AG Köln, Beschluss vom 04.07.2017 – 30 VI 587/14

August 22, 2021

AG Köln, Beschluss vom 04.07.2017 – 30 VI 587/14

Tenor
Der Antrag des Beteiligten X vom 21.01.2015 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses ist zurückzuweisen.

Der Antrag des Beteiligten Y vom 03.02.2016 auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses ist zurückzuweisen.

Im Hinblick auf den Antrag des Beteiligten X vom 21.04.2015 auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins des Inhalts dass die Beteiligten zu 4) bis 9) Erben zu je 1/6 Anteil geworden seien, ergehen gesonderte Anordnungen.

Gründe
I.

Die am 14.12.2014 verstorbene Erblasserin war verwitwet und hinterließ keine eigenen Abkömmlinge. Ihr vorverstorbener Ehemann war Dr. I. C., Wirtschaftsprüfer und ehemals Geschäftsführer der (CDU nahen) Staatsbürgerlichen Vereinigung. Der vorverstorbene Ehemann war eine der führenden Personen in dem Parteispendenskandal der CDU.

Der Beteiligte zu 1) hat die Erblasserin vormals anwaltlich vertreten und in Vermögensangelegenheiten betreut und begehrt nun die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses sowie eines gemeinschaftlichen Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 4) bis 9).

Der Beteiligte zu 2) ist der Sohn der verstorbenen Schwester, mithin der Neffe der Erblasserin.

Der Beteiligte zu 3) ist ehemaliger Notar aus D. Er hat die letztwillige Verfügung aus dem Jahre 2001 beurkundet und begehrt die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses.

Die Beteiligten zu 4) bis 9) sind die Verwandten des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin und leben in Schottland.

Die Erblasserin litt an Demenz und starker Sehbehinderung sowie einer Blutzuckererkrankung. Mit Beschluss des Betreuungsgerichts vom 05.05.2003 (Az.: 55 XVII B 395/02) wurde Betreuung angeordnet und der Zeuge Q zum Betreuer bestellt (Blatt 52 der Betreuungsakte).

Die Erblasserin hinterließ folgende Verfügungen:

Mit notariellem Testament vom 15.05.2001 (Urkundenrolle Nr. 613/2001), verschlossen mit dem Siegel des Notariats D, Notar Y) setzte die Erblasserin die Verwandten ihres verstorbenen Ehemannes, nämlich die Kinder des L. C. sowie die Kinder des S. C. , die Beteiligten zu 4) bis 9) zu Erben ein.

Mit handschriftlichem Zusatz-Testament vom 15.05.2001 ordnete sie überdies Testamentsvollstreckung an und bestimmte Herrn Notar Y. zum Testamentsvollstrecker.

Mit notarieller Urkunde vom 24.06.2003 (Urkundenrolle Nr. 0720/2003), verschlossen mit dem Siegel des Notars E. J. ) ordnete die Erblasserin Testamentsvollstreckung an und bestimmte nun den Beteiligten zu 1) zum Testamentsvollstrecker.

In dem am 05.05.2004 vor dem Notar F. errichteten Erbvertrag (Urkundenrolle 451/2004) mit dem Beteiligten zu 2) widerrief sie die früheren Verfügungen und setzte den Beteiligten zu 2) zu ihrem Alleinerben ein.

Die letztwilligen Verfügungen wurden am 08.01.2015, am 11.02.2015 und am 30.09.2015 eröffnet.

Das Nachlassvermögen besteht im Wesentlichen aus zwei Eigentumswohnungen in Köln sowie einer Immobilie im Eichenhof.

In einem Verfahren vor dem Landgericht Baden-Baden (Az.: 2 O 276/06), in der die Erblasserin von dem Beteiligten X. vertreten wurde – wobei die Wirksamkeit der Vertretung zwischen den Beteiligten umstritten ist – haben der Beteiligte X. als Vertreter der Erblasserin und der Beteiligte P. T. im Jahre 2008 einen Vergleich geschlossen, mit welchem der Beteiligte T. sowie auch seine Geschwister Q. K. und K. T. auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet und die Beteiligten sich einig darüber erklärten, dass der Erbvertrag vom 05.05.2004 aufgrund Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung unwirksam sei. Ferner wurde ein Abfindungsbetrag in Höhe von 150.000,00 € vereinbart. Das Betreuungsgericht hat mit Beschluss vom 12.11.2009 den Vergleich einschließlich des Erbverzichtsvertrages genehmigt.

Mit notariellem Antrag vom 16.01.2015 (Blatt 28 ff. der Akte) hat der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses nach der Erblasserin beantragt. Er stützt den Antrag auf das notarielle Testament vom 24.06.2003 und ist der Ansicht, die Erblasserin sei erst im späteren Verlauf testierunfähig geworden.

Mit weiterem notariellen Antrag vom 21.04.2015 (Urkundenrolle -Nr. 662/2015 vor dem Notar U.) (Blatt 245 ff. der Akte) hat der Beteiligte X. in dem Erbscheinsverfahren zudem die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins des Inhalts beantragt, dass die in Schottland lebenden Verwandten des vorverstorbenen Ehemannes, die Beteiligten zu 4) bis 9) Erben zu je 1/6 Anteil geworden seien. Hierfür stützt er sich auf das notarielle Testament vom 15.05.2001.

Der Beteiligte Y. hat erst im Verlauf des Verfahrens das handschriftliche Zusatz-Testament vom 15.05.2001 zur Nachlassakte gereicht und mit Schreiben vom 03.02.2016 (Blatt 955 der Akte) (formwidrig) die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragt. Hierzu stützt er sich auf das handschriftliche Testament vom 15.05.2001. Ferner hat er die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes erklärt.

Gegen die wirksame Einsetzung des Beteiligten Y zum Testamentsvollstrecker wendet sich der Beteiligte X und wendet ein, dass die Ernennung in dem handschriftlichen Testament jedenfalls gegen §§ 7, 27 BeurkG verstoße.

Gegen diese Anträge wendet sich der Beteiligte P. T.. Er ist der Ansicht, der Erbvertrag aus dem Jahre 2004 sei wirksam errichtet worden und auch nicht durch den Vergleich vor dem Landgericht Baden-Baden beseitigt worden. Die Erblasserin sei zu diesem Zeitpunkt noch testierfähig gewesen. Somit sei er selbst Alleinerbe nach der Erblasserin geworden.

Er erklärt mit Anwaltsschreiben vom 24.06.2015 (Blatt 464 ff. der Akte) zudem vorsorglich die Anfechtung der letztwilligen Verfügungen aus dem Jahre 2003 und 2001 (Blatt 464 ff.) aufgrund eines beachtlichen Motivirrtums.

Die Erblasserin hat zu Lebzeiten verschiedene Vollmachten erteilt. Mit Urkunde vom 03.01.2001 erteilte die Erblasserin dem Beteiligten X. eine Vollmacht und bestellte diesen zum allgemeinen Vertreter in finanziellen und juristischen Angelegenheiten (Blatt 4 der Akte). Am 21.09.2003 erteilte die Erblasserin sodann Frau Rechtsanwältin R. eine Vollmacht und widerrief am 26.09.2003 die Vollmacht zugunsten des Beteiligten X.

Am 20.10.2003 bat sie die Zeugin R. nach einer „Besprechung mit ihren Beratern“ ihre Bemühungen einzustellen. Sie widerrief abermals mit Schreiben vom 03.05.2004 die Vollmacht zugunsten des Beteiligten X und erteilte am 05.05.2004 erneut eine weitere notarielle Vollmacht zugunsten der Zeugin Frau R.

Es wurden bereits im betreuungsgerichtlichen Verfahren nervenärztliche Gutachten eingeholt, so das Gutachten vom 18.03.2003 der Frau L. ‚W., Fachärztin für Psychiatrie und das Gutachten vom 07.07.2005 des Herrn Sachverständigen Dr. med. H. N., Arzt für Neurologie und Psychiatrie. Ferner liegen Privatgutachten, so das Gutachten vom 06.08.2004 des Herrn Dr. med. I. sowie das Gutachten der Frau Dr. med J. vom 26.07.2004 vor.

Mit Beschluss vom 20.05.2015 (Blatt 343 der Akte) wurde Nachlasspflegschaft angeordnet und Rechtsanwalt B. Q. zum Nachlasspfleger bestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten T. wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 14.09.2015 zurückgewiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Q., E. und L sowie persönliche Anhörung der Beteiligten X und Y in Anwesenheit des Sachverständigen Dr. G.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 11.03.2018, und vom 08.07.2016.

Das Gericht hat ferner Beweis erhoben durch Einholung insbesondere von schriftlichen Stellungnahmen der beurkundenden Notare E. J. und Dr. C, ferner des Hausarztes Dr. X, des Augenarztes Dr. X1, des Dr. L1, der Zeugin P1, der Zeugin T. T. des Dr. L2 und T. C., der Beteiligten zu 4) bis 9), des damaligen Kontrollbetreuers der Erblasserin Rechtsanwalt T. 3sowie des Mitarbeiters der Volksbank Herrn T. 4. Es wird auf die zur Akte gereichten Stellungnahmen sowie die beigezogenen Krankenunterlagen und sonstigen Unterlagen verwiesen.

Das Gericht hat schließlich ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten vom 30.12.2016 (Blatt 1662 ff. der Akte) und das Ergänzungsgutachten vom 20.04.2017 (Blatt 1819 ff. der Akte) des Sachverständigen Dr. med. B. C., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Die Betreuungsakte des AG Köln (AZ.: 60 (55) XVII B 395/02) sowie die Akte des Landgerichts Baden-Baden (Az.: 2 O 276/06) wurden beigezogen und waren Gegenstand des Verfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses vom 21.01.2015 war zurückzuweisen.

Denn das notarielle Testament vom 24.06.2003 (Urkundenrolle Nr. 0720/2003), mit dem die Erblasserin Testamentsvollstreckung angeordnet und den Beteiligten zu 1) zum Testamentsvollstrecker ernannt hat ist unwirksam, da die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt und danach nicht mehr testierfähig war.

1.

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Testierunfähig ist auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (vgl. grundlegend BGH FamRZ 1958, 127f). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte (BayObLGZ 1999, 205/210 f.).

Der Erblasser ist dabei solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts feststeht. Bei bloßen Zweifeln muss von der Testierfähigkeit ausgegangen werden (BayObLGZ 1982, 309, 312). Das Gericht muss also nicht die Testierfähigkeit positiv feststellen, sondern umgekehrt muss die Testierunfähigkeit zweifelsfrei erwiesen sein. Die Feststellungslast für mangelnde Testierfähigkeit hat mithin grundsätzlich derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft.

Testierunfähigkeit in dem obigen Sinne liegt zwar noch nicht im Jahre 2001, jedoch im Zeitpunkt der Testamentserrichtungen am 24.06.2003 und am 05.05.2004 vor. Die Erblasserin war ab diesem Zeitpunkt aufgrund ihrer dementiellen Erkrankung nicht mehr in der Lage, sich ein klares Urteil über die Tragweite ihrer Anordnungen zu machen. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des gesamten Inhalts des Verfahrens, insbesondere aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme.

a)

Das Gericht stützt sich dabei in erster Linie auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. C. in seinem Gutachten vom 30.12.2016, ergänzt durch das Gutachten vom 20.04.2017.

Der Gutachter, an dessen fachlicher Qualifikation kein Zweifel besteht und der dem Gericht aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist, hat in seinem Gutachten für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass bei der Erblasserin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Laufe des Jahres 2002 eine dauerhafte Geistesschwäche in einer Ausprägung eingetreten sei, die sie daran hinderte, die Tragweite ihres Handelns ausreichend zu erfassen und kritische Erwägungen anzustellen. Die Einsichtsund Handlungsfähigkeit sei nicht mehr ausreichend gegeben gewesen. Im bildgebenden Verfahren, die in der neurologischen Univeritätsklinik Köln im Jahre 2009 erstellt wurden, haben sich vaskuläre Leukenzephalopathie und Zeichen einer Hirnvolumenminderung dargestellt. Dies sei typisch für eine Demenz und deutet auf einen bereits langjährigen Verlauf hin. Nach der Beurteilung des Sachverständigen entwickelte sich der Krankheitsverlauf von einer organischen Persönlichkeitsstörung im Laufe des Jahres 2000 zu einer Demenz. Der Krankheitsverlauf sei geprägt von zunächst einem beeinträchtigten Kurzzeitgedächtnis und einer gestörten zeitlichen Orientierung und kann insofern als typisch bezeichnet werden. Die schleichende organische Persönlichkeitsstörung seit dem Jahre 1997 wird gestützt durch Wechsel zwischen Vertrauen und Misstrauen, Stimmungsschwankungen, emotionale Labilität und Gereiztheit, beginnende Vernachlässigung der Körperpflege, wie sie durch den Zeugen Q. und den Zeugen C. beschrieben wurde. Wie der Sachverständige sodann feststellt, ging diese organische Persönlichkeitsstörung sodann in eine dementielle Entwicklung über, die durch erhöhte Suggestibilität und Gedächtnisverlust ab dem Jahre 2002 geprägt waren.

Eine Suggestibilität bestätigte sich in den Jahren 2003 und 2004 eindrucksvoll in dem raschen Wechsel der Vollmachterteilung und Widerrufserklärungen. Nach der Beurteilung des Sachverständigen sind diese im Wesentlichen durch die Gedächtnisverluste zu erklären, da die Erblasserin sich nicht mehr ausreichend erinnern konnte, was sie überhaupt unterzeichnet habe. Bei Vorhalt eines neuen Sachverhaltes bzw. Nachfragen durch die sie umgebenden Personen sei sie daher schnell irritiert und verunsichert gewesen.

Entgegen der Ansicht des Beteiligten X kann auch nicht ein luzides Intervall der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testamentes im Jahre 2003 angenommen werden. Die Annahme eines luziden Intervalls mit der Folge der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung scheidet nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bereits aus, da bei der Erblasserin eine hirnorganische Wesensänderung bzw. eine Demenz auf dem Boden einer Zerebralsklerosee bzw. einer Hirnatropie bestand. Bei einer solch chronischprogredienten Störung, richtet sich die Beurteilung der Testierfähigkeit nach den vorhandenen Dauerveränderungen. Nach den in sich schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen, denen sich das Nachlassgericht anschließt, waren die kognitivmnestischen Störungen bei der Erblasserin im Jahre 2003 bereits derart tiefgreifend, dass es ausgeschlossen ist, dass sie für den Zeitpunkt der Errichtung nicht vorhanden gewesen sein könnten. Ferner war auch vorliegend nicht anzunehmen, dass die Erblasserin in der Lage gewesen wäre, vor dem Hintergrund der in höchstem Maße eingeschränkten Kognition und Mnestik sowie dem gestörtem Urteilsvermögen die im nicht luziden Zustand versäumten Informationen und Erfahrungen „aufzuholen, bzw. nacharbeiten“ und damit in ihre Überlegungen zu integrieren. Hierzu war die Erblasserin nicht mehr in der Lage.

Das Amtsgericht schließt sich den wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen an. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. C, dessen Sachkunde unzweifelhaft ist, ist von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen.

Das Gericht geht davon aus, dass sich die festgestellte – anhaltende – Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin in der Form einer mangelnden Einsichtsfähigkeit über die Bedeutung ihrer Willenserklärung als Folge der krankhaften Störung des Geistestätigkeit auf die Testamentserrichtungen im Jahre 2003 und 2004 derart ausgewirkt hat, dass die Erwägungen und Willensentschlüsse durch die krankhaften Vorstellungen beherrscht werden, weshalb hier von Testierunfähigkeit auszugehen ist. Einschränkungen der Erblasserin in der freien Willensbildung im Zeitraum vor 2002 kann der Sachverständige nur vermuten, jedoch nicht mit der ausreichenden Sicherheit feststellen. Es liegen für diesen Zeitraum nur wenige Anknüpfungstatsachen und Krankenunterlagen vor. Die Erblasserin war Selbstzahlerin, so dass über eine Krankenkasse Unterlagen, insbesondere etwa ein Pflegegutachten nicht vorlagen. Daher muss nach den allgemeinen Grundsätzen von einer Testierfähigkeit zu dem Zeitpunkt der Errichtung im Mai 2001 ausgegangen werden (vgl. hierzu BayObLGZ 1982, 309, 312).

b)

Das gefundene Ergebnis wird gestützt durch das im Betreuungsverfahren eingeholte Gutachten der Sachverständigen Frau W., Fachärztin für Psychiatrie, vom 18.03.2003. Die Sachverständige, die die Erblasserin am 29.10.2002 exploriert hat kommt hierin zu der Feststellung, dass das Nachlassen der Gedächtnisleistung der Erblasserin einen solchen Schweregrad erreicht habe, dass es die freie Willensäußerung, das Abwägen von Gründen und Gegengründen sowie die Fähigkeit, daraus nach eigenem Urteil Entscheidungen herzuleiten, behindert bzw. ausschließt, weil Entscheidungen aufgrund der Gedächtniseinbußen nicht mehr aus der Kontinuität des Lebens und aus einer sicheren Urteilskraft erwachsen. Die Sachverständige kommt zu dem Schluss, dass es sich bei der Erblasserin um eine Persönlichkeit mit einer assoziierten Suggestibilität und emotionalen Beeinflussbarkeit handle. Es spreche sogar viel dafür, dass bereits im Januar 2001 relevante Gedächtnisstörungen vorgelegen haben, als die Erblasserin eine umfangreiche Vollmacht für den Beteiligten X unterschrieb, ohne deren Inhalt, Bedeutung und die Konsequenzen realisiert zu haben. Sie sei jedenfalls zum Zeitpunkt der Exploration im Oktober 2002 nicht mehr in der Lage gewesen, einen Bevollmächtigten zu überwachen. Ob diese bereits zu diesem Zeitpunkt den Grad der Testierunfähigkeit erreicht haben, bleibt jedoch zweifelhaft, wie der Sachverständige plausibel darlegt.

Der Mini Mental Status Test sei in seiner Aussagekraft eingeschränkt, weil drei Aufgaben aufgrund ihrer Sehbehinderung nicht durchführbar gewesen seien. Das Ergebnis weise jedoch eindeutig in Richtung einer beginnenden Demenz. Das Ergebnis des Uhrentests, wobei die Betroffene ein Ergebnis von 4 von insgesamt 6 Punkten erreicht habe (1 = ohne Fehler , 6= keine Uhr erkennbar), spreche für das Vorliegen einer mittelgradigen visuellräumlichen Desorganisation, die ein korrektes Einzeichnen der Uhrzeit unmöglich machte. Zwar sei hier die starke Fehlsichtigkeit der Erblasserin zu berücksichtigen, das Ergebnis jedoch nicht nur aufgrund technischer Schwierigkeiten zustande gekommen. Die Sachverständige stellt abschließend die Diagnosen einer beginnenden dementiellen Entwicklung (ICD10: F00.1) sowie des Verdachts auf eine abhängige Persönlichkeitsstruktur (ICD 10 : F60.7).

Auch das durch das Betreuungsgericht in der Folgezeit eingeholte Gutachten des Dr. med. N., Arzt für Neurologie und Psychiatrie vom 07.07.2005, das auf einer Untersuchung der Erblasserin am 30.06.2005 in ihrer Wohnung beruht, kommt zu dem Ergebnis einer dementiellen Entwicklung, im Befund bereits verschlechtert zur Voruntersuchung der Sachverständigen W..

Ferner kommt auch der Gutachter Dr. G. – bezogen auf einen späteren Zeitpunkt – in dem auf Veranlassung des Beteiligten X eingeholten Privatgutachten vom 06.08.2004 zu der Diagnose einer Alzheimer-Demenz. Die Untersuchung der Erblasserin erfolgte am 04.08.2004. Das Krankheitsbild sei durch hochgradige mnestische und kognitive Beeinträchtigungen, Störungen der Orientierung, der Auffassung, des Denkablauf sowie der Kritik- und Urteilsfähigkeit gekennzeichnet gewesen. Erinnerungsunschärfen und – lücken habe die Erblasserin immer wieder durch Konfabulationen zu füllen versucht.

c)

Das Privatgutachten der Sachverständigen Dr. med. J., Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie vom 26.07.2004 ist nicht geeignet, die Feststellungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Die Sachverständige Frau J trifft hierin die Feststellung, dass die Erblasserin bei der Durchführung des Minimental-Status Test und des DemTectTestes leichte bis mittelgradige kognitive Beeinträchtigungen gezeigt habe, die jedoch altersgemäß erscheinen. Frau C. sei altersentsprechend in ihren kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt.

Das lediglich kurze (zweieinhalb Seiten lange) Gutachten erfüllt nicht die Anforderungen, die an ein Gutachten über die Geschäftsfähigkeit zu stellen sind. Es fehlt jede Auseinandersetzung mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits erstellten Gutachten der Frau Vollmer. Ferner werden keine konkreten Testergebnisse wiedergegeben und die leichten bis mittelgradigen Einbußen als „Altersgerecht“ eingestuft, ohne dabei die zu erläutern, was nach Auffassung der Gutachterin altersgerecht bedeuten soll. Ferner steht es im Widerspruch zu dem nur sieben Monate zuvor erstellten Gutachten der Frau W und des nur kurze Zeit später (drei Monate) später erstellten Gutachten des Dr. G..

d)

Mit dem gefundenen Ergebnis steht die Einschätzung des Augenarztes Dr. T. in Einklang, der dem Gericht in seiner schriftlichen Zeugenaussage mitgeteilt hat, dass die Erblasserin ab April 2003 in der Praxis behandelt wurde. Bei ihr habe eine hochgradige Sehschwäche bestanden. Lesefähigkeit in der Nähe für zusammenhängende Wortsilben hätten nicht mehr bestanden. Es sei ihm aufgefallen, dass sie einfachste Fragen nicht beantworten konnte. Die Erblasserin sei nicht in der Lage gewesen, einfachste Testanweisungen im Rahmen des Tests mit den „Landoldt-Ringen“ zu verstehen und zu befolgen. Hierbei handele es sich um ein ringförmiges Symbol, bei dem jeweils eine Unterbrechung besteht. Die Lage dieser Unterbrechung soll analog dem Ziffernblatt einer Uhr von dem Patienten benannt werden.

Ferner werden die Feststellungen durch die Aussagen des Zeugen Q, der die Erblasserin betreut hat sowie des Zeugen C, des ehemaligen Chauffeurs der Erblasserin gestützt.

Der Zeuge Q hat ausgesagt, dass er die Erblasserin ab September 2002 in Vollzeit betreut habe und bereits zuvor gelegentlich als Pflegekraft bei der Erblasserin geholfen habe. Er wurde durch das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 05.05.2003 als Betreuer eingesetzt. Die Erblasserin habe von Anfang an allein keine Termine einhalten können. Er habe dann vermieden, regelmäßige Termine zu planen, da dies bei demenzerkrankten Personen, wie der Erblasserin seiner Ansicht nach nicht möglich sei.

Der Zeuge C hat in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2016 ausgesagt, die Erblasserin seit dem Jahre 1985 zu kennen und bis 2002 für sie als Chauffeur tätig gewesen zu sein, bevor er sich in der Folge nur noch um das Anwesen im A gekümmert habe. Während der langen Autofahrten in die Schweiz oder zu dem Notariat C. habe sie sich oft sehr vergesslich gezeigt und schon nach etwa 10 Minuten nicht mehr gewusst habe, was sie zuvor gesagt habe.

Schließlich fügt sich auch im Wesentlichen die persönliche Anhörung des Beteiligten Y, der mit Schreiben vom 30.07.2002 die Betretung damals angeregt hatte mit den Feststellungen des Sachverständigen. Der Beteiligte hat in der mündlichen Verhandlung am 11.03.2016 erklärt, dass er die Erblasserin seit 1997/1998 gekannt habe und bis Ende 2002 mit ihr in Kontakt gestanden habe. Er habe damals die Betreuung angeregt, weil ein Mitarbeiter der der Deutschen Bank ihn angesprochen habe. Die Bank habe der Erblasserin kein Geld auszahlen wollen, weil die Mitarbeiter bereits Zweifel hatten, ob die Erblasserin noch geschäftsfähig sei. Zudem habe die Erblasserin zu einer der Bank vorliegenden Vollmacht erklärt, dass sie sich an diese Vollmacht– gemeint sei wohl die für Herrn Rechtsanwalt X – nicht mehr erinnere und einen solchen Rechtsanwalt gar nicht kenne. Hingegen habe er im Zeitpunkt der Beurkundung der notariellen Verfügung im Jahre 2001 noch keinerlei Anzeichen für eine Testierunfähigkeit gesehen. Sie habe zu diesem Zeitpunkt auf ihn den Eindruck gemacht, als habe sie ihr Leben noch gut im Griff. Die Erblasserin habe zudem ihm gegenüber zum Motiv der Verfügung erklärt, dass ihr jetziges Vermögen von ihrem Mann stamme und es daher auch zu den Verwandten ihres Mannes zurückfließen solle.

Auch die Anhörung des Beteiligten X lässt sich in den wesentlichen Zügen mit dem gefundenen Ergebnis in Einklang bringen. So hat der Beteiligte X in der Verhandlung am 11.03.2016 erklärt, dass er die Erblasserin im Jahre 2001 kennengelernt habe. Die Erblasserin habe keinen Bezug zu Geldangelegenheiten gehabt. In den Jahren 2002/2003/2004 habe sie eine Phase gehabt, in der sie viele ihrer Mitarbeiter zu unrecht verdächtigt habe. Und auch die Beziehung zu dem Zeugen C abgebrochen habe. In dieser Phase war nichts gut genug für sie und sie war geprägt von Aggressionen gegenüber den sie umgebenden Kontaktpersonen.

Soweit der Beteiligte der Auffassung ist, die Erblasserin sei im Jahre 2003 jedoch noch insoweit testierfähig gewesen, als sie bestimmt habe, er solle die Testamentsvollstreckung übernehmen, kann dies nicht überzeugen.

Er ist der Auffassung, eine Testierfähigkeit in dem Sinne, dass sie noch in der Lage gewesen wäre, komplexe Anordnungen und Verfügungen über einzelne Gegenstände zugunsten verschiedener Personen zu treffen sei zweifelhaft gewesen, die Fähigkeit eine einfache Testamentsvollstreckung anzuordnen, jedoch noch erhalten gewesen.

Dieses Argument des Beteiligen X kann nicht verfangen.

Dass es sich bei der Ernennung zum Testamentsvollstrecker scheinbar um eine einfache und nicht komplexe Angelegenheit handle, spielt bei der Beurteilung der Testierfähigkeit keine entscheidende Rolle, weil es eine “partielle Testierunfähigkeit” nicht gibt (vgl. dazu BayObLG, Beschluss v. 08. April 1997 – 1Z BR 93/95 –, juris; BayObLGZ 1991, 59/62). Zudem kann dem Beteiligten X auch bereits in der Einschätzung nicht gefolgt werden, dass es sich bei der Anordnung der Testamentsvollstreckung und der Bestimmung der damit verbundenen Befugnisse überhaupt um eine einfachere Angelegenheit handle. Die Entziehung der Verfügungsbefugnis der Erben und die Auswahl der Person des Testamentsvollstreckers bedarf ebenso der Fähigkeit die für und gegen diese Anordnung sprechenden Gründe abzuwägen und die Außendinge zu würdigen.

Auch das Vorbringen des Beteiligten P. T. ist nicht geeignet, die Feststellungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Insbesondere der von ihm vorgetragene Umstand, dass die Erblasserin von einigen Kontaktpersonen im Jahre 2004 noch als testierfähig betrachtet wurde, steht dem Ergebnis der Testierfähigkeit nicht entgegen, da insbesondere von Demenzerkrankten lange gegenüber Laien eine intakte Fassade aufrechterhalten werden kann (siehe obige Ausführungen).

e)

Dem Ergebnis stehen die übrigen Zeugenaussagen, insbesondere des Herrn Notars I., des Notars Dr. C., der Zeugin P, des Zeugen T., des Zeugen L sowie der Zeugin T. T. nicht entgegen.

Der Notar I. hat ausgesagt, im Wesentlichen keine Erinnerung mehr an die Beurkundung zu haben. Der Notar Dr. C. hat ausgesagt, keine Anzeichen für eine Testierunfähigekeit bemerkt zu haben. Da er jedoch kein Arzt sei und zur zusätzlichen Absicherung habe er empfohlen im Anschluss an die Beurkundung einen Nervenarzt aufzusuchen. Die Erblasserin habe ihm gegenüber erklärt, dass sie die Erbeinsetzung ihres Neffen wolle, sie habe sich ihm gegenüber von Dritten gegängelt und bedrängt gezeigt.

Die Zeugin T. T. hat erklärt, mit der Erblasserin in fast wöchentlichen Abständen telefoniert und bis 2013 persönliche Treffen mit der Erblasserin gehabt zu haben. Bei einem Treffen im Jahre 2006 habe die Erblasserin erklärt, dass der P.T. sowieso mal „ihr ganzes Erbe bekomme“. Sie erklärte, keinerlei Anzeichen für eine Testierunfähigkeit bemerkt zu haben. Erst ab dem Jahre 2011 sei ihr eine Müdigkeit bei der Erblasserin aufgefallen.

Die Zeugin P hat bekundet, dass ihr bei den Treffen mit der Erblasserin – sie hatte seit September 2003 als ihre Rechtsanwältin losen Kontakt und ab 2004 bis 2006 einen intensiveren, auch persönlichen Kontakt – keinerlei Anzeichen von Testierunfähigkeit aufgefallen seien.

Der Zeuge L. hat ausgesagt, dass er die Erblasserin seit 2004 kannte und seit Oktober 2004 als Pfleger und persönlicher Assistent bei ihr tätig gewesen sei. Er habe mit der Erblasserin noch Gespräche führen können, die er auf der Stufe des „Kaffeeklatsches“ ansiedeln würde und ihr auch aus der Zeitung, etwa der Süddeutschen Zeitung vorgelesen. Hier habe er insbesondere lustige Dinge, etwa Witze, aber auch andere Artikel ausgewählt. Sinn sei gewesen, die Erblasserin zu unterhalten und zu beschäftigen. Nach einiger Zeit – nach etwa vier bis fünf Jahren, wobei es auch schon früher begonnen haben und auch schleichend gewesen sein könnte – sei die Erblasserin sehr vergesslich geworden. Am Anfang jedoch sei er davon ausgegangen, mit Frau C eine gesunde Frau mit einer Sehschwäche kennengelernt zu haben.

Gegenüber dem Sachverständigengutachten kommt den obigen einzelnen glaubhaften Erklärungen der verschiedenen Kontaktpersonen und deren Beobachtungen gerade im Falle der Altersdemenz jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Es entspricht wissenschaftlicher Erkenntnis, dass an Demenz erkrankte Personen bei Laien, auch Richtern und Notaren, trotz bedeutsamer kognitiven Leistungseinbußen einen durchaus “normalen” Eindruck (“Fassade”) hinterlassen können (vgl. hierzu auch BayObLGZ 1979, 256/ 262; BayObLGZ 1995, 383/391). Hierauf hat auch der Sachverständige Dr. C. in seinem Ergänzungsgutachten hingewiesen. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, werden die Gedächtnisstörungen bei einer Demenz im Kurzzeitberei ch typischerweise durch Alterinnerungenen ausgefüllt und überdeckt, so dass eine Fassade eines scheinbar intakten Gedächtnisses in der Laienwahrnehmung lange betehen bleiben kann, da man sich noch „gut unterhalten kann“.

Die von dem Beteiligten Y vorgelegten Schreiben der Erblasserin die in den Jahren 200 bis 2004 datiert sind, sind ebenfalls nicht geeignet, die Feststellungen des Sachverständigen zu erschüttern. Teilweise sind sie nicht handschriftlich erzeugt, sondern nur von der Erblasserin unterzeichnet worden, so dass die Urheberschaft des Inhalts nicht eindeutig feststeht. Soweit sie jedoch handschriftlich erzeugt sind, so können sie zwar Hinweise auf die Feinmotorik der Erblasserin geben, jedoch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der Testierfähigkeit bilden, wie der Sachverständige nachvollziehbar in seinem Ergänzungsgutachten vom 20.04.2017 dargelegt hat.

Auch die weiteren Angaben der Beteiligten sowie die weiteren schriftlichen Stellungnahmen der Zeugen geben keine Anhaltspunkte, die dem gefundenen Ergebnis der Testierunfähigkeit entgegenstehen können.

2.

Der Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses des Beteiligten Y vom 03.02.2016 ist ebenfalls zurückzuweisen. Der Antrag ist bereits nicht formgemäß gestellt worden und aus diesem Grunde bereits zurückzuweisen. Er ist jedoch auch in der Sache unbegründet.

Der Beteiligte Y kann in der Sache nicht die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verlangen, denn die letztwillige Verfügung vom 15.05.2001 bezüglich der Ernennung des Beteiligten zu 1.) zum Testamentsvollstrecker ist aufgrund einer Umgehung der Vorschrift des § 7 BeurkG i.V.m. § 125 BGB unwirksam. Beurkundet der Notar ein Testament und ordnet die Erblasserin in einer gesonderten handschriftlichen Niederschrift Testamentsvollstreckung an und bestellt in dieser handschriftlichen Niederschrift den beurkundenden Notar zum Testamentsvollstrecker, kann die handschriftliche letztwillige Verfügung nach den Umständen des Einzelfalles gemäß §§ 27, 7 Nr. 1 BeurkG i.V.m. § 125 BGB unwirksam sei Zimmermann (Die Testamentsvollstreckung, 4. Auflage, 2014, Seite 113, Rn. 94a). Dies ist hier der Fall.

Nicht von vornherein negativ zu bewerten ist der Wunsch eines Erblassers, dass der Notar, dem er zu Lebzeiten seine Angelegenheiten anvertraut hat, auch als Testamentsvollstrecker seinen letzten Willen vollziehen oder zumindest die Durchführung der Vollziehung überwachen soll (hierzu Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, FamRZ 2015, 533, 534; OLG Stuttgart, DNotZ 1990, 430). Den sich daraus für den Notar ergebenden Interessenkonflikt spiegeln die Vorschriften in § 27 und § 7 BeurkG wieder. § 27 BeurkG statuiert durch die Verweisung auf § 7 BeurkG ein Mitwirkungsverbot: Nach § 7 Nr. 1 BeurkG ist eine Beurkundung von Willenserklärungen insoweit unwirksam, als diese darauf gerichtet sind, dem Notar einen rechtlichen Vorteil zu verschaffen. Das Beurkundungsverfahren soll freigehalten werden von eigenen Interessen des beurkundenden Notars, denn aus der Doppelstellung als beurkundender Notar und Träger von Rechten als Testamentsvollstrecker – mit oder ohne Honorar – könnte sich ein Interessenkonflikt des Notars mit Rückwirkungen auf die Gestaltung der Urkunde ergeben (vgl. hierzu Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, MDR 2015, 1373). Der Notar darf deshalb nach §§ 27, 7 Nr. 1 BeurkG an der Beurkundung nicht mitwirken, wenn er in der von ihm protokollierten letztwilligen Verfügung zum Testamentsvollstrecker ernannt werden soll (hierzu Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, a.a.O.; Reimann, DNotZ 1990, 433.).

Darüber hinaus kann jedoch auch jegliche Verknüpfung mit dem ursprünglichen notariellen Testament eine Umgehung von § 7 BeurkG begründen und im Hinblick auf dessen Wirksamkeit schädlich sein (OLG Bremen, a.a.O.; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Auflage, 2014, Seite 113, Rn. 94a).

Eine solche Verknüpfung liegt nach Ansicht des Nachlassgerichts hier vor. Wie der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2016 selbst bekundete, wurde das handschriftliche Testament im Anschluss an die notarielle Beurkundung am 15.05.2001 in den Räumen des Notariats niedergeschrieben. Der Beteiligte hat das öffentliche Testament in Verwahrung genommen und das handschriftliche „Zusatztestament“ ebenfalls an sich genommen, welches er dann mit Schreiben aus September 2015 zur Nachlassakte gereicht hat. Zum Anlass der Ernennung seiner Person als Testamentsvollstrecker hat der Beteiligte mitgeteilt, die Erblasserin habe ihm immer etwas Gutes tun wollen. Daraufhin habe er ihr gegenüber erklärt, wenn sie ihm eine lukrative Arbeit verschaffen wolle, so solle sie ihn doch als Testamentsvollstrecker einsetzen.

Damit ist das handschriftliche Zusatztestament sogar auf eigene Veranlassung des Notars errichtet worden. Dadurch ist es zu einer Vermischung der Beurkundungsfunktion mit den eigenen finanziellen Interessen des beurkundenden Notars gekommen, was die Unwirksamkeitsfolge der handschriftlich angeordneten Testamentsvollstreckerernennung des Beteiligten Y im Sinne von § 7 BeurkG zur Folge hat.

3.

Die Testamentsvollstreckung dürfte daher gänzlich entfallen sein. Sollte sich die Unwirksamkeitsfolge nicht bereits durch die unwirksame Ernennung des Beteiligten Y auch auf die Anordnung der Testamentsvollstreckung als solche erstrecken, so entfällt sie jedoch, da ein Ersatztestamentsvollstrecker nicht ernannt wurde und Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Ersuchen im Sinne von § 2200 BGB aufgrund des weggefallen ursprünglich verfolgten finanziellen Zwecks nicht vorliegen.

4.

Im Hinblick auf den im Erbscheinsverfahren (Az.: 30 VI 246/15) gestellten Antrag des Beteiligten X vom 21.04.2015 auf Erteilung des gemeinschaftlichen Erbscheins dahingehend, dass die Beteiligten B., K., T. sowie T1, Q1 und S. cC. zu gleichen Anteilen Erben nach der Erblasserin geworden sind, wird bereits jetzt Folgendes angemerkt.

Grundsätzlich können Personen, die Rechte der Erben kraft Aufgabenzuweisung wahrnehmen, mithin Testamentsvollstrecker, einen Erbschein auf den Namen der Erben beantragen. Die Antragsberechtigung ist von einer bestimmten Rechtsstellung abhängig, die der Antragsteller nachweisen muss. Nur für das beanspruchte Erbrecht genügt eine schlüssige Darlegung, weil es im Verfahren ja erst festgestellt wird (vgl. hierzu Palandt, Weidlich, 75. Auflage, 2016, § 2353 Rdn. 10).

Vorliegend fehlt dem Beteiligten X, der den Antrag im Namen der Erben als Testamentsvollstrecker gestellt hat, die Antragsberechtigung, da er nach dem oben Gesagten nicht wirksam zum Testamentsvollstrecker nach der Erblasserin bestellt worden ist. Damit wäre der Antrag derzeit als unzulässig zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 4) bis 9), B. K. und T. C. sowie T1, Q. und S. C. dürften zwar aufgrund des notariellem Testamentes vom 15.05.2001 (Urkundenrolle Nr. 613/2001) Erben nach der Erblasserin zu jeweils 1/6 Anteil geworden sein. Da eine Testierunfähigkeit im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB zu diesem Zeitpunkt nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen ist, dürfte das notarielle Testament wirksam sein.

Jedoch fehlt es dem Antragsteller Herrn X nunmehr an der Antragsbefugnis, so dass kein wirksamer Antrag auf Erteilung eines Erbscheins vorliegt. Insofern wird anheim gestellt, dass die Beteiligten zu 4) bis 9) den Antrag erneut – ohne Testamentsvollstreckervermerk – formgemäß stellen.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Köln, 03.07.2017AmtsgerichtRichterin am Amtsgericht

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