass er sich als Arbeitnehmer der D1 A1 GmbH + Co. KG sehe. Sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment seien danach erfüllt.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten gerichtete Klage des Klägers abgewiesen.
I.
Die Feststellungsklage des Klägers ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Rechtsschutzinteresse.
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Der Kläger verfügt über das zur Erhebung der Feststellungsklage notwendige Feststellungsinteresse, weil die Beklagte den vom Kläger geltend gemachten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu ihr leugnet und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen in Abrede stellt.
II.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis. Das ursprünglich zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis ist vielmehr mit Wirkung zum 01.07.2002 durch Betriebsteilübergang nach § 613 a Abs. 1 BGB auf die D1 A1 GmbH + Co. KG übergegangen.
Ob der Kläger seinerzeit durch Schreiben der Beklagten vom 17.06.2002 ordnungsgemäß und ausreichend über den Betriebsteilübergang gemäß § 613 a Abs. 5 BGB unterrichtet worden ist und ob durch diese Unterrichtung die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB in Gang gesetzt worden ist, konnte die Berufungskammer offen lassen. In jedem Fall ist das Widerspruchsrecht des Klägers, wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat, zum Zeitpunkt seiner Ausübung am 15.05.2008 verwirkt.
1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung, § 242 BGB. Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen tätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass die Erfüllung des Anspruches nicht mehr zuzumuten ist.
Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613 a Abs. 5 und 6 BGB zum 01.04.2002 konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (BAG 15.02.2007 – 8 AZR 431/06 – AP BGB § 613 a Nr. 320; BAG 27.11.2008 – 8 AZR 174/07 – AP BGB § 613 a Nr. 363; BAG 12.11.2009 – 8 AZR 751/07 – AP BGB § 613 a Widerspruch Nr. 12; BAG 22.04.2010 – 8 AZR 805/07 – n.v.).
Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments jedoch noch nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei (BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) beziehungsweise sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Zutreffend ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufs in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (BAG 24.07.2008 – 8 AZR 175/07 – AP BGB § 613 a Nr. 347; BAG 27.11.2008 – 8 AZR 174/07 – AP BGB § 613 a Nr. 363; BAG 22.04.2010 – 8 AZR 805/07 – n.v. m.w.N.).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze muss für den vorliegenden Fall angenommen werden, dass der Kläger das Recht, dem Betriebsteilübergang vom 01.07.2002 zu widersprechen, verwirkt hat.
a) Der Kläger hat sein Widerspruchsrecht erst knapp 6,5 Jahre nach dem zum 01.07.2002 vollzogenen Betriebsübergang ausgeübt, nämlich mit Schreiben vom 15.12.2008. Damit ist das Zeitmoment, wie das Arbeitsgericht richtig gesehen hat, erfüllt.
Vor Ablauf eines Monats nach der Unterrichtung in Schriftform musste die Beklagte wegen der in § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB normierten Monatsfrist mit einem Widerspruch des Klägers rechnen. Durch die Unterrichtung über den Betriebsübergang gibt der Arbeitgeber grundsätzlich zu erkennen, dass er mit dieser die Widerspruchsfrist von einem Monat in Gang setzen will und nach Fristablauf die Erklärung von Widersprüchen nicht mehr erwartet. Das gilt auch dann, wenn die Unterrichtung unvollständig oder fehlerhaft war. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Zeitraum von mehr als einem Jahr zwischen der Unterrichtung über den Betriebsübergang und der Erklärung des Widerspruchs grundsätzlich geeignet, das Vorliegen des Zeitmoments zu bejahen. Dabei beginnt die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen zu laufen (BAG 27.11.2008 – 8 AZR 174/07 – AP BGB § 613 a Nr. 363; BAG 02.04.2009 – 8 AZR 220/07 – AP BGB § 613 a Widerspruch Nr. 6).
Angesichts des Umstandes, dass der Kläger bereits am 17.06.2002 über den zum 01.07.2002 vollzogenen Betriebsteilübergang ausführlich unterrichtet worden ist, war der gesamte Zeitraum ab dem Ablauf von einem Monat nach Zugang des Unterrichtungsschreibens für die Erfüllung des Zeitmoments zu berücksichtigen. Dies macht einen Zeitraum von knapp 6,5 Jahren aus. Das Arbeitsgericht hat aus Sicht der Berufungskammer auch zutreffend berücksichtigt, dass das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom 17.06.2002 lediglich wegen des fehlenden ausdrücklichen Hinweises auf die nur statische Fortgeltung der Tarifbestimmungen (vgl. BAG 20.03.2008 – 8 AZR 1016/06 – NZA 2008, 1354, Rn. 25 f.; Hunold, NZA-RR 2010, 281, 284; Jacobsen/Menke, NZA-RR 2010, 393, 394) und hinsichtlich des Haftungssystems des § 613 a Abs. 2 BGB (vgl. BAG 20.03.2008 – 8 AZR 1016/08 – NZA 2008, 1354, Rn. 30; BAG 22.01.2009 – 8 AZR 808/07 – AP BGB § 613 a Unterrichtung Nr. 4) möglicherweise unvollständig und damit fehlerhaft gewesen ist. Bei der Bestimmung der Dauer des Zeitmoments spielt auch der Grad der Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit der Information über den Betriebsübergang eine Rolle (Löwisch/Göpfert/Siegrist, DB 2007, 3538, 3539). Auch angesichts lediglich dieser beiden vom Kläger gerügten Unvollständigkeiten im Unterrichtungsschreiben vom 17.06.2002 ist das Zeitmoment nach Ablauf von fast 6,5 Jahren als erfüllt anzusehen.
b) Auch die Voraussetzungen für das Umstandsmoment liegen vor. Der Kläger ist unter Umständen untätig geblieben, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Widerspruchsrecht nicht mehr geltend machen wollte, sodass die Beklagte sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
aa) Zu Recht ist das Arbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, dass allein die widerspruchslose Weiterarbeit des Klägers bei der D1 A1 GmbH + Co. KG, insbesondere seine weitere Tätigkeit als freigestelltes Betriebsratsmitglied, noch keinen Umstand für die Annahme einer Verwirkung des Widerspruchsrechts des nicht ordnungsgemäß nach § 613 a Abs. 5 BGB unterrichteten Klägers begründet hat (BAG 27.11.2008 – 8 AZR 374/07 – AP BGB § 613 a Nr. 363 Rn. 30; BAG 12.11.2009 – 8 AZR 751/07 – AP BGB § 613 a Widerspruch Nr. 12 Rn. 35; BAG 22.04.2010 – 8 AZR 805/07 – Rn. 36; Gaul/Niklas, DB 2009, 452, 456; Dzida, NZA 2009, 641, 645; Hunold, NZA-RR 2010, 281, 286; Jacobsen/Menke, NZA-RR 2010, 393, 396 m.w.N.). Insoweit fehlt es an einer besonderen vertrauensbegründenden Verhaltensweise des Klägers, die eine Ausübung des Widerspruchsrechts als rechtsmissbräuchlich erscheinen ließe.
bb) Richtig ist auch, dass die Erfüllung des Umstandsmoments und eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig nur dann angenommen worden ist, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat. Als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses stellen sich danach nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers dar, durch welche es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber kommt, zum Beispiel durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages (BAG 27.11.2008 – 8 AZR 174/07 – AP BGB § 613 a Nr. 363) bzw. die Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung (BAG 24.07.2008 – 8 AZR 175/07 – AP BGB § 613 a Nr. 347), oder durch welche das Arbeitsverhältnis, etwa durch Begründung eines Altersteilzeitverhältnisses, auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt worden ist (BAG 23.07.2009 – 8 AZR 357/08 – AP BGB § 613 a Widerspruch Nr. 10). Eine Disposition über das Arbeitsverhältnis ist auch bei Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber angenommen worden (BAG 12.11.2009 – 8 AZR 751/07 – AP BGB § 613 a Widerspruch Nr. 12; BAG 18.03.2010 – 8 AZR 840/08 – n.v.).
Derartige Dispositionen über sein Arbeitsverhältnis hat der Kläger des vorliegenden Verfahrens mit der Betriebserwerberin, der D1 A1 GmbH + Co. KG, nicht getroffen.
cc) Dennoch hat auch die Berufungskammer wie das Arbeitsgericht gerade in Anbetracht des äußerst langen Zeitraumes zwischen dem Betriebsteilübergang und dem erfolgten Widerspruch von knapp 6,5 Jahren und der innerhalb dieses Zeitraums liegenden Verhaltensweisen des Klägers unter besonderer Berücksichtigung der Einzelumstände des vorliegenden Falles die Erfüllung des Umstandsmoments angenommen.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung immer betont, dass die Länge des Zeitablaufs in Wechselwirkung zudem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen ist (s. die obigen Rechtsprechungsnachweise unter I.1.). Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Umgekehrt müssen, je gewichtiger das Zeitmoment ist, die Anforderungen an das Umstandsmoment gelockert werden. Danach können auch sonstige Änderungen des Arbeitsvertrags zum neuen Betriebsinhaber, die nicht unmittelbar den Kern oder Bestand des Arbeitsverhältnisses berühren, bei entsprechender Gewichtigkeit des Zeitmoments zur Erfüllung des Umstandsmoments führen (Gaul/Niklas, DB 2009, 452, 456; Dzida, NZA 2009, 641, 645; ders. DB 2010, 167, 169; Jacobsen/Menke, NZA-RR 2010, 393, 396 f. m.w.N.). Mit zunehmendem Zeitmoment sind die Anforderungen an das Umstandsmoment zu reduzieren (vgl. auch LAG Hamburg 10.09.2009 – 2 Sa 136/09 – n.v.).
Unter Berücksichtigung dieser Wechselwirkung hat auch die Berufungskammer im vorliegenden Fall eine für das Umstandsmoment ausreichende Disposition über das Arbeitsverhältnis durch den Kläger angenommen, mit der der Kläger zum Ausdruck gebracht hat, dass er den Betriebserwerber, die D1 A1 GmbH + Co. KG, als neuen Arbeitnehmer akzeptiert hat. Der Kläger hat nämlich bereits Ende des Jahres 2005, zu einem Zeitpunkt, als die Fortgeltung der Bestimmungen der Tarifverträge der Metallindustrie NTW zwischen ihm und der D1 A1 GmbH + Co. KG bereits streitig war, mit der Betriebserwerberin am 07.11./14.12.2005 eine Änderungsvereinbarung zu seiner Versorgungszusage abgeschlossen. Hiermit hat der Kläger eine Disposition über das Arbeitsverhältnis getroffen, weil derjenige, der mit dem Betriebserwerber eine Änderung seiner Altersversorgung oder seiner Vergütung vereinbart, zu erkennen gibt, dass er den Erwerber als neuen Arbeitgeber anerkennt (Dzida, DB 2010, 167, 169).
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Versorgungsordnung vom 25.06.1973 i.d.F. vom 27.06.1989 bereits seit Jahren in Kraft ist und im gesamten Gemeinschaftsbetrieb angewandt wird. Bei Beurteilung des Umstandsmoments ist nämlich eine objektive Beurteilung maßgeblich. Der Nachtrag zur Versorgungsvereinbarung vom 07.11./14.12.2009 ist ausdrücklich mit der Geschäftsleitung der D1 A1 GmbH + Co. KG vereinbart worden. Hierdurch hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er diese Firma als seine neue Arbeitgeberin akzeptiert.
Hinzu kommt, dass der Kläger seine vermeintlichen Ansprüche auf Tariflohnerhöhung seit dem Jahre 2005 immer und ausdrücklich gegenüber der Betriebserwerberin, der D1 A1 GmbH + Co. KG, schriftlich geltend gemacht hat. Obgleich die D1 A1 GmbH + Co. KG derartige Ansprüche immer abgelehnt hat, hat der Kläger noch bis zum 15.12.2008 zugewartet und erst zu diesem Zeitpunkt dem Betriebsteilübergang auf die D1 A1 GmbH + Co. KG widersprochen. Auch im Übrigen hat der Kläger sich, etwa hinsichtlich der Dienstwagengestellung, immer an die D1 A1 GmbH + Co. KG als seinen Vertragspartner gehalten.
Der Kläger kann auch nicht darauf verweisen, zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung um die Weitergabe der Tariflohnerhöhungen arbeitsunfähig erkrankt gewesen zu sein. Diese Auseinandersetzungen begannen bereits im Jahre 2005. Arbeitsunfähig erkrankt war der Kläger erst ab 02.01.2007. Bereits mit Schreiben vom 15.10.2005 hat der Kläger die Tariflohnerhöhung für sich geltend gemacht. Auch während seiner Erkrankung ab 02.01.2007 hat der Kläger die Tariflohnerhöhung mit Schreiben vom 16.07.2007 schriftlich gegenüber der D1 A1 GmbH + Co. KG geltend gemacht.
Gegenüber der D1 A1 GmbH + Co. KG hat der Kläger darüber hinaus kurz vor der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit mit Schreiben vom 10.06.2008 angezeigt.
Die Umstände stellen zwar – weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit – keine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses dar, sie fallen aber gerade wegen der besonderen Länge des Zeitraums zwischen dem Betriebsteilübergang und dem Widerspruch des Klägers besonders ins Gewicht.
In Anbetracht der geschilderten Verhaltensweisen des Klägers und des verhältnismäßig langen Zeitraumes, bis der Kläger den Betriebsteilübergang widersprochen hat, durfte die Beklagte darauf vertrauen, dass der Kläger dem bereits mit Wirkung zum 01.07.2002 stattgefundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr widersprechen werde. Auch die Beklagte hat nach dem Betriebsteilübergang Dispositionen getroffen, in dem die Stelle des Klägers in ihrem Betrieb gestrichen worden ist. Für die Beklagte ist danach die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger unzumutbar geworden.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.
Die Berufungskammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.

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