LAG Hessen, 27.07.2015 – 16 Sa 61/15

April 22, 2019

LAG Hessen, 27.07.2015 – 16 Sa 61/15
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 25. November 2014 – 9 Ca 47/14 – wird zurückgewiesen.

Hinsichtlich der erstinstanzlich angefallenen Kosten bleibt es bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu sieben Achtel und die Beklagte zu einem Achtel.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.

Der am xxxxxxxx geborene Kläger begann am 10. August 2010 bei der A eine Berufsausbildung zur Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen (FKEP), die ab 1. Januar 2012 von der Beklagten weitergeführt wurde. Insoweit wird auf den Berufsausbildungsvertrag vom 4. Juli 2010 (Bl. 83 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte, die ver.di – vereinte Dienstleistungsgewerkschaft und der bei der Beklagten gebildete Gesamtbetriebsrat schlossen am 5. Oktober 2011 eine Vereinbarung (Bl. 84 d.A.), die Folgendes regelt:

“Vereinbarung

Die Parteien vereinbaren folgendes Vorgehen:

(…)

3. Allen geeigneten FKEP des Einstellungsjahrgangs 2010 der B und A wird nach erfolgreich bestandener Prüfung eine Übernahme bei der B ermöglicht, sofern sie im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis sind. Die Übernahme erfolgt unbefristet und in Vollzeit. Zusätzlich werden die TOP-Azubis (mindestens 5 % des Anstellungsjahrgangs) der B in der jeweiligen Ausbildungsniederlassung übernommen.”

Der Kläger, der seit September 2010 Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist seit 11. April 2011 im Besitz des Führerscheins. Er schloss die Berufsausbildung am 14. Juni 2012 erfolgreich ab (Bl. 85 d.A.). Am selben Tag vereinbarten die Parteien einen bis 14. Dezember 2012 befristeten Arbeitsvertrag; insoweit wird auf Bl. 120 d.A. Bezug genommen. Dieser wurde am 14. Dezember 2012 bis 30. Juni 2013, am 14. Juni 2013 bis 31. Dezember 2013 und am 27. Dezember 2013 bis 8. Februar 2014 verlängert; wegen der zuletzt vereinbarten Verlängerungsvereinbarung, die von den für die Beklagte Handelnden mit “i.A.” unterschrieben wurde, wird auf Bl. 9, 10 d.A. verwiesen.

Der Kläger wurde in Vollzeit als Zusteller mit einer Bruttomonatsvergütung von 1.850 € beschäftigt. Mit Schreiben vom 25. März 2013 (Bl. 107, 108 d.A.) erteilte die Beklagte ihm eine Abmahnung.

Mit seiner am 28. Februar 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die zuletzt vereinbarte Befristung sei wegen fehlender Schriftform unwirksam, weil die Unterzeichner des Vertrages auf Arbeitgeberseite nicht zeichnungsberechtigt gewesen seien.

Hierzu hat die Arbeitgeberseite vorgetragen, der Unterzeichner C sei zu diesem Zeitpunkt Leiter des Zustellstützpunktes (ZSPL) D gewesen und hat eine auf ihn lautende Einzelvollmacht (Bl. 48 d.A.) vorgelegt. Der Unterzeichner E sei zuständig für den Personaleinsatz des ZSPL. Zu seinem Aufgabenbereich gehöre die Unterzeichnung von Arbeitsverträgen. Hieraus ergebe sich seine Befugnis zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrages des Klägers.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 52-53 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Befristung sei nach § 14 Absatz 2 TzBfG wirksam. Die Schriftform des § 14 Absatz 4 TzBfG sei gewahrt, da der rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der Urkunde Ausdruck gefunden habe, weil die Unterzeichner ausdrücklich für den Arbeitgeber gehandelt hätten. Ob die Handelnden tatsächlich bevollmächtigt gewesen seien könne dahinstehen, da die Beklagte deren Handeln zumindest stillschweigend nach § 177 Absatz 1 BGB genehmigt habe.

Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17. Dezember 2014 zugestellt. Er hat dagegen am 19. Januar 2015 (Montag) Berufung eingelegt und diese -nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 17. März 2015- am 17. März 2015 begründet. Die Berufungsbegründung wurde der Beklagten am 27. März 2015 zugestellt. Auf rechtzeitigen Antrag wurde die Berufungserwiderungsfrist bis 27. Mai 2015 verlängert. Am selben Tag ging die Berufungserwiderung beim Landesarbeitsgericht ein. Diese enthielt auch eine Anschlussberufung (Rückforderung einer Überzahlung in Höhe von 793,49 € nebst Zinsen), die die Beklagte im Termin am 27. Juli 2015 zurücknahm.

Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Bevollmächtigung der Handelnden nicht dahinstehen lassen dürfen. Aus dem Zusatz “i.A.” folge lediglich ein Handeln als Bote, nicht als Vertreter. Eine erst nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgte Genehmigung erfolge zu spät, weil die Unterzeichnung eines befristeten Arbeitsvertrages fristgebunden sei. Jedenfalls handele die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich auf die Befristung berufe. Mit dem Abschluss der Vereinbarung vom 5. Oktober 2011 habe sie sich verpflichtet, dem Kläger einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Deshalb sei jedenfalls dem nunmehr gestellten Hilfsantrag stattzugeben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 25. November 2014 – 9 Ca 47/14 – abzuändern und

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der am 27. Dezember 2013 vereinbarten Befristung am 8. Februar 2014 beendet worden ist,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages als vollbeschäftigter Zusteller im Bereich der Verbundzustellung mit Wirkung ab dem 9. Februar 2014 zu unterbreiten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Bevollmächtigung der Mitarbeiter C und E habe die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen, sodass es auf § 177 BGB nicht ankomme. Die gesetzlichen Vorgaben des § 14 Absatz 2 TzBfG seien eingehalten. Der Hilfsantrag sei unbegründet. Die Vereinbarung vom 5. Oktober 2011 habe lediglich schuldrechtliche Wirkung, zwischen den dortigen Vertragspartnern, sie sei weder Tarifvertrag, noch Gesamtbetriebsvereinbarung. Die von der Beklagten abgeschlossenen Tarifverträge seien ausnahmslos als solche gekennzeichnet und mit durchgehenden Nummern versehen. Entsprechendes gelte für die Gesamtbetriebsvereinbarungen. Auch aus der Überschrift (“Vereinbarung”) und dem einleitenden Satz (“Die Parteien vereinbaren folgendes Vorgehen”) ergebe sich, dass es sich nicht um eine Kollektivvereinbarung handeln sollte. Ziffer 3 der Regelung sei sehr weich formuliert (“Allen geeigneten FKEP (…) wird eine Übernehme ermöglicht”). Auch dies spreche dafür, dass eine Anspruchsgrundlage nicht habe geschaffen werden sollen. Jedenfalls sei der Kläger für eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht geeignet. Bereits seit der Fortsetzung seines Berufsausbildungsverhältnisses, d.h. ab 1.1.2012, habe der Kläger erhebliche Ausfallzeiten aufgewiesen. Außerdem hätten seine Leistungen weder in Bezug auf Qualität noch Quantität den bei der Beklagten bestehenden Anforderungen entsprochen. Trotzdem sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu bewähren. Während dieser Zeit habe er abgemahnt werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist statthaft, § 8 Absatz 2 ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2b ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

Die zuletzt vereinbarte Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages, gegen die sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage nach § 17 TzBfG wendet, ist wirksam. Nach § 14 Absatz 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der befristete Arbeitsvertrag wurde zunächst für die Zeit vom 14. Juni 2012 bis 14. Dezember 2012 geschlossen und sodann drei Mal bis 8. Februar 2014 verlängert. Ein Verstoß gegen das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG liegt nicht vor, denn ein Berufsausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis iSd. Vorbeschäftigungsverbots für eine sachgrundlose Befristung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (Bundesarbeitsgericht 21. September 2011 -7 AZR 375/10- Rn. 14ff).

Die Verlängerung der Befristung des Arbeitsvertrags vom 27. Dezember 2013 (Bl. 9, 10 der Akten) wahrt das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG. Die von § 14 Abs. 4 TzBfG für die Befristung von Arbeitsverträgen vorgesehene Schriftform erfordert nach § 126 Abs. 1 BGB, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen unterzeichnet wird. Bei einem Vertrag wie einer Befristungsabrede müssen die Parteien nach § 126 Abs. 2 S. 1 BGB regelmäßig auf derselben Urkunde unterzeichnen. Wird ein Vertrag für eine Vertragspartei von einem Vertreter im Sinne von § 164 Abs. 1 BGB unterzeichnet, muss das Vertretungsverhältnis in der Vertragsurkunde deutlich zum Ausdruck kommen. Das kann insbesondere durch einen entsprechenden Zusatz bei der Unterschrift erfolgen. Für die Frage, ob jemand eine Erklärung in fremdem Namen abgibt, kommt es auf den objektiven Erklärungswert an. Nach §§ 133, 157 BGB ist maßgeblich, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen darf. Dabei sind außer dem Erklärungswortlaut alle Umstände zu berücksichtigen, die unter Beachtung der Verkehrssitte Schlüsse auf den Sinn der Erklärung zulassen. Von Bedeutung sind insbesondere die dem Rechtsverhältnis zu Grunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand angehört, und verkehrstypische Verhaltensweisen. Die gesetzliche Schriftform (§ 126 BGB) ist nur gewahrt, wenn der ermittelte rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der Urkunde jedenfalls andeutungsweise Ausdruck gefunden hat. Ist eine Erklärung mit dem Zusatz “im Auftrag” unterschrieben, kann das im Einzelfall dafür sprechen, dass der Unterzeichner nicht selbst handelnd wie ein Vertreter die Verantwortung für den Inhalt der von ihm unterzeichneten Erklärung übernehmen will. Der Zusatz “in Vertretung” deutet demgegenüber darauf hin, dass der Erklärende selbst für den Vertretenen handelt. Bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen Auslegung der Erklärung ist aber zu berücksichtigen, dass im allgemeinen, unjuristischen Sprachgebrauch nicht immer hinreichend zwischen “Auftrag” und “Vertretung” unterschieden wird. Die Zusätze “in Vertretung” und “im Auftrag” werden häufig nur verwendet, um unterschiedliche Hierarchieebenen auszudrücken. Maßgeblich sind vielmehr die Gesamtumstände. Ergibt sich daraus, dass der Unterzeichner die Erklärung ersichtlich im Namen eines anderen abgegeben hat, ist von einem Handeln als Vertreter auszugehen. Für die Wahrung der Schriftform kommt es nicht darauf an, ob der Unterzeichner tatsächlich bevollmächtigt war (Bundesarbeitsgericht 4. Mai 2011 -7 AZR 252/10-Rn. 32,33; 25. März 2009 -7 AZR 59/08- Rn. 30,31).

Die zuletzt abgeschlossene Befristungsvereinbarung vom 27. Dezember 2013 ist von beiden Vertragspartnern im Original auf derselben Urkunde handschriftlich unterzeichnet. Für die Beklagte erfolgte dies zwar nicht durch ihre gesetzlichen Vertreter, aber durch Vertreter im Sinne von § 164 Abs. 1 BGB. Die für die Beklagte Handelnden wollten nicht im eigenen Namen einen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen, sondern im Namen der Beklagten. Dies ergibt sich daraus, dass sie ausweislich des Vertragsformulars, wie der Schriftzug oberhalb ihrer Unterschrift “für den Arbeitgeber” zeigt, in dessen Namen tätig wurden. Hieraus folgt zugleich, dass sie -auch wenn sie den Zusatz “im Auftrag” verwendeten- nicht lediglich als Bote tätig wurden, sondern eine eigene Willenserklärung im Namen der Beklagten abgeben wollten.

Das Bestreiten der Vertretungsmacht ist unerheblich. Sollten die Unterzeichner der Vereinbarung vom 27.12.2013 auf Seiten der Beklagten, C und E, Vertretungsmacht gehabt haben, wäre der Einwand des Klägers unbegründet. Waren sie dagegen Vertreter ohne Vertretungsmacht, wäre die Klage unschlüssig, denn es wäre nicht zu einem Vertragsschluss, sondern nur zu einem faktischen Arbeitsverhältnis gekommen (vgl. Bundesarbeitsgericht 4. Mai 2011 -7 AZR 252/10- Rn. 42).

Der Einwand des Klägers, die Beklagte verhalte sich treuwidrig (§ 242 BGB), wenn sie sich auf die Befristung berufe, ist unbegründet. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte einen Vertrauenstatbestand beim Kläger hinsichtlich einer weiteren Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages oder des Abschlusses eines unbefristeten Arbeitsvertrages geschaffen oder sich widersprüchlich verhalten habe, trägt der Kläger nicht im Einzelnen vor. Vielmehr hat sie von der durch § 14 Abs. 2 TzBfG eingeräumten Möglichkeit der Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung wirksam Gebrauch gemacht. Ein entgegen stehender Vertrauenstatbestand beim Kläger ergibt sich auch nicht aus der Vereinbarung vom 5. Oktober 2011. Danach steht der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages unter dem Vorbehalt der Eignung. Diese lag jedoch aus Sicht der Beklagten nicht vor.

Die in der Berufungsbegründung vorgenommene Klageerweiterung ist zulässig, da sie sachdienlich ist, §§ 520, 263 ZPO. Der Streitgegenstand des Hilfsantrags (Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages) steht in einem sachlichen Bezug zum übrigen Gegenstand des Berufungsverfahrens (Wirksamkeit der Befristung). Durch die Verbindung der beiden Streitgegenstände werden die zwischen den Parteien bestehenden Streitpunkte -jedenfalls soweit sie den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffen umfassend erledigt. Es entspricht auch der Prozesswirtschaftlichkeit beide Anträge miteinander zu verbinden.

Der Antrag, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages als vollzeitbeschäftigter Zusteller im Bereich der Verbundzustellung mit Wirkung ab 9. Februar 2014 zu unterbreiten, ist unbegründet.

Zwar folgt aus § 311a BGB, dass ein Arbeitsverhältnis auch rückwirkend begründet werden kann (Bundesarbeitsgericht 20. Januar 2015-9 AZR 735/13- Rn. 15). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses ergibt sich nicht aus der Vereinbarung vom 5. Oktober 2011. Hierbei handelt es sich weder um einen Tarifvertrag, noch um eine Gesamtbetriebsvereinbarung.

Als Tarifvertrag im Sinne des TVG kann nur ein zwischen einer Gewerkschaft und einem oder mehreren Arbeitgebern bzw. Vereinigungen von Arbeitgebern abgeschlossener schriftlicher Vertrag angesehen werden, der der Festlegung von Rechtsnormen zur Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dient und damit tarifliche Rechte und Pflichten der tarifunterworfenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unmittelbar begründen soll. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit muss der darauf gerichtete Wille der Tarifvertragsparteien hinreichend deutlich und überprüfbar hervortreten. In Zweifelsfällen muss nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (§§ 133, 157 BGB) von den Gerichten für Arbeitssachen ermittelt werden, ob die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag abschließen oder unter Wahrung der Form der §§ 126 BGB, 1 Abs. 2 TVG eine andersartige schriftliche Vereinbarung haben treffen wollen (Bundesarbeitsgericht 26. Januar 1983 -4 AZR 224/80- Rn. 36). Zwar setzt die rechtliche Bewertung eines Vertrags als Tarifvertrag im Sinne des Tarifvertragsgesetzes nicht dessen Benennung mit diesem Begriff durch die Vertragsparteien voraus. Auch ein “Vereinbarung” genannter Vertrag kann als Tarifvertrag zu bewerten sein, wenn er der Sache nach als solcher anzusehen ist. Dies ist jedoch dann nicht möglich, wenn dies dem erklärten Willen eines Vertragspartners widerspricht, mag er auch tariffähig sein (Bundesarbeitsgericht 14. April 2004 -4 AZR 232/03-zu II 1b der Gründe).

Dafür, dass die Unterzeichner der Vereinbarung vom 5. Oktober 2011 insoweit keinen Tarifvertrag schließen wollten, spricht zunächst die Überschrift (Vereinbarung) und der erste Satz (die Parteien vereinbaren folgendes Vorgehen), ferner dass von der Beklagten abgeschlossene Tarifverträge fortlaufende Nummern tragen und ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Hinzu kommt, dass die Vereinbarung im Zusammenhang mit dem Abschluss von Tarifverträgen geschlossen wurde und die Verhandlungspartner ausdrücklich differenzierten, welche Regelungsgegenstände sie in Tarifverträgen regelten und welche in sonstigen Vereinbarungen. Dies zeigt, dass in Bezug auf die hier einschlägige Vereinbarung vom 5. Oktober 2011 gerade kein Tarifvertrag abgeschlossen werden sollte.

Aus demselben Grund handelt es sich hierbei auch nicht um eine Gesamtbetriebsvereinbarung.

Vielmehr ist die Vereinbarung vom 5. Oktober 2011 als schuldrechtlicher Normenvertrag zu Gunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB anzusehen. Nr. 3 dieser Vereinbarung räumt dem dort genannten Adressatenkreis bei Vorliegen der entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen einen Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages in Vollzeit ein. Daran ändert die aus Sicht der Beklagten als “weich” empfundene Formulierung (“wird ermöglicht”) nichts. Auch wenn sich ein Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitnehmern die Übernahme “zu ermöglichen”, übernimmt er aus Sicht des maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts die Verpflichtung sich in dieser Weise zu verhalten.

Gleichwohl steht dem Kläger kein Anspruch auf Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu. Zwar hat auch ein Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB rechtsverbindlichen Charakter und kann nicht einseitig vom Arbeitgeber abgeändert werden. Auf individualvertraglicher Ebene sind jedoch durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen der Parteien des Arbeitsvertrages anderweitige Absprachen möglich. Dies ergibt sich daraus, dass ein durch einen Vertrag zu Gunsten Dritter begründeter Anspruch keinen zwingenden Charakter wie ein tariflicher Anspruch gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 TVG hat (Bundesarbeitsgericht 14. April 2004 -4 AZR 432/03- zu II 2 der Gründe).

Eine derartige abweichende Vereinbarung haben die Parteien getroffen, indem sie am 14. Juni 2012 ein für die Zeit bis 14. Dezember 2012 befristetes Arbeitsverhältnis vereinbarten (Bl. 120 d.A.). Entgegen der Vereinbarung vom 5. Oktober 2011 haben die Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis geschlossen, sondern sich für einen Kompromiss zwischen dem im Falle des Vorliegens der Nichteignung Nichtzustandekommen eines Arbeitsverhältnisses überhaupt und einem unbefristeten Vertrag entschieden, um dem Kläger die Möglichkeit der Bewährung in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu geben. Indem sich der Kläger hiermit einverstanden erklärte und nicht auf dem Abschluss eines unbefristeten Vertrages bestand, verzichtete er zugleich auf ein entsprechendes Recht aus Nr. 3 der Vereinbarung vom 5. Oktober 2011.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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