LAG Hessen, 21.12.2015 – 16 TaBV 120/15 Eine Verrechnung von VFT-Stunden mit Minusstunden auf dem Jahresarbeitszeitkonto ist möglich.

April 14, 2019

LAG Hessen, 21.12.2015 – 16 TaBV 120/15
Eine Verrechnung von VFT-Stunden mit Minusstunden auf dem Jahresarbeitszeitkonto ist möglich.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2015 -22 BV 645/14- wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines vom Betriebsrat geltend gemachten Unterlassungsanspruchs über die Verrechnung von Minusstunden auf einem Jahresarbeitszeitkonto mit Plusstunden aus geleisteten Vorfeiertagszeiten, die in einem VFT-Konto geführt werden.

Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 2) betreibt am Frankfurter Flughafen Flugzeugcatering. Antragsteller ist der für diesen Betrieb gewählte Betriebsrat.

Der Arbeitgeber ist tarifgebunden. Es gilt u.a. der Manteltarifvertrag Nummer 14 (Bl. 58-81 d.A.).

Die Protokollnotiz X (Bl. 80R d.A.) enthält u.a. folgende Regelungen:

Fehlzeitenberechnungen/Zeitkonto

(2) In Höhe der Zeitdifferenz soll zu den an den jeweiligen Abwesenheitstagen im Sinne des Abs. 1 planmäßig vorgesehenen Arbeitszeiten eine Verrechnung (Zeitkonto) mit folgenden be- bzw. entstehenden Freizeitguthaben vorgenommen werden: Plusstunden aus Gleitzeit im Schichtbetrieb, Reisestunden, Rufbereitschaft, Überarbeit (§ 9), schichtfreie Wochenfeiertage (§ 11 Abs. 4), Arbeit an Vorfesttagen (§ 11 Abs. 2), Arbeit an Feiertagen (§ 11 Abs. 3), Zusatzurlaub (§ 33).

§ 5 Manteltarifvertrag Nr. 14 bestimmt: Wöchentliche Arbeitszeit

(1) Die Gesamtarbeitszeit beträgt über einen Bezugszeitraum von 18 Monaten durchschnittlich 37,5 Stunden pro Woche ausschließlich der Pausen. Sie kann – unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen – ungleichmäßig verteilt werden (Grundarbeitszeit). Abweichend von S. 1 kann die Verteilung der Gesamtarbeitszeit durch geschäftsfeldspezifischen Tarifvertrag und – sofern und soweit ein geschäftsfeldspezifischer Tarifvertrag nicht vorhanden ist – ausnahmsweise durch Betriebsvereinbarung – unter Beachtung des Durchschnittswerts von 37,5 Stunden pro Woche ausschließlich der Pausen auch über einen kürzeren Bezugszeitraum erfolgen, sofern die betrieblichen Verhältnisse dies erfordern. (…)

(2) Im Ausnahmefall kann durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, dass am Ende des Bezugszeitraums nicht ausgeglichene Stunden in den darauf folgenden Bezugszeitraum übertragen werden können.

§ 11 Manteltarifvertrag Nr. 14 regelt: Arbeit an Feiertagen und besonderen Vorfesttagen

(2) Mitarbeiter, denen im Zeitraum zwischen 12:00 Uhr und dem Ende der Nachtschicht dieses Vorfeiertages keine Arbeitsbefreiung gewährt worden ist, erhalten für tatsächlich abgeleistete Grundarbeitsstunden einen Freizeitausgleich mit dem Ausgleichsfaktor 1,5 für Arbeit am Tag vor Weihnachten bzw. 1,25 für Arbeit am Tag vor Neujahr; für alle übrigen an diesen Tagen nach 12:00 Uhr abgeleisteten Stunden wird am Tag vor Weihnachten ein Freizeitausgleich mit dem Faktor 0,5 bzw. vor Neujahr ein Freizeitausgleich mit dem Faktor 0,25 gewährt. Der Freizeitausgleich ist bis zum Ende des Bezugszeitraums nach § 5 Abs. 1 zu gewähren (siehe Protokollnotiz I Abs. 8). (…)

Protokollnotiz I Abs. 8 lautet:

Werden innerhalb der letzten 3 Monate des Bezugszeitraums gemäß § 5 Abs. 1 Arbeitsstunden geleistet, die keine Grundarbeitszeit sind, so kann der Freizeitausgleich für diese Stunden über den Bezugszeitraum hinaus auch innerhalb der ersten 3 Monate des nachfolgenden Bezugszeitraums gewährt werden. § 9 Abs. 3 S. 2 bleibt unberührt.

Der Betriebsrat beauftragte den Konzernbetriebsrat mit Beschluss vom 30. August 2013 (Bl. 47 d.A.) mit dem Abschluss der Rahmenbetriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit bei A vom 13.6.2006, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 4-9 d.A. verwiesen wird.

Diese regelt u.a.:

§ 2 Definitionen

Jahresarbeitszeitkonto: Für die Mitarbeiter/-innen wird ein Jahresarbeitszeitkonto geführt. Hierauf wird zu Beginn des Bezugszeitraums die tarifliche oder individuelle Jahresarbeitszeit als Sollarbeitszeit dokumentiert. Jede tatsächlich gearbeitete Stunde bzw. Ersatzzeiten werden gegen diese Sollarbeitszeit gebucht.

Merkkonten: Neben dem Jahresarbeitszeitkonto werden zu Dokumentationszwecken so genannte “Merkkonten” geführt, auf denen der Auf- und Abbau zuschlagspflichtiger Überarbeit nach ihrer Wertigkeit erfasst wird.

§ 3 Jahresarbeitszeit

(1) Für die Mitarbeiter/-innen gilt auf der Basis der tariflich vereinbarten Stundenwoche bzw. bei Teilzeitmitarbeitern/-innen auf Basis der vertraglichen Vereinbarung (Berechnungsgrundlage) eine Jahresgesamtarbeitszeit (zwölfmonatiger Bezugszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember) als vereinbart. Der Beginn des Bezugszeitraums kann bei Einstellung neuer Mitarbeiter-/innen auch unterjährig liegen. Der Bezugszeitraum endet stets am 31. Dezember des Jahres.

(3) Für die Mitarbeiter/-innen wird pro Bezugszeitraum ein Jahresarbeitszeitkonto geführt. Innerhalb eines Kontos werden die Zeiten nach oben oder unten durch Auf- oder Abbau des jeweiligen Zeitkontostandes erfasst.

(5) Neben dem Jahresarbeitszeitkonto werden zu Dokumentationszwecken so genannte “Merkkonten” geführt, auf denen der Auf- und Abbau zuschlagspflichtiger Überarbeit nach ihrer Wertigkeit erfasst wird.

Der Stundenaufbau erfolgt entsprechend der Wertigkeit gemäß § 9 Abs. 2a MTV Nr. 14 (1,25 bzw. 1,50).

Der Stundenabbau erfolgt nach dem Prinzip des § 9 Abs. 2a MTV Nr. 14 in der Form, dass bei einem ganztägigen Stundenabbau Stunden mit der Wertigkeit 1,5, bei stundenweisen Abbau die Stunden mit der Wertigkeit 1,25 abgebaut werden. Der Abbau kann auch im Vorgriff auf eine Deckung des “Merkkontos” erfolgen. In diesem Fall werden die Stunden zu einem späteren Zeitpunkt mit aufgebauten Stunden gleicher Wertigkeit ausgeglichen. Sofern das Ziel, zum Jahresende einen Ausgleich aufgebauter und abgebauter Stunden gleicher Wertigkeit zu erreichen nicht erfüllt wird, werden auch Konten unterschiedliche Wertigkeit miteinander saldiert.

(6) Der Stand des Jahresarbeitszeitkontos soll am Ende des Bezugszeitraums (31. Dezember) die regelmäßige tarifliche oder individuelle Jahresarbeitszeit zuzüglich 75 Stunden (Auslösegrenze) nicht überschreiten. Stunden bis zur Höchstgrenze werden in das Folgejahr übertragen.

Beträgt die tarifliche oder individuelle durchschnittliche Grundarbeitszeit weniger als 37,5 Stunden/Woche, ermittelt sich die Auslösegrenze für zuschlagspflichtige Überarbeit auf der Basis einer 37,5 Stunden/Woche zuzüglich 75 Stunden.

Stunden über der Auslösegrenze werden im ersten Schritt zu 100 % vergütet. Danach wird die Menge der zuschlagspflichtigen Stunden (ohne Berücksichtigung der Stunden, für die unterjährig bereits Zuschläge ausgezahlt wurden – § 9 Abs. 1 MTV Nr. 14 -) auf den jeweiligen “Merkkonten” ermittelt. Sollte ein “Merkkonto” einen negativen Wert aufweisen, wird er gegen den positiven Wert des anderen “Merkkontos” verrechnet.

Ergibt sich nach der Saldierung der Merkkonten ein negativer Wert, so werden diese insgesamt auf Null gesetzt.

Übersteigt die ermittelte Anzahl der Stunden auf den Merkkonten die Auslösegrenze, so werden für diese Stunden Zuschläge ausgezahlt. Eine Auszahlung der Zuschläge erfolgt entsprechend dem Verhältnis der Wertigkeit der Stunden am Ende des Bezugszeitraums (31.12.) zueinander.

Minusstunden auf dem Jahresarbeitszeitkonto werden zum Ende des Bezugszeitraumes (31.12.) in das Folgejahr übertragen. Die übertragenen Minusstunden und Stunden unterhalb der Auslösegrenze sollen bis zum 30.6. des Folgejahres durch Erhöhung bzw. Absenkung des Arbeitsvolumens ausgeglichen werden.

(7) Stunden, die bereits einmal Überstundenzuschläge ausgelöst haben, können am Ende des Bezugszeitraums keine weiteren Zuschläge auslösen.

(8) Der Stundenausgleich der übertragenen Stunden unterhalb der Auslösegrenze bzw. Minusstunden erfolgt nach folgender Maßgabe: Es sind erst die Stunden aus dem Vorjahr zu berücksichtigen. Nach dem Ende des sechsmonatigen Ausgleichszeitraums entfallen die Minusstunden. Die verbleibenden Überstunden werden entsprechend ihrer Wertigkeit ausgezahlt.

Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat vereinbarten ein gemeinsames Verständnis der Betriebspartner zur Berechnung der Auszahlung/Übertragung von Stunden gemäß § 3 Abs. 6 der Rahmenbetriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit (Flex) bei A (Bl. 40-42 der Akten), in der die relevanten Konten erklärt werden. Ein Konto über VFT-Zeiten wird dort nicht genannt. Es werden aber unter der Abkürzung “J25” Stunden mit 25 % aus dem Vorjahr, die in den Ausgleichszeitraum übertragen werden, erfasst.

Auf der Grundlage dieser Betriebsvereinbarung führt der Arbeitgeber ein Jahresarbeitszeitkonto und verschiedene Merkkonten.

Der Betriebsrat wendet sich dagegen, dass der Arbeitgeber im Rahmen des Jahresarbeitszeitkontos Minusstunden aus dem Vorjahr mit Arbeitszeit, die auf dem so genannten VFT-Konto gebucht wurde und die in dem J25-Konto erfasst wird, verrechnet.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I der Gründe (Bl. 112-115 der Akten) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. § 3 Abs. 6 Unterabs. 6 der Rahmenbetriebsvereinbarung enthalte lediglich eine Sollvorschrift. Selbst wenn diese einen Anspruch des Betriebsrats begründen sollte, bestehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht. Es handele sich um einen Globalantrag, der hier zu weit gefasst sei. Der Betriebsrat könne allenfalls verlangen, dass der Arbeitgeber es unterlasse, auf dem Konto J25 gebuchte Minusstunden mit auf dem Konto VFT gebuchten Plusstunden zu verrechnen, wenn und soweit ein Ausgleich durch Erhöhung des Arbeitszeitvolumens gar nicht möglich war, beispielsweise weil der Arbeitnehmer, der auf seinem J25 Konto Minusstunden hat, bereits zu Beginn des Ausgleichszeitraums erkrankt und für längere Zeit arbeitsunfähig ist. Der Antrag des Betriebsrats erfasse aber auch Fallkonstellationen, in denen dem Arbeitgeber eine Erhöhung des Arbeitszeitvolumens – z.B. wegen längerer Arbeitsunfähigkeit – gar nicht möglich sei.

Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Betriebsrats am 23. Juni 2015 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 14. Juli 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 21. August 2015 begründet.

Der Betriebsrat rügt, die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung der Rahmenbetriebsvereinbarung sei unzutreffend. Das Wort “sollen” beziehe sich ausschließlich auf die Wortfolge “bis zum 30. Juni des Folgejahres… ausgeglichen werden”. Die Einfügung der Worte “durch Erhöhung bzw. Absenkung des Arbeitsvolumens” gebe ergänzend an, wie der Ausgleich vorgenommen werden müsse. Wenn ausgeglichen werde, dann nur durch Erhöhung bzw. Absenkung des Arbeitsvolumens. So sei auch bislang das Verständnis der Arbeitgeberseite gewesen. Dies gebiete auch die Systematik der Norm. Die Sollvorschrift beziehe sich ausschließlich auf die Ausgleichsmöglichkeit an sich, aber nicht darauf, wie dies erfolge. Dies sei in § 3 Abs. 6 Unterabs. 6 Rahmenbetriebsvereinbarung geregelt, nämlich “durch Erhöhung bzw. Absenkung des Arbeitsvolumens”.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2015 – 22 BV 645/14 –

1.

der Beteiligten zu 2 aufzugeben, es zu unterlassen, bei der Führung des Jahresarbeitszeitkontos der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäß “Rahmenbetriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit (Flex)” auf dem Konto J25 gebuchte Minusstunden mit auf dem Konto VFT gebuchten Plusstunden zu verrechnen;
2.

für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gem. Z. 1 der Anträge ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 10.000 € anzudrohen.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass Wort “soll” beziehe sich auf die Art des Ausgleichs nicht auf die Datumsangabe. Die Dauer des Ausgleichszeitraums stehe nicht zur Disposition, wie sich aus § 3 Abs. 3 S. 3 der Rahmenbetriebsvereinbarung ergebe. Entscheidend sei, dass nur ein Jahresarbeitszeitkonto geführt wird. Lediglich aus Transparenzgründen würden unterschiedliche Sachverhalte getrennt ausgewiesen. Dies ändere jedoch nichts daran, dass es sich um ein einziges Arbeitszeitkonto handele, in dem Einzelposten grundsätzlich jederzeit saldiert werden können. Der Saldenausgleich sei ausdrücklich in § 3 Abs. 8 Rahmenbetriebsvereinbarung vorgesehen. Die in § 3 Abs. 6 enthaltene Regelung finde erst dann Anwendung, wenn nach Saldierung der unterschiedlichen Spalten noch ein Arbeitszeitsoll verbleibe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Absatz 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO.

2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Anträge zu Recht abgewiesen.

Der Arbeitgeber ist berechtigt, im Rahmen des Jahresarbeitszeitkontos auf dem Konto J25 gebuchte Minusstunden mit auf dem Konto VFT gebuchten Plusstunden zu verrechnen. Dies ergibt eine Auslegung der Rahmenbetriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit (Flex) bei der A vom 13.6.2006.

Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen sind wie Gesetze auszulegen. Danach ist maßgebend neben dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung der Gesamtzusammenhang der Regelung, sowie deren Sinn und Zweck, die auf das von den Betriebsparteien Gewollte schließen lassen (Bundesarbeitsgericht 19. Juni 2001 – 1 AZR 597/00 – Rn. 22; 8. November 1988 – 1 AZR 721/87 – BAGE 60, 94).

In § 2 der Begriff des Jahresarbeitszeitkontos definiert. Dort wird die Jahresarbeitszeit des Mitarbeiters als Sollarbeitszeit dokumentiert und sodann gegen diese jede tatsächlich gearbeitete Stunde gebucht. Lediglich zu Dokumentationszwecken werden so genannte “Merkkonten” geführt, auf denen der Auf- und Abbau zuschlagspflichtiger Überarbeit nach ihrer Wertigkeit erfasst wird. Nach § 3 Abs. 3 der Rahmenbetriebsvereinbarung wird für jeden Mitarbeiter (nur) ein Jahresarbeitszeitkonto geführt wird. Innerhalb dieses einen Kontos werden die Zeiten nach oben oder unten durch Auf- oder Abbau des jeweiligen Zeitkontostandes erfasst. Hierbei werden nach § 3 Abs. 4 Unterabsatz 3 auch Überstunden als zuschlagsberechtigte Stunden erfasst. Gemäß § 3 Abs. 5 Unterabsatz 1 werden (lediglich) zu Dokumentationszwecken so genannte “Merkkonten” geführt, auf denen der Auf- und Abbau zuschlagspflichtiger Überarbeit nach ihrer Wertigkeit erfasst wird. § 3 Abs. 5 Unterabsatz 3 S. 3 regelt sodann, dass auch Konten unterschiedlicher Wertigkeit miteinander saldiert werden können. Eine unterschiedliche Wertigkeit besteht zwischen geleisteten Vorfeiertagszeiten (1,5 bzw. 1,25) einerseits und regulärer Arbeitszeit (1,0) andererseits. Hinsichtlich der Durchführung des Stundenausgleichs regelt § 3 Abs. 8, dass zuerst die Stunden aus dem Vorjahr zu berücksichtigen sind.

Aus dem Wortlaut dieser Regelungen ergibt sich, dass eine Verrechnung von VFT-Stunden mit Minusstunden auf dem Jahresarbeitszeitkonto möglich ist. § 3 Abs. 6 Unterabsatz 3 S. 3 lässt ausdrücklich die Verrechnung von Guthaben auf unterschiedlichen Merkkonten zu. Hierfür spricht auch der Wortlaut des Begriffs “Merkkonten” in § 2. “Merken” bedeutet, etwas in Erinnerung behalten. Es soll nicht vergessen werden, ob bzw. in welcher Weise Mitarbeiter Arbeiten zu besonderen Zeiten geleistet haben. Dies dient jedoch lediglich Dokumentationszwecken und soll gerade kein separat geführtes weiteres Jahresarbeitszeitkonto darstellen. Der Arbeitgeber kann daher Guthaben auf sämtlichen “Merkkonten” in die Saldierung des Jahresarbeitszeitkontos einbringen. Ansonsten würde nicht “ein” Jahresarbeitszeitkontos geführt, sondern mehrere. Die Definition in § 2 schreibt jedoch gerade vor, dass für jeden Mitarbeiter (nur) ein Jahresarbeitszeitkonto geführt wird.

Aus der Systematik der Rahmenbetriebsvereinbarung ergibt sich Folgendes: Im Rahmen des Stundenausgleichs sind nach § 3 Abs. 8 erst die Stunden aus dem Vorjahr zu berücksichtigen. Dies ist dahin zu verstehen, dass zunächst diese Saldierung vorzunehmen ist. Erst wenn nach dieser Saldierung zum Ende des Bezugszeitraums übertragene Minusstunden unterhalb der Auslösegrenze verbleiben, sollen diese bis zum 30. Juni des Folgejahres durch Erhöhung bzw. Absenkung des Arbeitsvolumens ausgeglichen werden (§ 3 Abs. 6 Unterabsatz 6). Deshalb kommt es bei der Auslegung nicht -wie das Arbeitsgericht meint- auf das Wort “sollen” an. Die Saldierung vollzieht sich vorher. Nur die nach der Saldierung verbleibenden Minusstunden bzw. (Plus-)Stunden werden von § 3 Abs. 6 Satz 2 erfasst.

Eine am Sinn und Zweck orientierte Auslegung führt dazu, dass VFT-Zeiten in die Saldierung des Jahresarbeitszeitkontos einzubeziehen sind. Der Zweck eines Jahresarbeitszeitkontos besteht darin, die unterjährige Arbeitszeit orientiert am Bedarf flexibel gestalten zu können. Zeiten von Überarbeit sollen mit solchen von Minderarbeit verrechnet werden. Dies ergibt nur dann einen Sinn, wenn sämtliche Arbeitszeiten, die innerhalb eines Jahres anfallen, in diese Saldierung einbezogen werden. Es besteht auch kein Bedürfnis, VFT-Zeiten hiervon auszunehmen. Durch die Saldierung verlieren diese nicht ihren Wert, sondern werden gerade entsprechend ihrer Wertigkeit (1,25 bzw. 1,50) Minusstunden gegenübergestellt. Der Arbeitnehmer erlangt hierdurch einen effektiven und seinem “Kontostand” entsprechenden Freizeitausgleich. Dagegen könnte bei einer getrennten Betrachtung von Jahresarbeitszeitkonto und VFT-Konto die Situation eintreten, dass auf dem einen Konto ein plus und auf dem anderen ein minus besteht und dieses bis zum Ende des sechsmonatigen Ausgleichszeitraums aufgrund besonderer Umstände nicht ausgeglichen werden kann, was zum Verfall führt. Dies wäre sinnwidrig.

Auch das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die gesonderte Kontenführung nicht zu einem Verrechnungsverbot führt (Bundesarbeitsgericht 11. Februar 2009 – 5 AZR 341/08 – Rn. 20).

Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem Manteltarifvertrag Nr. 14 und den hierzu ergangenen Protokollnotizen. Nach der Protokollnotiz X (2) wird die Arbeit an Vorfesttagen nach § 11 Abs. 2 Manteltarifvertrag in die Verrechnung mit planmäßig vorgesehenen Arbeitszeiten einbezogen. § 11 Abs. 2 S. 2 Manteltarifvertrag sieht vor, dass der Freizeitausgleich bis zum Ende des Bezugszeitraums nach § 5 Abs. 1 zu gewähren ist. Auch dies spricht für eine Verrechnung im Rahmen des Jahresarbeitszeitkontos. Soweit § 5 Abs. 1 regelt, dass der dort genannte Bezugszeitraum von 18 Monaten abweichend durch Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, haben die Betriebspartner hiervon in der Rahmenbetriebsvereinbarung Gebrauch gemacht und den Bezugszeitraum auf 12 Monate festgelegt sowie einen daran anschließenden Ausgleichszeitraum von 6 Monaten vorgesehen. Für die Frage der Verrechnung von VFT-Stunden im Rahmen des Jahresarbeitszeitkontos folgt hieraus jedoch nichts.

III.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, § 92 Abs. 1, § 72 ArbGG.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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