LAG Hessen, 12.03.2015 – 5 TaBV 124/14

April 28, 2019

LAG Hessen, 12.03.2015 – 5 TaBV 124/14

Der Beschluss über die Einleitung des Beschlussverfahrens ist unwirksam, da den Mitgliedern des Betriebsrats die Tagesordnung für die Sitzung nicht rechtzeitig mitgeteilt wurde und eine Heilung des Fehlers nicht erfolgt ist
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Fulda vom 24. Juni 2014 – 4 BV 9/13 – abgeändert.

Die Anträge des Betriebsrats werden insgesamt zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

A

Die Beteiligten streiten über Unterlassungsansprüche wegen der Verletzung des Mitbestimmungsrechts in Fragen der Ordnung des Betriebes.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen, welches im Wesentlichen Dienstleistungen im Bereich Logistik zu Gunsten der A erbringt. Der aus 27 Personen bestehende Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) repräsentiert die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer/ Innen.

Mit E-Mail vom 15.November 2013 lud der seinerzeitige Vorsitzende des Betriebsrats die originären Betriebsratsmitglieder sowie Ersatzmitglieder zur Betriebsratssitzung am 21. November 2013 um 13:00 Uhr ein. Eine Tagesordnung war den Ladungen nicht beigefügt. Wegen der geladenen Personen im Einzelnen wird auf den Schriftsatz des Betriebsrats vom 16. April 2014 (Bl. 168 unten – Bl. 170 d. A.) ergänzend Bezug genommen. Üblicherweise wird die Tagesordnung – je nach Umfang – bis spätestens 2 Tage vor der Betriebsratssitzung den Betriebsratsmitgliedern zur Vorbereitung zugeleitet. Die erste Fassung der Tagesordnung wurde den Betriebsratsmitgliedern am 19. November 2013 um 15:10 Uhr zugeleitet. Sie enthält 21 Anträge und ist 33 Seiten stark. Unter Tagesordnungspunkt 3. ist – auszugsweise Folgendes ausgeführt:

“Antrag auf Unterlassung wegen Missachtung der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Dem Arbeitgeber soll nun gerichtlich aufgegeben werden, alle bisher erteilten AU Auflagen zurückzunehmen. Dem Arbeitgeber soll weiter gerichtlich aufgegeben werden, das MBR gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht weiter zu missachten.

Der BA empfiehlt folgenden Beschluss:

Der Betriebsrat beschließt zur Wahrnehmung seiner Interessen wie im Antrag aufgeführt, die Rechtsanwaltskanzlei … mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen. Die Beauftragung gilt gerichtlich sowie außergerichtlich.

…”

Wegen des weiteren Inhalts der Tagesordnung wird ergänzend auf Bl. 614 – 646 d. A. verwiesen. Eine aktualisierte Fassung der Tagesordnungspunkte 8 a und 5 g wurde am 21. November 2013 verschickt. Der Tagesordnungspunkt 3 blieb unverändert. Wegen des Inhalts der aktualisierten Fassung der Tagesordnung wird auf Bl. 649 – 682 d. A. ergänzend Bezug genommen. Am 21. November 2013 um 10:35 Uhr wurde ein weiteres Ersatzmitglied geladen. An der um 13:00 Uhr beginnenden Betriebsratssitzung nahmen 22 originäre Betriebsratsmitglieder und fünf Ersatzmitglieder teil. Zunächst wurden die Beschlussfähigkeit sowie die Unterzeichnung der Anwesenheitsliste festgestellt. Sodann befasste sich das Gremium mit “Ergänzungen zur Tagesordnung.” Im Sitzungsprotokoll wurde hierzu Folgendes aufgenommen:

Ergänzungen der Tagesordnung
Anträge: Aufnahme einer Anhörung nach § 99, welche vom LPGA zur Entscheidung an den BR übergeben wurde
Anmerkung: Eine Ergänzung MIT Beschlussfassung unter dem neuen TOP ist NUR dann möglich, wenn der vollständige Betriebsrat (Vertretung durch Ersatzmitglieder ist möglich) der Ergänzung einstimmig zustimmt (KEINE Nein-Stimmen, KEINE Enthaltungen)!
Beschluss, Antrag: Der BR beschließt, die Anhörung nach § 99 (L) mit zur Abstimmung auf die TO zu setzen.
Abstimmung: Ja: 27 Nein: 0 Enthaltungen: 0 (x) Die Ergänzung ist angenommen.

Wegen des weiteren Inhalts des Protokolls wird auf die Kopie (Bl. 134 d. A.) ergänzend hingewiesen. Der unter Tagesordnungspunkt 3 gestellte Antrag wurde mit 24 Jastimmen, einer Neinstimme und zwei Enthaltungen angenommen. Im Rahmen des daraufhin vom Betriebsrat eingeleiteten Beschlussverfahrens wurde von der Arbeitgeberin die Wirksamkeit des Beschlusses zur Verfahrenseinleitung gerügt. Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im Übrigen auf den tatbestandlichen Teil der Gründe des angefochtenen Beschlusses (Bl. 704 – 715 d. A.) Bezug genommen.

Mit dem am 24. Juni 2014 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht den Unterlassungs – und Beseitigungsanträgen des Betriebsrats stattgegeben. Zur Begründung hat es – kurz zusammengefasst – Folgendes ausgeführt:

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin liege der Verfahrenseinleitung ein wirksamer Beschluss des Betriebsrats zugrunde. Denn ein etwaig bestehender Ladungsmangel, der grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Beschlusses führe, sei im Streitfall geheilt worden. Der Betriebsrat sei beschlussfähig gewesen und alle Erschienenen hätten auf der Sitzung einstimmig die Ergänzung der Tagesordnung um einen weiteren Punkt beschlossen und damit die Tagesordnung im Übrigen – also auch hinsichtlich deren Ziff. 3 – gebilligt. Die geltend gemachten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche stünden dem Betriebsrat zu, da sich die Arbeitgeberin mitbestimmungswidrig verhalten habe. Die sog. Arbeitsunfähigkeitsauflagen beträfen das Ordnungsverhalten und die Maßnahmen wiesen zudem den erforderlichen kollektiven Bezug auf. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl.715 – 729 d. A.) Bezug genommen. Gegen den am 03. Juli 2014 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 11. Juli 2014 Beschwerde eingelegt und – nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 06. Oktober 2014 auf rechtzeitigen Antrag hin – mit dem beim Hessischen Landesarbeitsgericht am 06. Oktober 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Arbeitgeberin verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Zurückweisungsbegehren weiter. Sie meint nach wie vor, dass der Betriebsrat das Beschlussverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet habe. Die vom Arbeitsgericht angenommene einstimmige Beschlussfassung des Betriebsrats sei nicht erfolgt. Die Einleitung des Verfahrens sei mit 24 Ja-, einer Neinstimme und zwei Enthaltungen beschlossen worden und die Ergänzung der Tagesordnung habe sich auf einen anderen Punkt, nämlich die Aufnahme einer Anhörung nach § 99 BetrVG, bezogen. Im Übrigen seien Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verletzt worden, da es sich bei den Maßnahmen stets um Einzelfälle gehandelt habe.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Fulda vom 24.06.2014 – 4 BV 9/13 – aufzuheben und die Anträge abzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift über die Anhörung am 12. März 2015 Bezug genommen.

B

I.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 8 Abs.4, 87 Abs. 1 ArbGG statthaft sowie nach §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 2 ArbGG, 519, 520 Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.

II.

In der Sache hat die Beschwerde der Arbeitgeberin Erfolg. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist abzuändern, da die Anträge des Betriebsrats bereits unzulässig sind.

1.

Der Betriebsrat hat das Beschlussverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet. Zur Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens durch den Betriebsrat bedarf es eines wirksamen Beschlusses. Ist eine Beschlussfassung unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist ein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten nicht zu Stande gekommen. Der für den Betriebsrat gestellte Antrag ist als unzulässig abzuweisen (vgl. z. B. BAG, 06.12.2006 – 7 ABR 62/05 – RdN. 19, zit. nach juris; BAG, 18.02.2003 – 1 ABR 17/02 – RdN. 49, zit. nach juris).

2.

Der Beschluss über die Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens ist unwirksam, da den Mitgliedern des Betriebsrats die Tagesordnung für die Sitzung am 21. November 2013 nicht rechtzeitig mitgeteilt worden ist.

a) Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat der Betriebsratsvorsitzende die Pflicht, zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Die Einhaltung dieser Vorschrift ist unverzichtbare Voraussetzung für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Beschlusses (vgl. BAG, 24.05.2006 – 7 AZR 201/05 – RdN. 17, zit. nach juris). Zwar ist im Gesetz keine konkrete Ladungsfrist vorgesehen, jedoch muss der Begriff Rechtzeitigkeit so verstanden werden, dass eine angemessene Frist gewählt werden muss, die so bemessen ist, dass sich die Betriebsratsmitglieder im Vorfeld der Betriebsratssitzung sachgerecht vorbereiten können. Die Frist soll den Betriebsratsmitgliedern Gelegenheit geben, sich ein Bild über die in der Sitzung zu treffenden Entscheidungen zu machen und es ihnen ermöglichen, sich auf die Beratung der einzelnen Tagesordnungspunkte ordnungsgemäß vorzubereiten. Die Kenntnis der Tagesordnung ist ferner erforderlich, um notwendige Vorberatungen mit den Betriebsratskollegen durchzuführen (vgl. BAG, 24.05.2006 – 7 AZR 201/05 – RdN. 20, zit. nach juris; LAG Köln,03.03.2008 – 14 TaBV 83/07 – RdN. 29, zit. nach juris; LAG Düsseldorf, 26.10.2007 – 9 TaBV 54/07 – RdN. 32, zit. nach Juris). Damit wird eine demokratischen Grundprinzipien gerecht werdende Willensbildung des Betriebsrats gewährleistet und der Gefahr einer Überrumpelung einzelner Betriebsratsmitglieder bei der Beratung und anschließenden Abstimmung entgegengewirkt (vgl. BAG 9.7.2013 – 1 ABR 2/13 (A) – Rn 41, zitiert nach juris).

b) Davon kann im Entscheidungsfall nicht ausgegangen werden. Zwischen der Zuleitung der Tagesordnung am 19. November 2013 um 15:10 Uhr und der Sitzung am 21. November 2013um 13:00 Uhr lagen nicht einmal zwei Werktage. Die gewährte Zeitspanne war insbesondere wegen des Umfangs der Tagesordnung unangemessen kurz. Für die Sitzung am 21. November 2013 waren folgende elf Punkte vorgesehen:

1. Präsentation Gesundheits – App (B, ca. 20 min.)

2. § 80 Abs. 3 BetrVG – Beauftragung von Sachverständigen

3. Antrag auf Unterlassung wegen Missachtung der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG

4. Antrag nach § 28 BetrVG – Antrag auf Besetzung eines BR-Mitglieds als reguläres Mitglied in den Ausschuss “SAFE”

5. Anträge nach § 87 BetrVG

a. § 87 BetrVG – Anhörung freiwillige Überstunden für KW 48/2013 – Supportabteilungen FRA3

b. § 87 BetrVG – Beantragung freiwillige Überstunden für KW 48/2013 – FRA3

c. § 87 BetrVG – Anhörung freiwillige Überstunden Fra1 KW 48-2013

d. § 87 BetrVG – Beantragung freiwillige Überstunden Support für KW 48/2013 – FRA1

e. § 87 BetrVG – Unbefristung des HR Customer Service (HR on the Phone) in FRA3

f. § 87 BetrVG – Erweiterung der BV Pooler vom 01.02.2012 A Erweiterung Pooler HR Customer Service

g. § 87 BetrVG – Fahrgemeinschaften Q4 2013_FRA3

6. § 95 BetrVG: Antrag nach § 95 BetrVG – Spezialisten – Positionen

7. § 90 BetrVG: Information an den Betriebsrat – geplante Arbeitsplatzveränderung Rock’n’Roll Backstage

8. § 102 BetrVG – Kündigungen

a. § 102 BetrVG – Probezeitkündigung – C

b. § 102 BetrVG – Probezeitkündigung – D

c. § 102 BetrVG – Probezeitkündigung – E

d. § 102 BetrVG – Probezeitkündigung – F

e. § 102 BetrVG – Probezeitkündigung – G

f. § 102 BetrVG – Probezeitkündigung – H

g. § 102 BetrVG – Probezeitkündigung – I

h. § 102 BetrVG – Probezeitkündigung – J

i. § 102 BetrVG – ordentliche Kündigung – K

9. Berichte aus den Arbeitskreisen

10. Sonstiges

11. Offene Punkte

Bei den Tagesordnungspunkten handelt es sich auch nicht um Angelegenheiten, die tatsächlich keine oder nur einer geringfügigen Vorbereitung bedurft hätten. Vielmehr wurden zu jedem Punkt eingehende Begründungen mit zum Teil rechtlichen Ausführungen gegeben. Bei einer derart umfangreichen Tagesordnung bedarf es für die Vorbereitung einschließlich etwaiger Vorberatungen in dem aus 27 Personen bestehenden Gremium ausreichend Zeit. Welche Zeitspanne einzuräumen ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Beurteilung. Jedenfalls ist die tatsächlich verbliebene Zeit ungenügend. Dies wird durch die übliche Praxis des Betriebsrats bestätigt, die zeigt, wie viel Zeit er nach eigener Einschätzung im Normalfall benötigt. Die danach mindestens 2 Tage betragende Frist hat der Betriebsratsvorsitzende nicht eingehalten.

Den Betriebsratsmitgliedern verblieb lediglich eine eintägige Vorbereitungsfrist. Nach § 187 Abs. 1 BGB ist der 19. November 2013 nicht mitzurechnen, da für den Beginn der Frist ein Ereignis – der Zugang der Tagesordnung – maßgebend ist. Fristende war gemäß § 188 Abs. 1 der Ablauf des 20. November 2013, da es sich hierbei um den letzten Tag der Frist – nämlich den Tag vor der Betriebsratssitzung – handelt. Selbst wenn es der Praxis des Betriebsrats entsprechen sollte die Frist nach Stunden zu berechnen, wäre sie nicht gewahrt. Da die Betriebsratssitzung um 13:00 Uhr begann, hätte die Tagesordnung den Betriebsratsmitgliedern am 19. November 2013 bis spätestens 13:00 Uhr zugeleitet werden müssen. Dies ist indessen nicht geschehen, da sie erst um 15:10 Uhr übersandt wurde. Im Übrigen räumt der Betriebsrat selbst ein, dass es für die Bemessung der Dauer der Frist auf den Umfang der Tagesordnung ankommt. Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob selbst nach der üblichen Praxis des Betriebsrats im Streitfall nur die Mindestfrist zugrunde zu legen ist.

c) Eine Heilung des Mangels ist nicht eingetreten, da sich in der Sitzung nicht alle Betriebsratsmitglieder damit einverstanden erklärt haben, den Tagesordnungspunkt 3 trotz der nicht rechtzeitigen Übermittlung der Tagesordnung dennoch zu behandeln.

aa) Soll ein Tagesordnungspunkt in einer Betriebsratssitzung behandelt werden, obwohl er vorher den Betriebsratsmitgliedern nicht mitgeteilt wurde, kann der Mangel geheilt werden, wenn alle Betriebsratsmitglieder einschließlich erforderlicher Ersatzmitglieder rechtzeitig zur Sitzung geladen worden sind und die beschlussfähig Erschienenen (§ 33 Abs. 2 BetrVG) auf dieser Sitzung eine Ergänzung oder Erstellung der Tagesordnung einstimmig beschließen (vgl. BAG, 09.07.2013 – 1 ABR 2/13 – RdN. 49, zit. nach juris; BAG, 22.01.2014 – 7 AS 6/13 – RdN. 10 ff.). Entsprechendes gilt nach Auffassung der Beschwerdekammer, wenn ein Tagesordnungspunkt zwar vor der Sitzung mitgeteilt wurde, dies aber nicht rechtzeitig geschehen ist. Auch in diesem Zusammenhang schützt das Erfordernis der Einstimmigkeit das einzelne Betriebsratsmitglied davor, über betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten befinden zu müssen, mit denen es sich aus seiner Sicht noch nicht angemessen befasst und noch keine abschließende Meinung gebildet hat. Um diesem Schutz zu erreichen, wird lediglich verlangt, dem nicht rechtzeitig mitgeteilten Tagesordnungspunkt ohne Begründung die Zustimmung zu verweigern.

bb) Nach diesen Maßstäben ist der Mangel des Beschlusses nicht geheilt.

(1)

Ausdrücklich ist in der Sitzung zur Frage der Rechtzeitigkeit der zugeleiteten Tagesordnung kein Beschluss gefasst worden.

(2)

Durch konkludentes Verhalten der Betriebsratsmitglieder kann eine Beschlussfassung allenfalls erfolgen, wenn in einer anderen Angelegenheit ein Beschluss gefasst wird, aus dem sich mittelbar die Heilung des Unwirksamkeitsgrundes deutlich erkennbar ergibt.

Davon kann im Entscheidungsfall nicht ausgegangen werden. Der Beschluss über die Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens enthält zwar zugleich die Entscheidung, trotz der nicht rechtzeitigen Übermittlung der Tagesordnung, die Angelegenheit dennoch zu behandeln. Da jedoch der tatsächlich gefasste Beschluss nicht einstimmig erging, ist auch ein etwaiger mitumfasster Beschluss, wonach trotz der nicht rechtzeitigen Übermittlung der Tagesordnung über den Tagesordnungspunkt 3 entschieden werden soll, nicht einstimmig ergangen. Es kann auch nicht aus den Neinstimmen bzw. der Stimmenthaltung auf eine grundsätzliche Zustimmung zur Heilung des Mangels geschlossen werden. Dieses Verständnis ist nicht naheliegend, zumal auch nicht ansatzweise erkennbar ist, aus welchen Gründen die Stimmenthaltung bzw. die Neinstimmen abgegeben wurden. Gerade weil die Tagesordnung verspätet zugeleitet wurde kann mit nein gestimmt oder eine Stimmenthaltung abgegeben worden sein. In Anbetracht dessen hätte es für die angesprochene Differenzierung deutlicher – im Streitfall nicht gegebener – Anhaltspunkte bedurft.

Aus dem Beschluss über die Ergänzung der Tagesordnung ergibt sich ebenfalls kein konkludenter Beschluss, den Tagesordnungspunkt trotz der nicht rechtzeitigen Übermittlung der Tagesordnung zu behandeln. Zwar ist dieser Beschluss einstimmig gefasst worden. Allerdings weist er keinerlei Berührungspunkte mit dem Unterlassungsantrag wegen Missachtung der Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 Nr.1 BetrVG auf. Bei der Ergänzung der Tagesordnung ging es um die Entscheidung über die “Aufnahme einer Anhörung nach § 99, welche vom LPGA zur Entscheidung an den Betriebsrat übergeben wurde.” Das eine hat mit dem anderen auch nicht im Entferntesten etwas zu tun.

C

Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 72 Abs. 3 ArbGG ist nicht gegeben.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

a very tall building with a moon in the sky

Ist Mobbing strafbar?

März 13, 2024
Von RA und Notar Krau:Mobbing kann je nach den Umständen strafbar sein, aber nicht immer.Es gibt kein spezifisches Gesetz, das Mobbing al…
filling cans with freshly brewed beers

Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21

Februar 4, 2024
Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21 – Urteil vom 15.11.2023 – Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit…
man holding orange electric grass cutter on lawn

Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22

Februar 4, 2024
Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22 – Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes …