LAG Hessen, 27.03.2015 – 3 Sa 696/14 Keine persönliche Haftung des Geschäftsführers einer insolventen GmbH

April 28, 2019

LAG Hessen, 27.03.2015 – 3 Sa 696/14
Keine persönliche Haftung des Geschäftsführers einer insolventen GmbH
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 05. Februar 2014 – Az.: 8 Ca 208/13 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz für entgangenes Einkommen.

Der Beklagte war Mitte März 2010 Geschäftsführer der A GmbH (im Folgenden: A) geworden, um deren Teilnahme am Spielbetrieb der Deutschen Eishockeyliga sicherzustellen. Die A haben noch in der Spielsaison 2009/2010 mit bezahlten Spielern in der höchsten Spielklasse am Spielbetrieb der Deutschen Eishockeyliga teilgenommen. Die Deutschen Eishockeyliga ist als GmbH organisiert. Ihre Gesellschafter sind Eishockey-“Vereine” (dabei ist Verein im umgangssprachlichen und nicht im juristischen Sinne gemeint). Im März 2010 waren unter anderem die A Gesellschafter der Deutschen Eishockeyliga. Der Gesellschaftsvertrag der DEL sieht unter anderem in § 18 Abs. 2 c eine Ausschlussmöglichkeit für diejenigen Gesellschafter vor, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (wegen der Einzelheiten des § 18 wird auf Bl. 13 – 15 d. A. Bezug genommen).

Der Kläger ist Eishockeyprofi und hat am 30. März 2010 bei den A einen Arbeitsvertrag für die Eishockeyspielsaison 2010/2011 und 2011/2012 unterzeichnet. Die Vertragsverhandlungen mit dem Kläger hat der damalige sportliche Leiter der A, Herr D geführt. In der ersten Spielzeit von August 2010 bis April 2011 sollte der Kläger nach dem schriftlichen Vertrag ein Gesamtnettogehalt von 62.500,00 Euro zuzüglich kostenloser Unterkunft, Auto und Flüge erhalten. Am Ende des Arbeitsvertrages heißt es: “Dieser Vertrag ist nur für die DEL wirksam”, wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 26 – 28 d. A. Bezug genommen.

Wenige Tage nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages hat der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A beantragt. Am 28. April 2010 hat das Amtsgericht Kassel das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. F zum Insolvenzverwalter bestellt (Bl. 16 d. A.). Vor dem Hintergrund des Insolvenzverfahrens hat die DEL die A vom Spielbetrieb der DEL ausgeschlossen. Hiergegen haben sich die A gerichtlich zur Wehr gesetzt und verschiedene gerichtliche Streitigkeiten geführt unter anderem beim Landgericht und Oberlandesgericht Köln (Einstweilige Verfügung des LG Köln vom 05. Juli 2010, Aktenzeichen 85 O 72/10), beim OLG München und beim Schiedsgericht der DEL.

Im Kontext dieser gerichtlichen Streitigkeiten hat der Kläger mit Datum vom 28. Mai 2010 (Bl. 18 d. A.), 01. Juli 2010 (Bl. 108 – 109 d. A.), 03. Juli 2010 (Bl. 110 – 111 d. A.), 05. Juli 2010 (Bl. 112 – 114 d. A.) und 23. Juli 2010 (Bl. 22 – 23 d. A.) verschiedene E-Mails des Pressesprechers der A, I, zur Unterrichtung über den aktuellen Sachstand erhalten.

Mit einem in deutscher Sprache abgefassten und mit Anwaltsbriefkopf versehenen Schreiben vom 06. Juli 2010 (Bl. 24 – 25 d. A.) hat sich der Beklagte selbst an die Spieler gewendet mit. Darin hat es geheißen:

“Sehr geehrte Herren,

ich wende mich an Sie in meiner Eigenschaft als Geschäftsführer der A GmbH. Wir haben mit Ihnen einen Vertrag für die Saison 2010/2011 abgeschlossen, der nur Gültigkeit für die DEL hat.

Diese Verträge sind gültig, wenn die A in der DEL spielen und das werden sie tun.

Mit der Einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln vom gestrigen Tage sind die A zum Spielbetrieb in der neuen Saison zugelassen worden. Diese Entscheidung ist so lange gültig wie ein Gericht in einem Hauptsacheverfahren nicht anders entscheidet. Eine solche anderslautende Entscheidung ist allerdings nicht zu erwarten, nachdem wir inzwischen die vierte Entscheidung des ordentlichen Gerichts in dieser Sache zu unseren Gunsten bekommen haben.

Sie und ich können also sicher davon ausgehen, dass in der nächsten Saison in der DEL spielen werden.

Weil ich in dieser Angelegenheit absolut sicher bin, habe ich Anweisung gegeben, dass jetzt mit dem Vorverkauf der Dauerkarten begonnen werden kann, dies hatte ich zunächst noch zurückgestellt.

Gehen auch Sie daher bitte davon aus, dass jetzt endgültig der Verbleib der A in der DEL gesichert ist. Wir werden den Vertrag mit Ihnen erfüllen, also erfüllen Sie bitte ebenfalls den Vertrag mit uns und lassen Sie sich nicht den Einflüsterungen anderer Clubs beeinflussen. Ein Wechsel zu einen anderen Club zu jetzigen Zeitpunkt wäre im Übrigen auch ein klarer Vertragsbruch.

Lassen Sie uns in der neuen Saison den anderen Clubs zeigen, zu welchen Höchstleistungen die A in der Lage sind.

Mit allen guten Wünschen für Sie und freundlichen Grüßen

Ihr

Dr. J

Rechtsanwalt

Geschäftsführer

A”,

wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 24 und 25 d. A. Bezug genommen.

Zum 01. August 2010 hat der Kläger das Training bei den A aufgenommen. Nachdem das OLG München als Schiedsgericht der DEL noch im August 2010 den Ausschluss der A vom Spielbetrieb der DEL bestätigt hat, und auch die vor dem OLG Köln geführten Rechtsstreitigkeiten in der Hauptsache letztlich zu Ungunsten der A ausgingen, hat der Beklagte den Kläger darüber mit Schreiben vom 30. August 2010 informiert und rein vorsorglich zugleich das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2010 gekündigt. Für August 2010 hat der Kläger eine Gehaltszahlung nicht erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhaltes, des streitigen Vorbringens in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Seite 2 – 6 des Urteils, Bl. 166 – 170 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte hafte zunächst nicht auf Grund einer Nebenpflichtverletzung bei den Vertragsverhandlungen nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 BGB. Angesichts von § 13 Abs. 2 GmbHG hafte ein Geschäftsführer als Vertreter der GmbH wegen eines Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen nur ausnahmsweise persönlich, wenn er dem Vertragsgegenstand besonders nahe stehe und bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichsam in eigener Sache handele oder gegenüber dem Vertragspartner in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und damit die Vertragsverhandlungen beeinflusst habe. Derartige außergewöhnliche Umstände seien vom Kläger nicht dargelegt worden. Mangels Teilnahme des Beklagten an den Gesprächen im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung habe er auch nicht seinen Beruf, seine besondere Sachkenntnis oder seine persönliche Seriosität eingesetzt, um beim Kläger die Erwartung der Vertragserfüllung zu wecken. Gleiches gelte im Ergebnis für eine vertragliche Eigenhaftung des Beklagten für den Fall, dass der Kläger bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages über die wirtschaftliche Situation der A und den anstehenden Insolvenzantrag nicht aufgeklärt werden sein sollte.

Der Beklagte hafte auch nicht nach den §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB. Denn jedenfalls lasse sich die Erfüllung des subjektiven Tatbestands des Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB, nämlich die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, nicht feststellen. Der Kläger habe keine konkreten Tatsachen dafür vorgetragen, dass der Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages am 30. März 2010 bewusst die wirtschaftliche Lage der A verschwiegen habe. Insbesondere sei nicht widerlegt, dass der Beklagte in dem Glauben gehandelt habe, trotz einer Insolvenz einen Ausschluss der A vom Spielbetrieb der DEL verhindern zu können.

Eine persönliche Verantwortung des Beklagten für die vom Pressesprecher der A in der Zeit vom 28. Mai 2010 bis 05. Juli 2010 versendeten E-Mails habe der Kläger nicht substantiiert dargetan, zumal der Beklagte vorgetragen habe, dass er von den E-Mails nichts gewusst habe. Das vom Beklagten selbst verfasste Schreiben vom 06. Juli 2010 begründe ebenfalls keine deliktische Eigenhaftung des Beklagten. Trotz der darin vertretenen Rechtsauffassung, ein Ausschluss der A vom Spielbetrieb der DEL sei nicht möglich, dokumentiere das Schreiben dennoch eine bestehende Unsicherheit und die Abhängigkeit der zukünftigen Entwicklung von anstehenden gerichtlichen Entscheidungen in der Hauptsache. Insgesamt habe der Beklagte den Kläger darin nicht in rechtswidriger Weise über die tatsächliche und rechtliche Situation der A getäuscht.

Ein Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger auch nicht nach § 826 BGB zu. Neben anderen Voraussetzungen setze die Verwirklichung des § 826 BGB einen Schädigungsvorsatz voraus, die Möglichkeit einer Schädigung müsse erkannt und für den Fall ihres Eintritts billigend in Kauf genommen werden. Davon könne vorliegend nicht ausgegangen werden.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 05. Februar 2014 ist dem Kläger am 23. April 2014 zugestellt worden. Dieser hat mit am 22. Mai 2014 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach rechtzeitig beantragter und verlängerter Berufungsbegründungsfrist, mit am 23. Juli 2014 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger meint, der Anwendungsbereich des § 311 Abs. 2 und 3 BGB sei nicht ausschließlich auf den vorvertraglichen Bereich beschränkt. Insbesondere könne auch im laufenden Vertragsverhältnis ein Vertrauenstatbestand entstehen, wenn ein eigentlich nicht am Vertrag Beteiligter im besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch nehme, um – wie hier – die Vertragsaufrechterhaltung zu erreichen. Entsprechend hätte das Arbeitsgericht Kassel prüfen müssen, ob der Beklagte mit dem Schreiben vom 06. Juli 2010 ein besonderes Vertrauen des Klägers für sich in Anspruch genommen habe. Jedenfalls habe der Beklagte mit dem Schreiben durch das Entstellen wahrer Tatsachen einen Irrtum beim Kläger erregt. Gerade für den Kläger als rechtlichen Laien, der zudem aus einem anderen Rechtssystem komme, sei keineswegs erkennbar gewesen, dass eine einstweilige Verfügung in dem konkreten Fall nicht den endgültigen Verbleib der A in der DEL bedeute. Im Rahmen der deliktischen Haftung des Beklagten werde an die Darlegungslast des Klägers höhere Anforderungen als an die des Beklagten gestellt. Obwohl die E-Mails des Pressesprechers rechtliche Würdigungen enthielten, die nicht unmittelbar vom Pressesprecher stammen könnten, lasse das Arbeitsgericht die schlichte Behauptung des Beklagten, von den E-Mails nichts zu wissen, genügen, während es andererseits beim klägerischen Vortrag pauschale Behauptungen annehme. Im Rahmen einer Haftung des Beklagten nach § 826 BGB habe dieser die Möglichkeit der Schädigung des Klägers im Zeitpunkt des Verfassens des Schadens vom 06. Juli 2010 erkannt und auch billigend in Kauf genommen. Die Schädigung des Klägers habe sich aus dem Umstand ergeben, dass er Ende August 2010 ohne Arbeitsverhältnis für die Eishockeysaison 2010/2011 und mithin ohne Einkommen für diesen Zeitraum war. Dem Beklagten sei bereits vor Stellung des Insolvenzantrages seitens der DEL mitgeteilt worden, dass für diesen Fall eine Kündigung des Lizenzvertrages beabsichtigt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 05. Februar 2014, Az.: 8 Ca 208/13, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 25.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. März 2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er vertritt die Rechtsauffassung, dass eine Vertrauenshaftung aus § 280 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB nur im vorvertraglichen Stadium möglich sei. Entsprechend könne ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2, Abs. 3 BGB mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB nur im vorvertraglichen Stadium entstehen. Auch habe der Beklagte mit seinem Schreiben vom 06. Juli 2010 kein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen. Eine Haftung des Beklagten aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB scheitere bereits daran, dass sowohl der subjektive als auch der objektive Betrugstatbestand nicht erfüllt seien. Insbesondere habe der Beklagte mit dem Schreiben vom 06. Juli 2010 nicht durch Entstellen wahrer Tatsachen einen Irrtum beim Kläger erregt. Das Risiko, dass die A in der Saison 2010/2011 nicht in der DEL spielen werden, sei dem Kläger und allen übrigen Spielern der A bekannt gewesen und er habe es bewusst in Kauf genommen. Eine Haftung des Beklagten aus § 826 BGB scheide bereits deshalb aus, weil er im Zeitpunkt des Schreibens davon ausgegangen sei, dass ein Ausschluss der A aus der DEL rechtlich nicht möglich sein werde. Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger in der Eishockeysaison 2010/2011 ohne Einkommen war und meint, der Kläger habe einen etwaigen Schadensersatzanspruch der Höhe nach in keinster Weise substantiiert und schlüssig dargelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

A. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 05. Februar ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, § 64 Abs. 2 b ArbGG. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, und insgesamt zulässig.

B. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Kassel die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu.

I. Das Berufungsgericht schließt sich dem angefochtenen Urteil im Ergebnis und in der Begründung an. Das Berufungsgericht macht sich die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu Eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf sie.

Das Berufungsvorbringen der Parteien ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts. Es gibt Anlass zu folgenden Ausführungen und Ergänzungen:

II. Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass dem Kläger gegen den Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 241 Abs. 2 i. V. m. § 311 Abs. 3 BGB zusteht.

1. Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten scheiden schon deswegen aus, weil es zwischen den Parteien des Rechtsstreites zu keinen Vertragsbeziehungen gekommen ist, § 311 Abs. 1 BGB, denn der Beklagte hat den Arbeitsvertrag mit dem Kläger für die A als deren Geschäftsführer unterzeichnet.

2. Soweit das Arbeitsgericht angenommen hat, der Beklagte hafte nicht auf Grund einer Nebenpflichtverletzung bei den Vertragsverhandlungen, wurde dies vom Kläger in der Berufung nicht angegriffen, sodass weitere Ausführungen des Berufungsgerichts dazu nicht veranlasst sind.

3. Soweit der Kläger auch im Berufungsverfahren meint, eine Haftung des Beklagten sei im Hinblick auf dessen Schreiben vom 06. Juli 2010 begründet, vermag sich das Berufungsgericht dem nicht anzuschließen.

Allerdings kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch zu Personen entstehen, die – wie vorliegend der Beklagte – nicht selbst Vertragspartner werden sollen, § 311 Abs. 3 BGB (BAG 20. März 2014 – 8 AZR 45/13 – Rn. 22, NJW 2014, 2669 [BAG 20.03.2014 – 8 AZR 45/13]; BAG 13. Februar 2007 – 9 AZR 106/06 – Rn. 15, DB 2007, 1690 [BAG 13.02.2007 – 9 AZR 106/06]). Es kann dahinstehen, ob dies ausschließlich für den vorvertraglichen Bereich gilt und ob der Beklagte mit seinem Schreiben vom 06. Juli 2010 ein zusätzliches, von ihm selbst ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen in Anspruch genommen hat oder sich lediglich als Organ des Arbeitgebers an die Mitarbeiter gewendet hat.

Entscheidend ist insoweit, dass bereits der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, dass allein die Vertrauenswürdigkeit des Beklagten als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter die beeinflussende Rolle dafür gespielt hat, dass er, nach dem Schreiben des Beklagten vom 06. Juli 2010, es unterlassen hat, sich einen anderen Eishockeyverein zu suchen.

Darüber hinaus ist entscheidend, dass der Beklagte mit seinem Schreiben vom 06. Juli 2010 keine ihm aus § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflichten verletzt hat. Zu diesem Schreiben hat die Kammer 16 des Hessischen Landesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen bereits ausgeführt: “Das Schreiben enthält eine zwar optimistische, aber ausführliche und den Tatsachen entsprechende Schilderung der Sachlage. Der Beklagte weist in dem Schreiben zutreffend darauf hin, dass bislang lediglich eine vorläufige Zulassung zum Spielbetrieb und die am Vortrag ergangene einstweilige Verfügung noch abgeändert werden kann. Gleichwohl durfte er auf Grund dieser Entscheidung des LG Köln auf einen Verbleib der A in der DEL hoffen und deshalb an die Vertragstreue der Spieler appellieren. Unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts durften die Spieler das Schreiben vom 06. Juli 2010 so verstehen, dass – sofern die ergangene Entscheidung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren nicht abgeändert wird – die Teilnahme am Spielbetrieb in der DEL gesichert ist. Aus dem vierten Absatz des Schreibens (“sie und ich können also sicher davon ausgehen, dass wir in der DEL spielen werden”) ergibt sich kein darüber hinaus gehender Inhalt. Die Systematik des Schreibens vom 06. Juli ist dadurch gekennzeichnet, dass sich dessen vierter Absatz auf den dritten Absatz bezieht, was auch durch die Verwendung des Wortes “also” zum Ausdruck kommt. Diese Mitteilung entsprach den Tatsachen und verletzt deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere kommt das Risiko, dass sich die Sachlage noch ändern kann, für die Adressaten hinreichend deutlich zum Ausdruck. Dies ergibt sich daraus, dass die Entscheidung “so lange gültig (ist), wie ein Gericht im Hauptsacheverfahren nicht anders entscheidet.” Damit musste den Spielern klar sein, dass eine Teilnahme am Spielbetrieb der DEL in der kommenden Saison noch nicht endgültig feststeht. Weitere rechtliche Hinweise des Beklagten, wie vom Kläger in der Berufungsbegründung gefordert, waren vor diesem Hintergrund entbehrlich. Insbesondere bedurfte es keines Hinweises, dass der Wegfall der Arbeitsverträge durch Bedingungseintritt droht. Dass der Arbeitsvertrag des Klägers nur für die DEL gilt, ergibt sich aus dessen Nummer 15. Diese Bestimmung war dem Kläger bekannt. Im Übrigen weist Absatz 2 des Schreibens vom 06. Juli 2010 ausdrücklich darauf hin, dass die (Arbeits-)Verträge nur gültig sind, wenn die B in der DEL spielen. Der Beklagte brauchte die Spieler auch nicht aufzufordern, sich um andere Beschäftigungsverhältnisse zu bemühen. Auf Grund der Entscheidung des LG Köln in dem einstweiligen Verfügungsverfahren durfte er zum Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens vom 06. Juli 2010 davon ausgehen, dass die Mannschaft in der kommenden Saison am Spielbetrieb der DEL teilnimmt. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte mit seinem Verhalten auch nicht das wirtschaftliche Risiko voll auf den Kläger und die anderen Spieler abgewälzt. Der Beklagte hat lediglich darauf hingewiesen, dass derzeit davon auszugehen ist, dass die A in der kommenden Spielzeit in der DEL spielen und der Kläger deshalb seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen hat.” (so ausdrücklich Hessisches Landesarbeitsgericht, 26. Januar 2015 – 16 Sa 969/14; 30. Juni 2014 – 16 Sa 127/14 und 16 Sa 128/14 -). Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an.

IV. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB steht dem Kläger gegen den Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu.

Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 06. Juli 2010 keine falschen Tatsachen vorgespiegelt, sondern im Ergebnis die Tatsachenlage zutreffend dargestellt und insbesondere darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des LG Köln nur so lange gültig ist, wie ein Gericht in einem Hauptsacheverfahren nicht anders entscheidet. Hierauf bezieht sich auch der nachfolgende Satz: “Sie und ich können also sicher davon ausgehen, dass wir in der nächsten Saison in der DEL spielen werden”. Insgesamt ist damit auch für den Kläger als juristischen Laien erkennbar, dass eine Teilnahme am Spielbetrieb der DEL sichergestellt ist, solange ein Gericht in einem Hauptsacheverfahren nicht anders entscheidet.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren anführt, dass Arbeitsgericht habe unterschiedlich hohe Maßstäbe an die Darlegungslast des Klägers und des Beklagten angelegt, vermag dies nicht zu überzeugen. Insoweit wiederholt der Kläger seine Behauptung, die zur Akte gereichten E-Mails vom 28. Mai bis 05. Juli 2010 des Pressesprechers der A seien auf Veranlassung des Beklagten verschickt worden.

Angesichts des diesbezüglichen Bestreitens des Beklagten hätte es dem Kläger oblegen, entweder substantiiert Tatsachen dazu vorzutragen, die den Schluss rechtfertigen, dass die Mails auf Veranlassung des Beklagten versendet wurden oder Beweis dafür anzutreten, dass die Mails auf Veranlassung des Beklagten versendet wurden. Beides ist nicht erfolgt. Dies geht zu Lasten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers.

III. Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass dem Kläger auch kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB zusteht.

Wie bereits dargelegt, hat der Beklagte den Kläger mit seinem Schreiben vom 06. Juli 2010 keine falschen Tatsachen vorgespiegelt oder in die Irre geführt.

C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Für die Zulassung der Revision gibt es keinen gesetzlich veranlassten Grund nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 – 3 ArbGG.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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