LAG Hessen, 13.08.2014 – 2 Ta 155/14

April 30, 2019

LAG Hessen, 13.08.2014 – 2 Ta 155/14

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nach § 3 ArbGG eröffnet, wenn ein Arbeitnehmer den Insolvenzverwalter persönlich gemäß § 60 InsO auf Schadensersatz als Ausgleich für ausgebliebene Entgeltforderungen aus dem Arbeitsverhältnis in Anspruch nimmt.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 26. März 2014 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. Februar 2014 – Aktenzeichen 4 Ca 412/14 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1

I.

2

Der Beklagte wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen einen Rechtswegbeschluss.
3

Der Beklagte ist aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Wiesbaden vom 01. Mai 2013 – Az. 10 IN 73/13 – Insolvenzverwalter über das Vermögen der A, bei der der Kläger ab dem 15. November 1993 beschäftigt wurde. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 06. Mai 2013 (Bl. 12 und 13 d. A.) unter sofortiger Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung zum 31. August 2013. Der Kläger wiederum kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2013.
4

Mit seiner am 21. Juni 2013 bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden unter dem Aktenzeichen 4 Ca 905/13 erhobenen Klage hat der Kläger vom Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A an Arbeitsentgelt für den Monat Mai 2013 Zahlung in Höhe von € 2.844,27 brutto nebst Zinsen verlangt. Mit Schreiben vom 01. November 2013 zeigte der Beklagte gegenüber dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an. Nach Umstellung seiner Zahlungs- auf eine Feststellungsklage hat der Kläger unter Erweiterung seiner Klage mit Schriftsatz vom 06. November 2013 den Beklagten als Insolvenzverwalter persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen und im Hauptantrag Zahlung von € 2.844,27 brutto nebst Zinsen an sich verlangt. Mit Beschluss vom 20. Februar 2014 (Bl. 1 d. A.) hat das Arbeitsgericht Wiesbaden das Verfahren, soweit es sich gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter persönlich richtet, nach erfolgter Rechtswegrüge durch den Beklagten zur eigenständigen Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit abgetrennt.
5

Mit Beschluss vom 20. Februar 2014 – 4 Ca 412/14 (Bl. 95 – 99 d. A.) – hat das Arbeitsgericht Wiesbaden nach Anhörung der Parteien den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, auch bei Ansprüchen nach § 60 InsO folge die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus § 3 ArbGG, sofern jedenfalls Schadensersatz als Ausgleich für eine ausgebliebene Entgeltforderung im Arbeitsverhältnis geltend gemacht werde. Auch in diesen Fällen trete der Insolvenzverwalter an die Stelle des alten Arbeitgebers und Insolvenzschuldners und sei im weiteren Sinne dessen „Rechtsnachfolger“. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschlussgründe (Bl. 95 bis 99 d. A.) Bezug genommen.
6

Gegen den ihm am 12. März 2014 (Bl. 101 d. A.) zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 26. März 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht sofortige Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet (Bl. 108 bis 111 d. A.). Mit Beschluss vom 07. April 2014 – 4 Ca 412/14 (Bl. 113 d. A.) – hat das Arbeitsgericht Wiesbaden der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
7

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

II.

8

1.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. Februar 2014 – 4 Ca 412/14 – ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 78 ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie gem. §§ 569 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 572 Abs. 2, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB, 78 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt worden.
9

2.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Wiesbaden im angefochten Beschluss vom 20. Februar 2014 – 4 Ca 412/14 – den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet erklärt. Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 3 ArbGG. Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat zutreffend darauf abgestellt, dass der Beklagte als Insolvenzverwalter auch bei Geltendmachung von Schadensersatz als Ausgleich für eine ausgebliebene Entgeltforderung im Arbeitsverhältnis auf der Grundlage von § 60 InsO an die Stelle des alten Arbeitgebers und Insolvenzschuldners tritt und damit im weiteren Sinne dessen Rechtsnachfolger ist. Das Beschwerdegericht folgt insoweit dem angefochtenen Beschluss uneingeschränkt, macht sich dessen Gründe zu Eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese (Seite 3 und 4 des angefochtenen Beschlusses, Bl. 97 und 98 d. A.). Auf das Beschwerdevorbringen des Beklagten, das kein anderes Ergebnis rechtfertigt, ist kurz zusammengefasst wie folgt einzugehen:
10

Sämtliche Gesichtspunkte für die in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung vertretene weite Auslegung des Begriffs „Rechtsnachfolge“ iSd. § 3 ArbGG treffen auch auf die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO zu (vgl. hierzu ausführlich: LAG Nürnberg, Beschluss vom 29. März 2004 – 5 Ta 153/03, NZA-RR 2005, 214). Haftet ein Insolvenzverwalter für einen von ihm begründeten arbeitsrechtlichen Anspruch persönlich, kommt ihm gleichsam die Stellung eines Ersatzarbeitgebers zu. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist eine Frage der Begründetheit. Für die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten reicht es, dass der Kläger im Streitfall auf der Grundlage von § 60 InsO Schadensersatz als Ausgleich für eine ausgebliebene Entgeltforderung in Bezug auf sein Arbeitsverhältnis geltend macht. Damit ist der Insolvenzverwalter in diesen Fällen entgegen der Ansicht des Beklagten überwiegend in seiner Stellung als „Vertreter“ des Arbeitgebers, weniger in seinen Pflichten bei der Verteilung der Masse betroffen (so zutreffend: LAG Nürnberg, Beschluss vom 29. März 2004 – 5 Ta 153/03, a. a. O.; weiter neben den im erstinstanzlichen Beschluss zitierten Entscheidungen und Kommentarstellen: GK-ArbGG/Schütz § 3 Rz. 48 und auch noch LAG Hessen, Beschluss vom 15. August 2006 – 8 Ta 200/06, NZA-RR 2007, 218 f.). Insoweit verfängt das Argument des Beklagten, es gehe hier speziell um eine insolvenzspezifische Verpflichtung, so nicht; vielmehr rechtfertigt sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Argumentation die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für den vorliegenden Streitfall.

III.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, da das Rechtsmittel des Beklagten ohne Erfolg bleibt.
12

Ein Zulassungsgrund für die weitere Beschwerde nach § 17 Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG ist nicht gegeben. Die Beschwerdekammer folgt der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Sache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Damit ist der Beschluss unanfechtbar.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

a very tall building with a moon in the sky

Ist Mobbing strafbar?

März 13, 2024
Von RA und Notar Krau:Mobbing kann je nach den Umständen strafbar sein, aber nicht immer.Es gibt kein spezifisches Gesetz, das Mobbing al…
filling cans with freshly brewed beers

Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21

Februar 4, 2024
Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21 – Urteil vom 15.11.2023 – Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit…
man holding orange electric grass cutter on lawn

Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22

Februar 4, 2024
Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22 – Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes …