LAG Hessen, 06.11.2015 – 14 Sa 1750/14

April 14, 2019

LAG Hessen, 06.11.2015 – 14 Sa 1750/14
Leitsatz:

Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bildet keine Anspruchsgrundlage dafür, den höchsten nach der möglicherweise mitbestimmungswidrigen Regelung denkbaren Vergütungsbetrag zu erhalten (vgl. auch BAG 5. Mai 2015 – 1 AZR 435/13 – NZA 2015, 1207).
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2014 — 22 Ca 2248/14 — teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2014 — 22 Ca 2248/14 — wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich noch um Feststellungs- und Zahlungsansprüche des Klägers in Zusammenhang mit einer von diesem begehrten Vergütungserhöhung ab dem Jahr 2014.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. August 2002 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 30. Juli 2002 (Bl. 53 – 59 d.A.) beschäftigt, wobei laut § 1 des Vertrags als Betriebseintritt des Klägers der 9. September 1999 gelten sollte.

Seine Lohnabrechnung vom 25. Februar 2014 (Bl. 5 d.A.) weist einen Stundenlohn von 13,17 EUR brutto aus.

Bei der Beklagten existiert eine “Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem vom 8. April 2010” (künftig: GBV). Wegen deren Inhalt wird auf Bl. 38 – 42 d.A. Bezug genommen, wegen der für das Kalenderjahr 2014 in den Vergütungsgruppen geltenden Bandlinien auf Bl. 3 d.A.

Im Kalenderjahr 2011 wurde auf Grundlage der Ziff. 4.3. der GBV eine Erhöhung der Vergütung der Mitarbeiter um 1,5%, im Jahr 2012 um 2,5 % und für das Kalenderjahr 2013 um 2% vorgenommen. Im jeweiligen Folgejahr wurden die Bandunter- und Obergrenzen in Anwendung der GBV um den jeweils gleichen Prozentsatz erhöht.

Der Kläger ist in die Vergütungsgruppe 2 eingruppiert. Ab Januar 2010 wurde seine damalige Vergütung um 3,5% auf einen Stundenlohn von 12,00 EUR angehoben. Damals betrug die Bandobergrenze der Vergütungsgruppe 2 12,40 EUR. Im Dezember 2010 erhielt der Kläger eine individuelle Erhöhung auf 12,60 EUR, bei gleich gebliebener Bandobergrenze. Die Vergütungsanhebung um 1,5% im Januar 2011 – die Bandobergrenzen erhöhte sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Vergütungserhöhung aus dem Vorjahr um 2,5% – führte beim Kläger zu einer Vergütung in Höhe der Bandobergrenze, nämlich mit einem Stundenlohn von 12,72 EUR brutto und zur Leistung einer Einmalzahlung gem. Ziff. 9.2. GBV iHv. 78,40 EUR (vgl. Lohnabrechnung Bl. 142 d.A.).

Für das Jahr 2012 wurde die Bandobergrenze der Vergütungsgruppe 2 entsprechend der Vergütungserhöhung für das Jahr 2011 um 1,5% auf 12,91 EUR brutto angehoben. Der Kläger erhielt wegen der Vergütungserhöhung für das 2012 um 2,5% ab Januar 2012 wiederum die Vergütung nach der aktuellen Bandobergrenze der Vergütungsgruppe 2, also 12,91 EUR und eine Einmalzahlung von 196,80 EUR nach Ziff. 9.2. GBV (vgl. Lohnabrechnung Bl. 142 d.A.).

Ab Januar 2013 wurde die Bandobergrenze der Vergütungsgruppe 2 um 2,5% auf 13,17 EUR erhöht. Gleichzeitig fand eine Vergütungserhöhung für 2013 um 2% statt. Dies führte für den Kläger zu einem Stundenlohn von 13,17 EUR ab Januar 2013.

Für das Jahr 2014 erfolgte bei der Beklagten keine Vergütungserhöhung, wohl aber – aufgrund der Erhöhung für 2013 – eine Erhöhung der Bandobergrenzen um 2% auf 13,43 EUR. Darüber, dass im Jahr 2014 keine Anhebung der Vergütung erfolgen werde, informierte die Beklagte die Arbeitnehmer mit einem auf den 28. Januar 2013 datierten Schreiben, das richtigerweise jedoch wohl auf den 28. Januar 2014 hätte datieren müssen.

Aufgrund der für das Jahr 2015 beschlossenen Anhebung der Vergütung um 1,5% erhält der Kläger seit dem 1. Januar 2015 einen Stundenlohn von 13,37 EUR.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, in dem auf den 28. Januar 2013 datierten Schreiben liege eine unzulässige Änderung seiner Arbeitsbedingungen und er habe einen Anspruch auf einen Stundenlohn entsprechend der Bandobergrenze der Vergütungsgruppe 2 im Jahr 2014 – nämlich auf 13,43 EUR brutto – für die Vergangenheit und die Zukunft. Wegen seines Vorbringens im Einzelnen wird auf den Tatbestand der arbeitsgerichtlichen Entscheidung verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

1.

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam ist;
2.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend ab 1. Januar 2014 bis einschließlich 30. September 2014 ausstehendes Gehalt in Höhe von insgesamt 351,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3.

festzustellen, dass er beginnend ab dem 1. Oktober 2014 einen Bruttostundenlohn in Höhe von 13,43 EUR hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei ordnungsgemäß vergütet worden und ihm stehe weder rückwirkend seit dem 1. Januar 2014 noch zukünftig ein Stundenlohn iHv. 13,43 EUR zu.

Wegen ihres Vortrags im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage hinsichtlich des Antrags zu 1) mit Urteil vom 17. November 2013 – 22 Ca 2248/14 – als unzulässig abgewiesen und ihr im Übrigen stattgeben. Es hat hinsichtlich der Stattgabe argumentiert, der Kläger habe zwar keinen grundsätzlichen Anspruch auf eine Vergütung nach der Bandobergrenze. Es ist jedoch davon ausgegangen, der Kläger habe im Jahr 2013 eine Einmalzahlung erhalten und hat insofern angenommen, bei Zahlung eines Stundenlohns von 13,17 EUR werde ihm die Vergütungserhöhung für 2013 iHv 2% nur für 12 Monate – nämlich im Rahmen dieser Einmalzahlung – gezahlt, im Jahr 2014 aber nicht mehr. Dahingehend könne die GBV nicht ausgelegt werden, weil sie bei dieser Auslegung gegen § 75 BetrVG verstoße. Wegen der Begründung im Übrigen und Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 10. Dezember 2014 zugestellte Urteil am 12. Dezember 2014 Berufung eingelegt und diese mit am 15. Januar 2015 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangener Berufungsbegründungsschrift begründet. Der Kläger, dem die Berufungsbegründung am 22. Januar 2015 zugestellt worden ist, hat am gleichen Tag Anschlussberufung eingelegt und diese mit am 2. Februar 2015 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte rügt, dass das Arbeitsgericht habe seiner Entscheidung zu Unrecht die Annahme einer Einmalzahlung an den Kläger für das Jahr 2013 zugrunde gelegt. Sie behauptet, eine solche sei nicht erfolgt, da sich durch die Erhöhung von 2% für das Jahr 2013 rechnerisch kein die Bandobergrenze übersteigender Stundenlohn für den Kläger ergeben habe und legt insoweit die Abrechnung für den Monat Januar 2013 vor. Deshalb sei ihm auch durch die Zahlung eines Stundenlohns iHv. 13,43 EUR brutto nicht für das Jahr 2014 die Vergütungserhöhung genommen worden, die für das Jahr 2013 festgelegt wurde.

Die Anschlussberufung hält die Beklagte für unbegründet, da das Arbeitsgericht den Antrag zu 1) mit zutreffender Begründung als unzulässig zurückgewiesen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2014 — 22 Ca 2248/14 — teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Klägervertreter beantragte,

die Berufung zurückzuweisen und

im Wege der Anschlussberufung,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2014 — 22 Ca 2248/14 — teilweise abzuändern und festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam ist.

Der Beklagtenvertreter beantragte,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und behauptet, er habe eine Einmalzahlung erhalten. Er vertritt weiterhin die Auffassung, die Begründetheit der Anträge zu 2) und 3) folge daraus, dass die Festlegung von Obergrenzen und Untergrenzen innerhalb einer Vergütungsgruppe aus Gründen des Gleichbehandlungsgrundsatzes unzulässig sei. Dies führe zu einem Anspruch auf Vergütung nach der jeweiligen Bandobergrenze einer Vergütungsgruppe. Im Übrigen sei die die GBV zu unbestimmt, insbesondere sei eine objektive Gehaltsbestimmung durch den Vorgesetzten nicht möglich, weil die Mitarbeiter der Beklagten innerhalb einer Vergütungsgruppe in völlig unterschiedlichen Bereichen bei unterschiedlichen Vorgesetzten tätig seien. Auch daraus erfolge ein Anspruch auf die Vergütung nach der jeweiligen Bandobergrenze. Außerdem habe am 1. Januar 2014 eine Gehaltserhöhung zu erfolgen, dies ergebe sich aus der Rechtsfigur der betrieblichen Übung und aus der – insoweit streitig – unterlassenen Abstimmung der Frage einer Gehaltserhöhung für das Jahr 2014 zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat. Der Erhöhungsanspruch sei aber auch gerechtfertigt, weil sich ein entsprechender Anspruch aus der “benannten Zugrundelegung des Lebenshaltungsindex” ergebe. Schließlich folge sein Anspruch aber auch daraus, dass er besonders anspruchsvolle Aufgaben wahrnehme. Insoweit wird auf den Vortrag im Schriftsatz vom 19. Februar 2015 (Bl. 161 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger rügt mit der Anschlussberufung, das Arbeitsgericht habe den Antrag zu 1) zu Unrecht als unzulässig angesehen. Der insoweit gestellte Feststellungsantrag sei begründet und nachvollziehbar. Das Interesse bestehe in Anlehnung an das Feststellungsinteresse bei einer Änderungskündigung.

Wegen des weiteren beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG, 511 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgereicht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Antrag zu 2) ist zulässig, aber unbegründet.

a) Der Antrag ist ausreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar hat der Kläger seine Klageforderung für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 30. September 2014 pauschal berechnet, indem er eine durchschnittliche monatliche Stundenzahl von 150 zugrunde gelegt hat, was in Monaten, in denen er mehr als 150 Stunden gearbeitet hat, zu Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage unter dem Aspekt der Teilklage nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO führt (vgl. hierzu etwa BAG 24. März 2011 – 6 AZR 691/09 – NZA 2011, 1116; Hessisches LAG 7. Februar 2014 – 14 Sa 557/13 – Juris). Die Zulässigkeit der Klage ergibt sich aber daraus, dass der Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. September 2013 abschließend eine zusätzliche Vergütung in Höhe von 351,00 EUR brutto fordert, so dass im Ergebnis kein Zweifel darüber entstehen könnte, über welche Forderung des Klägers rechtskräftig entschieden wird.

b) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 351,00 EUR brutto für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 30. September 2014. Er hat weder einen Anspruch darauf, nach der Bandobergrenze seiner Vergütungsgruppe vergütet zu werden noch kann er eine Vergütungserhöhung für das Jahr 2014 verlangen.

aa) Ein Anspruch auf Entlohnung mit dem der Bandobergrenze für das Jahr 2014 entsprechenden Stundenlohn iHv. 13,43 EUR brutto ergibt sich zunächst entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung nicht aus der Fortschreibung der Vergütungserhöhung für das Jahr 2013 auf das Jahr 2014. Der Kläger hat die Vergütungserhöhung für das Jahr 2013 um 2% auch im Jahr 2014 erhalten, indem sein Stundenlohn von 12,91 EUR im Jahr 2012 zum 1. Januar 2013 um 2% auf 13,17 EUR erhöht wurde und ihm dieser Stundenlohn unstreitig auch im Jahr 2014 gezahlt wurde. Soweit das Arbeitsgericht davon ausgegangen ist, der Kläger habe für das Jahr 2013 die Vergütungserhöhung in Form einer Einmalzahlung erhalten, ist dies unzutreffend. Ob die auf dieser Annahme fußenden rechtlichen Erwägungen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung zutreffen, kann daher offen bleiben. Davon, dass die Vergütungserhöhung um 2% im Jahr 2013 ohne Einmalzahlung allein durch die Erhöhung des Stundenlohns des Klägers umgesetzt werden konnte und umgesetzt wurde, hat die Kammer nach allgemeinen Grundsätzen der Darlegungslast auszugehen. Den entsprechenden sehr detaillierten und schlüssigen Vortrag der Beklagten, den diese auch durch die Vorlage von Lohnabrechnungen untermauert hat, hat der Kläger jedenfalls nicht in einer § 138 Abs. 2 ZPO genügenden Weise bestritten. Sein gesamter diesbezüglicher Vortrag beschränkt sich darauf, zu behaupten, dass er eine Einmalzahlung bekommen habe. Er behauptet dies nicht einmal bezogen auf das Jahr 2013 – 2011 und 2012 wurde unstreitig eine Einmalzahlung geleistet – und trägt auch nicht vor, wann er in welcher Höhe eine Einmalzahlung erhalten haben will.

bb) Soweit der Kläger geltend macht, ihm stehe ein Anspruch auf die Zahlung eines Stundenlohns nach der Bandobergrenze der Vergütungsgruppe 2 in Höhe von 13,43 EUR zu, weil Ziff. 4.1 GBV nicht ausreichend bestimmt sei, ist nicht erkennbar, warum eine nicht ausreichende Bestimmtheit dieser Regelung einen Anspruch auf eine Vergütung nach der jeweiligen Bandobergrenze seiner Vergütungsgruppe zur Folge haben sollte. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung. Insoweit kann offenbleiben, ob der Gesamtbetriebsrat im Rahmen der Regelungen in Ziff. 4.1 und Ziff. 4.2. der GBV unzulässig auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verzichtet hat. Ziff. 4.1. GBV sieht vor, dass die Einstufung innerhalb des Entgeltkorridors einer Vergütungsgruppe bei Beginn der Übernahme der jeweiligen Funktion im unteren Bereich der Vergütungsgruppe erfolgt und der Arbeitnehmer dann schrittweise in Abhängigkeit von seiner Leistung entwickelt wird. Ziff. 4.2. regelt, dass die konkrete Festlegung durch den Vorgesetzten nach Leistungsgesichtspunkten vorzunehmen ist. Dabei ist innerhalb der GBV nicht geregelt, welche Kriterien der Vorgesetzte insoweit zugrunde zu legen hat. Ob solche Kriterien für die Einstufung innerhalb der Vergütungsgruppen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind – wofür viel spricht – und ob der Gesamtbetriebsrat gleichwohl auf eine Regelung solcher Kriterien verzichten und sie dem Arbeitgeber übertragen konnte, kann jedoch offen bleiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer in Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bei einer unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorgenommenen Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmten Entlohnungsgrundsätze fordern (BAG 17. Mai 2011 – 1 AZR 797/09 – EzA § 87 BetrVG 2001 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 25; BAG 5. Mai 2015 – 1 AZR 435/13 – NZA 2015, 1207). Dies ist vorliegend aber nicht die Bandobergrenze der jeweiligen Vergütungsgruppe, die ja gerade Teil der Einstufung der Arbeitnehmer innerhalb des Entgeltkorridors nach der GBV ist. Der Kläger verlangt keine Vergütung, wie sie sich aus einer vor der GBV geltenden betrieblichen Regelung ergäbe und auch keine nach seinem Arbeitsvertrag, sondern er fordert die höchste nach Anwendung der GBV in seiner Vergütungsgruppe mögliche Vergütung. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bildet jedoch gerade keine Anspruchsgrundlage zur Vergütung nach einer mitbestimmungswidrigen Regelung (BAG 5. Mai 2015 – 1 AZR 435/13 – NZA 2015, 1207).

cc) Der Kläger greift auch nicht in einer seiner Darlegungslast entsprechenden Weise die Einstufungsentscheidung seines Vorgesetzten ihn betreffend an und macht nicht geltend, diese müsse eine Einstufung an der Bandobergrenze zur Folge haben. Der zur Einstufung aufgerufene Vorgesetzte ist unabhängig von der Existenz konkreter Kriterien für die Einstufung und einer diesbezüglichen Mitbestimmungspflichtigkeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei seiner Entscheidung nicht völlig frei, sondern seine Einstufung muss sich etwa am Maßregelungsverbot und an den Vorgaben des AGG messen lassen und darf nicht zu einem Eingriff in den Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses führen. Dass die ihn betreffende Einstufungsentscheidung seines Vorgesetzten gegen die genannten Grundsätze und Vorschriften verstößt, hat der Kläger auch mit seiner Berufung nicht behauptet. Ebenso wenig hat er dargelegt, wie die Einstufungsentscheidung bei ordnungsgemäßer Vornahme hätte ausfallen müssen.

dd) Soweit der Kläger die Vergütung in Höhe der Bandobergrenze der Vergütungsgruppe 2 aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz fordert, hat er keinen ausreichenden Vortrag dazu geleistet, mit welchem Mitarbeiter er sich auf Grund welcher Umstände für vergleichbar hält. Zwar behauptet er mit Schriftsatz vom 19. Februar 2015, er führe besonders anspruchsvolle Tätigkeiten aus und er verfüge über das Passwort zu einem Programm, zu dem sonst nur Standard Office Agenten und deren Vorgesetzte Zugang hätten. Abgesehen davon, dass er selbst nicht behauptet, die Standard Office Agenten oder deren Vorgesetzte erhielten einen Stundenlohn der Bandobergrenze der Vergütungsgruppe 2, sondern die Standard Office Agenten unstreitig in die Vergütungsgruppe 3 eingruppiert sind, richtet sich die Einstufung innerhalb des Entgeltkorridors einer Vergütungsgruppe nicht danach, über welche Passwörter der Arbeitnehmer verfügt, sondern es sind Leistungsgesichtspunkte maßgebend. Auch sein Vortrag, er kommuniziere autark mit dem Offfice, benötige hierzu “einiges an Know How und Berufserfahrung” und fertige bis zu 50 Tonnen Fracht pro Schicht ab, vermag keinen Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu begründen. Erforderlich wäre vielmehr die Darlegung gewesen, dass er ohne Sachgrund niedriger eingestuft wurde als Arbeitnehmer, die gleichwertige Tätigkeiten wie er ausführen, dabei gleiches Fachwissen aufweisen und die gleiche Leistung erbringen. Er trägt aber zur Vergütung anderer Arbeitnehmer mit gleicher Aufgabenstellung und gleicher Leistung gar nichts vor.

ee) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Vergütungserhöhung für das Jahr 2014 aus betrieblicher Übung, die zu einer Entlohnung mit einem Stundenlohn von 13,43 EUR führte. Zurecht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass eine betrieblichen Übung bei der Beklagten, die eine jährliche Vergütungsanpassung nach dem Lebenshaltungsindex zum Gegenstand hätte, nicht ersichtlich ist. Zum einen regelt die GBV gerade, dass die Beklagte in Abstimmung mit dem Gesamtbetriebsrat über eine Vergütungserhöhung im Folgejahr entscheidet, was bereits der Annahme einer betrieblichen Übung entgegensteht. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in der Vergangenheit je eine Vergütungserhöhung vorgenommen hat, die der Steigerung des Lebenshaltungsindexes entsprach.

ff) Schließlich verhilft dem Kläger auch sein erneutes Bestreiten, dass eine Besprechung mit dem Betriebsrat über eine Vergütungserhöhung für das Jahr 2014 stattgefunden habe, seiner Berufung nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass die fragliche Besprechung der GBV zufolge nicht mit dem Betriebsrat, sondern mit dem Gesamtbetriebsrat stattzufinden hatte, könnte selbst die Verletzung dieser Pflicht nur dann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs zu der von dem Kläger geltend gemachten Forderung führen, wenn das Unterbleiben der Besprechung für eine unterbliebene Vergütungserhöhung kausal geworden wäre. Auch insoweit ist keinerlei Vortrag erfolgt.

2.

Der Antrag zu 2) ist zulässig, aber unbegründet.

a) Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage gem. § 256 ZPO spricht vorliegend nicht der Vorrang der Leistungsklage. Dieser gilt nicht, soweit zukünftige Ansprüche geltend gemacht werden und zwar auch dann nicht, wenn es sich zwar zum Zeitpunkt der Klageerhebung um zukünftige Ansprüche handelte, diese aber – wie hier – (teilweise) zum Zeitpunkt der Entscheidung entstanden und fällig sind. Der Kläger ist in diesem Fall nicht gehalten, die Feststellungsklage (teilweise) auf eine Leistungsklage umzustellen (vgl. etwa BAG 12. August 2014 – 3 AZR 764/12 -BetrAV 2015, 75).

b) Der Anspruch ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht ab Oktober 2014 kein Anspruch auf einen Stundenlohn iHv 13,43 EUR brutto zu. Insoweit wird auf die obigen Darlegungen Bezug genommen.

III.

Die Anschlussberufung des Klägers ist unzulässig, da sie nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend begründet wurde, §§ 524 Abs. 3 Satz 2, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Ob sie zudem wegen Verstoßes gegen §§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO unzulässig ist, kann offen bleiben.

a) Nach §§ 524 Abs. 3 Satz 2, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Anschlussberufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Die Berufungsbegründung muss sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (vgl. BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 543/11 – AP Nr. 48 zu § 64 ArbGG 1979; BAG 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – AP Nr. 44 zu § 64 ArbGG 1979).

b) Diesen Anforderungen genügt die Anschlussberufungsbegründung im Hinblick auf die Zurückweisung des Antrags zu 1) als unzulässig durch das Arbeitsgericht nicht. Sie befasst sich nicht mit den rechtlichen Argumenten des angefochtenen Urteils.

aa) Das Arbeitsgericht hat die Unzulässigkeit des Antrags zu 1) damit begründet, dass der Antrag nicht hinreichend bestimmt genug sei, weil unklar sei, auf welche Änderungen des Arbeitsverhältnisses er sich beziehe. Es hat außerdem ausgeführt, da ein Rechtsschutzziel dieses Antrags in Abgrenzung zu den anderen Anträgen nicht erkennbar sei und vom Klägervertreter auch nicht habe näher erläutert werden können und da sich die Beklagte keiner Änderung der Arbeitsbedingung berühme, fehle es auch am Rechtsschutzbedürfnis.

bb) Mit diesen Argumenten hat sich der Kläger in der Anschlussberufungsbegründung in keiner Weise auseinandergesetzt. Er hat lediglich behauptet, das Feststellungsinteresse bestehe “in Anlehnung” an das bei einer Änderungskündigung. Worin konkret jedoch das besondere Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO – nämlich das spezifische Rechtsschutzbedürfnis bei Feststellungsklagen – in Abgrenzung zu den Anträgen zu 2) und 3) bestehen soll oder warum es dessen entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht bedürfen soll, hat der Kläger nicht ausgeführt. Ebenso hat er sich nicht damit auseinandergesetzt, dass sich die Beklagte keiner Änderung der Arbeitsbedingungen berühmt und dass gar nicht ersichtlich ist, gegen welche Änderung der Arbeitsbedingungen er sich richtet.

IV.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 ZPO zu tragen, da er vollständig unterlegen ist.

V.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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