LAG Hessen, 29.04.2015 – 6 Sa 1014/14 Ruhegehaltszusage durch Verweisung auf BAT

April 28, 2019

LAG Hessen, 29.04.2015 – 6 Sa 1014/14
Ruhegehaltszusage durch Verweisung auf BAT

Vertragsauslegung
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Gießen vom 03. Juni 2014 – 5 Ca 48/14 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine Zusatzversorgung zu verschaffen.

Der am xx.xx.19xx geborene Kläger ist seit dem 01. Oktober 1988 bei der der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Ausbilder Elektrotechnik.

Der Formulararbeitsvertrag der Parteien vom 31. August 1988 enthält unter anderem folgende Regelung:

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem für die Angestellten der Mitglieder der Arbeitgeberverbände, die der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände angehören, geltenden Bestimmungen.

Die Beklagte beabsichtigte, dem Kläger nach dem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden § 46 BAT einen Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (im folgenden Versorgungs- TV) zu verschaffen. Der Beklagten war es allerdings zunächst nicht möglich, Mitglied der Zusatzversorgungskasse in Darmstadt (im folgenden ZVK) zu werden, da die dafür erforderliche Bürgschaft einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft vom Regierungspräsidium nicht genehmigt worden war. Die Beklagte wurde dann zum 01. April 1991 Mitglied der ZVK. Seitdem werden bei der ZVK durch Beitragszahlungen des Klägers und der Beklagten Versorgungsansprüche begründet.

Auf Nachfrage des Klägers teilte die ZVK mit Schreiben vom 21. Juni 2013 (Bl. 11 d. A.) mit, dass sich für den Kläger bei Rentenbeginn am 01. März 2011 eine Betriebsrente von monatlich 283,80 € statt 242,45 € ergeben würde, wenn die Mitgliedschaft der Beklagten bereits ab dem 01. Oktober 1988 bestanden hätte. Die Möglichkeit freiwillig Beiträge nachzuentrichten besteht nach der Satzung der ZVK nicht.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei verpflichtet ihm die für den Zeitraum 01. Oktober 1988 bis 31. März 1991 entgangene Betriebsrente zu erstatten. Der Anspruch ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag vom 31. August 1988. Es habe bereits ab dem 01. Oktober 1988 die Verpflichtung nach § 46 BAT bestanden, eine entsprechende Altersversorgung sicher zu stellen. Der Kläger hat insoweit auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 15. Mai 1975 – 3 AZR 257/74 (AP-Nr. 7 zu § 242 BGB Ruhegehalt VBL) verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab Eintritt in die Regelaltersrente monatlich den Betrag von 41,35 € fortlaufend und auf Dauer zu zahlen;

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn so zu stellen, wie er stünde, wenn er seit dem 01. Oktober 1988 nach Maßgabe des § 46 BAT entsprechend dem einschlägigen Tarifvertrag in der Zusatzversorgungskasse Darmstadt versichert gewesen wäre.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, da im vorliegenden Fall nur ganz allgemein auf die Geltung des BAT und der dazu gehörigen Tarifverträge verwiesen werde, stelle dies eine Art gesetzliche “Rechtsgrundverweisung” dar, das heißt, es müssten auch die Voraussetzungen der in Bezug genommenen Rechtsvorschriften jeweils vorliegen. Dies sei hier vor dem 01. April 1991 nicht der Fall gewesen. Die Beklagte nimmt hier Bezug auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 29. Juli 1986 – 3 AZR 71/85 – (AP-Nr. 16 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen).

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, aus dem Arbeitsvertrag gehe nicht hervor, dass die Beklagte dem Kläger eine umfassende Versorgungszusage losgelöst von den Voraussetzungen des Versorgungstarifvertrages erteilen wollte. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Erwägungen des Arbeitsgerichtes wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes hat der Kläger innerhalb der zur Protokoll der Berufungsverhandlung vom 29. April 2015 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Der Kläger meint, das Arbeitsgericht, wie auch die Beklagte würden übersehen, dass sich die vorliegend maßgebliche arbeitsvertragliche Regelung von der Vertragsklausel unterscheide, die dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 29. Juli 1986 – 3 AZR 71/85 – zu Grunde lag. Vorliegend sei nicht einfach pauschal auf den BAT in der jeweils geltenden Fassung verwiesen, sondern ausdrücklich alle im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Bestimmungen in Bezug genommen. Die in Bezugnahme aller für die Arbeitnehmer der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände angehörigen Arbeitgeber geltenden Bestimmungen beinhalte eine vorbehaltlose Versorgungszusage zur Verschaffung einer in diesem Tarifbereich geltenden Altersversorgung. Darauf, ob der Beklagten zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage eine Mitgliedschaft in der ZVK möglich war, komme es für den sich so ergebenden Verschaffungsanspruch nicht an.

Der Kläger hat beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Gießen vom 03. Juni 2014 – 5 Ca 48/14 -abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, zurecht habe das Arbeitsgericht Gießen darauf hingewiesen, dass die pauschale Verweisung auf den BAT und den diesen ergänzenden Vorschriften bei einem nichttarifgebunden Arbeitgeber keinesfalls automatisch eine Versorgungszusage beinhalte. Im vorliegenden Fall könne also nicht davon ausgegangen werden, dass durch die bloß pauschale Verweisung auf den BAT und die ihn ergänzenden Vorschriften die Beklagte eine Versorgungszusage analog des § 46 geben wollte, ohne dass die Voraussetzung dafür vorlag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Gießen vom 03. Juni 2014 – 5 Ca 48/14 – ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 u. 2 b ArbGG), außerdem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache ist die Berufung des Klägers jedoch unbegründet. Die Beklagte hat dem Kläger nicht die begehrte Versorgung zu verschaffen.

Sagt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Versorgung zu, hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen aus dem arbeitsvertraglichen Versorgungsverhältnis folgenden Anspruch, der sich auf die Gewährung der versprochenen Versorgung richtet (vgl. BAG 13.11.2007 – 3 AZR 191/06 -). Dieser Anspruch ist seiner Rechtsnatur nach ein Erfüllungsanspruch. Auch wenn die Durchführung nicht durch den Arbeitgeber selbst erfolgt, steht der Arbeitgeber für die von ihm zugesagten Leistungen ein (BAG 30.09.2014 – 3 AZR 613/12 -).

Im vorliegenden Fall ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrages der Parteien, dass die Beklagte dem Kläger keine Versorgung bei der ZVK zugesagt hat.

Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgt nach den allgemeinen Regeln. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Anhaltspunkte für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrages nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck, sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 25.08.2010 -10 AZR 275/09-).

Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ist nach Ansicht des Berufungsgerichtes nicht erkennbar, dass die Beklagte dem Kläger eine Versorgung bei der ZVK zugesagt hat. Dem Kläger ist zuzugeben, dass anders als in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 29. Juli 1986 – 3 AZR 71/85 – zu Grunde liegenden Fall vorliegend nicht “nur” auf den BAT, sondern auf alle Bestimmungen verwiesen wird, die für Arbeitnehmer gelten, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände ist. Damit allein ist dem Arbeitsvertrag aber noch keine Versorgungszusage zu entnehmen. Es sind anders als in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 15. Mai 1975 – 3 AZR 257/74 -und vom 16. März 2010 – 3 AZR 744/08 – keine Umstände dafür ersichtlich, dass die Beklagte dem Kläger eine Versorgung bei der ZVK zusagen wollte. In der Entscheidung vom 15. Mai 1975 hat das Bundesarbeitsgericht bei der Auslegung des Arbeitsvertrages berücksichtigt, dass die Beklagte ein Interesse hatte als Ersatzschule anerkannt zu werden, was nach den einschlägigen Regelungen voraussetzt, dass eine wirtschaftliche und rechtliche Gleichstellung der Lehrkräfte der Ersatzschule zu Lehrern an vergleichbaren öffentlichen Schulen gewährleistet ist. In der Entscheidung vom 16. März 2010 hat das Bundesarbeitsgericht darauf abgestellt, dass der öffentliche Arbeitgeber entschieden habe, Lektoren, die nicht dem persönlichen Geltungsbereich BAT unterfallen, bestimmte Regelungen des BAT – auch § 46 BAT und diesen ergänzenden Tarifverträge – anzubieten. In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt wurden einzelne enumerativ aufgeführte Bestimmungen des BAT vereinbart und das beklagte Land berief sich dann darauf, Versorgungen bei der VBL deshalb nicht zu schulden, weil die Parteien nicht alle Vorschriften des BAT vereinbart haben, was im § 1 Versorgungs-TV Anwendungsvoraussetzung ist.

Der Streitfall ist anders. Hier ist von einer gesetzlichen “Rechtsgrundverweisung” ähnlichen Regelung auszugehen, bei der der Anspruch nur besteht, wenn auch die Voraussetzungen der in Bezug genommen Regelungen vorliegen, was bezüglich der Versorgung erst zum 01. April 1991 der Fall war. Eine andere Interessenslage der Beklagten ist auch für den Kläger nicht erkennbar gewesen. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 16. März 2010 zu Grunde liegenden Fall hat die Beklagte hier auch kein besonderes Vertrauen des Klägers dahin erweckt, eine Versorgung bei der ZVK, losgelöst von den tarifvertraglich geregelten Voraussetzungen zu verschaffen.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Die Zulassung der Revision erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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