LAG Hessen, 22.10.2014 – 6 Sa 106/14 Zum Ausschluss von Arbeitnehmern mit Einzelzusage auf betriebliche Altersversorgung von einer kollektivrechtlichen Regelung

April 30, 2019

LAG Hessen, 22.10.2014 – 6 Sa 106/14
Zum Ausschluss von Arbeitnehmern mit Einzelzusage auf betriebliche Altersversorgung von einer kollektivrechtlichen Regelung
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Dezember 2013 19 Ca 3380/13 teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen die Beklagte ab dem Zeitpunkt des Eintritts in die gesetzliche Altersrente eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung gemäß der Versorgungsregelung D Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 unter Anrechnung der Leistungen des Beamtenversicherungsvereins des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes a.G. (BVV) soweit diese auf Beitragszahlungen der Beklagten beruhen, hat.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über Betriebsrentenansprüche aus Versorgungsordnungen der Beklagten, die aufgrund Vereinbarungen mit dem Betriebsrat als Betriebsvereinbarungen rechtswirksam sind.

Der am xx. xx 1952 geborene Kläger war seit dem 01. Juli 1986 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 17. April / 19. April 1986 (Anlage K 1, Bl. 46 – 51d.A.) als Fondmanager bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Der Kläger ist seit 01. Juli 2009 im Vorruhestand. In der Vorruhestandsvereinbarung vom 08. Mai 2007 (Anlage K 2, Bl. 52, 54 d. A.) heißt es auszugsweise:

7. Ein Zuschuss zu den Beiträgen an den BVV während des Vorruhestandes wird in Anlehnung an den Teil IV: Vorruhestands-Tarifvertrag gemäß § 4 Ziffer2 in der jeweils gültigen Fassung gewährt.

8. Mit Beginn des Vorruhestands erlöschen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, soweit diese nicht vorstehend geregelt sind oder bis zum Beginn des Vorruhestandes schriftlich geltend gemacht wurden.

Bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen bestehen Regelungen über eine betriebliche Altersversorgung. Diese waren zunächst in einem sog. Sozialkatalog (vgl. Anlage BK 1 Anlagenband) als Leistungen einer Unterstützungskasse geregelt. Die Regelung im Sozialkatalog fand jedoch keine Anwendung mehr für Mitarbeiter, die ihre Tätigkeit nach dem 31. März 1984 aufgenommen haben. Für Neueintritte ab dem 01 .April 1984 wurde eine Neuregelung vorbereitet und mit dem Betriebsrat verhandelt (vgl. Anlage B 7 Protokoll der Sitzung des Beirats vom 27. Juli 1984, Bl. 172 – 174 d. A.). Mit Betriebsvereinbarung vom 28. September 1988 wurde eine Versorgungsordnung in der Fassung vom 28. September 1988 vereinbart (vgl. BK 8 Anlagenband). Hier ist unter § 1 “Kreis der Versorgungsberechtigten” folgende Regelung getroffen:

(1) Jeder regelmäßig beschäftigte Mitarbeiter (weiblich oder männlich), der bei Inkrafttreten dieser Versorgungsordnung in einem Arbeitsverhältnis zu unserem Unternehmen steht oder danach mit ihm ein Arbeitsverhältnis begründet, erwirbt mit Vollendung des siebzehnten Lebensjahres (Aufnahmealter) eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistung nach Maßgabe dieser Versorgungsordnung.

(2) Für Mitarbeiter, die das Aufnahmealter noch nicht erreicht haben, ist diese Versorgungsordnung rechtlich unverbindlich und kann für sie keine Versorgungsansprüche begründen.

(3) Von der Aufnahme in das Versorgungswerk sind ausgeschlossen:

a) Aushilfsweise, befristet bzw. geringfügig im Sinne des § 8 SGB IV oder unregelmäßig beschäftigte.

b) Mitarbeiter, die vor dem 01. April 1984 in das Unternehmen eingetreten sind.

Die nachfolgende Versorgungsordnung in der Fassung vom 25. September 1991 (vgl. BK 2 Anlagenband) definiert in § 1 den Kreis der Versorgungsberechtigten wortgleich. Die Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 (Anlage K 5, Bl. 60 – 72 d. A.) regelt unter § 2 “Persönlicher Geltungsbereich” das folgende:

(1) Von dieser Versorgungsregelung werden Mitarbeiter erfasst, die ihr Arbeitsverhältnis entweder

a) vor dem 01.01.1999 zur A GmbH oder einem ihr verbundenen Unternehmen oder

b) ab dem 01.07.1996 und vor dem 01.01.1999 zur B – C – oder

c) ab dem 01.01.1999 und vor dem 01.02.1999 zur B A C oder einem anderen ihr verbundenen Unternehmen

begründet haben und in diesem Zeitpunkt noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatten und deren Arbeitsverhältnis bis heute zur A B oder einem anderen Konzernunternehmen besteht, das diese Versorgungsregelung durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung abgeschlossen hat.

(2) Von dieser Versorgungsregelung werden auch Mitarbeiter erfasst, die vor dem 01.07.1996 ihr Arbeitsverhältnis zur B – C – begründet haben und die in diesem Zeitpunkt noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatten, wenn sie in Berlin oder Frankfurt tätig waren und deren Arbeitsverhältnis bis heute zur A B oder einem anderen Konzernunternehmen besteht, das diese Versorgungsregelung durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung abgeschlossen hat.

(3) Nicht erfasst sind Mitarbeiter die bei der D oder einem ihr verbundenen Unternehmen vor dem 01.04.1984 eingetreten sind und Mitarbeiter, die bei der B – C – vor dem 01.01.1984 eingetreten sind.

(4) Nicht erfasst sind auch Mitarbeiter, die eine einzelvertragliche Zusage erhalten oder erhalten haben.

(5) Nicht erfasst sind Mitarbeiter, die vor dem 01.02.1999 eingetreten sind und die seitdem ununterbrochen geringfügig beschäftigt sind im Sinne von § 8 SGB IV.

Der Kläger nimmt an einer betrieblichen Altersversorgung über den Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes a. G. (BVV) teil. Mit Schreiben vom 09. Januar 1987 (Anlage K 3, Bl. 55 d. A.) übernahm die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Verpflichtung, einen Beitragszuschuss zu dieser Altersversorgung zu bezahlen. Es handelte sich dabei um eine freiwillige Weiterversicherung des Klägers, der eine Altersversorgung beim BVV aufgrund seiner Vorbeschäftigungszeiten bei der E AG aufgebaut hatte. Das Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:

Weiterhin zahlen wir Ihnen ab Januar 1987 DM 247,00 als Beitragszuschuss zur Altersversorgung des BVV. Durch diese Regelung sind Sie von der betrieblichen Altersversorgung der D ausgenommen.

Der Kläger hat das Schreiben unter der Überschrift “Einverstanden” unterzeichnet. Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin hat nachfolgend eine Teilmitgliedschaft beim BVV begründet. Seine Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung über den BVV wurde nachfolgend in dreiseitigen Verträgen zwischen dem Kläger, der Beklagten und dem BVV vom 26. Juli 1993 und vom 12. September 1994 (vgl. Anlage B 1 und B 2, Bl. 102 – 105 d. A.) geregelt. Weiter trafen die Parteien unter dem Datum 01. Januar 2002 für die Versicherung im BVV eine Entgeltumwandlungsvereinbarung (vgl. Anlage K 4, Bl. 56 d.A.).

Der Kläger hat gemeint, er habe nicht rechtswirksam auf Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung gemäß den bei der Beklagten gültigen Versorgungsordnungen verzichtet. Der Kläger hat behauptet, nach Inkrafttreten der Versorgungsordnung sei er zu keinem Zeitpunkt darüber informiert worden, dass sich die Weiterführung der Versicherung beim BVV und Ansprüche aus der Versorgungsordnung der Beklagten ausschließen. Der Kläger hat sich auf das Günstigkeitsprinzip berufen und behauptet, die Regelungen der betrieblichen Altersversorgung gemäß Versorgungsordnung sähen wesentlich höhere Zahlungen vor, als die Leistungen des BVV.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass er gegen die Beklagte ab dem Zeitpunkt seines Eintritts in die gesetzliche Altersrente einen Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung der Beklagten gemäß der Versorgungsregelung Versorgungsordnung in der Fassung vom 06.Dezember 2007 habe.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, der Kläger sei gemäß § 2 Abs. 4 der Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 aufgrund der einzelvertraglichen Zusage in der Zusage auf betriebliche Altersversorgung vom 09. Januar 1987 vom Geltungsbereich dieser Regelung ausgenommen. Unerheblich sei dabei, dass diese Regelung zeitlich nach der Einzelzusage erfolgt sei. Der Kläger habe auch mit Gegenzeichnung der Verträge aus dem Jahr 1993 und 1994 und dem Vorruhestandsvertrag den status quo bestätigt. Der Kläger habe auch eine einzelvertragliche Zusage im Sinne des § 2 Abs. 4 der Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 erhalten. Der Kläger habe sich vor dem Hintergrund, dass 1987 für ihn noch keine Regelung zur betrieblichen Versorgungszusage bestand, ganz bewusst für die Regelung der Altersversorgung über den BVV entschieden. Dies sei auch eine für den Kläger vorteilhafte Entscheidung gewesen. Im Jahr 1987 hätten die Regelungen des Betriebsrentengesetzes noch vorgesehen, dass eine Unverfallbarkeit von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung erst nach 10 Jahren eintritt, während beim BVV “jeder eingezahlte Pfennigrelevant sei. Die Beklagte hat behauptet, dass bis 1993 kollektivrechtliche Regelungen – und damit auch die jeweiligen Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung – am Schwarzen Brett ausgehängt wurden. Ab 1993 existiere das “Dokumentationssystem innerbetriebliche Regelung” in Form grauer Aktenordner, die jedem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt worden seien. Auch der Kläger habe mit Datum vom 17. Juni 1993 den Erhalt des entsprechenden Ordners (Band 2 Personal) quittiert (vgl. Anlage B 6, Bl. 144 d. A.). Darin sei auch die Regelung zur betrieblichen Altersversorgung enthalten gewesen. 2001 seien die Regelungen auch im Intranet unter “ODIN” für alle Mitarbeiter einsehbar. Die Beklagte hat gemeint, das Günstigkeitsprinzip finde vorliegend keine Anwendung. Es bleibe aber auch streitig, dass die Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung bei der Beklagten günstiger seien als Ansprüche gegenüber dem BVV. Auch müsse sich dieser Vergleich auf die Situation in 1987 beziehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dass der Kläger rechtswirksam vom Geltungsbereich der Versorgungsordnung der Beklagten Stand: 06. Dezember 2007 ausgenommen worden sei. Es liege kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Es habe auch kein Günstigkeitsvergleich zu erfolgen, weil keine Konkurrenzsituation bestehe. Vielmehr enthalte § 2 Abs. 4 der Versorgungsordnung bereits eine Regelung, die das Entstehen einer solchen Situation verhindere. Es sei auch nicht ersichtlich, ob in rechtlich unzulässiger Weise der Geltungsbereich gegenüber den Vorgängerregelungen eingeschränkt worden sei (dem Arbeitsgericht lagen die Versorgungsordnungen von 1987 und 1991 nicht vor). Die Beklagte schulde dem Kläger auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten einen Verschaffungsanspruch auf eine Betriebsrente nach der Versorgungsordnung vom 06. Dezember 2004 ein angenommener Pflichtverstoß sei nicht kausal für die Nichteinbeziehung des Klägers in den Geltungsbereich der Versorgungsordnung. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der Erwägungen des Arbeitsgerichtes wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 22. Oktober 2014 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Der Kläger trägt ergänzend zum Vergleich der Versorgung über den BVV und den Betriebsrentenanspruch nach den Versorgungsordnungen der Beklagten vor. Die Versorgung nach der Versorgungsordnung in der Fassung vom 28. September 1988 würde mit Vollendung des 65. Lebensjahres danach betragen DM 4.845,54. Die Stammrente beim BVV hätte im Jahr 1988 DM 18.063,90 und die Überschussrente DM 437,45 bei Renteneintritt mit Vollendung des 65. Lebensjahres betragen. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass ein Anteil von DM 372,14 auf Beschäftigungszeiten zurückzuführen sei, die nicht im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen lagen. Zu berücksichtigen sei bei der Versorgung über den BVV auch, dass die Leistungen zu einem Drittel auf Beiträgen beruhten, die der Kläger selbst erbracht habe. Der Kläger meint, es habe ein Günstigkeitsvergleich zu erfolgen. Maßgeblich für die Beurteilung, welche Regelung günstiger sei, sei der Zeitpunkt, zu dem sich die konkurrierenden Regelungen erstmals gegenüber standen. Seien zu diesem Zeitpunkt mehrere künftige Verläufe denkbar, müsse die individuelle Vereinbarung für den Arbeitnehmer bei jeder der möglichen Verläufe günstiger sein. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Auch unter Anwendung der Versorgungsordnung der Beklagten in der Fassung von 2007 erweise sich die Altersversorgung des Klägers nach dieser Versorgungsordnung günstiger als die Altersversorgung über den BVV. Die Vereinbarung der Parteien vom 09. Januar 1987 sei auch wegen Verstoß gegen § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unwirksam. Es stehe damit fest, dass die Versorgungsordnungen in der Fassung von 1987 und von 1991 normativ und zwingend auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung fanden. Demnach könne in die nach diesen Versorgungsordnungen erworbenen Besitzstände durch die Versorgungsordnung von 2007 und deren Regelung nach § 2 Abs.4 nicht mehr eingegriffen werden.

Der Kläger beantragt im Wege der offenen Teilklage,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Dezember 2013 -19 Ca 3380/13 – abzuändern und festzustellen, dass er gegen die Beklagte ab dem Zeitpunkt seines Eintritts in die gesetzliche Altersrente einen Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung der Beklagten gemäß der Versorgungsregelung Dversorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, aufgrund der Vereinbarung vom 09. Januar 1987 habe der Kläger keinen Anspruch auf Teilhabe an später geschaffenen Altersversorgungsregelungen. Es sei auch kein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen. Die Anwendung des Günstigkeitsprinzip setze voraus, dass eine einzelvertragliche Vereinbarung von einer kollektivrechtlichen Regelung abweiche. Eine kollektivrechtliche Regelung auf betriebliche Altersversorgung habe für Neueintritte ab 01. April 1984 -also auch für den Kläger – am 09. Januar 1987 noch nicht bestanden. Ein Günstigkeitsvergleich scheitere auch daran, dass spätere Versorgungsregelungen erst nach Erreichen der Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit von Altersversorgungsansprüchen überhaupt zu einem Anspruch geführt hätten. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der Versorgungsordnung am 28. September 1988 stelle sich die Altersversorgung des Klägers nach dieser Versorgungsordnung nicht als günstigere Regelung dar, da es im Januar 1987 noch keine kollektivrechtliche Regelung gab, sei auch § 77 Abs. 4 BetrVG nicht anwendbar. § 77 BetrVG erfasse nur zukünftige Ansprüche aus kollektiven Regelungen, die zum Zeitpunkt des “Verzichts” bereits bestehen. Die Beklagte meint auch, auf die Frage, ob die spätere Aktualisierung der Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 in erworbene Besitzstände des Klägers eingreife, komme es nicht an, weil Versorgungsordnungen, die nach dem Januar 1987 in Kraft getreten sind, für den Kläger nicht gelten. Im Übrigen sei § 2 Abs. 4 der Versorgungsordnung in der Fassung von 2007 auch nicht wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unwirksam. Aus der Vorschrift folge nicht, dass das Günstigkeitsprinzip keine Anwendung mehr finden soll. Geregelt sei lediglich der Fall, dass die Mitarbeiter, die bereits eine einzelvertragliche Zusage auf Altersversorgung erhalten haben, vom persönlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen werden. Durch die einzelvertragliche Zusage habe der Arbeitnehmer auch eine aus seiner Sicht ausreichende Versorgung begründet. Das Arbeitsgericht habe insofern zutreffend erkannt, dass der Zweck der Vorschrift darin bestehe, doppelte Inanspruchnahmen zu verhindern. Damit liege ein vernünftiger Grund auch für die Ausschlussregelung in der Vereinbarung vom 09. Januar 1987 vor. Die Beklagte meint weiter, der Kläger könne auch im Wege des Schadenersatzes eine betriebliche Altersversorgung nach der Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 nicht verlangen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung vom 09. Januar 1987 habe der Kläger gewusst, dass er eventuelle Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung verliert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 19. Dezember 2013 – 19 Ca 3380/13 – ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit b) ArbGG), außerdem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

Auch in der Sache ist die Berufung des Klägers überwiegend begründet. Der Kläger ist gemäß § 1 b BetrAVG mit einer unverfallbaren Anwartschaft auf Betriebsrente gemäß der durch Betriebsvereinbarung in Kraft gesetzten Versorgungsregelungen der Beklagten zuletzt gemäß dem Stand vom 07. Dezember 2007 mit dem Eintritt in den Vorruhestand zum 30. Juni 2009 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Die Versorgungsregelungen der Beklagten finden auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung.

Die Klage des Klägers ist zunächst zulässig. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt. Das gemäß § 256 Abs.1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG erforderliche besondere Feststellungsinteresse liegt vor.

Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein, sodass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen. Bei einer Feststellungsklage sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einer Leistungsklage. Dabei ist für das Verständnis eines Klageantrags nicht am buchstäblichen Wortlaut der Antragsfassung zu haften und das Gericht ist gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit dahingehend auszulegen, dass eine Sachentscheidung über sie ergehen kann.

Hiernach ist der Klageantrag hinreichend bestimmt. Es ist erkennbar, dass der Kläger die Klärung der Rechtsfrage begehrt, ob er bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente gemäß der Versorgungsordnung der Beklagten Stand: 06. Dezember 2007 hat.

Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung ob diese unverfallbare Anwartschaft nach der Versorgungsordnung der Beklagten besteht. Die Beklagte hat dies in Abrede gestellt. Eine frühzeitige Klärung ist erforderlich, um es dem Kläger zu ermöglichen, seine persönlichen Verhältnisse auf die künftige Versorgungssituation anzupassen bzw. entsprechend Vorsorge zu treffen.

Die Klage ist auch im erkannten Umfang begründet. Der Kläger hat eine unverfallbare Anwartschaft gemäß der durch Betriebsvereinbarung in Kraft getretenen Versorgungsordnung der Beklagten zuletzt Stand 06. Dezember 2007 erworben. Ein individualrechtlicher Verzicht des Klägers auf diesen Anspruch wie auch ein kollektivrechtlicher Ausschluss des Klägers von den Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung bei der Beklagten ist wegen Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip unwirksam.

Die Auslegung des Schreibens vom 09. Januar 1987 ergibt, dass der Kläger auf Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung gegenüber der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin verzichtet hat. Die Regelungen der betrieblichen Altersversorgung bei der Beklagten sollten für ihn nicht gelten. Damit können nur die noch nicht beschlossenen “neuen” Versorgungsregelungen für die nach dem 01. April 1984 neu eingestellten Mitarbeiter gemeint sein, die seit 1984 verhandelt wurden und zu der Betriebsvereinbarung nebst Versorgungsordnung vom 28. September 1988 führten. Es kann deshalb der Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass vorliegend deshalb das sog. Günstigkeitsprinzip nicht anwendbar sein soll, weil im Zeitpunkt der Verzichtserklärung des Klägers die beabsichtigte Versorgungsregelung noch nicht in Kraft war. Im Übrigen schließt sich das Berufungsgericht den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichtes im Urteil vom 27. Januar 2004 – 1 AZR 148/03 – (BAGE 109, 244 ff., 249 f. = AP Nr. 166 zu § 112 BetrVG 1972) an. Hier hat das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf Sozialplanansprüche ausgeführt, dass nach dem Günstigkeitsprinzip ein Anspruchsverzicht in einer Individualvereinbarung dann unwirksam ist, wenn diese nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers wirkt. Abzustellen ist dabei bezüglich des Vergleichs der individualrechtlichen mit der kollektivrechtlichen Regelung auf den Zeitpunkt, zu dem sich Betriebsvereinbarung und einzelvertragliche Abrede erstmals konkurrierend gegenüber stehen. Zu diesem Zeitpunkt muss feststehen, dass die von der Betriebsvereinbarung abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist. Dieser Zeitpunkt ist vorliegend das Kalenderjahr 1988.

Der Betriebsrentenanspruch des Klägers durch Versicherung beim BVV ist bezogen auf diesen Vergleichszeitpunkt nicht günstiger für den Kläger als eine 1988 begründete Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung nach der Betriebsvereinbarung vom 28. September 1988. Der Kläger hätte nach der Versorgungsordnung vom 28. September 1988 – weil er zu diesem Zeitpunkt bereits das 17. Lebensjahr vollendet hatte – eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente erworben. Dass diese Anwartschaft 1988 noch nicht unverfallbar war, ist unerheblich, weil es eben auch – wie im Streitfall geschehen – dazu kommen kann, dass ein Arbeitnehmer erst nach Eintritt der Unverfallbarkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Es handelt sich also insoweit auch nicht um einen unwahrscheinlichen Kausalverlauf. Dass im Übrigen der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nach der Versorgungsordnung der Beklagten vom 28. September 1988 weitaus günstiger ist als der Anspruch aus der Versicherung beim BVV, ist unabhängig davon, ob die Berechnung der Betriebsrente des Klägers im Detail richtig ist, nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Die Beklagte hat der Berechnung des Klägers insoweit auch nicht widersprochen. Zusätzliche Leistungen des BVV wie Zuschüsse zum Zahnersatz und Zuschüsse zum Heilverfahren sind nicht zu berücksichtigen, weil es sich hierbei nicht um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung handelt und die Beklagte im Übrigen ähnliche Leistungen erbringt.

Hat der Kläger damit einen Betriebsrentenanspruch nach der Versorgungsordnung vom 28. September 1988 erworben, so stellt sich auch entgegen der Annahme der Beklagten die Frage, ob nachfolgende Betriebsvereinbarungen in die bereits erdiente Anwartschaft des Klägers eingreifen können. Dabei ist zunächst der bis zum Inkrafttreten der “verschlechternden” Folgebetriebsvereinbarung – hier der Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 – der bis zu diesem Zeitpunkt erdiente Besitzstand, der sich entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG berechnet, geschützt. Bei entgeltbezogenen Versorgungszusagen ist auch die dienstzeitunabhängige erdiente Dynamik geschützt (BAG, 15.05.2012 – 3 AZR 11/10 – AP Nr. 55 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob aufgrund der Einlassung der Beklagten, dass die Regelung in § 2 Abs. 4 der Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 nicht besage, dass das Günstigkeitsprinzip keine Anwendung findet, die entsprechende Vorschrift (§ 2 Abs.4 der Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007) so auszulegen ist, dass ein Ausschluss des Arbeitnehmers von den Regelungen der Versorgungsordnung nur für den Fall gilt, dass die einzelvertragliche Versorgungszusage für den Arbeitnehmer günstiger ist. Folgt man dieser Auslegung nicht und versteht § 2 Abs. 4 der Versorgungsordnung in der Fassung vom 06. Dezember 2007 so, dass sämtliche Arbeitnehmer mit Einzelzusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von dem Anwendungsbereich der Versorgungsordnung ausgenommen sind, so wäre nach Dafürhalten des Berufungsgerichtes die Regelung unwirksam. Das Günstigkeitsprinzip als ein richterrechtliches Rechtsinstitut steht nicht zur Disposition der Betriebsparteien. Allerdings kann der Kläger nicht beide Betriebsrentenleistungen verlangen. Soweit die Leistungen des BVV auf Beitragszahlungen der Beklagten beruhen, sind sie mit seinem Betriebsrentenanspruch gegenüber der Beklagten zu verrechnen. Eine entsprechende Regelung enthält z. B. der Sozialkatalog Ziff. 4 Abs.2. Diese hat hier analog Anwendung zu finden.

Der Kläger hat schließlich auch nicht im Ziff. 8 der Vorruhestandsvereinbarung auf Betriebsrentenansprüche verzichtet. Grundsätzlich unterliegen nur die jeweiligen Betriebsrentenzahlungen einer Ausschlussfrist und nicht das Rentenstamm recht.

Darüber hinaus mangelt es vorliegend jedoch auch an der gemäß § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG erforderlichen Zustimmung des Betriebsrates.

Die Kosten des Rechtsstreites waren im Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens zu teilen.

Die Zulassung der Revision beruht auf grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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