LAG Hessen, 22.09.2015 – 4 TaBV 203/14 Aufgrund eines Rechtsmittelverzichts unzulässige Beschwerde

April 21, 2019

LAG Hessen, 22.09.2015 – 4 TaBV 203/14
Aufgrund eines Rechtsmittelverzichts unzulässige Beschwerde
Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Teilbeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Mai 2014 – 6 BV 197/12 – wird als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Umgruppierung von mehreren tausend Arbeitnehmern.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein bundesweit tätiges Luftfahrtunternehmen. Der zu 2) beteiligte Betriebsrat repräsentiert die etwa 6.500 im Bodenbetrieb in Frankfurt am Main beschäftigten Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Die Vergütung des Bodenpersonals war bis ins Jahr 2005 hinein durch den Vergütungsrahmentarifvertrag für das Bodenpersonal in der Fassung vom 17. Februar 1999 (Anlage A 2 Anlagenband I) geregelt. Am 08. April 2005 einigten sich die für die Arbeitgeberin zuständigen Tarifpartner (die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e. V. und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) auf ein neues Vergütungssystem für die Arbeitgeberin. Danach sollte ab 01. September 2005 ein neues Entgeltsystem den bisherigen Vergütungstarifvertrag ablösen. Parallel zu den Tarifverhandlungen verhandelten die Tarifvertragsparteien über die Überführung der betroffenen Arbeitnehmer in das neue Vergütungssystem und erstellten zu diesem Zweck am 08. April 2005 eine vorläufige Liste, die sogenannte “TKM-Liste” (Anlage A 7 Anlagenband I). Der Vergütungstarifvertrag Nr. 1 Bodenpersonal DLH (VTV Nr. 1 – Anlage A 4 Anlagenband I) und der Tarifvertrag Vergütungssystem Boden DLH (TV VS Boden – Anlage A 3 Anlagenband I) wurden von den Tarifvertragsparteien am 30. November 2005 paraphiert. Am selben Tag unterzeichneten die Verhandlungsführer eine “Vereinbarung der Tarifpartner zur Überleitung in das neue Vergütungssystem DLH Bodenpersonal” (Überleitungsvereinbarung – Anlage A 6 Anlagenband I), in der einzelne Aspekte der Zuordnung der Tätigkeit der Arbeitnehmer zu den Vergütungsgruppen des TV VS Boden festgelegt wurden. Das die Tarifverträge betreffende Unterschriftsverfahren endete am 14. August 2006. Der TV VS Boden enthält folgende Protokollnotiz III:

“Zuordnung der Mitarbeiter zum 01. Dezember 2005

Aus Anlass der Umstellung der bisherigen Vergütungsrahmentarifverträge (VRTV für das Bodenpersonal der Deutschen Lufthansa AG vom 01. April 1989 in der Fassung vom 17. Februar 1999 und VRTV neue Bundesländer vom 01. Januar 1991) auf die Regelung des Tarifvertrages Vergütungssystem Boden (TV VS Boden) der Deutschen Lufthansa AG und der dem Geltungsbereich dieser Tarifverträge zugeordneten Gesellschaften vom 01. Dezember 2005 sind alle vom Geltungsbereich erfassten Mitarbeiter durch die Tarifpartner neu eingruppiert worden. Die Dokumentation der Eingruppierung wurde wie folgt vorgenommen:

Die Eingruppierung erfolgt durch Beschluss der Tarifpartner anhand der zwischen den Tarifpartnern vereinbarten Listen für jeden einzelnen Mitarbeiter und jede vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages umfasste Gesellschaft nach Daten:

– Name und Vorname des Mitarbeiters

– Pk-Nr.

– Abteilung

– Bisherige Tätigkeits-/Stellenbezeichnung

– Bisherige Vergütungsgruppe

– Künftige Tätigkeits- /Stellenbezeichnung

– Künftige Vergütungsgruppe

– Funktionszulage (soweit anwendbar)

Die Tarifpartner haben getrennt nach den vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages umfassten Gesellschaften jede einzelne Seite dieser Liste unterzeichnet.”

Auf die paraphierte, sogenannte personalisierte Überleitungsliste (Anlage A 8 Anlagenband I) wird Bezug genommen. Am 06. Dezember 2005 schlossen die Beteiligten folgende, als “Betriebsvereinbarung” überschriebene Vereinbarung (im Folgenden Regelungsvereinbarung):

“Präambel

Aus Anlass der Umstellung des bisherigen Vergütungsrahmentarifvertrages für das Bodenpersonal der Deutschen Lufthansa AG auf die Regelungen des Tarifvertrages Vergütungssystem Boden der Deutschen Lufthansa AG sind alle Mitarbeiter der Deutschen Lufthansa AG durch die Tarifpartner der Deutschen Lufthansa AG … vorläufig neu eingruppiert worden. Dem Betriebsrat sind entsprechende Listen mit der für jeden Mitarbeiter vorgesehenen Eingruppierung überreicht und damit das Verfahren nach § 99 BetrVG eingeleitet worden.

1.

Es besteht Einvernehmen darüber, dass es erforderlich ist, die korrekte Eingruppierung der Mitarbeiter durch den Betriebsrat in jedem Einzelfall zu überprüfen. Da eine nachvollziehbare Umgruppierung bzw. Eingruppierung innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Frist nicht möglich ist, besteht Einvernehmen, dass die gesetzliche Stellungnahmefrist nach § 99 BetrVG bis zum 30. Juni 2006 verlängert wird.

2.

Es besteht Einvernehmen darüber, dass alle Mitarbeiter zum 01. Dezember 2005 entsprechend den von den Tarifpartnern vorgesehenen Eingruppierungen in das Folgetarifsystem vorläufig übergeleitet werden.

3.

Geschäftsleitung und Betriebsrat werden abteilungsbezogen die korrekte Eingruppierung der betreffenden Mitarbeiter besprechen. Kommt zwischen den Betriebsparteien eine Einigung hinsichtlich der Eingruppierung zustande, so gilt der Mitarbeiter rückwirkend ab 01. Dezember 2005 als korrekt eingruppiert. Die Geschäftsleitung wird dem Betriebsrat ab Anfang Dezember eine um Änderungen bei Mitarbeitern, die nach dem 31. Oktober 2005 aufgrund von Stufensteigerungen, Umgruppierungen, Vergütungserhöhungen, Versetzungen etc. ergänzte Liste aller Mitarbeiter überreichen, die Grundlage der Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat sein wird.

4.

Kommt eine Einigung zwischen den Betriebsparteien nicht zustande, so gilt die Zustimmung zur Eingruppierung als verweigert. In diesem Fall ist die korrekte Eingruppierung ab dem 01. Dezember 2005 über das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren zu klären. Beide Parteien unterwerfen sich insoweit der gerichtlichen Entscheidung erster Instanz.

5.

Sollte bis zum 30. Juni 2006 eine vollständige Beurteilung der korrekten Eingruppierung nicht möglich sein, erfolgt für die noch offenen Fälle eine Verlängerung der Frist bis zum 30. September 2006. Für die Fälle, die bis dahin nicht einvernehmlich geregelt werden, gilt die Zustimmung zur Eingruppierung als verweigert. Der Arbeitgeber wird dann die entsprechenden Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. Sollten am 30. September 2006 noch eine größere Anzahl von Eingruppierungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat strittig sein, verpflichten sich die Betriebsparteien über eine letztmalige Verlängerung der Frist bis zum 31. Dezember 2006 zu verhandeln.

6.

Beide Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass das beschriebene Verfahren für alle Ein- bzw. Umgruppierungen im Zusammenhang mit der neuen Vergütungsstruktur anzuwenden ist, die nach dem 01. November 2005 vollzogen werden.

7.

Diese Regelungsvereinbarung gilt bis zum Abschluss der Umgruppierungsverfahren.”

Mit Schreiben vom 09. November 2005 ersuchte die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur Umgruppierung von 2449 in Frankfurt am Main beschäftigten Mitgliedern des Bodenpersonals nach dem neuen Vergütungssystem des TV VS Boden. Nachdem der Betriebsrat seine Zustimmung nicht erteilte, leitete die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen – 18 BV 785/06 – ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Das Arbeitsgericht wies die Anträge der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 26. Juli 2007 mit der Begründung zurück, dass zwar grundsätzlich eine Überleitung der Mitarbeiter in das neue Tarifsystem durch die Tarifvertragsparteien geregelt worden sei. Aus der zwischen den Beteiligten vereinbarten Regelungsvereinbarung folge jedoch eine erhöhte Darlegungslast der Arbeitgeberin in Bezug auf die Richtigkeit der Umgruppierungen, der die Arbeitgeberin nicht nachgekommen sei. Die erkennende Kammer verwarf die von der Arbeitgeberin gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 18. November 2008 (- 4 TaBV 298/07 -) auf Grund der Regelung unter Ziffer 4 Satz 3 der Regelungsvereinbarung als unzulässig. Das Bundesarbeitsgericht wies die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 08. September 2010 (- 7 ABR 73/09 – BAGE 135/264) zurück.

Die Arbeitgeberin kündigte die Regelungsvereinbarung vom 06. Dezember 2005 mit Wirkung zum 30. September 2011 ordentlich. Sie ersuchte den Betriebsrat mit einem am selben Tag zugegangenen Schreiben vom 18. November 2011 (Anlage A 15 Anlagenband I) um Zustimmung zur Umgruppierung des am Standort Frankfurt am Main beschäftigten Bodenpersonals, das zum 01. Dezember 2005 in das neue Vergütungssystem hätte überführt werden sollen. Beigefügt war der TV VS Boden, der VTV Nr. 1, die Überleitungsvereinbarung vom 30. November 2005/25. April 2006, die paraphierte TKM-Liste, die paraphierte Überleitungsliste, die aktualisierte Liste Stand 18. Oktober 2011 und die seit 01. Dezember 2005 gültigen Tätigkeits- und Funktionsprofile. Zudem überreichte die Arbeitgeberin sämtliche noch existierenden Arbeitsplatzbeschreibungen auf dem Stand bis 30. November 2005. Der Betriebsrat widersprach der Überleitung sämtlicher Arbeitnehmer mit einem am 25. November 2011 zugegangenen Schreiben vom 24. November 2011. In dem Schreiben heißt es:

“Sämtlichen von Ihnen beabsichtigten Eingruppierungen, denen wir widersprechen, ist gemeinsam, dass sie nicht richtig sind und insbesondere nicht den tarifvertraglichen Vorgaben entsprechen.

Dies gilt vor allem für die Fälle, bei denen Sie eine selbige Ein- bzw. Umgruppierung vorsehen, wie sie bereits vor dem Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen wurde. Hier steht rechtskräftig fest, dass die von Ihnen ehemals in Aussicht genommene Eingruppierung unzutreffend ist. Es ist Ihnen mithin verwehrt, entgegen der bestehenden Rechtskraft, eine Neueingruppierung in dieselbe Gruppe zu beantragen bzw. vorzunehmen.”

Beigefügt war dem Widerspruchschreiben eine Liste mit acht standardisierten Widerspruchsgründen sowie eine Aufstellung, mit der die einzelnen Widerspruchsgründe den einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet wurden. Bezüglich der vom vorliegenden Beschwerdeverfahren betroffenen acht Arbeitnehmer nahm der Betriebsrat auf die Widerspruchsgründe Nr. 1, 2 und 7 Bezug. Diese haben folgenden Wortlaut:

“Widerspruchsgrund Nr. 1

(alte Arbeitsplatzbezeichnung fehlt, auch nicht in TKM-Liste erfasst)

Die Prüfung erfolgte anhand der sog. TKM-Liste, die Bestandteil des Vergütungstarifvertrages sein soll. Die vorgelegte Überleitungsvorlage lässt sich nicht anhand dieser Liste prüfen, da uns die alte Arbeitsplatzbezeichnung weder vorliegt, noch Bestandteil der TKM-Liste ist.

Um diese Vorlage bearbeiten zu können, benötigen wir die zum 30.11.2005 gültige Arbeitsplatzbeschreibung in ihrer vollständigen Form.

Zur Erläuterung sei angemerkt, dass mit Arbeitsplatzbezeichnung die Arbeitstitel gemeint sind (Fachkraft, Sekretärin, etc.). Mit Arbeitsplatzbeschreibung ist die inhaltliche Beschreibung von Anforderungen und Tätigkeiten gemeint.

Der guten Ordnung halber weisen wir darauf hin, dass die gesetzliche Stellungnahmefrist erst beginnt, wenn uns alle erforderlichen Unterlagen, so auch die alte Arbeitsplatzbeschreibung, vorliegen und eine vollständige Betrachtung der alten und neuen Arbeitsaufgaben möglich ist.

Widerspruchsgrund Nr. 2

(TKM-Liste verfügt über mehrere gleichartige Arbeitsplatzbezeichnungen)

Die Prüfung erfolgte anhand der sog. TKM-Liste, die Bestandteil des Vergütungstarifvertrages sein soll. Die vorgelegte Überleitungsvorlage lässt sich nicht anhand dieser Liste prüfen, da die alte Arbeitsplatzbezeichnung gleich mehrfach und in verschiedenen Jobprofilen der TKM-Liste auftaucht.

Um diese Vorlage bearbeiten zu können, benötigen wir die zum 30.11.2005 gültige Arbeitsplatzbeschreibung in ihrer vollständigen Form.

Der guten Ordnung halber weisen wir darauf hin, dass die gesetzliche Stellungnahmefrist erst beginnt, wenn uns alle erforderlichen Unterlagen, so auch die alte Arbeitsplatzbeschreibung, vorliegen und eine vollständige Betrachtung der alten und neuen Arbeitsaufgaben möglich ist.

Widerspruchsgrund Nr. 7

(Unvollständige Vorlage)

Dieser Widerspruch erfolgt rein vorsorglich. Ihre Rechtsauffassung ist, dass die erledigten Fälle (weiß markiert) nicht mehr zur Mitbestimmung vorgelegt werden müssen. Um jedoch überprüfen zu können, ob es sich tatsächlich um erledigte Fälle handelt, benötigen wir eine richtige und vollständige Vorlage. Dies bedeutet nicht, dass wir Ihre Rechtsauffassung teilen.

Da nach wie vor Mitarbeiter fehlen und Reorganisationen der jüngsten Vergangenheit (Stichwort große Reorganisation zum 01.04.11) nicht eingearbeitet wurden, zweifeln wir insgesamt die Vollständigkeit und Korrektheit der Liste an.

Es ist uns nicht möglich, die korrekte Erfassung aller Mitarbeiter zu überprüfen, da uns u. a. die technischen Mittel und Voraussetzungen dazu fehlen (etwa Zugriff auf Personaldaten, keine Möglichkeit eine eigene vollständige Personalliste zu erstellen). Außerdem kann man doch von einem zukunftsorientierten Unternehmen wie der Deutschen Lufthansa AG erwarten, dass eine vollständige und mit den Tatsachen übereinstimmende Mitarbeiterliste vorgelegt werden kann.

Der guten Ordnung halber weisen wir darauf hin, dass die gesetzliche Stellungnahmefrist erst beginnt, wenn uns alle erforderlichen Unterlagen, so auch die alte Arbeitsplatzbeschreibung, vorliegen und eine vollständige Betrachtung der alten und neuen Arbeitsaufgaben möglich ist.”

Wegen des vollständigen Inhalts des Widerspruchs wird auf den Anlagenband II Bezug genommen. Nach dem Widerspruch leitete die Arbeitgeberin das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren ein.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Zustimmung zur Umgruppierung der betroffenen Arbeitnehmer sei zu ersetzen. Die Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juli 2007 – 18 BV 785/06 – stehe dem nicht entgegen, da das Arbeitsgericht keine materielle Entscheidung getroffen habe. In der Sache sei der erneute Zustimmungsersetzungsantrag begründet. Sie habe den Betriebsrat vollständig unterrichtet. Ein konkreter Zustimmungsverweigerungsgrund sei im Widerspruchsschreiben des Betriebsrats nicht genannt worden.

Die Arbeitgeberin hat, soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse, beantragt,

die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Umgruppierung

der Frau A (lfd. Nr. 1085) als Allrounder Service 2 in die VG F

der Frau B (lfd. Nr. 3178) als Allrounder Office in die VG F

der Frau C (lfd. Nr. 843) als Professional Office in die VG D

der Frau D (lfd. Nr. 3380) als Allrounder FI/REWE in die VG F

der Frau E (lfd. Nr. 968) als Experte Personal in die VG H

des Herrn F (lfd. Nr. 3004) als Professional Service (üTZ) in die VG C

der Frau G (lfd. Nr. 1536) als Professional Service in die VG C

der H (lfd. Nr. 1181) als Professional Operations 1 in die VG D

nach Tarifvertrag Vergütungssystem Boden vom 30.11.2005 zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat zur Begründung seines Zurückweisungsantrags die Auffassung vertreten, eine erneute Entscheidung in der Sache könne nicht getroffen werden, da über die Umgruppierung der betroffenen Arbeitnehmer bereits rechtskräftig im Vorverfahren entschieden worden sei. Darüber hinaus sei er nicht vollständig unterrichtet worden. So lasse sich hinsichtlich der Arbeitnehmer A, B und C die vorgelegte Überleitungsvorlage nicht prüfen, da die vor dem 30. November 2005 geltende Arbeitsplatzbezeichnung nicht genannt sowie die vor dem 30. November 2005 gültige Arbeitsplatzbeschreibung nicht vorgelegt worden sei (Widerspruchsgrund 1). Hinsichtlich der Arbeitnehmer D und E sei die ehemalige Arbeitsplatzbeschreibung gleich mehrfach und in verschiedenen Jobprofilen der sogenannten TKM-Liste genannt worden (Widerspruchsgrund 2). Schließlich sei die Unterrichtung hinsichtlich der Arbeitnehmer A, B, C, D und E, F, G und H nicht vollständig, da die Arbeitgeberin hinsichtlich weiterer Mitarbeiter, die sie als “erledigte Fälle” ansehe, nicht die Zustimmung zur Umgruppierung beantragt habe (Widerspruchsgrund Nr. 7).

Das Arbeitsgericht hat durch Teilbeschluss festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der acht vom vorliegenden Beschwerdeverfahren betroffenen Arbeitnehmer in die von der Arbeitgeberin geltend gemachten Vergütungsgruppen als erteilt gilt. Zur Begründung hat es – kurz zusammengefasst – ausgeführt, die Anträge seien zulässig. Die Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 26. Juli 2007 im Verfahren – 18 BV 785/06 – stehe der Entscheidung nicht entgegen, da das vorliegende Verfahren auf Grund des neuen Zustimmungsersuchens der Arbeitgeberin einen neuen Streitgegenstand habe. Die Zustimmung des Betriebsrats zu den Umgruppierungen der betroffenen Arbeitnehmer gelte gemäß § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, da die Arbeitgeberin den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet und dieser innerhalb der Wochenfrist von § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG keinen materiellen Widerspruchsgrund im Sinne von § 99 Abs. 2 BetrVG genannt habe. Einer weitergehenden Unterrichtung des Betriebsrats über die von den Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeiten habe es auf Grund der für die Beteiligten verbindlichen Überleitungsvereinbarung der Tarifvertragsparteien nicht bedurft. Damit habe sich der Betriebsrat nicht auf die Rüge einer nicht ausreichenden Unterrichtung beschränken dürfen. Wegen der vollständigen Begründung wird auf die Ausführungen unter II. des angefochtenen Beschlusses (Bl. 583 – 589 d. A.) Bezug genommen.

Der Betriebsrat hat gegen den am 17. September 2014 zugestellten Beschluss am 17. Oktober 2014 Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist bis 17. Dezember 2014 am 17. Dezember 2014 begründet. Er ist der Ansicht, eine Berufung auf Ziffer 4 Satz 3 der Regelungsvereinbarung durch die Arbeitgeberin sei unredlich. Die Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 26. Juli 2007 – 18 BV 785/06 – stehe einer Entscheidung zugunsten der Arbeitgeberin entgegen. Sein Widerspruch vom 24. November 2011 sei durch die Mitteilung, dass er die Eingruppierungen als unzutreffend ansehe, ausreichend begründet worden.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Betriebsrats wird auf die Schriftsätze vom 17. Dezember 2014 und 03. August 2015 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 05. Mai 2015 Bezug genommen.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 07. Mai 2014 – 6 BV 197/12 – die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin vertritt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die Auffassung, die Beschwerde sei auf Grund Ziffer 4 Satz 3 der Regelungsvereinbarung unzulässig, und verteidigt im Übrigen die Würdigung des Arbeitsgerichts wie in den Schriftsätzen vom 26. Februar, 19. Mai und 18. September 2015 ersichtlich.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist zu verwerfen, da sie nicht zulässig ist.

1. Dass Ziffer 4 Satz 3 der Regelungsvereinbarung vom 06. Dezember 2005 einen wirksamen Rechtsmittelverzicht in Form einer Unterwerfungsklausel unter die Entscheidung der ersten Instanz enthält, hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 08. September 2010 (a. a. O., zu B II) eingehend ausgeführt. Hierauf nimmt die Beschwerdekammer Bezug.

2. Diese Regelung erfasst auch das vorliegende (Folge-) Eingruppierungsverfahren. Der Regelungsvereinbarung ist allerdings nicht explizit zu entnehmen, ob sie nur für die im Jahr 2005 eingeleiteten erstmaligen Zustimmungs- und Zustimmungsersetzungsverfahren oder auch für sich im Fall eines Unterliegens der Arbeitgeberin in den Erstverfahren anschließende Folgeverfahren gelten sollte. Nach Ansicht der Beschwerdekammer sprechen Zweck und Systematik für letztere Auslegung.

Die Vereinbarung vom 06. Dezember 2005 ist eine schuldrechtliche Regelungsabrede und keine Rechtsnorm (BAG 08. September 2010 a. a. O., zu B II 1 a) und daher nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen. Danach ist vom Wortlaut der Vereinbarung auszugehen. Maßgeblich ist jedoch der tatsächliche und nicht der wörtlich geäußerte Wille der Vertragspartner bei Vertragsschluss. Bei der Auslegung zu berücksichtigen sind daher die Interessenlage der Vertragsparteien und der mit dem Vertrag angestrebte Zweck. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorrang zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Seiten gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend verstanden, ist dieses Verständnis für die Auslegung maßgeblich (BAG 08. September 2010 a. a. O., zu B II 1 b aa).

Ein überstimmender Parteiwille hinsichtlich der Bedeutung der Regelung von Ziffer 4 Satz 3 der Regelungsvereinbarung ist den Darlegungen der Beteiligten nicht zu entnehmen. Lediglich der Betriebsratsvorsitzende erklärte im Anhörungstermin vom 05. Mai 2015, dass der Betriebsrat die Regelung seinerzeit so verstanden habe, dass sie bis zum Abschluss aller Umgruppierungsverfahren in dem TV VS und damit auch für Folgeverfahren gelten sollte. Gegen eine solche Auslegung spricht allerdings, dass ein Großteil der Klauseln der Regelungsvereinbarung das ab dem Jahr 2005 geführte Erstverfahren betraf und schon wegen seiner Terminsetzungen auf Folgeverfahren nicht übertragen werden kann, so die Regelungen unter Ziffer 1, 2, 3, 4 Satz 2 und 5 der Regelungsvereinbarung.

Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass andere, allgemein gehaltene Regelungen nicht auch für Folgeverfahren gelten sollten. Dies gilt umso mehr, als nach Ziffer 6 der Regelungsvereinbarung das in dieser geregelte Verfahren für alle Ein- und Umgruppierungen in Zusammenhang mit der neuen Vergütungsstruktur angewendet werden sollte, die nach dem 01. November 2005 vollzogen werden. Dies spricht für eine umfassende Geltung der auch auf Folgeverfahren anwendbaren Regelungen bis zum Abschluss der Überführung aller Arbeitnehmer in das neue Vergütungssystem.

Zudem spricht der Zweck der Regelung von Ziffer 4 Satz 3 der Regelungsvereinbarung eindeutig für diese Auslegung. Mit dieser Norm sollte das Verfahren durch die Beschränkung von Zustimmungsersetzungsverfahren auf die erste Instanz beschleunigt werden. Dieser Zweck würde konterkariert, wenn in Fällen, in denen das Verfahren ohnehin dadurch verlängert wird, dass auf Grund eines Unterliegens der Arbeitgeberin im Erstverfahren weitere Zustimmungs- und Zustimmungsersetzungsverfahren geführt werden müssen, im Zustimmungsersetzungsverfahren für die erstinstanzlich unterliegende Seite die Rechtsmittelinstanzen eröffnet würden. Dies wäre ein dem Zweck von Ziffer 4 Satz 3 der Regelungsvereinbarung widersprechendes, widersprüchliches Ergebnis. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die Beteiligten seinerzeit ein solches Ergebnis anstreben wollten.

3. Die Regelungsvereinbarung ist nicht durch die Kündigung der Arbeitgeberin außer Kraft getreten.

Regelungsabreden können allerdings in der Regel außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden. Bei Betriebsvereinbarungen ersetzenden, auf Dauer angelegten Regelungsabreden ist zudem allgemeinene Ansicht, dass mangels einer abweichenden Regelung die für Betriebsvereinbarungen geltende ordentliche Kündigungsmöglichkeit von § 77 Abs. 5 BetrVG entsprechend anwendbar ist (BAG 10. März 1992 – 1 ABR 31/91 – AP BetrVG 1972 § 77 Regelungsabrede Nr. 1, zu B II 1 d bb; LAG Köln 07. Oktober 2011 – 4 TaBV 52/11 – NZA-RR 2012/135, zu II 2 f; Richardi BetrVG 13. Auflage § 77 Rn. 232; Fitting BetrVG 27. Auflage § 77 Rn. 224; DKK-Berg BetrVG 14. Auflage § 77 Rn. 166). Eine auf eine konkrete Maßnahme gerichtete Regelungsabrede endet dagegen regelmäßig erst mit deren Vollzug und ist ordentlich nicht kündbar, sofern nichts anderes vereinbart wurde (vgl. GK-BetrVG-Kreutz 10. Auflage § 77 Rn. 21).

So liegt der Fall hier. Die Regelungsvereinbarung enthält nicht eine eine Betriebsvereinbarung ersetzende Dauerregelung, sondern bestimmt den Vollzug einer einzelnen Maßnahme, nämlich die Überführung der Arbeitnehmer in das neue Vergütungssystem. Hinzu kommt, dass sie gemäß ihrer Ziffer 7 bis zum Abschluss der Umgruppierungsverfahren gelten soll. Eine derartige Klausel wäre sogar im Rahmen einer Betriebsvereinbarung als Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts zu verstehen. Umso mehr gilt dies für die vorliegende Regelungsvereinbarung.

4. Das Berufen der Arbeitgeberin auf den Rechtsmittelverzicht verstößt nicht gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG). Die Arbeitgeberin strebt damit lediglich das an, was die Beteiligten mit der Regelung von Ziffer 4 Satz 3 der Regelungsvereinbarung erreichen wollen, nämlich eine Beschleunigung der Überleitung der betroffenen Arbeitnehmer in das neue Vergütungssystem. Dass sie sich zwischenzeitlich von der Regelung lösen wollte, ändert daran nichts. Nachdem ihr dies mangels wirksamer Kündigung nicht gelungen ist, geht es weiterhin lediglich um die Anwendung einer die Beteiligten bindenden Vereinbarung. Nichts anderes hat der Betriebsrat im Vorverfahren seinerseits getan.

5. Die Rechtsbeschwerde wird geäß §§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zugelassen.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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