LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2019 – 9 Ta 2458/18 Organ – Vorstand – Stiftung – organschaftliche Vertretungsbefugnis – rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis

April 3, 2019

LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2019 – 9 Ta 2458/18
Organ – Vorstand – Stiftung – organschaftliche Vertretungsbefugnis – rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis
Der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit ist für gem. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG für den Vorstand einer Stiftung als Organ der Stiftung nicht eröffnet. Eine Regelung in dem Gesetz zur Gründung der Stiftung und/oder der Satzung der Stiftung, wonach der Direktor der Stiftung “der Vorstand ist” begründet allein noch keine Stellung eines stellvertretenden Direktors als Vorstand und damit Organ der Stiftung.
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Berlin, 21. November 2018, 60 Ca 13111/18, Beschluss
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. November 2018 – 60 Ca 13111/18 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen und in der Hauptsache über die Wirksamkeit einer Kündigung. Die Beklagte rügt, der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit sei nicht eröffnet, da der Kläger Organmitglied sei.
Der Kläger und die Beklagte, eine Stiftung des öffentlichen Rechts, schlossen unter dem 9./11. März 2010 einen Arbeitsvertrag und unter dem 28. November 2014 einen weiteren Arbeitsvertrag zu Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses bei geringfügig geänderten Arbeitsbedingungen und weiterhin einer Tätigkeit als „Referent ‚Politische Bildung‘“ sowie unter dem 8./9. Dezember 2015 eine Nebenabrede zu einer Änderung der Vergütung. Sämtliche Vereinbarungen sind für die Beklagte unterzeichnet durch „Dr. H. K., Direktor der Stiftung Gedenkstätte Berlin-H.“.
Mit Schreiben vom 7. September 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es gebe Vorwürfe zu sexuellen und sonstigen Belästigungen gegenüber Frauen und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 25. September 2018 erklärte die Beklagte eine Kündigung zum 31. Dezember 2018, hilfsweise nächstmöglich. Gegen diese wendet sich der Kläger mit seiner am 5. Oktober 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.
Im Gesetz zur Errichtung der Beklagten (Gesetz Stiftung Gedenkstätte H., im Folgenden HSHG) ist geregelt:
§ 4 Organe der Stiftung
(1) Die Organe der Stiftung sind
1. der Stiftungsrat,
2. der Vorstand und
3. der Beirat.
§ 6 Vorstand
(1) Der Vorstand führt die laufenden Geschäfte der Stiftung. Er ist dabei an die Beschlüsse und Weisungen des Stiftungsrats gebunden.
(2) Der Vorstand vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich.
(3) Der Vorstand ist die Direktorin oder der Direktor der Gedenkstätte. Sie oder er wird vom Stiftungsrat bestellt und kann nicht dessen Mitglied sein. Der Stiftungsrat bestimmt auch die Vertretung des Vorstands.
(4) Näheres regelt die Satzung.
Die Satzung der Beklagten regelt u.a.:
§ 2 – Aufgaben des Stiftungsrats

16. die Bestellung des Vorstands und dessen Vertretung.
§ 3 – Verfahren innerhalb des Stiftungsrats
(1) Der Stiftungsrat tritt mindestens zweimal jährlich zu einer Sitzung zusammen. Auf Antrag von mindestens drei Mitgliedern oder auf Antrag des Vorstands tritt er zu weiteren Sitzungen zusammen. Der oder die Vorsitzende beruft den Stiftungsrat ein. Der Vorstand und der stellvertretende Vorstand können mit Rederecht teilnehmen.
Die Geschäftsordnung für den Vorstand der Beklagten in der Fassung vom 13.09.2001, geändert durch Stiftungsratsbeschluss vom 14.6.2007 sieht u.a. vor:
§ 1 Geschäftsführung
(1) Der Vorstand führt die Geschäfte der Stiftung nach Maßgabe von Stiftungsgesetz und Satzung. Er führt die Beschlüsse des Stiftungsrats aus. Der Vorstand ist der Direktor oder die Direktorin der Stiftung, seine Vertretung der stellv. Direktor / die stellv. Direktorin. Dienstvorgesetzter des Vorstands ist der / die Stiftungsratsvorsitzende.
(2) Der Vorstand und seine Vertretung stimmen sich beim Antritt von Erholungsurlaub, Dienstreisen ins In- u. Ausland und Dienstbefreiungen ab. Dienstreisen bedürfen der vorherigen Zustimmung des/der Stiftungsratsvorsitzenden.
(3) Über Angelegenheiten der Stiftung von grundlegender Bedeutung haben sich der Vorstand, seine Vertretung sowie die Verwaltungsleitung in gemeinsamen Sitzungen zu informieren und zu verständigen. Bei Meinungsverschiedenheiten ist der Sachverhalt dem Stiftungsrat vorzutragen.
(4) Hinsichtlich der Sorgfaltspflicht, der Geheimhaltungspflicht und der Verantwortlichkeit des Vorstands und dessen Vertretung gilt § 93 des Aktiengesetzes, soweit sich aus der Rechtsform der Stiftung öffentlichen Rechts nichts anderes ergibt.
(5) Der Vorstand erstellt gemeinsam mit der Verwaltungsleitung den Haushaltsplan und den Stellenplan sowie den Jahresabschluss. Der Vorstand ist verantwortlich für die Haushaltsführung.
Im Protokoll der Sitzung des Stiftungsrates am 16. Dezember 2010 ist u.a. festgehalten:
TOP 4 Berufung eines stellvertretenden Direktors
Herr Staatssekretär S. … erklärt … dass keine Einwände bestehen, Herrn F. [d. Kläger] zum stellvertretenden Direktor zu ernennen. Allerdings gebe es Bedenken gegen die vorgesehene Zulage …
Herr Dr. K. erläutert, dass Herr F. [d. Kläger] zur Zeit als Referent für politische Bildung analog der Vergütungsgruppe BAT III bezahlt würde. Die Ausübung der Funktion des Stellvertreter sei eine zusätzliche höherwertige Tätigkeit.

Der Stiftungsrat beschließt daraufhin
„Der Stiftungsrat beruft Herrn F. [d. Kläger] zum stellvertretenden Direktor der Stiftung Gedenkstätte Berlin-H.. Er bittet den Vorstand, für die Stelle des Referenten für politische Bildung eine neue BAK anzufertigen. Die Genehmigung zur Höhergruppierung der Stelle analog BAT II a durch den Stiftungsrat soll rückwirkend ab dem 01.01.2011 im Umlaufverfahren eingeholt werden.“
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 teilte der Kläger dem Stiftungsrat der Beklagten mit, ihm sei bisher nicht bekannt gewesen, dass er Mitglied des Vorstandes und Organ der Stiftung sein solle. Nach seiner Kenntnis sei er lediglich stellvertretender Direktor. Vorsorglich trete er von diesem Amt zurück.
Der Kläger hat geltend gemacht, der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit sei eröffnet. Er sei als Stellvertreter des Direktors kein Mitglied des Vorstands oder stellvertretender Vorstand und nicht zum Vorstand bestellt worden. Entsprechend sei er auch in den Organigrammen und sonstigen internen Unterlagen nicht als Vorstand geführt.
Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger sei Organ im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. § 6 HSHG bestimme keinen einköpfigen Vorstand, vielmehr bestehe dieser gemäß § 6 Abs. 3 HSHG aus dem Direktor und seinem Stellvertreter. Der Stiftungsrat habe den Kläger in seiner Sitzung vom 16. Dezember 2010 zur Vertretung des Direktors und damit des Vorstandes bestellt. Der Kläger habe von seiner Befugnis durch Abschluss von Verträgen laufend Gebrauch gemacht. Jedenfalls ergebe sich eine Vertretungsbefugnis aus § 22 AZG Berlin. Aus der Erklärung eines „Rücktritts“ des Klägers vom 26. Oktober 2018 ergebe sich jedenfalls keine Beendigung der Befugnisse gem. § 22 Abs. 1 AZG mit sofortiger Wirkung.
Das Arbeitsgericht Berlin hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen durch Beschluss vom 21. November 2018 für eröffnet erklärt und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei kein Mitglied des Vorstands (s. i.E. der Beschluss Bl. 136-141 d.A.).
Gegen diesen ihr am 23. November 2018 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 7. Dezember 2018 sofortige Beschwerde eingelegt und ausgeführt, der Kläger sei zumindest bis zu dem von ihm erklärten „Rücktritt“, der nicht ohne weiteres als wirksame Amtsniederlegung gewertet werden könne, zur Vertretung der Beklagten berufen.
Der Kläger hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts verteidigt und geltend gemacht, bei den Begriffen Direktor und Vorstand handle es sich um voneinander abgrenzbare Funktionen.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 und 2 HSHG handle es sich beim Vorstand um eine Person. Hierfür sprächen auch die weiteren Formulierungen im HSHG. Auch in dem Beschluss des Stiftungsrates sei keine Rede von einer Aufnahme in den Vorstand. Soweit die Satzung in § 3 Abs. 1 S. 4 in nachlässiger Formulierung von einem stellvertretenden Vorstand spreche, ergebe sich hieraus schon deshalb nichts anderes, weil es sich um gegenüber der gesetzlichen Grundlage niederrangigeres Recht handle (s. Beschluss v. 20. Dezember 2018, Bl. 169-177 d.A.).
Im Rahmen einer weiteren Stellungnahme führt der Kläger aus, er habe an Stiftungsratssitzungen teilgenommen, dies aber nur in Begleitung des Herrn Dr. K. und nie als sein Vertreter. Er habe hier ohne originäres eigenes Rederecht nur auf Fragen geantwortet.
Die Beklagte hat sich im Rahmen einer weiteren Stellungnahme gegen die Schlussfolgerungen des Arbeitsgerichts aus den Formulierungen im HSHG gewandt. Bei der Satzung handle es sich aufgrund der Verweisung in § 6 Abs. 4 HSHG um gleichrangiges Recht. Wie im Verfahren betreffend den Direktor zutreffend entschieden, sei dieser Organ der Beklagten, entsprechendes gelte für den stellvertretenden Direktor als dessen Vertreter. Der Kläger habe auch durch Unterzeichnung von Verträgen Arbeitgeberfunktionen ausgeübt. Ein „Rücktritt“ von dieser Organstellung sei weder möglich noch geeignet, nachträglich eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit zu begründen.
Hinsichtlich des Sach- und Rechtvortrages im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
ie gem. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Wie das Arbeitsgericht Berlin zu Recht feststellt, ist der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit für die vorliegende Kündigungsschutzklage eröffnet.
1. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Um eine solche handelt es sich hier.
Das Rechtsverhältnis der Parteien ist ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 611a BGB. Haben die Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist das Rechtsverhältnis auch regelmäßig als solches einzuordnen (s. BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 694/12 –, Rn. 19, juris; BAG, Beschluss vom 08. September 2015 – 9 AZB 21/15 –, Rn. 13, juris). Der dem Rechtsverhältnis der Parteien zugrunde liegende Vertrag vom 28. November 2014 ist – ebenso wie der zuvor abgeschlossene Vertrag – schon in der Überschrift ausdrücklich als Arbeitsvertrag bezeichnet, auch im Vertrag selbst ist mehrfach von einem Arbeitsverhältnis die Rede. Unabhängig von der Bezeichnung ist darüber hinaus ein Arbeitsverhältnis anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen (s. die Definition eines Arbeitsverhältnisses in § 611a BGB; BAG, Beschluss vom 08. September 2015 – 9 AZB 21/15 –, Rn. 13, juris). Auch diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Rechtsverhältnis ist gemäß den im Vertrag getroffenen Vereinbarungen durch solche Weisungsbefugnisse geprägt. Dies gilt sowohl für den Arbeitsinhalt mit einer möglichen Zuweisung eines anderen Arbeitsgebietes als auch für die Arbeitszeit mit der ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der Anordnung von Überstunden (s. § 1, § 2 des Arbeitsvertrages v. 28. November 2014).
2. Aus § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ergibt sich nichts anderes. Hiernach gelten in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift auch dann ein, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Sie soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen (vgl. BAG, Beschluss vom 08. September 2015 – 9 AZB 21/15 –, Rn. 14, juris). Für das Eingreifen der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht ausschließlich auf die Umstände zum Zeitpunkt der Klageerhebung an, vielmehr ist ein im Laufe des Verfahrens eintretender Wegfall der Organstellung zu berücksichtigen (s. BAG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 10 AZB 46/14 –, Rn. 28, juris).
a) Der Kläger ist unabhängig von dem späteren „Rücktritt“ nicht kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags zur Vertretung der Beklagten berufen, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat.
Zur Vertretung der Beklagten im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG berufen ist der Vorstand der Beklagten. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 HSHG ist der Vorstand Organ der Stiftung, gem. § 6 Abs. 2 HSHG vertritt der Vorstand die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich. Der Kläger wurde auch mit Übertragung der Stellung als stellvertretender Direktor kein Vorstand der Beklagten.
(1) Nach § 6 Abs. 3 HSHG besteht der Vorstand nur aus einer Person, dem Direktor oder der Direktorin. Gemäß dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 HSHG ist der Vorstand die Direktorin oder der Direktor der Gedenkstätte, sie oder er wird vom Stiftungsrat bestellt. Die Formulierung „der Direktor“ bzw. „die Direktorin“ „ist der Vorstand“ spricht für einen aus einer Person bestehenden Vorstand. Bestätigt wird dies durch die weiteren Formulierungen im HSHG betreffend andere, aus mehreren Personen bestehenden Organe. So heißt es in § 5 HSHG, „Der Stiftungsrat besteht aus fünf Mitgliedern“ und in § 7 Abs. 2 HSHG, „Der Beirat besteht aus … Mitgliedern“. Auch nach dem Sprachgebrauch in anderen Gesetzen zur Gründung von Stiftungen öffentlichen Rechts wird für einen aus mehreren Personen bestehenden Vorstand die Formulierung „besteht aus“ verwendet. So heißt es beispielsweise in § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Stiftung Oper in Berlin „Der Stiftungsvorstand besteht aus dem Generaldirektor oder der Generaldirektorin … sowie den Intendanten oder Intendantinnen …“, in § 6 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” „Der Stiftungsvorstand besteht aus dem Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied.“ Eine solche Formulierung wird hier für den Vorstand anders als für andere Organe gerade nicht verwendet.
Bestätigt wird dies durch die weitere Formulierung sie oder er „wird“ vom Stiftungsrat bestellt. Sollte hier ein aus mehreren Personen bestehender Vorstand gebildet werden, wäre eine Formulierung „werden“ vom Stiftungsrat bestellt zumindest naheliegender.
(2) Aus dem Verweis auf die Satzung in § 6 Abs. 4 HSHG ergibt sich nichts anderes. Die gesetzliche Vorgabe „Näheres regelt die Satzung“ bietet keine Grundlage für eine vom Gesetz abweichende Regelung. Eröffnet wird nur die Möglichkeit einer näheren Ausgestaltung.
Darüber hinaus kann auch der Satzung keine abweichende Regelung zur Zusammensetzung des Vorstands, insbesondere keine Regelung wonach ein stellvertretender Direktor zwingend zum Vorstand gehört, entnommen werden. Nach § 2 Nr. 16 der Satzung gehört zu den Aufgaben des Stiftungsrats die Entscheidung über die Bestellung des Vorstands und dessen Vertretung. Aus der Aufgabe der Entscheidung über die Vertretung des Vorstands ergibt sich nicht zwangsläufig, dass der Vorstand durch weitere Mitglieder erweitert werden müsste. Eine Stellvertretung kann auch betreffend Aufgaben, die dem Vorstand obliegen, auf der Grundlage rechtsgeschäftlicher Vollmachten organisiert werden. Unzulässig wäre nur eine umfassende Übertragung organschaftlicher Befugnisse als solcher (MHdB GesR V, 2. Teil. Stiftung bürgerlichen Rechts 19. Kapitel. Rechtsbeziehungen zu Dritten § 99 Vertretungsmacht Rn. 13-14, beck-online; vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 – III ZR 124/01 –, juris).
Wenn es in § 3 – Verfahren innerhalb des Stiftungsrats heißt, „Der Vorstand und der stellvertretende Vorstand können mit Rederecht teilnehmen“, und man hier nicht lediglich mit dem Arbeitsgericht eine nachlässige Formulierung annimmt, setzt dies die Existenz eines stellvertretenden Vorstands voraus. Gleichwohl kann einer solchen Regelung zu einem Rederecht auf einer Sitzung des Stiftungsrats keine verbindliche Vorgabe zur Zusammensetzung des Vorstands entnommen werden. Selbst wenn man hieraus auf eine Befugnis des Stiftungsrats zur Bestellung eines stellvertretenden Vorstands als weiteren Vorstandsmitglieds schließen wollte, ist eine solche jedenfalls nicht erfolgt (s.u. 4).
(3) Durch die Geschäftsordnung des Vorstandes als einer nachgeordneten innerorganisatorischen Regelung kann keine Zusammensetzung des Vorstands abweichend von der gesetzlichen Grundlage und den Regelungen der Satzung geregelt werden. Eine solche ist hier auch nicht vorgesehen. Es heißt auch hier „Der Vorstand ist der Direktor oder die Direktorin der Stiftung.“ Aus der weiteren Formulierung „seine Vertretung der stellv. Direktor / die stellv. Direktorin“ ergibt sich nicht, dass die Vertretung ebenfalls Mitglied des Vorstands sein muss. Auch in den weiteren Regelungen zu internen Abstimmungen heißt es weder „die Vorstandsmitglieder stimmen sich ab“, noch „Vorstand und stellvertretender Vorstand stimmen sich ab“, es bleibt bei der offenen Formulierung einer Vertretung. Der Verweis auf § 93 AktG hinsichtlich auch der Sorgfaltspflichten der Vertretung spricht dafür, dass die Tätigkeit des Stellvertreters gewichtig und als eine solche vergleichbar der des Vorstands gesehen wird. Selbst wenn man annimmt, eine solche Haftungsregelung setzte sinngemäß voraus, dass es sich bei dem Stellvertreter um ein Organ, d.h. ein Mitglied des Vorstands handle, vermag eine Regelung zur Haftung keine solche Organstellung zu begründen.
(4) Auch wenn man aufgrund der Kompetenzen des Stiftungsrats zur Regelung der Vertretung von einer Befugnis zu einer Bestellung eines stellvertretenden Vorstands ausgeht, kann keine Bestellung des Klägers als stellvertretender Vorstand nebst entsprechender Mitteilung an den Kläger hierüber festgestellt werden. Allein aus der Übertragung der Aufgabe als stellvertretender Direktor ergibt sich dies nicht.
Auch wenn der Direktor der Vorstand ist, ist ein stellvertretender Direktor nicht zwangsläufig ein stellvertretender Vorstand. Die Stellvertretung bedeutet nicht zwingend eine umfassende organschaftliche Vertretung (s.o.). Eine Stellvertretung kann vielmehr sowohl rechtsgeschäftlich, ggf. auch mit weitreichenden Vollmachten, oder als umfassende Organvertretung ausgestaltet werden (MHdB GesR V, 2. Teil. Stiftung bürgerlichen Rechts 19. Kapitel. Rechtsbeziehungen zu Dritten § 99 Vertretungsmacht Rn. 1-2, beck-online; vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2002 – III ZR 207/01 –, Rn. 11).
Entsprechend ergibt sich aus der „Berufung“ bzw. „Ernennung“ des Klägers zum stellvertretenden Direktor durch den Stiftungsrat am 16. Dezember 2010 allein keine Bestellung zum Vorstand. Der Stiftungsrat hat sich ausweislich des Protokolls der Stiftungsratssitzung unter dem Tagesordnungspunkt „Berufung eines stellvertretenden Stiftungsdirektors“ gar nicht mit der Frage einer etwaigen Erweiterung des Vorstands durch diese Entscheidung befasst. Es heißt lediglich, die Ausübung der Funktion sei „eine zusätzliche höherwertige Tätigkeit“, besprochen wird vor allem, wie eine als angemessen erachtete höhere Vergütung umgesetzt werden kann. Im Beschluss heißt es nur, der Kläger werde „zum stellvertretenden Direktor“ berufen, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hinweist.
Eine ausdrückliche Mitteilung der Beklagten an den Kläger, er werde mit der Aufgabe als stellvertretender Direktor auch zum Vorstandsmitglied bestellt, kann nicht festgestellt werden. Zumindest ausweislich seines Schreibens vom 26. Oktober 2018 hatte der Kläger hiervon keine Kenntnis. Es liegen auch keine Unterlagen vor, mit denen sich der Stiftungsrat an den Kläger als stellvertretenden Vorstand wendet.
In dem am 28. November 2014 geschlossenen Arbeitsvertrag finden sich keine Hinweise auf eine Stellung als stellvertretender Vorstand, hier ist durchgehend nur von einem „Arbeitsverhältnis“ bzw. einem „Anstellungsverhältnis“ die Rede. Weiter heißt es unter § 12 „Mit Abschluss dieses Vertrages werden alle eventuell bisher vorhandenen schriftlichen oder mündlichen Absprachen hinfällig“.
(5) Aus der Unterzeichnung von Verträgen durch den Kläger ergibt sich nichts anderes. Selbst eine ausdrückliche Inanspruchnahme einer organschaftlichen Vertretung durch den Kläger wäre bei Fehlen einer solchen zwar eine Pflichtverletzung, begründet aber keine solche. Darüber hinaus gab es ausweislich der vorgelegten Verträge keine einheitliche Handhabung, was eher für Unklarheiten und möglicherweise eine fehlende Unterscheidung zwischen nur rechtsgeschäftlicher und organschaftlicher Vertretung als für ein feststehendes übereinstimmendes Verständnis betreffend Vertretungsfragen spricht. Hier liegen sowohl Verträge vor, in denen es heißt „Auftraggeber vertreten durch Dr. H. K.“ und dann eine Unterzeichnung „iV. [der Kläger]“, woraus sich eine Inanspruchnahme einer ggf. auch rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht, aber keine Organstellung ergibt. Daneben liegen auch Verträge vor, in denen es heißt für „die Beklagte vertreten durch [den Kläger], stv. Direktor der Gedenkstätte Berlin-H.“ und die vom Kläger unterzeichnet sind, was für eine Inanspruchnahme einer Organstellung spricht.
(6) Aus dem AZG Berlin ergibt sich nichts anderes. Gemäß § 29 AZG obliegt die rechtsgeschäftliche Vertretung einer landesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts dem durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung dazu bestimmten Organ. Hier ist im HSHG und der Satzung der Beklagten die o.g. Regelung getroffen, aus der sich keine Organstellung des Klägers ergibt.
b) Unabhängig hiervon ist der Kläger selbst bei einer angenommenen Organstellung jedenfalls aufgrund seines mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 gegenüber dem Stiftungsrat erklärten Rücktritts kein Organ des Vorstands mehr. Eine Niederlegung des Amtes als Vorstand einer Stiftung ist grundsätzlich jederzeit möglich, außer zur Unzeit (Schlüter/Stolte Stiftungsrecht, Kapitel 2: Die Errichtung einer Stiftung Rn. 63, beck-online; MüKoBGB/Weitemeyer, 8. Aufl. 2018, BGB § 86 Rn. 14; BeckOGK/ Jakob/Picht, 15.11.2018, BGB § 86 Rn. 15). Auch wenn hier von einem „Rücktritt“ die Rede ist, ergibt sich aus dem Schreiben ohne weiteres, dass eine etwaige Stellung als Organ, genauer als Vorstandsmitglied aufgegeben werden soll. Einschränkungen wurden hier weder vereinbart noch sind diese in den gesetzlichen und satzungsmäßigen Grundlagen vorgesehen. Anhaltspunkte für eine Frist bis zum Wirksamwerden einer solchen Niederlegung, erst Recht für eine jetzt noch laufende Frist gibt es nicht.
Eine Beendigung einer etwa zuvor bestehenden Stellung als Organ ist für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs beachtlich, auch wenn diese erst nach Rechtshängigkeit der Klage erfolgt ist. Alle bis zur letzten Tatsachenverhandlung eintretenden Umstände, welche die zunächst bestehende Unzulässigkeit des Rechtswegs beseitigen, sind zu berücksichtigen, sofern nicht vorher ein (rechtskräftiger) Verweisungsbeschluss ergeht (BAG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 10 AZB 46/14 –, Rn. 27, juris, bestätigt durch BAG, Beschluss vom 08. September 2015 – 9 AZB 21/15 –, Rn. 17, juris). Hiernach ist beim Prüfen der Voraussetzungen der Fiktion gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG eine Amtsniederlegung nach Rechtshängigkeit und vor erstinstanzlicher Entscheidung über den Rechtsweg zu berücksichtigen. Da es nur auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Fiktion ankommt, ist eine arbeitnehmerseitige Amtsniederlegung ebenso beachtlich wie eine arbeitgeberseitige Abberufung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
4. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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