FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.02.2013 – 6 K 1914/10

August 22, 2021

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.02.2013 – 6 K 1914/10

Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand
Streitig ist, ob die Einnahmen des Klägers aus einer Tätigkeit als Testamentsvollstrecker im Rahmen seines Unternehmens erfolgten und steuerbar sind.

Der Kläger ist selbstständiger Ingenieur für Umweltschutz und Energie. Er versteuert seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 16 – 18 UStG.

Der Kläger war von dem am 21.11.2007 verstorbenen A. M., mit dem er freundschaftlich verbunden war, als Testamentsvollstrecker eingesetzt worden. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem Unternehmen und Geldvermögen. Nach dem Testament sollte der Sohn des Herrn M. das Unternehmen erhalten und die Tochter die Geldbeträge. Am 22.01.2008 wurde das Unternehmen dem Sohn übergeben; bis dahin oblag dem Kläger die verantwortliche Leitung des Unternehmens. Die Testamentsvollstreckung war am 20.03.2008 im Wesentlichen abgeschlossen. Der endgültige Abschluss, der von der Tätigkeit des Nachlassgerichts und des Grundbuchamtes abhing, erfolgte am 01.04.2009.

Im März 2008 stellte der Kläger den Erben nach Herrn M. für seine Testamentsvollstreckertätigkeit 104.718,84 € zzgl. 19.896,78 € MwSt, insgesamt 124.615,42 € in Rechnung (Abrechnung mit Ausweis von 19% MwSt, Bl. 10-13/2008 USt-Akte). Die Berechnung erfolgte nach den Richtlinien des Deutschen Notarvereins, wobei der Kläger der Auffassung war, die Mehrwertsteuer sei aufgrund der Bezugnahme auf die Richtlinien des Deutschen Notarvereins Bestandteil der ihm zustehenden Vergütung, unabhängig davon, ob er die Umsatzsteuer schulde. Im Streitjahr 2008 wurde hierauf ein Teilbetrag von 93.461,56 € gezahlt; die Zahlung erfolgte in der Weise, dass der Kläger den Betrag auf sein Konto überwies. Der Restbetrag wurde in 2009 in gleicher Weise bezahlt.

Der Kläger erklärte die Einnahmen aus der Testamentsvollstreckertätigkeit in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr nicht.

Der Beklagte unterwarf mit Umsatzsteuerbescheid vom 18.09.2009 einen Betrag in Höhe von 78.539,00 € der Umsatzsteuer. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16.06.2010 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, bei der von ihm vereinnahmten Testamentsvollstreckervergütung handele es sich nicht um einen Umsatz im Rahmen seines Unternehmens; der Betrag sei deshalb nicht steuerbar.

Zum Gegenstand seines Unternehmens “Ingenieurbüro für Umweltschutz und Energie” gehöre die Testamentsvollstreckung nicht.

Im Jahr 2006 habe sich der Erblasser, der ein Freund des Klägers gewesen sei, an ihn gewendet mit der Bitte, seine Testamentsvollstreckung zu übernehmen. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt noch gesund und der kurzfristige Todesfall nicht absehbar gewesen. Unter Zugrundlegung der normalen Lebenserwartung wäre die Testamentsvollstreckung erst zu einem Zeitpunkt nach der altersbedingten Betriebsaufgabe durch den Kläger eingetreten.

Gemäß § 4 des Testaments habe dem Kläger ein Honorar entsprechend den Richtlinien des Deutschen Notarvereins zugestanden. Welche Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt des Todes vorliegen würden, sei bei Übernahme der Testamentsvollstreckung nicht absehbar gewesen.

Der Kläger habe nicht die Absicht, weitere Testamentsvollstreckungen zu übernehmen. Die einmalige Tätigkeit sei daher weder ein Teil der beruflichen Tätigkeit, noch ein Betrieb des Klägers.

Ergänzend wird auf die Klagebegründung vom 17.08.2010 (Bl. 13 – 19 PA) und den Schriftsatz vom 29.11.2010 (Bl. 29 – 32 PA) Bezug genommen.

In der mündlicher Verhandlung trug der Kläger vor, saisonal bedingt hätten in dem Unternehmen in den Monaten Dezember und Januar nur in geringem Umfang Geschäftsvorfälle stattgefunden. Die Leitung des Unternehmens habe ihn deshalb nicht in großem Umfang beansprucht.

Der Kläger beantragt, den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 18. September 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2010 dahin zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage um 78.539,00 € reduziert wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt ergänzend zur Begründung der Einspruchsentscheidung vor, die in der Rechnung ausgewiesene Steuer werde auch gemäß § 14c Abs. 2 UStG geschuldet.

Die Berichterstatterin hat am 14.12.2012 einen Gerichtsbescheid erlassen, mit dem die Klage abgewiesen wurde. Der Kläger hat fristgerecht mündliche Verhandlung beantragt und trägt mit Schriftsatz vom 26.01.2013 ergänzend vor:

1. Die Würdigung im Gerichtsbescheid, dass die Tätigkeiten des Klägers als Ingenieur und Testamentsvollstrecker im Rahmen eines einzigen Unternehmens erfolgt seien, sei falsch, da die juristische Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker mit seiner Tätigkeit als Ingenieur nichts zu tun habe.

2. Der Kläger schulde die Steuer auch nicht nach § 14c UStG, denn er habe keine Rechnung gemäß § 14 UStG ausgestellt. In der Abrechnung fehlten die Steuernummer und die Rechnungsnummer. Das Urteil des BFH vom 17.02.2011 – V R 39/09 sei auf den Streitfall nicht anzuwenden, da der Kläger im Zeitpunkt der “Rechnungserteilung” nicht mit der Änderung der Rechtsprechung habe rechnen müssen. Der Kläger könne sich somit auf den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen.

3. Die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker sei nicht unternehmerisch, da es am Merkmal der Nachhaltigkeit fehle. Der Streitfall sei von seinem Umfang her nicht dem vom BFH mit Urteil vom 07.09.2006 entschiedenen Fall vergleichbar. Innerhalb von vier Monaten seien lediglich ein Unternehmen und ein Geldbetrag übertragen worden. Vielmehr habe der BFH auch in dem wiederholten Verkauf fabrikneuer Automobile keine nachhaltige Tätigkeit gesehen (Urteil vom 18.07.1991 – V R 86/87).

4. Die Kosten habe gemäß § 137 FGO der Beklagte zu tragen, da er den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und dem Kläger kein rechtliches Gehör gewährt habe.

Gründe
Die Klage ist nicht begründet.

1.

Mit seiner Tätigkeit als Testamentsvollstrecker ist der Kläger unternehmerisch tätig geworden gemäß § 2 Abs. 1 UStG.

Unternehmerisch ist eine selbstständige Tätigkeit, wenn sie der Erzielung von Einnahmen dient und nachhaltig ist. Im Streitfall ist allein das Merkmal der Nachhaltigkeit streitig.

Es kommt für die Beurteilung nicht allein darauf an, ob nur ein einziger Auftrag erteilt, bzw. nur eine einzige Rechnung gestellt wurde. Vielmehr ist eine Gesamtschau der Tätigkeit vorzunehmen. Zieht sich die Ausführung eines Auftrages über einen längeren Zeitraum hin und besteht sie aus einer Vielzahl von Tätigkeiten, so kann gleichwohl Nachhaltigkeit vorliegen.

Der BFH hat mehrfach entschieden, dass auch eine einzige Testamentsvollstreckung ohne Wiederholungsabsicht eine nachhaltige und damit unternehmerische Tätigkeit darstellen kann, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum hinzieht und aus einer Vielzahl von Tätigkeiten besteht (Urteile vom 26.09.1991 – V R 1/87, vom 30.05.1996 – V R 26/93 und vom 07.09.2006 – V R 6/05).

Nicht entscheidend ist danach, ob die Testamentsvollstreckung aus privatem Anlass übernommen wurde.

Soweit der Kläger vorträgt, dass es sich bei seiner Tätigkeit nur um die Übertragung zweier Gegenstände gehandelt habe, ist dem entgegen zu halten, dass es sich in einem Fall dabei um ein Unternehmen gehandelt hatte, das er auch in der Zeit zwischen der Annahme der Tätigkeit und der Übergabe geführt hatte. Auch wenn in dem Zeitraum keine unternehmerischen Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung zu treffen gewesen sein sollten, war er doch der verantwortliche Leiter des Unternehmens. Vor diesem Hintergrund tritt der Umstand, dass es sich nur um ca. zwei Monate handelte, zurück.

Im Übrigen war die Tätigkeit des Klägers nach vier Monaten noch nicht vollständig abgeschlossen, was sich auch in der teilweisen Fälligkeit der Vergütung erst im Folgejahr niedergeschlagen hat.

Nach den Grundsätzen der genannten BFH-Rechtsprechung war die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker unternehmerisch. Der Ausweis der Umsatzsteuer in der Rechnung war zutreffend. Eine Rechnungsberichtigung hat demnach nicht zu erfolgen.

Da die Testamentsvollstreckertätigkeit im Rahmen des Unternehmens des Klägers erfolgte, sind die daraus erzielten Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbar und mangels Steuerbefreiungsvorschrift auch steuerpflichtig.

In diesem Fall betreibt der Kläger ein einziges Unternehmen, bestehend aus den Teilbereichen Ingenieurbüro und Testamentsvollstreckung. Das Unternehmen umfasst gemäß § 2 Abs. 1 UStG die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Daraus folgt, dass der Unternehmer auch dann nur ein einziges Unternehmen hat, wenn er völlig verschiedenen selbstständigen Tätigkeiten nachgeht (Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG, Rz. 148).

Das gesamte Unternehmen des Klägers kann nur einheitlich beurteilt werden. Da der Kläger Soll-Versteuerer ist, richtet sich die Fälligkeit der Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) UStG entsteht die Steuer – soweit nicht ausnahmsweise eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 UStG beantragt und gestattet wurde – mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Soweit das Entgelt vor Ausführung der Leistung vereinnahmt wurde, entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem es vereinnahmt wurde.

Der Kläger hat seine Leistungen mit Rechnung vom 20.03.2008 abgerechnet. Ausweislich der Rechnung wurde war die Hälfte des Rechnungsbetrages sofort fällig, da die Leistung insoweit erbracht war; die Zahlung erfolgte am 26.03.2008. Weitere 25% waren am 28.04.2008 fällig und wurden entsprechend abgebucht. Lediglich der Restbetrag wurde erst im Folgejahr fällig und beglichen.

Somit ist jedenfalls in Höhe des gezahlten Teilbetrages von 93.461,56 € die Steuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) UStG entstanden. Gemäß § 16 Abs. 1 UStG ist die Steuer nach vereinbarten Entgelten zu berechnen; Besteuerungszeitraum ist UStG das Kalenderjahr. Die Steuer ist von der Summe der Umsätze zu berechnen, für die die Steuer entstanden ist. Die Fälligkeit der Steuer richtet sich nach § 18 UStG.

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte im Veranlagungszeitraum 2008 die Teilzahlung in Höhe von – brutto – 93.461,56 € zu Recht erfasst.

2.

Da die Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker steuerpflichtig ist, braucht der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob es sich bei den Abrechnungen gemäß Bl. 10 – 13 der USt-Akte um eine Rechnung mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer handelt, die unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 17.02.2011 – V R 39/09 die Steuerschuld gemäß § 14c Abs. 2 UStG auszulösen vermag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

§ 137 FGO ist nicht anzuwenden, wobei dahin stehen kann, ob der Beklagte den Sachverhalt hinreichend ermittelt und dem Kläger ausreichend rechtliches Gehör gewährt hat, denn hierauf beruht die Entscheidung nicht.

Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts. Die bisher entschiedenen Fälle betrafen deutlich längere Zeitspannen der Testamentsvollstreckertätigkeit.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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