LAG Hessen, 10.11.2014 – 17 Sa 1349/13

April 30, 2019

LAG Hessen, 10.11.2014 – 17 Sa 1349/13
Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 05. September 2013, 19 Ca 2119/13 teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen vom 05. März 2013 sozial ungerechtfertigt ist.

Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers vom 14. Februar 2013 auf die Position Referent Revenue Accounting (Revenue Integrity), AT2 bei FRA XE/I in D unwirksam ist.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug nach Teilklagerücknahme und Teilerledigungserklärungen noch über die Wirksamkeit einer Versetzung, die Wirksamkeit einer Änderungskündigung und um einen Beschäftigungsanspruch.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 168 bis 171R d.A.). Dies erfolgt mit folgenden Ergänzungen:

Der Auslandsarbeitsvertrag der Parteien vom 20. November 2006 (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17. Juni 2013, Anlagenband) lautet unter Nr. 1:

1. Vertragsdauer

1.1. Dieser Vertrag tritt mit Beginn des tatsächlichen Auslandseinsatzes in Kraft. Er ersetzt den bisherigen Auslandsarbeitsvertrag vom 18.09.2003. Der Vertrag tritt mit Datum der tatsächlichen Rückversetzung ins Inland außer Kraft und wird zu diesem Zeitpunkt durch einen neuen Inlandsanstellungsvertrag ersetzt.

1.2 Einsatzort und Dauer der Auslandstätigkeit ergeben sich aus dem Entsendungsvertrag.

Er lautet unter Nr. 11:

11. Vergütungssicherung

Kann der Mitarbeiter nach mindestens einjähriger Beschäftigung wegen eines Arbeitsunfalls (§ 8 SGB VII) oder nach mindestens zweijähriger Beschäftigung wegen einer anerkannten Berufskrankheit (§ 9 SGB VII) seine bisherige Tätigkeit nur noch eingeschränkt wahrnehmen oder wird ihm deshalb eine geringwertigere Aufgabe übertragen, wird seine letzte Vergütung ohne leistungsorientierte variable Bestandteile vom Unternehmen weitergezahlt. Leistungen, die der Mitarbeiter wegen des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit von dritter Seite erhält oder zu beanspruchen unterläßt, werden angerechnet.

Die Möglichkeit einer Rückversetzung bleibt davon unberührt. In diesem Fall richtet sich die Vergütung nach der letzten Deutschen Vergleichsvergütung (Ziff. 5).

Der in Nr. 1.1. erwähnte bisherige Auslandsarbeitsvertrag der Parteien vom 18. September 2003 (Bl. 340 f d.A.) lautet auszugsweise:

1. Vertragsdauer

1.1. Der Auslandsarbeitsvertrag tritt an dem Tage in Kraft, an dem der Mitarbeiter zum Arbeitsantritt am ausländischen Einsatzort eintrifft.

1.2. Dieser Vertrag ersetzt den bisherigen Inlandsarbeitsvertrag. Bei Beendigung der Auslandstätigkeit wird dieser Vertrag wieder durch einen neuen Inlandsarbeitsvertrag ersetzt.

Dieser Vertrag tritt mit Ablauf desjenigen Tages außer Kraft, der dem Inkrafttreten des neuen Inlandsarbeitsvertrag mit dem Unternehmen vorangeht.

1.3. Einsatzort und Dauer der Auslandstätigkeit ergeben sich aus dem Entsendungsvertrag.

11. Rückkehrklausel/Beendigung

11.1. Nach Beendigung des Auslandseinsatzes hat der Mitarbeiter Anspruch auf eine Vergütung in Höhe seiner letzten im Ausland geltenden Deutschen Vergleichsvergütung (Ziff. 10).

11.2. Neuer Einsatzort und Tätigkeitsbereich werden bei Beendigung der Auslandstätigkeit vereinbart. Dabei werden die Fähigkeiten und Leistungen des Mitarbeiters sowie die erfolgreiche Wahrnehmung der Aufgaben während des Auslandseinsatzes unter Berücksichtigung der dann gegebenen betrieblichen Möglichkeiten beachtet.

Der dem Einsatz des Klägers als CAS GU in A zugrunde liegende Entsendungsvertrag der Parteien vom 5. Februar 2010 (Bl. 20 d.A.) lautet in Nr. 4:

Im Übrigen gelten die Bestimmungen des geschlossenen Auslandsarbeitsvertrages in der Fassung vom 18.09.2003.

Diese zwischen den Parteien bestehenden Vertragsformulare waren von der Beklagten vorformuliert.

Den Änderungskündigungen vom 1. März 2013 (Bl. 22 f d.A.) und 5. März 2013 (Bl. 24 f d.A.) war jeweils als Änderungsangebot der hiermit in Bezug genommene Vertragsentwurf beigefügt (Anlage B 21 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17. Juni 2013, Anlagenband).

Nr. 2 des Auslandsarbeitsvertrages vom 20. November 2006 lautet:

2. Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag

Während der Geltungsdauer dieses Vertrages ergeben sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Gesetz, diesem Auslandsarbeitsvertrag, dem Entsendungsvertrag sowie deren Anlagen. Ferner gelten die einschlägigen Regelungen des Unternehmens für ins Ausland entsandte Mitarbeiter in ihrer jeweils gültigen Fassung. Tarifvertragliche Regelungen gelten nicht, es sei denn, der betreffende Tarifvertrag schließt aussertarifliche Mitarbeiter im Geltungsbereich mit ein.

Der Auslandsarbeitsvertrag vom 18. September 2003 und der Entsendungsvertrag vom enthalten keine Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen.

§ 1 des Manteltarifvertrages Nr. 14 für das Bodenpersonal der Beklagten in der Fassung vom 1. Januar 2007 einschließlich Änderungstarifvertrag Nr. 13 (MTV Nr. 14) lautet auszugsweise:

§ 1 Geltungsbereich

Dieser Manteltarifvertrag gilt für die Mitarbeiter des Bodenpersonals der B und der C (im Folgenden B und C genannt) sowie der Gesellschaften im Geltungsbereich des “Tarifvertrag zur Erweiterung des Geltungsbereiches” (diese Gesellschaften werden im Folgenden mit dem einheitlichen Sammelbegriff G-TVG bezeichnet), soweit sie vom Geltungsbereich des jeweiligen Vergütungstarifvertrags/Tarifvertrages Vergütungssystem umfasst sind und mit ihnen kein außertariflicher Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Die Bestimmungen der Abschnitte II, III sowie VI bis VIII und Protokollnotiz III Abs. (2) -ausgenommen die §§ 30, 30 a und 31 – gelten auch für die durch den jeweiligen VTV/TV VS nicht erfassten Mitarbeiter (siehe hierzu Protokollnotiz III, Abs. (2)).

§ 2 Ausnahmen vom Geltungsbereich

(1) Der Manteltarifvertrag gilt nicht für …

c) Mitarbeiter, die ins Ausland versetzt oder abgeordnet sind, vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Auslandsvertrages an, … .

VIII. Beendigung des Arbeitsverhältnisses …

§ 41 Ordentliche Kündigung …

(3) Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ist eine ordentliche Kündigung einschließlich der ordentlichen Änderungskündigung durch B/C/G-TVG ausgeschlossen.

Protokollnotiz III Abs. 2 zum MTV Nr. 14 lautet:

a) Der Ausschluss der Änderungskündbarkeit gemäß § 41 Abs. (3) gilt nicht für Mitarbeiter 9), die außertariflich vergütet werden, sofern ihre Beschäftigungszeit bei B/C/G-TVG am 01.04.1991 weniger als 15 Jahre betrug bzw. sofern ihr Arbeitsverhältnis mit B/C/G-TVG zum oder nach diesem Zeitpunkt beginnt.

b) Für Mitarbeiter mit einem außertariflichen Arbeitsvertrag kann individualvertraglich mit Zustimmung des Mitarbeiters von den anwendbaren tariflichen Bestimmungen abgewichen werden.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2013 (Anlage B 20 zum Schriftsatz vom 17. Juni 2013, Anlagenband) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung des Klägers mit sozialer Auslauffrist an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 12. Februar 2013 (Anlage B 22). Mit Schreiben vom 22. Februar 2013 (Anlage B 23) hörte die Beklagte den Betriebsrat erneut zu einer beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 25. Februar 2013, worauf die außerordentliche Änderungskündigung vom 1. März 2013 erfolgte. Nachdem die Prozessbevollmächtigte des Klägers diese Kündigung unter Hinweis auf mangelnde Empfangsvollmacht zurückwies, erfolgte vor Ausspruch der außerordentlichen Änderungskündigung vom 5. März 2013 keine erneute Anhörung des Betriebsrats.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch am 5. September 2013 verkündetes Urteil, 19 Ca 2119/13, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Anträge zu 3) und 5) seien unzulässig. Für den Antrag zu 5) bestehe kein Feststellungsinteresse, weil der Kläger parallel mit seinem Antrag zu 4) Beschäftigung zu den Bedingungen verfolge, die vor der Umsetzung der Weisung vom 14. Februar 2013 gegolten hätten. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil die Versetzung vom 14. Februar 2013 wirksam sei. Die in Nr. 3 des Entsendungsvertrages enthaltene Versetzungsklausel halte der AGB-Kontrolle stand und sei wirksam. Die Ausübung des Versetzungsvorbehalts entspreche auch billigem Ermessen. Da die beabsichtigten Bedingungen von der Arbeitgeberin bereits durch Ausübung des Direktionsrechts durchgesetzt werden könnten, seien die Änderungskündigungen “überflüssig” und die Änderungsschutzanträge bereits deswegen unbegründet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 171R bis 180 d.A.).

Gegen dieses ihm am 17. Oktober 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, 18. November 2013 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 16. Dezember 2013 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 17. Januar 2014 am 17. Januar 2014 begründet.

Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen und hält daran fest, sein Arbeitsplatz in Marokko sei nicht weggefallen, vertritt nach wie vor die Auffassung, die Versetzungsklausel in Nr. 3 Abs. 1 des Entsendungsvertrags vom 5. Februar 2010 beziehe sich nur auf Versetzungen innerhalb Marokkos, die Rückversetzungsklausel in Nr. 3 Abs. 2 sei unwirksam, halte einer AGB-Kontrolle nicht stand und führe dazu, dass sich die Beklagte eine unzulässige Teilkündigung vorbehalten habe. Er meint, die Versetzungsanordnung wahre nicht billiges Ermessen, vertritt ferner die Auffassung, die Beklagte hätte eine angemessene Ankündigungsfrist einhalten müssen, und hält daran fest, die in Frankfurt am Main zugewiesene Tätigkeit als “Referent Revenue Accounting (Revenue Integrity)” sei nicht gleichwertig. Er hält die Änderungskündigung für unwirksam, meint, eine ordentliche Kündigung einschließlich einer ordentlichen Änderungskündigung sei für ihn ausgeschlossen, vertritt die Auffassung, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers liege nicht vor, bestreitet Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB, rügt nicht ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats, vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Klageantrag zu 5) zu Unrecht als unzulässig angesehen und vertritt die Auffassung, mangels wirksamer Versetzung sei er weiter als CAS GU in A zu beschäftigen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 17. Januar 2014 (Bl. 233 f d.A.), 18. Juni 2014 (Bl. 346a f d.A.), 4. August 2014 (Bl. 372 f d.A.) und 29. September 2014 (Bl. 390 f d.A.) verwiesen.

Nachdem die Beklagte erklärte, aus der Kündigung vom 1. März 2013 keine Rechte herzuleiten, die Parteien den Rechtsstreit sodann insoweit hinsichtlich des wegen dieser Kündigung verfolgten Änderungsschutzantrags übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten und der Kläger die Klage hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrags zurücknahm,

beantragt der Kläger noch,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. September 2013, 19 Ca 2119/13,

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom 5. März 2013 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis über den 30. September 2013 hinaus unverändert fortbesteht;

die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als CAS GU in A zu beschäftigen;

festzustellen, dass seine Versetzung vom 14. Februar 2013 auf die Position Referent Revenue Accounting (Revenue Integrity), AT2 bei FRA XE/I in D unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 3. April 2014 (Bl. 294 f d.A.) und 4. August 2014 (Bl. 361 f d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe

A. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. September 2013, 19 Ca 2119/13, ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

B. Sie ist auch zum Teil begründet.

I. Die Berufung ist unbegründet, soweit das Arbeitsgericht den Klageantrag auf Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen als CAS GU in A abgewiesen hat. Dem Kläger steht zurzeit kein entsprechender Beschäftigungsanspruch zu.

1. Die Frage der Wirksamkeit der Versetzung kann in diesem Zusammenhang ebenso offen bleiben wie die der Wirksamkeit der Änderungskündigung. Ein Beschäftigungsanspruch zu den bisherigen Bedingungen besteht jedenfalls schon deshalb nicht, weil der Kläger das mit der Änderungskündigung unterbreitete Angebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen hat.

2. Nach der Rspr. des BAG ist der Arbeitgeber bei einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung zunächst grundsätzlich nicht aufgrund allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen (BAG 28. Mai 2009 – 2 AZR 844/07 – AP BGB § 626 Nr. 222; BAG 19. Dezember 1991 – 2 AZR 280/91 – RzK I 10i Nr. 328; BAG 18. Januar 1990 – 2 AZR 183/89 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 27; vgl. auch KR/Rost/Kreft, 10. Aufl., KSchG, § 2 Rdnr. 119; ErfK/Oetker, 14. Aufl., KSchG, § 2 Rdnr. 38 m.w.N.). Der Gesetzgeber geht hiernach bei der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen gemäß §§ 2, 8 KSchG von einer rechtskräftigen Entscheidung über die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen aus. Eine solche liegt noch nicht vor. Gleichzeitig kommt vor Rechtskraft der Entscheidung über die Änderungskündigung auch kein vertraglicher Beschäftigungsanspruch gemäß § 611 BGB in Betracht (Hessisches LAG 25. Juni 2013 – 15 Sa 922/12 – n.v., ; Hessisches LAG 2. September 2013 – 7 Sa 1510/12 – n.v., ). Dies ist die Konsequenz aus dem Rechtscharakter der Vorbehaltserklärung. Sie ist eine Willenserklärung. Dem Arbeitnehmer wird das Recht eingeräumt, ein Vertragsangebot unter einer Bedingung anzunehmen. Die Vorbehaltserklärung stellt eine bedingte Annahme dar (BAG 13. März 2007 – 9 AZR 588/06 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 133), so dass der Arbeitnehmer nicht nur wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (BAG 19. Dezember 1991 – 2 AZR 280/91 – a.a.O.), sondern auch aufgrund auflösend bedingter Vereinbarung (KR/Rost/Kreft, a.a.O.) bis zum Eintritt der auflösenden Bedingung zunächst zu den unter Vorbehalt akzeptierten Bedingungen weiter zu arbeiten hat.

3. Ob wie vom Kläger im Verhandlungstermin argumentiert hiervon im Fall der offensichtlichen Unwirksamkeit der Änderungskündigung eine Ausnahme zu machen ist und insoweit die Grundsätze zum vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch bei wiederholten Kündigungen (BAG 19. Dezember 1985 – 2 AZR 190/85 – AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 17) heranzuziehen sind, kann dahinstehen. Maßstab für eine Offensichtlichkeitsprüfung in diesem Sinne wäre, dass sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss; die Unwirksamkeit der Kündigung muss ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen (BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84 – AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14).

Hiervon kann im Hinblick auf die noch im Streit stehende Kündigung vom 5. März 2013 keine Rede sein.

II. Im Übrigen ist die Berufung begründet.

1. Der Klageantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung ist zulässig und begründet.

a) Der Antrag ist zulässig.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Rspr. des BAG die Berechtigung einer Versetzung grundsätzlich auch im Rahmen einer Feststellungsklage geklärt werden (BAG 25. August 2010 – 10 AZR 275/09 – AP GewO § 106 Nr. 11). Dem hat die Kammer sich in ihrer Rspr. aus Gründen der einheitlichen Rechtsanwendung und unter Zurückstellung von Bedenken, inwieweit es sich bei der Unwirksamkeit einer Versetzung um ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO handelt, angeschlossen.

Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob die Rspr. des BAG, wie vom Arbeitsgericht angenommen, dahin zu verstehen ist, dass der Arbeitnehmer ein Wahlrecht auszuüben hat und Feststellungsklage und Klage auf künftige Leistung alternativ oder wie vom Kläger vertreten kumulativ zueinander stehen. Jedenfalls ist der Antrag auf Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen wie bereits dargelegt vorliegend schon wegen der Vorbehaltsannahme der geänderten Bedingungen unbegründet, so dass die Alternative zum Feststellungsantrag überhaupt nicht besteht. Solange bei Zusammentreffen von Versetzung und (hilfsweise) ausgesprochener Änderungskündigung über die Wirksamkeit der unter Vorbehalt angenommenen Änderungen nicht rechtskräftig entschieden ist, ist der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, zunächst zu diesen Bedingungen zu arbeiten, so dass er in der Regel überhaupt nicht in der Lage ist, erfolgversprechend eine Leistungsklage auf Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen zu erheben.

b) Der Antrag ist auch begründet.

aa) Die Versetzung ist unwirksam. Sie ist vom Direktionsrecht nach § 106 GewO nicht gedeckt. Hiernach kann der Arbeitgeber zwar Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Arbeitsvertraglich festgelegt ist aber, dass die Zuweisung von Tätigkeiten nach Rückversetzung nach Deutschland nicht durch Direktionsrecht erfolgen kann, sondern einer vertraglichen Vereinbarung bedarf. Mithin ist die Maßnahme nicht einseitig durch die Arbeitgeberin umsetzbar, sondern bedarf einer Änderungsvereinbarung, ggf. einer Änderungskündigung. Dies gilt unabhängig davon, ob den letzten Auslandseinsätzen und insbesondere der Entsendung des Klägers nach Marokko der Auslandsarbeitsvertrag vom 20. November 2006 zugrunde liegt, wovon die Parteien übereinstimmend ausgehen, oder aber der Auslandsarbeitsvertrag vom 18. September 2003, was jedenfalls der Vereinbarung in Nr. 4 des Entsendungsvertrages entsprechen würde.

bb) Beruht die Entsendung des Klägers auf dem Auslandsarbeitsvertrag vom 20. November 2006 gilt folgendes:

Nr. 15.2. sieht zwar vor, dass bei Beendigung der Auslandstätigkeit neuer Einsatzort und Tätigkeitsbereich vom Unternehmen festgesetzt werden. Gleichzeitig sieht aber Nr. 1.1. vor, dass dieser Vertrag, damit auch Nr. 15.2., mit tatsächlicher Rückversetzung ins Inland außer Kraft tritt und zu diesem Zeitpunkt durch einen neuen Inlandsanstellungsvertrag ersetzt wird. D.h.: Nach Rückversetzung nach Deutschland kann die einseitige Zuweisung von Tätigkeiten nicht auf Nr. 15.2. des Auslandsarbeitsvertrages vom 20. November 2006 gestützt werden. Denn der Vertrag vom 20. November 2006 soll infolge Rückversetzung nicht mehr in Kraft sein. Auf den früheren Auslandsarbeitsvertrag vom 18. September 2003 kann dann auch nichts gestützt werden, denn dieser wurde dann bereits durch den Vertrag vom 20. November 2006 ersetzt, Nr. 1.1. Auf einen früheren Inlandsarbeitsvertrag kann eine Tätigkeitszuweisung dann auch nicht gestützt werden, denn dieser wurde entgegen der vom Kläger an anderer Stelle vertretenen Auffassung nicht ruhend gestellt, sondern bereits durch den Auslandsarbeitsvertrag vom 18. September 2003 aufgehoben, dort Nr. 1.2., wobei auch der frühere Auslandsarbeitsvertrag davon ausging, dass bei Beendigung der Auslandstätigkeit ein neuer Inlandsarbeitsvertrag zu schließen sei. Ein neuer Inlandsarbeitsvertrag wiederum liegt nicht vor. Er kann auch nicht einseitig von der Beklagten zugewiesen werden, sondern bedarf eben der Vereinbarung, ggf. nach Ausspruch einer Änderungskündigung.

Indem die Parteien in ihrem Auslandsarbeitsvertrag vom 20. November 2006 darauf abstellen, dass für die Tätigkeit des Klägers nach Rückversetzung nach Deutschland die bisherigen Vereinbarungen durch einen neuen Inlandsarbeitsvertrag zu ersetzen seien, bringen sie zum Ausdruck, dass die Bedingungen des Einsatzes des Klägers in Deutschland durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen beider Parteien vereinbart und nicht durch einseitige Weisung der Beklagten angeordnet werden sollen. Dies schließt die einseitige Tätigkeitszuweisung ohne vorherige Vereinbarung aus. Die vertraglichen Vereinbarungen zeigen vielmehr, dass die Beklagte, sollte keine einvernehmliche Vertragslösung zustande kommen, auf den Ausspruch einer Änderungskündigung verwiesen sein soll.

cc) Beruht die Entsendung des Klägers auf dem Auslandsarbeitsvertrag vom 18. September 2003 gelten dieselben Erwägungen. Denn auch dieser Vertrag stellt auf eine Vertragslösung und nicht auf Ausübung des Weisungsrechts der Beklagten bei Beendigung des Auslandseinsatzes ab. Dies zeigt zunächst Nr. 1.2., wonach der Vertrag bei Beendigung der Auslandstätigkeit durch einen neuen Inlandsarbeitsvertrag ersetzt werden soll. Dies zeigt ferner Nr. 11.2., wonach neuer Einsatzort und Tätigkeitsbereich bei Beendigung der Auslandstätigkeit vereinbart – mithin nicht einseitig zugewiesen – werden.

dd) Auf eine Inhaltskontrolle der in Nr. 3 des Entsendungsvertrages vom 5. Februar 2010 enthaltenen Versetzungsklausel kommt es damit nicht an.

2. Auch der Änderungsschutzantrag ist begründet.

Die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom 5. März 2013 ist sozial ungerechtfertigt, § 2 KSchG. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. §§ 2 Satz 1, 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

a) Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist daher nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die angebotenen Änderungen nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Anderenfalls verstößt die Änderungskündigung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen (BAG 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 152; BAG 29. November 2007 – 2 AZR 388/06 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 136; BAG 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 86). Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordene Anpassung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Wenn durch das Änderungsangebot neben der Tätigkeit auch die Gegenleistung geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung der Vertragsänderung ist nur dann entbehrlich, wenn sich die geänderte Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt. Der Arbeitgeber kann zwar in Fällen der Tätigkeitsänderung dem Arbeitnehmer auch eine von ihm selbst und unabhängig von Vergütungssystemen festgesetzte Gegenleistung anbieten. Bei der Festsetzung muss er allerdings den Änderungsschutz berücksichtigen und im Prozess die Gründe darlegen, die ihn unter Berücksichtigung des Änderungsschutzes zu den angebotenen Vertragsbedingungen bewogen haben (BAG 29. November 2007 – 2 AZR 388/06 – a.a.O.).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Änderungskündigung jedenfalls unverhältnismäßig, da sie sich nicht auf zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderliche Änderungen beschränkt. Der Auslandsarbeitsvertrag der Parteien vom 20. November 2006 enthält in Nr. 11 eine Regelung zur Vergütungssicherung für den Fall der Leistungsminderung des Klägers infolge Arbeitsunfall oder anerkannter Berufskrankheit. Eine entsprechende Regelung ist im Änderungsangebot nicht enthalten. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Regelung der Vergütungssicherung typischerweise ausschließlich an eine Tätigkeit im Ausland anknüpft. Aus welchen Gründen dem Kläger für seine angebotene Tätigkeit im Inland nicht ebenfalls eine entsprechende Vergütungssicherung angeboten wurde, wird von der Beklagten auch nicht dargelegt.

c) Da eine Änderungskündigung insgesamt unwirksam ist, wenn bereits für eine von mehreren angebotenen Vertragsänderungen der Grund fehlt, führt bereits dies zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung vom 5. März 2013. Das Gericht könnte hierbei auch nicht etwa die Änderungskündigung teilweise für wirksam erklären (BAG 21. September 2009 – 2 AZR 120/06 – a.a.O.).

d) Das Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes kann damit dahinstehen. Ebenso kann dahinstehen, ob vorliegend überhaupt eine ordentliche Änderungskündigung ausgeschlossen ist, ob für den Fall, dass diese nicht ausgeschlossen ist, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Änderungskündigung angenommen werden kann, ob ggf. die Umdeutung der außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist in eine ordentliche Änderungskündigung in Betracht kommt, ob der Betriebsrat zu einer ordentlichen Änderungskündigung angehört wäre, ob für Ausspruch der Änderungskündigung vom 5. März 2013 eine erneute Betriebsratsanhörung erforderlich gewesen wäre, ob die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB zu wahren gewesen wäre und ob ein Angebot zur Änderung der Arbeitsbedingungen vor Ablauf der Kündigungsfrist ggf. auch als Angebot ausgelegt werden kann, die Änderung der Arbeitsbedingungen erst nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist eintreten zu lassen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3, 91a Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund i.S.d. § 72 Abs. 2 ArbGG.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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