Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25. November 1997 – 10 Wx 33/96 Testamentsauslegung: Auslegung einer Regelung hinsichtlich der Einsetzung von “Abkömmlingen” als Ersatzerben und Amtsermittlungspflicht des Nachlaßgerichts

April 21, 2019

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25. November 1997 – 10 Wx 33/96
Testamentsauslegung: Auslegung einer Regelung hinsichtlich der Einsetzung von “Abkömmlingen” als Ersatzerben und Amtsermittlungspflicht des Nachlaßgerichts
1. Hat ein Erblasser “die Abkömmlinge” eines Sohnes als Ersatzerben eingesetzt, ist zu prüfen, ob nach dem Willen des Erblassers auch Urenkel und Adoptivkinder als Ersatzerben in Betracht kommen.
2. Nach der Auslegungsregel des BGB § 2069, dessen Rechtsgedanke heranzuziehen ist, sind grundsätzlich alle Nachfahren in erster Parentel gemäß BGB § 1924 Abs 4 als Abkömmlinge des weggefallenen Bedachten anzusehen. Es ist deshalb durch Erforschung des wirklichen oder des hypothetischen Willens des Erblassers zu ermitteln, ob der Erblasser von dieser Auslegungsregel abweichen wollte. Dabei müssen auch alle außerhalb des Testaments liegenden Umstände herangezogen werden. Es bietet sich daher an, zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung alle Beteiligten allgemein nach ihrer Kenntnis von den Geschehnissen im Zusammenhang mit der Testamentserrichtung und nach der Pflege der verwandtschaftlichen Beziehungen durch den Erblasser bis zu seinem Tode zu befragen.
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluß des Landgerichts Cottbus vom 11. Juni 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten der weiteren Beschwerde zu entscheiden hat.
Der Wert der weiteren Beschwerde wird auf 35.000,00 DM festgesetzt.
Der Wert der Beschwerde wird in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Cottbus ebenfalls auf 35.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist gemäß §§ 27, 29 FGG zulässig.
Der Beteiligte zu 1. ist beschwerdeberechtigt. Die Berechtigung zur Einlegung der weiteren Beschwerde bestimmt sich nach § 29 Abs. 4 FGG nach § 20 FGG (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 13. Aufl., § 27, Rz. 10). Gemäß § 20 Abs. 2 FGG steht, soweit eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, die Beschwerde nur dem Antragsteller zu. Aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit sind aber über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus von der Anfechtung einer abweisenden Verfügung diejenigen Personen grundsätzlich nicht ausgeschlossen, die zu dem Antrag in erster Instanz berechtigt gewesen wären, ihn aber nicht gestellt haben (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 20, Rz. 51; Palandt/Edenhofer, BGB, 56. Aufl., § 2353, Rz. 29 m.w.N.; a. A. Bassenge/Herbst, FGG/RPflG, 7. Aufl., § 20 FGG Rz. 13 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Demnach kann, obwohl den unter anderem ihn begünstigenden Erbschein die Beteiligte zu 2. beantragt hat, auch der Beteiligte zu 1. Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Antrags einlegen.
Der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde steht nicht entgegen, daß der Beteiligte zu 1. mit dem Rechtsmittel den erstmals in dieser Instanz gestellten Antrag, einen Erbschein zu erteilen, der ihn und die Beteiligte zu 2. einerseits, sowie die Beteiligten zu 3. und 4. andererseits als Erben zu einer Quote von 1/3 ausweise, verbunden hat. Denn sein Begehren kann bei verständiger Würdigung nicht dahin verstanden werden, daß er kein rechtliches Interesse mehr an der Erteilung eines Erbscheines des von der Beteiligten zu 2. beantragten Inhalts hat, nämlich dahin, daß lediglich die Beteiligten zu 1. und 2. als Erben zu je ½ ausgewiesen werden, sondern in Anerkennung eines Erbrechts auch der Beteiligten zu 3. und 4. allein noch einen Erbschein erstrebt, der ihn als Erben zu 1/3 ausweist, ein Begehren, das, allein verfolgt, die weitere Beschwerde unzulässig machen würde.
Ein erst beim Beschwerdegericht gestellter Antrag auf Erteilung eines Erbscheins ist allerdings unzulässig (OLG Hamm, OLGZ 1968, 332, 333; Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 19 Rz. 115 u. § 23, Rz. 3; Soergel/Damrau, BGB, 12. Aufl., § 2353, Rz. 26 m.w.N.). Denn das Beschwerdegericht darf eine Entscheidung nur insoweit treffen, als das Gericht erster Instanz einen Beschluß erlassen hat. Der angefochtene erstinstanzliche Beschluß bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Diesen Gegenstand darf das Beschwerdegericht nicht einschränken, erweitern oder auswechseln. Es hat vielmehr grundsätzlich über denselben Gegenstand zu entscheiden wie das erstinstanzliche Gericht. Deshalb sind im Beschwerdeverfahren neue Anträge, die die Angelegenheit zu einer anderen machen, als es diejenige gewesen ist, die Gegenstand der amtsgerichtlichen Entscheidung war, unzulässig (OLG Hamm a.a.O.).
Diese Grundsätze gelten erst recht für neue Anträge im Verfahren der weiteren Beschwerde. Denn hier hat das zur Entscheidung über das Rechtsmittel angerufene Gericht allein die Entscheidung des Beschwerdegerichts im Rahmen des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens auf Rechtsfehler zu überprüfen. Demnach kann der Senat über den erstmals mit der weiteren Beschwerde gestellten Antrag des Beteiligten zu 1. ungeachtet des Umstands, daß das Beschwerdegericht und das Gericht der weiteren Beschwerde einen Erbschein nie selbst erteilen, sondern nur das Nachlaßgericht zur Erteilung eines bestimmten Erbscheins anweisen können (vgl. Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2353, Rz. 14), nicht befinden. Es hat ihn unbeachtet zu lassen (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 19, Rz. 115), da der neue Antrag nur wieder beim Gericht erster Instanz gestellt werden kann (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 23, Rz. 3).
Indem der Beteiligte zu 2. ausdrücklich weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts vom 11.06.1996 eingelegt hat, mit welchem seine Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 02.03.1995 zurückgewiesen worden ist, und er in der Begründung der weiteren Beschwerde vorrangig vorgetragen hat, als Abkömmling im Sinne des vom Erblasser errichteten Testaments Erbe zu sein, ist indes davon auszugehen, daß er auch die Erteilung eines Erbscheins erstrebt, wie ihn die Beteiligte zu 2. beantragt und wie er vom Amtsgericht mit Beschluß vom 02.03.1995 abgelehnt worden ist.
Die weitere Beschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluß beruht auf einem Rechtsverstoß. Das Landgericht ist seiner Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen gem. §§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB nicht gehörig nachgekommen. Da das Gericht der Rechtsbeschwerde die Ermittlung nicht nachholen kann, muß die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur anderweitigen Behandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden (BayObLG, FamRZ 1982, 634, 637; Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 27, Rz. 66).
Zutreffend hat das Landgericht die Zulässigkeit der Erstbeschwerde bejaht. Insbesondere ist der Beteiligte zu 1. beschwerdeberechtigt, obwohl er die Erteilung des Erbscheins, der vom Amtsgericht versagt worden ist, nicht selbst beantragt hat. Ausreichend ist insoweit, wie bereits ausgeführt, daß er in erster Instanz zu einem solchen Antrag berechtigt gewesen wäre (Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2353, Rz. 29 m.w.N.).
Ebenfalls zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in der im Jahre 1960 in der DDR geltenden Fassung anzuwenden ist.
Gemäß Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB bleibt für die erbrechtlichen Verhältnisse das bisherige Recht maßgebend, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland gestorben ist. Als rein intertemporale Norm regelt diese Vorschrift allerdings nicht, ob auf einen früheren Erbfall das in der ehemaligen DDR oder das im bisherigen Bundesgebiet geltende Recht zur Anwendung kommt, sondern setzt eine Zuordnung des erbrechtlichen Verhältnisses zu einer der beiden Teilrechtsordnungen bereits voraus. Nach der deshalb stets erforderlichen interlokalen Vorprüfung richtet sich die Rechtslage von Todes wegen nach einem deutschen Erblasser nach den Bestimmungen derjenigen Teilrechtsordnung, deren räumlichem Geltungsbereich der Erblasser durch seinen gewöhnlichen Aufenthalt angehörte (Palandt/Edenhofer, BGB, 56. Aufl., EGBGB 235, § 1, Rz. 5 m.w.N.). Dementsprechend bestimmt sich vorliegend die Frage, wer testamentarisch eingesetzter Erbe nach dem Erblasser ist, nach dem Recht der ehemaligen DDR. Denn der Erblasser ist am 09.06.1960 und damit weit vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 03.10.1990 verstorben. Anzuwenden ist das BGB in der im Jahr 1960 in der DDR geltenden Fassung. Denn vor dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der DDR am 01.01.1976 galt auch in der DDR das BGB.
Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, daß in der letztwilligen Verfügung, wonach an die Stelle des Sohnes des Erblassers seine Abkömmlinge treten, wenn dieser nicht in der Lage ist, die Erbschaft anzutreten, die Einsetzung von Ersatzerben gem. § 2096 BGB zu sehen ist. Wenn der Erblasser ausdrücklich bestimmt, daß an die Stelle seines Sohnes dessen Abkömmlinge treten, kann dies nur für den Fall gemeint sein, daß der eingesetzte Sohn nicht Erbe wird.
Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß der Ersatzerbfall eingetreten ist, weil der als Erbe eingesetzte Sohn des Erblassers weggefallen ist. Denn von einem Wegfall des eingesetzten Erben ist insbesondere dann auszugehen, wenn dieser vor dem Eintritt des Erbfalles stirbt (BayObLGZ 1959, 493, 499; MünchKomm/Leipold, BGB, 3. Aufl., § 2069, Rz. 9; Staudinger/Otte, BGB, 13. Bearbeitung, § 2096, Rz. 5). Der Erblasser hat eine ausdrückliche Bestimmung, in welchen Fällen Abkömmlinge an die Stelle seines Sohnes treten sollen, nicht getroffen, sondern die Ersatzerbfolge allgemein für den Fall angeordnet, daß sein Sohn nicht in der Lage ist, die Erbschaft anzutreten. Grundsätzlich steht es dem Erblasser frei zu bestimmen, für welche Fälle der Unwirksamkeit der Einsetzung des zunächst Berufenen die Ersatzberufung gelten soll. Fehlen, wie vorliegend, Anhaltspunkte für solche Beschränkungen, so ist die Ersatzerbschaft für sämtliche Fälle des Wegfalls angeordnet (vgl. § 2097 BGB sowie Staudinger/Otte, a.a.O., § 2096, Rz. 7).
Es ist grundsätzlich auch nicht zu beanstanden, daß das Landgericht bei der Frage, welche der Beteiligten als Ersatzerben anzusehen sind, die Bestimmung des § 2069 BGB herangezogen hat. Diese Vorschrift ist, da der Erblasser eine ausdrückliche Bestimmung zur Ersatzerbfolge getroffen hat, zwar nicht unmittelbar anzuwenden. Doch kann der in ihr enthaltene Rechtsgedanke bei der Bestimmung des Kreises der Ersatzberufenen herangezogen werden.
Gemäß § 2069 BGB ist für den Fall, daß der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht hat und dieser nach Errichtung des Testaments wegfällt, im Zweifel anzunehmen, daß dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden. Allerdings geht eine vom Erblasser für den Wegfall des ursprünglich bedachten Abkömmlings getroffene besondere Verfügung dem § 2069 BGB vor (BayObLGZ 1961, 132, 137 f.; MünchKomm/Leipold, a.a.O., § 2069, Rz. 17), wie überhaupt die individuelle Auslegung des Testaments Vorrang hat, und § 2069 BGB nur dann eingreift, wenn ein tatsächlicher oder hypothetischer Wille des Erblassers im Einzelfall nicht feststellbar ist (BGHZ 33, 60, 63; BayObLGZ 1984, 246, 251; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2069, Rz. 1). Wenn der Erblasser, wie vorliegend, allerdings selbst die Ersatzberufung der weiteren Abkömmlinge angeordnet hat, ist die Bestimmung des Kreises der ersatzweise berufenen Abkömmlinge des weggefallenen Abkömmlings nach dem in § 2069 BGB enthaltenen Rechtsgedanken vorzunehmen (BayObLGZ 1961, 132, 137 f.; MünchKomm/Leipold, a.a.O., § 2069, Rz. 17; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2069, Rz. 9; Staudinger/Otte, a.a.O., § 2069, Rz. 25).
Das Landgericht hat jedoch keine ausreichenden Ermittlungen zu der Frage angestellt, welchen Personenkreis der Erblasser gemeint hat, als er die “Abkömmlinge” seines Sohnes als Ersatzerben eingesetzt hat. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Frage, ob neben den unmittelbaren Abkömmlingen des Sohnes des Erblassers auch weitere Abkömmlinge, wie die Beteiligten zu 3. und zu 4., als Ersatzerben anzusehen sind, als auch hinsichtlich der Frage, ob der Beteiligte zu 1. als Adoptivkind des Sohnes des Erblassers ebenfalls ein Abkömmling im Sinne der testamentarischen Anordnung ist. Das Landgericht hat seine Entscheidung zwar auf eine Auslegung des Testaments gestützt, die das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich bindet, da die Auslegung der letztwilligen Verfügung als solche Sache des Tatrichters ist (BayObLGZ 1961, 132, 135; BayObLG, FamRZ 1976, 101, 103; OLG Frankfurt, OLGZ 1972, 120, 123). Die bei der Auslegung erfolgte Tatsachenwürdigung ist aber vom Rechtsbeschwerdegericht dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht hat (BayObLGZ 1961, 132, 135). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Landgericht hat keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, ob nach dem Willen des Erblassers neben den unmittelbaren Abkömmlingen seines Sohnes auch deren Abkömmlinge als Ersatzerben in Betracht kommen sollten. Der Senat hat – in anderer Besetzung – bereits mit Beschluß vom 10.11.1994 darauf hingewiesen, daß nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB, dessen Rechtsgedanke, wie bereits ausgeführt, heranzuziehen ist, alle Nachfahren in erster Parentel gem. § 1924 Abs. 3 BGB als Abkömmlinge des weggefallenen Bedachten anzusehen sind (vgl. auch MünchKomm/Leipold, a.a.O., § 2069, Rz. 19; Staudinger/Otte, a.a.O., § 2069, Rz. 21). Dem Amtsgericht, an welches die Sache zurückverwiesen worden ist, ist vom Senat aufgegeben worden zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Erblasser von der Auslegungsregel des § 2069 BGB abweichen wollte, und insoweit den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Dieser Pflicht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung sind weder das Amts- noch das Landgericht gehörig nachgekommen.
Das Amtsgericht hat zwar mit Verfügung vom 06.01.1995 den Beteiligten zu 2. sowie die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1., 3. und 4. angeschrieben und ihnen unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 10.11.1994 Gelegenheit gegeben, sich zu der Frage zu äußern, ob und gegebenenfalls welche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Erblasser von der Auslegungsregel des § 2069 BGB abweichen wollte. Diese Möglichkeit zur Stellungnahme, die im genannten Senatsbeschluß nur als Beispiel für weitere Ermittlungen aufgeführt worden ist, stellt eine ausreichende Aufklärung des Sachverhalts nicht dar.
Zwar bestimmt der Tatrichter grundsätzlich den Umfang der nach § 12 FGG von Amts wegen anzustellenden Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 12, Rz. 85). Die Anhörung Beteiligter ist aber im Interesse sachgemäßer Ermittlungen grundsätzlich erforderlich (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., Rz. 163). Sie kann im allgemeinen schriftlich oder mündlich erfolgen, wobei die persönliche Anhörung vielfach zweckmäßig ist (ebenda, Rz. 166). Wenn sich das Amtsgericht, wie vorliegend, auf eine schriftliche Anhörung beschränkt, hat es jedenfalls dafür Sorge zu tragen, daß die Beteiligten in die Lage versetzt werden, nach bestem Wissen und Gewissen an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Dies ist hier nicht geschehen.
Das Amtsgericht hat die Beteiligten lediglich unter Verwendung des Rechtsbegriffs der “Abweichung von der Auslegungsregel des § 2069 BGB” angeschrieben. Hieraus haben die Beteiligten, die keine juristischen Kenntnisse haben dürften, nicht ersehen können, zu welchen Tatsachen eine Äußerung abzugeben ist. Dies gilt ungeachtet des Umstands, daß, soweit eine anwaltliche Vertretung gegeben war, nicht die Beteiligten selbst, sondern deren Verfahrensbevollmächtigte angeschrieben worden sind. Mag sich ein Beteiligter auch zur Beantwortung von Fragen im Rahmen einer Anhörung der Hilfe seines Verfahrensbevollmächtigten bedienen, so ist es doch vordringlich Aufgabe des Gerichts, den Beteiligten durch allgemeinverständliche Ausführungen darzulegen, zu welchen Tatsachen eine Äußerung begehrt wird. Angesichts der Komplexität der Fragestellung erscheint insoweit eine persönliche Anhörung geboten.
Das Landgericht, das als weitere Tatsacheninstanz ebenfalls den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 23, Rz. 1), hat eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht vorgenommen. Dies wird aber nachzuholen sein.
Bei der Erforschung des wirklichen oder des hypothetischen Willens des Erblassers müssen auch alle außerhalb des Testaments liegenden Umstände herangezogen werden, mögen sie vor oder nach Testamentserrichtung eingetreten sein, sofern die so gewonnene Auslegung in der letztwilligen Verfügung nur irgendeinen Anhalt findet (BayObLGZ 1961, 132, 135; OLG Frankfurt, OLGZ 1972, 120, 125 f.). Zu derartigen Umständen zählen insbesondere Äußerungen, die der Erblasser bei Errichtung des Testaments oder auch später getan hat. Ferner kann die Frage von Bedeutung sein, wie sich die Beziehung des Erblassers zu den nach Testamentserrichtung hinzugetretenen Abkömmlingen seines Sohnes bzw. seiner Enkeltochter L Sch entwickelt hat. Auch wenn es auf den Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ankommt, können spätere Entwicklungen zumindest ein Indiz für einen entsprechenden Willen darstellen.
Da alle auch außerhalb des Testaments liegenden Umstände von Bedeutung sein können, bietet sich zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung an, alle Beteiligten allgemein nach ihrer Kenntnis von den Geschehnissen im Zusammenhang mit der Testamentserrichtung und nach der Pflege der verwandtschaftlichen Beziehungen durch den Erblasser bis zu seinem Tode zu befragen. Denn im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) ist auch von Amts wegen zu prüfen, ob in der angegebenen Richtung Beweismittel zur Verfügung stehen (BayObLGZ 1961, 132, 139). Mögen insbesondere die Beteiligen zu 1., 3. und 4. infolge ihres Alters auch keine nähere Erinnerung an die weit zurückliegenden Geschehnisse haben, so sind sie möglicherweise doch in der Lage, Tatsachen, die sie von anderen Personen erfahren haben, wiederzugeben, so daß Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen, etwa durch Vernehmung von Zeugen, gegeben sind. Eine umfassendere Fragestellung den Beteiligten gegenüber bietet auch eher Gewähr dafür, daß diese, ungeachtet ihres wirtschaftlichen Interesses am Verfahrensausgang, weitgehend unbeeinflußt diejenigen Tatsachen vorbringen, an die sich erinnern können bzw. die ihnen von anderen Personen nahegebracht worden sind.
In diesem Fall erscheint eine persönliche Anhörung geboten, zumal ein persönlicher Eindruck nur hierauf gestützt werden könnte (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 12, Rz. 166). Wenn die Beteiligten in Anhörungsterminen präsent sind, besteht zudem die Möglichkeit, sie ggf. in entsprechender Anwendung des § 448 ZPO zu vernehmen, was grundsätzlich zu erwägen ist (vgl. BayObLGZ 1961, 132, 139).
Auch dem Umstand, daß der Erblasser sein Testament nach dem Tod seiner Enkeltochter L Sch am 13.01.1960 nicht geändert hat, kann grundsätzlich Bedeutung zukommen. Doch ist ohne weitere Anhaltspunkte nicht der Schluß gerechtfertigt, er habe auch die Abkömmlinge von L Sch als Erben einsetzen wollen, weil er eine Änderung des Testaments nicht vorgenommen habe. Denn der Erblasser kann auch von der Vorstellung ausgegangen sein, daß sich seine testamentarische Anordnung eindeutig nur auf unmittelbare Abkömmlinge seines Sohnes E beziehe, so daß weitere Abkömmlinge auch ohne eine Änderung der letztwilligen Verfügung ausgeschlossen wären (vgl. auch BayObLG, FamRZ 1991, 614, 615; MünchKomm/Leipold, a.a.O., § 2069, Rz. 18). Umgekehrt mag der Erblasser auch angenommen haben, seine Verfügung begünstige ihrem unbeschränkten Wortlaut nach auch die weiteren Abkömmlinge, so daß es keiner Testamentsänderung bedürfe, um auch die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3. und zu 4. sicherzustellen. Demnach kommt es auf die Vorstellungen des Erblassers an, nicht auf dessen unterbliebene Reaktion nach dem Tod seiner Enkeltochter L Sch am 13.01.1960. Im übrigen mag der Erblasser, der seinerseits am 06.06.1960 verstorben ist, nach dem 13.01.1960 gesundheitlich gar nicht mehr in der Lage gewesen sein, den Einfluß des Todes seiner Enkeltochter auf die Erbfolge abzuschätzen oder jedenfalls eine Testamentsänderung vorzunehmen.
Wenn schließlich nach den durchzuführenden eingehenden Ermittlungen kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich sein sollte, daß der Erblasser bei Wegfall eines unmittelbaren Angehörigen seines Sohnes vor dem Erbfall auch die Abkömmlinge dieses unmittelbaren Angehörigen von der Erbfolge ausschließen wollte, wären auch die Beteiligten zu 3. und 4. als Erben anzusehen, so daß ein Erbschein, der die Beteiligten zu 1. und 2. als Erben zu je ½ ausweist, nicht erteilt werden dürfte.
Das Landgericht hat auch für seine Auslegung des Testaments dahin, der Wille des Erblassers sei darauf gerichtet gewesen, nur die leiblichen Abkömmlinge seines Sohnes zu Ersatzerben einzusetzen, keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, ob der Beteiligte zu 1. als Adoptivkind des Sohnes des Erblassers nicht ebenfalls als Ersatzerbe anzusehen ist.
Soweit das Erbrecht eines adoptierten Kindes in Betracht kommt, ist im Erbscheinsverfahren grundsätzlich die Wirksamkeit einer vorgenommenen Adoption als entscheidungserhebliche Vorfrage von Amts wegen zu prüfen (BayObLG, FamRZ 1976, 101, 104). Vorliegend konnte das Landgericht jedoch ohne eingehendere Prüfung von der Wirksamkeit der Adoption ausgehen. Anhaltspunkte für deren Unwirksamkeit sind nämlich nicht ersichtlich.
Das Landgericht hat aber keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, wie der Erblasser den Begriff “Abkömmling” im Testament verstanden hat. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch werden unter “Abkömmlingen” auch Adoptivkinder verstanden (BayObLGZ 1959, 493, 498; 1961, 132, 138 f.; 1984, 246, 249; BayObLG, FamRZ 1976, 101, 103; OLG Frankfurt, OLGZ 1972, 120, 123 f.; a.A. Bausch, FamRZ 1980, 413 ff.; FamRZ 1981, 819 f.; für den Fall der Erwachsenenadoption auch OLG Stuttgart, FamRZ 1981, 818). Unter Umständen kann sogar der Begriff “leibliche Abkömmlinge” dahin zu verstehen sein, daß er auch angenommene Kinder mit umfaßt (BGH, FamRZ 1983, 380 ff.). Ist daher in einer letztwilligen Verfügung von “Abkömmlingen” die Rede, so fallen darunter auch Adoptivkinder, es sei denn, daß ein gegenteiliger Wille des Erblassers zum Ausdruck gekommen ist (BayObLG, FamRZ 1976, 101, 103; BayObLGZ 1984, 246, 249; OLG Frankfurt, OLGZ 1972, 120, 123 f.). Einen derartigen gegenteiligen Willen hat das Landgericht nach den bisherigen Feststellungen auch unter Zugrundelegung der Rechtslage bei Testamentserrichtung im Jahre 1940 zu Unrecht angenommen.
Bei der Frage, ob der Erblasser entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch, der in der genannten Form bereits im Jahre 1940 bestanden hat, da die Adoption seit Inkrafttreten des BGB Bestandteil des geltenden Bürgerlichen Rechts ist (BayObLGZ 1959, 493, 498; 1961, 132, 138), mit “Abkömmlingen” nur leibliche Kinder gemeint hat, sind wiederum alle Umstände, auch außerhalb des Testaments, heranzuziehen. Es kommt nicht darauf an, ob der Erblasser damals die Möglichkeit einer Adoption des Beteiligten zu 1. durch seinen Sohn erwogen hat. Es ist vielmehr danach zu fragen, was nach der Willensrichtung des Erblassers zu der Zeit, da die Verfügung von ihm getroffen wurde, als von ihm gewollt anzusehen ist, sofern er das spätere Ereignis bedacht haben würde (OLG Frankfurt, OLGZ 1972, 120, 124 f., 126). Diesen (hypothetischen) Willen des Erblassers hat das Landgericht nicht ausreichend ermittelt.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts spricht der Umstand, daß der Erblasser das notarielle Testament im Jahre 1940 errichtet hat, als Adoptivkinder den leiblichen Kindern noch nicht von Gesetzes wegen gleichgestellt waren, nicht für einen auf Ausschluß der Adoptivkinder gerichteten Willen des Erblassers.
Allerdings ist bei einem vom Notar errichteten öffentlichen Testament grundsätzlich davon auszugehen, daß Begriffe, die dem Gesetz entnommen sind, so zu verstehen sind, wie vom Gesetz beabsichtigt (RGZ 160, 109, 111; RG, DR 1944, 493; OLG Frankfurt, OLGZ 1972, 120, 122). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt, wenn, wie vorliegend, im Testament ein Begriff verwendet wird, der nicht nur einen juristischen Inhalt hat, sondern auch umgangssprachlich verwendet wird. Denn auch ein Notar wird bei allem Bemühen, juristisch exakte Formulierungen zu wählen, bei Testamentserrichtung Ausdrücke des Erblassers, die dessen Willen kennzeichnen, weitgehend übernehmen. Wenn aber vorliegend der Notar tatsächlich den Begriff “Abkömmlinge” auf Wunsch des Erblassers in das Testament aufgenommen hat, ohne selbst an den Fall der Adoption zu denken, läßt sich hieraus für die Testamentsauslegung nichts ableiten. Gleiches gilt auch dann, wenn der Begriff “Abkömmlinge” auf Vorschlag des Notars in das Testament gelangt ist, ohne daß dieser den Erblasser über die gesetzliche Bedeutung dieses Begriffs genau informiert hat. Denn insoweit kommt es nicht auf den Willen des Notars, sondern auf denjenigen des Erblassers an (BGH, LM § 2100 BGB Nr. 1). Nur wenn dieser den Begriff im Sinne des Gesetzes verstanden wissen wollte, ist der Beteiligte zu 1. von der Erbfolge ausgeschlossen.
Im übrigen war der Begriff “Abkömmlinge” auch im Jahr 1940 in seiner gesetzlichen Bedeutung nicht eindeutig bestimmt (vgl. BayObLGZ 1959, 493, 498; 1961, 132, 138).
Jedenfalls im Rahmen des § 2069 BGB, wo es um den Wegfall von Abkömmlingen des Erblassers und die Einnahme einer Ersatzerbenstellung durch die Abkömmlinge der weggefallenen Abkömmlinge geht, erfaßte der Begriff auch an Kindes Statt Angenommene. In Anknüpfung an § 1757 BGB in der im Jahr 1940 geltenden Fassung sind als Abkömmlinge des Erblassers nach dem insoweit maßgeblich allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. oben) auch dessen Adoptivkinder anzusehen, während zu den Abkömmlingen des weggefallenen Abkömmlings wiederum die Adoptivkinder des Weggefallenen gehören. Letztere sind nur im Anwendungsbereich des § 2069 von der Ersatzerbfolge ausgeschlossen, soweit sie nicht bei gesetzlicher Erbfolge nach dem Erblasser nachrücken würden (MünchKomm/Leipold, a.a.O., § 2069, Rz. 19). Die Anknüpfung an § 1924 Abs. 3 BGB erfolgt hier also nicht bereits bei der Frage, wer Abkömmling ist, sondern erst bei der Frage, welche Abkömmlinge ersatzberufen sind. Es handelt sich insoweit lediglich um die Frage, welche Rechtsfolgen mit der Ersatzberufung von Abkömmlingen eines weggefallenen Abkömmlings des Erblassers verbunden sind.
Im Anwendungsbereich des § 2069 BGB waren im Hinblick auf die Frage, ob ein Adoptivkind ersatzberufen sein konnte, die Rechtsfolgen bei Testamentserrichtung im Jahre 1940 andere als im Zeitpunkt des Erbfalls im Jahre 1960. Im Jahre 1940 hätte der Beteiligte zu 1., wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits gelebt hätte, nicht gemäß § 2069 BGB Ersatzerbe sein können. Bei gesetzlicher Erbfolge nach dem Erblasser gem. § 1924 Abs. 3 BGB wäre er nicht nachgerückt, da er nach § 1763 BGB a. F. nicht mit dem Erblasser verwandt war (vgl. zur “künstlichen” Verwandtschaft allein zwischen Annehmenden und Angenommenen auch RGRK/Saym , BGB, 6. Aufl. 1928, § 1589, Anm. 4 a. E). Im Zeitpunkt des Erbfalls im Jahre 1960 hingegen galt im Gebiet der ehemaligen DDR bereits die Verordnung über die Annahme an Kindes Statt vom 29.11.1956 (GBl. I, S. 1326), die am 01.01.1957 in Kraft getreten ist. Nach § 8 dieser Verordnung begründete die Annahme an Kindes Statt verwandtschaftliche Beziehungen zwischen dem Kind und den Verwandten des Annehmenden (vgl. zur Verwandtschaft zwischen Adoptivkind und den Verwandten des Annehmenden auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durch Adoptionsgesetz vom 02.07.1976, BGBl. I, S. 1749, Dittmann, RPfleger 1978, 277, 278). Danach waren mit Inkrafttreten der Verordnung auch der Erblasser und der Beteiligte zu 1. miteinander verwandt, so daß der Beteiligte zu 1. gemäß § 1924 Abs. 3 grundsätzlich als gesetzlicher Erbe nachrücken und demnach auch nach § 2069 BGB Ersatzerbe werden konnte.
Vorliegend ist, da der Erblasser selbst die Ersatzberufung der weiteren Abkömmlinge angeordnet hat, § 2069 BGB, wie bereits ausgeführt, nicht unmittelbar anwendbar. Bei der Bestimmung des Kreises der ersatzweise berufenen Abkömmlinge des weggefallenen Abkömmlings ist er dagegen heranzuziehen, wenn nach Erschöpfung aller Beweismittel der tatsächliche oder hypothetische Wille des Erblassers nicht ermittelt werden kann (BayObLGZ 1961, 132, 140). In diesem Fall wird aber auch der für § 2069 BGB geltende Grundsatz heranzuziehen sein, wonach Ersatzberufene diejenigen Abkömmlinge des Weggefallenen sind, die im Zeitpunkt des Erbfalls gesetzliche Erben des Erblassers wären. Auch bei Rechtsänderungen ist insoweit der Zeitpunkt des Erbfalls maßgebend (MünchKomm/Leipold, a.a.O., § 2069, Rz. 21; Staudinger/Otte, a.a.O., § 2069, Rz. 21 i.V.m. § 2066, Rz. 7 u. Rz. 10). Demnach wäre entscheidend, daß der Beteiligte zu 1. aufgrund der Verordnung über die Annahme an Kindes Statt im Zeitpunkt des Erbfalls gesetzlicher Erbe des Erblassers wäre. Er ist also im Zweifel auch Ersatzerbe nach dem Erblasser.
Vor Eingreifen dieser Zweifelsregel hat das Landgericht aber noch weitere Feststellungen dahin zu treffen, ob nach dem Willen des Erblassers Adoptivkinder seines Sohnes von der Erbfolge ausgeschlossen sein sollten. Dabei kann von Bedeutung sein, ob der Erblasser bei Testamentserrichtung bereits Kenntnis von der Adoptionsabsicht seines Sohnes hatte (BayObLGZ 1959, 493, 498; 1961, 132, 139). Von einer beabsichtigten Adoption gerade des Beteiligten zu 1. kann der Erblasser allerdings noch keine Kenntnis gehabt haben, da der Beteiligte zu 1. erst am 14.04.1947 geboren wurde. Denkbar ist aber, daß der Sohn des Erblassers diesem gegenüber zumindest allgemein die Absicht geäußert hat, neben seinen in den Jahren 1923 und 1928 geborenen Töchtern L und V ein weiteres Kind zu adoptieren. Zu den sonstigen auch außerhalb des Testaments liegenden Umständen, die bei der Auslegung heranzuziehen sind, gehören, wie bereits ausgeführt, auch das Verhalten des Erblassers zu seinen Lebzeiten (BGH, FamRZ 1983, 380, 382) und die Einstellung des Erblassers gegenüber dem Beteiligten zu 1. (vgl. BayObLGZ 1984, 246, 251). Aus dem Umstand, daß der Erblasser in Kenntnis der im Jahre 1949 erfolgten Adoption sein Testament nicht geändert hat, kann, wie ebenfalls bereits ausgeführt, ohne Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte für die Auslegung nichts hergeleitet werden, da dieses Unterlassen mehrdeutig ist.
Für die weiteren Ermittlungen wird das Landgericht zu erwägen haben, ob nicht auch eine etwa vorhandene Nachlaßakte nach dem am 23.06.1958 verstorbenen E H beizuziehen ist. Falls es im Zusammenhang mit dem Tod des Sohnes des Erblassers am 23.06.1958 zu rechtlichen Auseinandersetzungen gekommen sein sollte, mag es auch Äußerungen zur Stellung von dessen Adoptivkind, des Beteiligten zu 1., und zum Verhältnis zwischen dem Erblasser J H und dem Beteiligten zu 1. gegeben haben.
Jedenfalls wird das Landgericht die Nachlaßakte NR 3 IV 103/40 des Staatlichen Notariats Forst/Lausitz beizuziehen haben. Denn allein diese enthält wohl das nicht bei den hiesigen Verfahrensakten befindliche Originaltestament des Erblassers. Diese Nachlaßakte wird auch Hinweise auf die Person des Notars, der im Jahre 1940 das Testament des Erblassers aufgenommen hat, enthalten. Das Landgericht wird zu erwägen haben, ob weitere Ermittlungen über das Vorhandensein von Unterlagen dieses Notars, der mittlerweile längst verstorben sein dürfte, anzustellen sind. Derartige Unterlagen könnten Hinweise auf den Willen des Erblassers enthalten.
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf der in Verletzung von § 12 FGG unterbliebenen Aufklärung. Denn je nach Ausgang der weiteren Ermittlungen und der danach anzustellenden Auslegung des Testaments ist es unter Umständen denkbar, daß zwar neben der Beteiligten zu 2. auch der Beteiligte zu 1., nicht aber die Beteiligten zu 3. und 4. nach dem Willen des Erblassers als Abkömmlinge seines Sohnes E anzusehen sind. In diesem Fall hätte das Landgericht das Amtsgericht anzuweisen, den Erbschein, wie von der Beteiligten zu 2. beantragt, zu erteilen. Wären dagegen auch die Beteiligten zu 3. und 4. als Erben nach dem Erblasser anzusehen oder der Beteiligte zu 1. nicht als Erbe anzusehen, so bliebe es im Ergebnis bei der vom Landgericht getroffenen Entscheidung, nämlich der Versagung des beantragten Erbscheins.
Den weiteren Ermittlungen des Landgerichts im Hinblick auf eine Erbenstellung des Beteiligten zu 1. steht nicht entgegen, daß den Beteiligten zu 3. und 4. am 21.08.1996 bereits ein gemeinschaftlicher Teilerbschein, der sie als Erben zu je 1/4 des Nachlasses ausweist, erteilt worden ist. Die Erteilung eines Teilerbscheins ist, wie sich bereits aus § 2353 ergibt, grundsätzlich zulässig (Firsching/Graf, Nachlaßrecht, 7. Aufl., S. 245 f.; Palandt/Edenhofer, vor § 2353, Rz. 2; § 2353, Rz. 6). Erweist sich der Teilerbschein als falsch, vorliegend etwa, weil der Beteiligte zu 1. (auch) als Erbe berufen ist, mit der Folge, daß die Erbteile der Beteiligten zu 3. und 4. jedenfalls geringer als 1/4 sind, ist er einzuziehen.
Bei der Bemessung des Beschwerdewerts ist entgegen §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 107 Abs. 2 Satz 1 KostO nicht auf den Nachlaßwert im Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen. Liegt nämlich, wie vorliegend, zwischen Erbfall und Entscheidung über die Erteilung des Erbscheins ausnahmsweise ein längerer Zeitraum und hat sich währenddessen der Wert des Nachlasses erheblich verändert, hat eine Bewertung in verfassungskonformer Auslegung nach § 18 Abs. 1 KostO, also bezogen auf den Zeitpunkt der Fälligkeit, zu erfolgen (Korintenberg/Lappe, Kostenordnung, 13. Aufl., § 107, Rz. 37, 37 a).
Der Wert des Nachlasses ist entsprechend den Angaben des Beteiligten zu 1. im Schriftsatz vom 06.02.1997, denen die übrigen Beteiligten nicht widersprochen haben, gegenwärtig mit 70.000,00 DM anzunehmen. Der Beschwerdewert ist aber nicht mit dem Nachlaßwert gleichzusetzen, da das Interesse des Beschwerdeführers und der Wert des von ihm beanspruchten Anteils die oberste Grenze darstellt (Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl., § 107 KostO, Rz. 28). Da der Beteiligte zu 1. im für ihn günstigsten Fall Erbe zu ½ geworden ist, bemißt sich der Beschwerdewert nach der Hälfte des Nachlaßwertes, beträgt also 35.000,00 DM.
Da der Wert der Erstbeschwerde ebenso zu bemessen ist, wird die im angefochtenen Beschluß vorgenommene Wertfestsetzung von Amts wegen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO geändert.

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