OLG München, Hinweisbeschluss v. 05.10.2020 – 33 U 4381/20

Mai 10, 2021

OLG München, Hinweisbeschluss v. 05.10.2020 – 33 U 4381/20

Kein Auftragsverhältnis zwischen Nachlassverwalter und Erbenermittler

Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 09.07.2020 – 20 O 10835/19


Tenor
1. Die Kläger werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 09.07.2020, Az. 20 O 10835/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 02.11.2020.
3. Innerhalb dieser Frist können sich die Parteien auch zum Streitwert äußern, den der Senat beabsichtigt auf bis zu 7.000,00 € festzusetzen.
Entscheidungsgründe
I.
1
Die durch den Nachlasspfleger vertretenen Kläger, die unbekannten Erben des am 14.07.2012 verstorbenen Erblassers, begehren von der Beklagten, einer gewerblichen Erbenermittlerin, u.a. Auskunft und Herausgabe von Unterlagen.
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Das Erstgericht hat das Versäumnisurteil vom 12.03.2020, mit dem die Beklagte u.a. dazu verurteilt worden war, den Klägern Auskunft über ihre Tätigkeit im Rahmen der Erbenermittlung zu erteilen und an die Kläger Personenstands- und sonstige Urkunden herauszugeben, aufgehoben und die Klage gegen die Beklagte abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass zwischen den Klägern und der Beklagten ein Auftragsverhältnis i.S.v. § 662 BGB begründet worden sei. Beide Parteien hätten den Begriff „Auftrag“ in ihren jeweiligen Schreiben verwendet. Zudem habe der Nachlasspfleger der Beklagten eine Vollmacht für die Einholung von Auskünften für den Nachlass erteilt sowie sich die Beklagte verpflichtet, den Nachlasspfleger über den Stand der Erbenermittlung durch Übersendung von Sachstandsberichten in Kenntnis zu setzen. Das Grundverhältnis für die Erteilung einer Vollmacht sei – sofern kein Gefälligkeitsverhältnis vorliege, wie hier – in der Regel ein Auftrag. Jedenfalls mit Beendigung des Auftrages sei der Beauftragte zur Rechenschaftslegung sowie zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Allerdings sei der Auftrag derzeit noch nicht beendet, denn das freie Widerrufsrecht des Auftragsgebers (§ 671 BGB) sei vorliegend ausgeschlossen.
3
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufungsbegründung (nachfolgend abgekürzt: BB) vom 27.07.2020 (Bl. 84/91).
II.
4
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen, da er einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht erfordert und eine mündlichen Verhandlung nicht geboten ist.
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Die Entscheidung des Landgerichts erscheint zumindest im Ergebnis offensichtlich zutreffend, die hiergegen von der Berufung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch:
6
Im Ergebnis zu Recht hat das Erstgericht einen Auskunfts – und Herausgabeanspruch der Kläger (und damit auch die Freistellung von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten) verneint, da zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis im Sinn von § 662 BGB weder nach dem eigenen Vortrag der Kläger noch sonst ersichtlich begründet worden ist, so dass für die Beklagte keine rechtsverbindliche Ermittlungspflicht und damit auch keine Auskunfts-, Rechenschafts – und Herausgabepflicht besteht. Auf die Frage, ob den Kläger vorliegend ein Widerrufsrecht gemäß § 671 Abs. 1, 1. Hs. BGB zusteht, kommt es damit nicht entscheidungserheblich an.
1. Rechtsbeziehung zwischen den Parteien
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Entgegen der Auffassung des Erstgerichts haben die Parteien vorliegend ein Auftragsverhältnis iSv § 662 BGB nicht begründet.
a. Allgemeine Vorüberlegungen
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Der Senat legt seiner vorläufigen Bewertung folgende rechtlichen Vorüberlegungen zugrunde.
9
aa) Wenn der Erbe unbekannt ist und ein Sicherungsbedürfnis für den Nachlass besteht, hat das Nachlassgericht gemäß § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen. Hierfür kann es für denjenigen, welcher Erbe sein wird, einen Nachlasspfleger bestellen, § 1960 Abs. 2 BGB. Eine der zentralen Aufgaben des Nachlasspflegers ist es, die Erben zu ermitteln. Nach eigener Erfolglosigkeit kann dabei auch die Einschaltung eines gewerbsmäßigen Erbenermittlers pflichtgemäß sein, wobei der Erbenermittler immer nur einen Teilbereich der Aufgaben des Nachlasspflegers, der immer „Herr des Verfahrens“ bleiben muss, wahrnehmen kann, wenn er dazu nach dessen Vorgaben ermächtigt worden ist (Siebert ZEV 2019, 688, 689). Ob und welches Rechtsverhältnis zwischen Nachlasspfleger und gewerblichem Erbenermittler zustande kommt, wird, wohl mangels einer klaren, zwischen den Beteiligten vereinbarten Vertragsgrundlage, in Literatur und Rechtsprechung nicht eindeutig beantwortet:
10
Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur konstatiert, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Nachlasspfleger und Erbenermittler in der Praxis unklar, die realen Beziehungen noch unklarer sind (Forkert, Anm. zu LG Berlin, Urteil vom 14.09.2011- 23 O 613/10, ZEV 2012, 415; Gutbrod ZEV 1994, 337; Holl Rpfleger 2008, 285, 286; Mayer ZEV 2010, 445, 449; Niewerth/ Neun/ Schnieders Rpfleger 2009, 121, 123; Palandt/Weidlich, § 1960 BGB, Rn. 16). Sie geht davon aus, dass mit der Einschaltung eines Erbenermittlers durch den Nachlasspfleger, der die Erben bzw. den Nachlass nicht mit Kosten belasten darf, typischerweise kein Vertragsverhältnis eingegangen wird, sondern diesem nur mittels Vollmacht Zugang zu Daten bei seiner Ermittlungstätigkeit ermöglicht wird.
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In diesem Sinn konstatiert auch das OLG Düsseldorf (Bes. v. 05.03.2014 – I-3 Wx 192/13, BeckRS 2014, 10140): „Dementsprechend geht ein Nachlasspfleger in der Praxis typischerweise kein Vertragsverhältnis – auch kein Auftragsverhältnis – mit dem Erbenermittler ein. Vielmehr trägt er an diesen den betreffenden Fall lediglich heran und übergibt ihm seine Unterlagen zusammen mit einer Ermittlungsvollmacht…Auf diese Weise wird einerseits der Nachlass mit keiner Forderung des Erbenermittlers belastet – weder auf Honorar – noch auf Auslagenersatz -, andererseits besteht keine Pflicht des Erbenermittlers, seine Ermittlungsergebnisse dem Nachlasspfleger oder gar dem Nachlassgericht zu überlassen. Der Erbenermittler wendet sich alsdann an den von ihm aufgefundenen Erben und macht diesem gegenüber die Offenlegung der von ihm gewonnenen Erkenntnisse vom Abschluss einer Vergütungs- und Abwicklungsvereinbarung abhängig“.
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bb) Die Frage, ob eine Erklärung als (rechtsverbindliche) Willenserklärung zu werten ist, beurteilt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben (BGH, Urteil vom 20.09.2017 – VIII ZR 279/16 -, Rn. 20, juris). Maßgeblich für die Auslegung ist in erster Linie der gewählte Wortlaut (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1992 – I ZR 186/90 -, Rn. 16, juris). Gemäß der ausdrücklichen Regelung der §§ 133, 157 BGB darf die Auslegung jedoch nicht am buchstäblichen Sinne eines Ausdruckes haften, sondern hat so zu erfolgen, wie es Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte erfordern. Insoweit ist aber insbesondere auch das Gebot der beiderseits interessengerechten Auslegung zu beachten (OLG Hamm, Urteil vom 26. September 2000 – 28 U 50/00 -, Rn. 9, juris; Palandt – Ellenberger, § 133 BGB, Rn. 14 ff.).
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Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Auslegung gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO – auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen – in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält es die erstinstanzliche Auslegung nur für eine zwar vertretbare, letztlich aber bei Abwägung aller Gesichtspunkte nicht für eine sachlich überzeugende Auslegung, so hat es selbst die Auslegung vorzunehmen, die es als Grundlage einer sachgerechten Entscheidung des Einzelfalls für geboten hält (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2004 – VIII ZR 164/03, NJW 2004, 2751).
14
cc) Der Auftrag im Sinne der §§ 662 ff. BGB ist ein Vertrag, der auf die Übernahme einer unentgeltlichen Geschäftsbesorgung durch einen Beauftragten für einen Auftraggeber gerichtet ist (Staudinger/Martinek/Omlor (2017) BGB § 662, Rn. 1). Der Beauftragte hat die Pflicht, das übertragene Geschäft unentgeltlich zu besorgen, er ist grundsätzlich nach § 665 BGB weisungsgebunden, nach § 666 BGB rechenschaftspflichtig und muss gemäß § 667 BGB das Erlangte herausgeben (M. Otto in: Herberger/ Martinek/ Rüßmann/ Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 662 BGB, Stand: 01.02.2020, Rn. 32). Er erhält Vorschuss, sofern er dies verlangt (§ 669 BGB) und Ersatz der Aufwendungen, die er zum Zwecke der Ausführung des Auftrages macht und die er den Umständen nach für erforderlich halten darf (§ 670 BGB).
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dd) Nach den §§ 145 ff. BGB bedarf es für das Zustandekommen eines Vertrages zweier übereinstimmender Willenserklärungen. Erforderlich für die rechtsgeschäftliche Begründung eines Schuldverhältnisses ist mithin die Einigung beider Seiten. Es gilt das sog. Vertragsprinzip, d.h. nur durch (mindestens) zweiseitigen Vertrag kann ein Schuldverhältnis begründet werden, eine einseitige Begründung scheidet in aller Regel aus (BeckOGK/Herresthal BGB § 311 Rn. 25). Die Frage, ob den Erklärungen der Parteien ein Wille zur vertraglichen Bindung zu entnehmen ist, ist unter Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu bewerten. Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ist anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des Verhaltens der Parteien zu ermitteln, wobei vor allem die wirtschaftliche und die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit heranzuziehen sind (BGH, Urteil vom 20. September 2017 – VIII ZR 279/16 -, Rn. 23 – 24, juris).
b. Rechtsbeziehung im vorliegenden Fall
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Unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Einzelfalls wurde ein Vertragsverhältnis in Form eines Auftrages zwischen den Parteien nicht begründet.
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aa) Mit Schreiben vom 10.02.2017 (Anlage zur Klageschrift) hat sich der Nachlasspfleger an die Beklagte gewandt, seine Bestellung angezeigt und Unterlagen übersandt „mit der Bitte um Aufnahme der Erbenermittlung“. Die Beklagte hat sich hierauf mit Schreiben vom 17.02.2017 (Anlage zur Klageschrift) für den ihr „erteilten Ermittlungsauftrag“ bedankt, der „Übernahme des Auftrages zur Ermittlung der Erben“ zugestimmt und bestätigt, dass ihm, dem Nachlasspfleger, wie auch dem Nachlassgericht „keinerlei Kosten und Gebühren entstehen“ würden. Es wurde angekündigt, den Erben, sofern man diese ermittle, einen Vorschlag für die Honorierung zu unterbreiten, bei Zustimmung durch die Erben mit diesen eine entsprechende Gebührenvereinbarung abzuschließen und den Nachlasspfleger und das Nachlassgericht „laufend über den Stand der Erbenermittlung durch Übersendung von Sachstandsberichten in Kenntnis“ zu setzen.
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bb) Ob hierin ein zwischen den Klägern und der Beklagten vereinbarter Auftragsvertrag gemäß § 662 BGB oder – mangels Vorliegen eines Rechtsbindungswillens – lediglich ein bloßes Tätigwerden der Beklagten (ohne Ermittlungspflicht) zu sehen ist, ist mangels eindeutiger Parteivereinbarung im Wege der Auslegung festzustellen. Diese führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Parteien einen Auftragsvertrag (§ 662 BGB) nicht geschlossen haben:
Kein Vertragsangebot des Nachlasspflegers
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Dass der Nachlasspfleger der Beklagten gegenüber ein Angebot auf Abschluss eines Auftragsvertrages abgegeben hätte, ist schon nicht ersichtlich. Denn ausweislich des Schreibens vom 10.02.2017 hat er die hiesige Erbenermittlung lediglich an die Beklagte herangetragen, sie eingeschaltet „mit der Bitte um Aufnahme der Erbenermittlung“. Dass der Nachlasspfleger die Beklagte zur Ermittlung der Erben (rechtsverbindlich) verpflichten wollte, kann weder dem Wortlaut des Schreibens noch der Interessenlage – liegt es doch im Interesse der Kläger, den Nachlass mit keiner etwaigen Forderung von professionellen Erbenermittlern auf Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) oder Vorschuss (§ 669 BGB) zu belasten – entnommen werden. Auch hat er selbst in keiner Weise ein Vertragsangebot unterbreitet, wonach die Beklagte an etwaige Weisungen (§ 665 BGB) gebunden und z.B. verpflichtet worden wäre, regelmäßig über den Stand der Ermittlungen zumindest dem Ergebnis nach zu informieren. Von einem durch die Kläger „erteilten Ermittlungsauftrag“ (siehe Schreiben der Beklagten vom 17.02.2017, worauf nachfolgend noch einzugehen sein wird) kann mithin keine Rede sein.
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Unabhängig davon hat der Senat zumindest auch Zweifel, ob der Nachlasspfleger bei Abfassung des Schreibens vom 10.02.2017 im Namen der Kläger gehandelt hat. Zwar ist ein Nachlasspfleger grundsätzlich gesetzlicher Vertreter des oder der wirklichen Erben (BGH, Urteil vom 08. Dezember 2004 – IV ZR 199/03 -, BGHZ 161, 281, 289, Rn. 17). Das Recht der Stellvertretung wird aber nach § 164 BGB vom Offenheitsgrundsatz geprägt. Das Handeln in fremdem Namen muss Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung des Vertreters sein, andernfalls kommt der Mangel des Willens im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht (§ 164 Abs. 2 BGB). Das Handeln in fremdem Namen muss dabei nicht ausdrücklich geschehen. Es genügt, wenn es sich aus den Umständen ergibt, § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB (BGH, Urteil vom 14. Februar 1997 – V ZR 114/95 -, Rn. 10, juris). Dass dies vorliegend der Fall wäre, drängt sich nicht auf.
Kein Vertragsangebot der Beklagten
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Auch das Schreiben der Beklagten vom 17.02.2017 kann nicht als Angebot auf Abschluss eines Auftragsvertrages gewertet werden.
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Zwar bestätigt die Beklagte in ihrem Schreiben vom 17.02.2017 „die Übernahme des Auftrages zur Ermittlung der Erben“. Dies allein genügt jedoch nach den oben aufgezeigten Grundsätzen für die Annahme eines für beide Seiten verbindlichen Vertragsschlusses nicht. Denn dass die Beklagte mit den Klägern im Zeitpunkt der Aufnahme der Ermittlungen ein Vertragsverhältnis eingehen wollte, ist vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr war der Beklagten – ausweislich ihres Schreibens – daran gelegen, die Erben auf eigenes Risiko zu ermitteln, um dann später mit diesen eine Honorarvereinbarung abzuschließen.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Nachlasspfleger der Beklagten mit Schreiben vom 17.02.2017 (Anlage zum Schriftsatz vom 10.06.2020, Bl. 63/66) „Auftrag und Vollmacht“ erteilt hatte, „die Erbenermittlung durchzuführen“. Denn dieses Schreiben verpflichtete die Beklagte nicht zur Erbenermittlung, sondern bevollmächtigte diese lediglich, „zum Zwecke der Ermittlung der Erben“ „Erkundigungen bei Meldebehörden und Standesämtern sowie bei sonstigen Behörden, Gerichten, Ämtern, Archiven und Pfarrämtern durchzuführen“ und „Personenstandsbücher einzusehen“. Zwar kann einer erteilten Vollmacht ein Auftragsvertrag nach § 662 BGB zugrunde liegen, wenn ein entsprechender Rechtsbindungswille vorhanden ist. Davon kann jedoch vorliegend – trotz des verwendeten Begriffs „Auftrag“ – nicht ausgegangen werden.
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Auch die Zusage der Beklagten ihn, den Nachlasspfleger, wie auch das Nachlassgericht laufend über den Stand der Erbenermittlung – durch Übersendung von Sachstandsberichten – in Kenntnis zu setzen, belegt kein Angebot auf Abschluss eines Auftragsvertrages gemäß § 662 BGB. Denn dass sich die Beklagte damit rechtlich verbindlich iSv §§ 666, 667 BGB verpflichten wollte, Ermittlungsergebnisse dem Nachlasspfleger uneingeschränkt zu überlassen, ergibt sich daraus schon aufgrund ihrer oben aufgezeigten Interessenlage nicht.
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cc) Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtfertigt einen Auskunfts-/ Herausgabeanspruch nicht. Soweit die Rechtsprechung insoweit Auskunftspflichten bejaht, setzen diese voraus, dass die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht in zumutbarer Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete die erforderlichen Auskünfte unschwer, das heißt ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag (BGH, Urteil vom 19. Mai 2016 – III ZR 274/15 -, Rn. 46 – 47, juris). Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht gegeben. Vorliegend hätte es dem Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben oblegen, auf einer klaren vertraglichen Grundlage und sei es in Form eines Rechtsverhältnisses eigener Art eine Verpflichtung der Beklagten zur Auskunft über ihre Ermittlungstätigkeit und Herausgabe etwaiger Ermittlungsunterlagen zu begründen. Tut er dies nicht, aus welchen Gründen auch immer, stehen ihm auch keine durchsetzbaren Auskunfts – und Herausgabeansprüche zu.
2. Erfüllungseinwand
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Unabhängig von all dem ist die Beklagte jedenfalls ihrer „Eigenverpflichtung“ gemäß Schreiben vom 17.02.2017 regelmäßig nachgekommen und hat „laufend über den Stand der Erbenermittlung durch Übersendung von Sachstandsberichten“ berichtet. Mithin hat sie insoweit berechtigt den Erfüllungseinwand erhoben und den Klägern stehen die geltend gemachten Ansprüche in dieser Form auch deshalb nicht zu.
3. Rüge der Verletzung von § 139 Abs. 2 ZPO
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Auch die Rüge der Verletzung von § 139 Abs. 2 ZPO (BB, S. 3 ff., Bl. 86 ff.) greift nicht durch. Denn aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine grundsätzliche Verpflichtung des Gerichts, bereits vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Eine entsprechende Hinweispflicht des Gerichts setzt vielmehr voraus, dass es bei seiner Entscheidung auf eine rechtliche Sichtweise oder eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (BGH Urt. v. 22.5.2014 – AnwZ (Brfg) 75/13, IBRRS 2014, 3746, beck-online). Diese Voraussetzungen liegen nach dem Vortrag der Kläger nicht vor. Dass die Frage der Beendigung eines Auftragsvertrages Gegenstand der Entscheidung sein würde, lag auf der Hand, hatten doch die Kläger selbst die Auffassung vertreten, dass jedenfalls mit Beendigung des Auftrages der Beauftragte zur Rechenschaftslegung sowie zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet sei (Schriftsatz vom 20.05.2020, S. 2, Bl. 57). Die Kläger mussten auch damit rechnen, dass das Landgericht diese Frage gegebenenfalls anders beurteilen könnte als sie selbst, hatte doch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2020 den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 05. März 2014 – I-3 Wx 192/13 vorgelegt, wonach der Nachlasspfleger in der Praxis typischerweise kein Vertragsverhältnis – auch kein Auftragsverhältnis – mit dem Erbenermittler eingehe und daher nicht verpflichtet sei, seine Ermittlungsergebnisse dem Nachlasspfleger oder Nachlassgericht zu überlassen. Abgesehen davon vermag auch der nunmehrige Vortrag der Kläger der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen.
III.
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1. Bei dieser Sachlage wird schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren vorliegend von 4,0 auf 2,0 Gebühren (Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
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2. Ausgehend vom Berufungsantrag der Kläger wird der Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 7.000,00 € festzusetzen sein. Zwar haben die Kläger in erster Instanz ihr Interesse mit 20.000,00 € (Klageschrift, S. 6) bewertet. Die Parteiangaben zum Streitwert sind für das Gericht nicht bindend, aber wichtiges Indiz, sofern sie nicht offensichtlich unzutreffend sind (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 2 Rn. 17). Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte den Klägern immerhin vier Sachstandberichte erteilt hatte, kann sich der Streitwert nur noch an etwaigen nicht vorgelegten Sachstandsberichten orientieren. Diesen Wert schätzt der Senat auf 5% des Nachlasswertes mithin auf 6.431,70 €.
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3. Zu diesen Hinweisen können die Kläger binnen der oben gesetzten Frist Stellung nehmen. Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, wenn sich Änderungen nicht ergeben. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit einer einmaligen Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss nur bei Glaubhaftmachung triftiger Gründe – wozu im Allgemeinen nicht eine nur allgemein geltend gemachte Arbeitsüberlastung zählt – gerechnet werden kann (OLG Rostock OLGR 2004, 1).

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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