LAG Hessen, 16.10.2014 – 2 Ta 483/14

April 30, 2019

LAG Hessen, 16.10.2014 – 2 Ta 483/14

1. Die Erhebung einer separaten Kündigungsschutzklage anstatt Erweiterung einer bereits anhängigen Zahlungs- und Feststellungsklage stellt sich dann als mutwillig iSv. § 114 Satz 1 ZPO dar, wenn hierfür sachlich nachvollziehbare Gründe fehlen und eine selbstzahlende Partei in dieser Situation stattdessen die bereits anhängige Klage erweitert hätte.

2. Ob in diesem Fall statt einer Beschränkung der Mutwilligkeit auf Mehrkosten der durch die neue eigenständige Klage ausgelösten Kosten der Antrag auf Prozesskostenhilfebewilligung insgesamt zurückzuweisen ist (so LAG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 3 Ta 576/13 – LAGE § 114 ZPO 2002 Nr. 18), bleibt offen.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2014 – Aktenzeichen 23 Ca 8278/13 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1

I.

Gegenstand der sofortigen Beschwerde ist das Begehr des Klägers, ihm neben einer zuvor bereits erhobenen Vergütungs- und Feststellungsklage für eine anschließend erhobene weitere Klage unbeschränkt Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
2

Der Kläger hat am 17. Oktober 2013 unter dem Aktenzeichen 23 Ca 7597/13 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter Beantragung der Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Klage auf Zahlung restlicher Vergütung für die Monate Juni und August 2013 sowie auf Feststellung dahingehend erhoben, dass er im Monat Juni 2013 26 Überstunden geleistet habe und sich sein Arbeitszeitstundenkonto im Monat Juni 2013 auf eine bestimmte Anzahl an Stunden belaufe. Diese Klage hat er anschließend betreffend die Abrechnungsmonate Oktober 2013, November 2013 und Dezember 2013 erweitert. Weiterhin hat der Kläger am 14. November 2013 unter dem Aktenzeichen 23 Ca 8278/13 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter Beantragung der Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Kündigungsschutz- sowie allgemeine Feststellungsklage sowie hilfsweise für den Fall des Obsiegens eine Klage auf Weiterbeschäftigung und hilfsweise für den Fall des Unterliegens eine Klage auf Urlaubsabgeltung und Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens erhoben. In der Güteverhandlung am 27. Januar 2014 haben die Parteien im Verfahren 23 Ca 8278/13 zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits einen Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zur Regelung der übrigen Streitpunkte geschlossen (vgl. Bl. 55a d. A. 23 Ca 8278/13).
3

Mit Beschluss vom 28. Januar 2014 (Bl. 27 des Beihefts) hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main dem Kläger im Verfahren 23 Ca 7597/13 Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligt. Mit Beschluss vom 30. Januar 2014 (Bl. 41 des Beihefts), dem Kläger zugestellt am 5. Februar 2014 (Bl. 43 des Beihefts), hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main dem Kläger im Verfahren 23 Ca 8278/13 ebenfalls ratenfrei Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass die Höhe der Gebühren auf eine Berechnung aus dem gemeinsamen Streitwert dieses Verfahrens mit dem Verfahren 23 Ca 7597/13 beschränkt ist, und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Mit dem am 14. Februar 2014 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage hat der Kläger sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2014 im Verfahren 23 Ca 8278/13 erhoben, der das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 21. März 2014 – 23 Ca 8278/13 (Bl. 58 des Beihefts) – nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
4

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft. Der Kläger hat sie zudem gemäß §§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 Satz 3 form- und fristgerecht eingelegt.
5

2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde allerdings keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main in dem angegriffenen Beschluss wegen Mutwilligkeit im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO die Prozesskostenhilfe nur eingeschränkt bewilligt. Im Einzelnen gilt folgendes:
6

a) Gemäß § 11a Abs. 1 ArbGG gelten unter anderem die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend. Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält nach § 114 Satz 1 ZPO auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Während die hinreichende Aussicht auf Erfolg die materielle Begründetheit des Anspruchs betrifft, wird von der Frage der Mutwilligkeit in erster Linie die verfahrensmäßige Geltendmachung des Anspruchs betroffen (BAG, Beschluss vom 17. Februar 2011 – 6 AZB 3/11, Rn. 8, zitiert nach Juris).
7

Mutwillig ist in der Regel eine Rechtsverfolgung, wenn eine wirtschaftlich leistungsfähige, also nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage von ihr Abstand nehmen oder ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde, weil ihr ein kostengünstigerer Weg offensteht und dieser Weg genauso Erfolg versprechend ist (vgl.BAG, Beschluss vom 17. Februar 2011 – 6 AZB 3/11 – Rn. 9 m. w. N., zitiert nach Juris; Beschluss vom 8. September 2011 – 3 AZB 46/10 – Rn. 16, zitiert nach Juris). Mutwilligkeit im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO liegt damit regelmäßig vor, wenn ohne nachvollziehbare sachliche Gründe eine beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht im Wege der Klageerweiterung in einem bereits anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht wird, obwohl trotz Addition der Gegenstandswerte für die Gebührenrechnung wegen des degressiven Anstiegs der Gebühren hierdurch insgesamt eine billigere Rechtsverfolgung ermöglicht werden würde (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom
10. Dezember 2013 – 3 Ta 576/13 – Rdnr. 5 m. w. N., zitiert nach Juris).
8

c) Danach war es mutwillig, dass der Kläger statt einer Erweiterung seines bereits unter dem Aktenzeichen 23 Ca 7597/13 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main anhängigen Rechtsstreits Kündigungsschutz- und allgemeine Feststellungsklage unter dem Aktenzeichen 23 Ca 8278/13 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main separat erhoben hat. Eine selbstzahlende Partei hätte in dieser Situation von der Erhebung einer neuen Klage abgesehen und stattdessen die bereits anhängige Klage entsprechend erweitert.
9

Das Beschwerdegericht hat dem vorliegenden Sachverhalt auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen sachlich nachvollziehbarer Gründe für das klägerische Vorgehen entnehmen können. Dahingehende Umstände hat der Kläger substantiell auch nicht dargetan. Zunächst hat es sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht um „zwei völlig verschiedene Sachverhalte“ gehandelt, sondern die geltend gemachten Ansprüche wie auch die ausgesprochene Kündigung betrafen ein und dasselbe Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Auch haben die Parteien in der Güteverhandlung am 27. Januar 2014 im Verfahren 23 Ca 8278/13 einen Gesamtvergleich zur Regelung aller offenen Streitpunkte geschlossen. Soweit es die vom Kläger daneben bemühte zeitliche Komponente anbelangt, macht sich das Beschwerdegericht die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main im Nichtabhilfebeschluss vom 21. März 2014 (Bl. 59 des Beihefts) zu Eigen und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Danach hätte die später erhobene Kündigungsschutz- und allgemeine Feststellungsklage nebst den hilfsweise geltend gemachten Ansprüchen im Fall einer Klageerweiterung im bereits anhängigen Rechtsstreit problemlos in dem dort anberaumten Termin zur Güteverhandlung (mit-)verhandelt werden können.
10

d) Ob – wie vorliegend geschehen – statt einer Beschränkung der Mutwilligkeit auf Mehrkosten der durch die neue eigenständige Klage ausgelösten Kosten der Antrag auf Prozesskostenhilfebewilligung unter Anwaltsbeiordnung insgesamt zurückzuweisen gewesen wäre (so LAG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 3 Ta 576/13, zitiert nach Juris) hat die Kammer im Streitfall nicht entscheiden müssen. Dem steht hier bereits das Verschlechterungsverbot im Beschwerdeverfahren entgegen, § 528 Satz 2 ZPO entsprechend.
11

III.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 ZPO), da ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 78 Satz 2 iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht besteht.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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