Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 14. November 1994 – 1Z BR 66/94 Nachlaßsache: Auslegung einer Pflichtteilsklausel in einem gemeinschaftlichen Testament; Bedürftigkeit des Beteiligten, wenn er im Verfahren der weiteren Beschwerde als Miterbe bestätigt wird

April 6, 2019

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 14. November 1994 – 1Z BR 66/94
Nachlaßsache: Auslegung einer Pflichtteilsklausel in einem gemeinschaftlichen Testament; Bedürftigkeit des Beteiligten, wenn er im Verfahren der weiteren Beschwerde als Miterbe bestätigt wird
1. Zur Auslegung einer Pflichtteilsklausel in einem gemeinschaftlichen Testament, in dem die Ehegatten sich gegenseitig zu Alleinerben und zwei ihrer vier Kinder zu Schlußerben eingesetzt haben und außerdem bestimmt haben, daß diese beiden “Haupterben” ein Viertel des Betrags erhalten sollen, der für “unsere Kinder angespart wurde”.
2. Zur Frage der Bedürftigkeit, wenn der Beteiligte, der Prozeßkostenhilfe beantragt, im Verfahren der weiteren Beschwerde als Miterbe bestätigt wird und aus dem Nachlaß, der im wesentlichen aus Geldvermögen besteht, einen erheblichen Betrag zu erwarten hat.
1. Zwar kann es als “Verlangen” im Sinne einer Pflichtteilsklausel angesehen werden, wenn die vorgesehenen Schlußerben nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten aus eigenem Antrieb in Verhandlungen mit dem überlebenden Ehegatten über die Pflichtteilsansprüche eintreten und dann die geleisteten Zahlungen entgegennehmen, selbst wenn die Zahlung des Pflichtteils letztlich von dem überlebenden Ehegatten ausgeht. Entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls. Dabei hat sich die Auslegung an der Ausgestaltung der Pflichtteilsklausel und insbesondere, wie jede Auslegung, an dem Gesamtzusammenhang der letztwilligen Verfügung auszurichten. Sie kann auch ergeben, daß der Pflichtteilsklausel im konkreten Fall ein Strafcharakter innewohnt in dem Sinn, daß sich der Schlußerbe der durch die Testierenden gewollten Nachlaßregelung widersetzen muß, um gegen das in der Klausel enthaltene Verbot zu verstoßen.
2. Wird ein Beteiligter, der Prozeßkostenhilfe beantragt hat, im Verfahren der weiteren Beschwerde als Miterbe bestätigt und hat er aus dem Nachlaß einen erheblichen Geldbetrag zu erwarten, so liegt keine Bedürftigkeit vor.

Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Dezember 1993 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 35.000 DM festgesetzt.
IV. Der Beteiligten zu 2 wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt.
Gründe
I.
Die am 10.1.1993 verstorbene Erblasserin war verwitwet. Sie hinterläßt vier Kinder, darunter die Beteiligten zu 1 und 2. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Wertpapieren und Bankguthaben im Wert von rund 142.000,- DM.
Im Mai 1987 verfaßte die Erblasserin ein eigenhändig geschriebenes und von ihr unterschriebenes Schriftstück. Es trägt das Datum 24.5.1987, ist auch von ihrem Ehemann unterschrieben und hat folgenden Wortlaut:
“Unser letzter Wille!
Im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte erklären wir, die Unterzeichneten:
1. Wir setzen uns hiermit gegenseitig als alleinige Erben ein. Nach dem Tod des Überlebenden soll der beiderseitige gesamte Nachlaß zu gleichen Teilen an unsere zwei jüngsten Kinder, S. und unseren einzigen Sohn, M. fallen. … Den o.g. Haupterben steht es frei, ihren Geschwistern, unseren beiden Töchtern, H. S. … und L. … durch Überlassung auf deren Bitte gewünschte Gegenstände aus dem Haupterbe zu übereignen. …
2. Verlangt eines unserer Kinder aus dem Nachlaß des zuerst Verstorbenen seinen Pflichtteil, so soll es auch nach dem Tod des zuletzt Verstorbenen nur den Pflichtteil aus dem Nachlaß erhalten.
3. Unser Sohn M. erhält die Bibliothek. …
4. Unserer Tochter L. wurden bereits aus unserem Besitz entsprechende Geldwerte (… – ein Viertel des für die Kinder angesparten Betrages -), sowie Wertgegenstände übergeben, so daß ihr Pflichtteil schon zu unseren Lebzeiten befriedigt wurde.
5. Unsere Tochter H. S. erhält ein Viertel des Betrages, der für unsere Kinder angespart wurde. Die gen. Haupterben erhalten je die beiden übrigen Viertel des Betrages.”
Am 26.5.1987 verstarb der Ehemann. Sein Nachlaß bestand im wesentlichen aus Bankguthaben im Wert von ca. 95.000 DM. Nach Überprüfung der Gültigkeit des Testaments der Ehegatten wurde der Erblasserin ein Erbschein als Alleinerbin erteilt. Nach dem Tod des Vaters erhielten die Beteiligte zu 2 sowie die Tochter H. S. von der Erblasserin je 20.000 DM. Die Beteiligte zu 2 bestätigte gegenüber der Erblasserin den Empfang des Geldes durch drei Quittungen vom 28.3.1990, 15.5.1990 und 13.10.1990, in denen unter anderem davon die Rede ist, daß sie “von der Erbschaft” ihres Vaters “laut Testament” ihres Vaters “inclusive Pflichtteil” Beträge erhalten bzw. die “zweite Hälfte” ihres Erbes erhalten habe. Am 13.5.1992 verfaßte die Erblasserin ein als “Testament” bezeichnetes Schriftstück, in dem sie verfügte, daß ihr Sohn M. (Beteiligter zu 1) Schlußerbe werde.
Dieser hat einen Erbschein als Alleinerbe beantragt. Er ist der Auffassung, daß die Beteiligte zu 2 ihren Pflichtteil erhalten habe und daher gemäß Abschnitt 2 des Testaments vom 24.5.1987 nicht Erbin nach ihrer Mutter geworden, sondern auf den Pflichtteil verwiesen sei. Dies werde auch durch die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 13.5.1992 bestätigt. Demgegenüber hat die Beteiligte zu 2 einen Erbschein beantragt, der sie und den Beteiligten zu 1 als Erben jeweils zur Hälfte nach ihrer Mutter ausweisen soll. Sie ist der Auffassung, daß die Voraussetzungen des Abschnitts 2 des Testaments vom 24.5.1987 nicht erfüllt seien, weil sie weder den Pflichtteil nach ihrem Vater verlangt noch erhalten habe. Die Zuwendungen nach dem Tod ihres Vaters habe die Erblasserin in Erfüllung des Abschnitts 5 des Testaments geleistet.
Das Nachlaßgericht hat mit Vorbescheid vom 26.10.1993 einen Erbschein angekündigt, wonach die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben je zur Hälfte ausgewiesen werden. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Erbfolge richte sich nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 24.5.1987. Die Anordnung in Abschnitt 5 dieses Testaments enthalte ein Vermächtnis zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 sowie ihrer Schwester H. Hierauf seien die Zahlungen an die Beteiligte zu 2 geleistet worden. Die von dieser erstellten Quittungen stünden dem nicht entgegen. Auch im übrigen seien die Voraussetzungen der Strafklausel gemäß Abschnitt 2 des Testaments nicht erfüllt, weil die Beteiligte zu 2 nach dem Tod ihres Vaters nicht bewußt den Willen der Eltern mißachtend ihren Pflichtteil geltend gemacht habe. Aus dem Testament der Erblasserin vom Mai 1992 ergebe sich nichts anderes.
Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Das Nachlaßgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen, das Landgericht hat es mit Beschluß vom 27.12.1993 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. Die Beteiligte zu 2 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten und hat beantragt, ihr für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat sich den Darlegungen des Nachlaßgerichts angeschlossen und ergänzend ausgeführt:
Nach Abschnitt 5 des Testaments vom 24.5.1987 habe die Schwester H. S. ein Viertel des Betrages erhalten sollen, der für die Kinder angespart worden sei. Die Beteiligten zu 1 und 2 als “Haupterben” hätten ebenfalls je ein Viertel dieses Betrages erhalten sollen, während nach Abschnitt 4 des Testaments die Schwester L. ihr Viertel bereits erhalten habe. Eine Zahlung aufgrund dieser Bestimmungen erfülle nicht die Voraussetzungen der Klausel in Abschnitt 2 des Testaments. Die Tochter H. S. und die Beteiligte zu 2 hätten jeweils diesen Betrag in Höhe von 20.000 DM bekommen. Die von der Beteiligten zu 2 erstellten Bestätigungen gäben nichts dafür her, daß es sich dabei um ein Pflichtteilsverlangen gehandelt habe. Dies gelte auch, soweit die Beteiligte am 15. Mai 1990 bestätigt habe, laut Testament ihres Vaters 10.000 DM “inclusive Pflichtteil” erhalten zu haben. Denn auch aus dieser Bestätigung ergebe sich nicht, daß die Beteiligte den Betrag gegen den im Testament verlautbarten Willen gefordert hätte.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs.1 FGG, § 550 ZPO) stand.
a) Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, daß das gemeinschaftliche Testament vom 24.5.1987 wirksam errichtet worden ist (§§ 2247, 2265, 2267 BGB), daß darin der überlebende Ehegatte (hier die Erblasserin) zum Vollerben des Erstversterbenden sowie die Beteiligten zu 1 und 2 zu Schlußerben des Letztversterbenden (hier der Erblasserin) eingesetzt worden sind, und daß diese beiden Verfügungen im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit (§ 2270 Abs.1 BGB) stehen. Auf dieser Grundlage haben sie angenommen, daß die Erblasserin an die Schlußerbeneinsetzung gebunden war und diese, unbeschadet der Auswirkungen der Pflichtteilsklausel in Abschnitt 2 des Testaments (vgl. dazu unter b) nicht durch ihre spätere letztwillige Verfügung vom 13.5.1992 abändern konnte (§ 2271 Abs.2 Satz 1 BGB). Dies alles ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird auch vom Rechtsbeschwerdeführer nicht in Frage gestellt.
b) Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Einsetzung der Beteiligten zu 2 zur Schlußerbin in Abschnitt 1 des Testaments vom 24.5.1987 bestehen geblieben ist, obwohl die Beteiligte von der Erblasserin im Jahr 1990, also nach dem Tod des Vaters, insgesamt 20.000 DM aus der “Erbschaft” erhalten hat. Denn es hat darin keinen Verstoß der Beteiligten zu 2 gegen die Pflichtteilsklausel des Abschnitts 2 des gemeinschaftlichen Testaments gesehen und daher angenommen, daß die möglichen Folgen eines solchen Verstoßes (Entfallen der durch die Klausel bedingten Schlußerbeneinsetzung der Beteiligten zu 2, vgl. Palandt/Edenhofer BGB 53. Aufl. § 2269 Rn. 13, oder jedenfalls der Bindung der Erblasserin an diese Verfügung, vgl. BayObLGZ 1990, 58/60) nicht eingetreten sind. Auch insoweit enthält die Entscheidung keinen Rechtsfehler.
aa) In Abschnitt 2 des Testaments vom 24.5.1987 haben die Ehegatten verfügt, daß dasjenige ihrer Kinder, das aus dem Nachlaß des Erstverstorbenen seinen Pflichtteil verlangt, nach dem Tod des Letztversterbenden ebenfalls nur den Pflichtteil aus dem Nachlaß erhalten soll. Gegen die Wirksamkeit dieser Klausel bestehen keine Bedenken (vgl. BayObLGZ 1990, 58/60 und 1994, 164/167). Welche Anforderungen an ein Pflichtteilsverlangen zu stellen sind, d.h. welches Verhalten des Abkömmlings als Zuwiderhandlung gegen das in der Klausel enthaltene Verbot anzusehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (BayObLGZ 1990, 58/61). Das Ergebnis dieser Auslegung der Tatsacheninstanz kann durch das Rechtsbeschwerdegericht nur auf Verfahrensfehler sowie dahin überprüft werden, ob die Auslegung nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Verfügung nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (BayObLG aaO).
bb) Der Rechtsbeschwerdeführer meint, die Beteiligte zu 2 habe bereits dadurch ihren Pflichtteil “verlangt”, daß sie sich als “Erbe” 20.000 DM “inclusive Pflichtteil” habe auszahlen lassen. Demgegenüber haben die Vorinstanzen die Pflichtteilsklausel in Abschnitt 2 des gemeinschaftlichen Testaments im Gesamtzusammenhang des Testaments gesehen und sind dabei unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der von der Beteiligten zu 2 ausgestellten Quittungen und des späteren Testaments der Erblasserin vom Mai 1992, zu dem Ergebnis gekommen, daß nach dem insoweit maßgeblichen (vgl. BGH NJW 1993, 256) gemeinsamen Willen der testierenden Ehegatten jedenfalls die Auszahlung des in Abschnitt 5 des Testaments erwähnten Betrages an die eingesetzten Erben nicht als Pflichtteilsverlangen im Sinn des Abschnitts 2 des Testaments angesehen werden kann. Diese Auslegung ist möglich, wenn nicht naheliegend, jedenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
(1) Zwar kann es als “Verlangen” im Sinn einer Pflichtteilsklausel angesehen werden, wenn die vorgesehenen Schlußerben nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten aus eigenem Antrieb in Verhandlungen mit dem überlebenden Ehegatten über die Pflichtteilsansprüche eintreten und dann die geleisteten Zahlungen entgegennehmen, selbst wenn die Zahlung des Pflichtteils letztlich von dem überlebenden Ehegatten ausgeht (BayObLGZ 1994, 164/169; Palandt/Edenhofer BGB 53. Aufl. § 2269 Rn.13). Entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls. Dabei hat sich die Auslegung an der Ausgestaltung der Pflichtteilsklausel und insbesondere, wie jede Auslegung, an dem Gesamtzusammenhang der letztwilligen Verfügung auszurichten (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 494/495). Sie kann auch ergeben, daß der Pflichtteilsklausel im konkreten Fall ein Strafcharakter innewohnt in dem Sinn, daß sich der Schlußerbe der durch die Testierenden gewollten Nachlaßregelung widersetzen muß, um gegen das in der Klausel enthaltene Verbot zu verstoßen (BayObLGZ 1963, 271/275).
(2) Im vorliegenden Fall sieht das Testament selbst vor, daß die Schlußerben bestimmte Beträge aus dem Geldvermögen erhalten sollen. Dies konnte das Landgericht dahin werten, daß der Wille der Testierenden in erster Linie darauf gerichtet war, den bedachten Schlußerben aus Gründen einer gerechten Vermögensverteilung im Ergebnis bestimmte Beträge aus dem (im wesentlichen aus Geldvermögen bestehenden) Nachlaß zuzuwenden, ohne daß es auf den genauen Zeitpunkt der Zuwendung ankommen sollte. Dann aber konnte das Landgericht auch den Schluß ziehen, daß der überlebende Ehegatte durch die Pflichtteilsklausel nicht gehindert sein sollte, die den Schlußerben zugewiesenen Beträge oder Teile hiervon bereits vor dem Schlußerbfall auszukehren, solange nur die gleichmäßige Verteilung des Betrages unter den Schlußerben sichergestellt war. Diesem Ziel konnte der überlebende Ehegatte dadurch Rechnung tragen, daß er die Anrechnung des vorab an einen Schlußerben ausgezahlten Betrages sicherstellte und zwar unabhängig vom Ergebnis der Auslegung der in Abschnitt 5 des gemeinschaftlichen Testaments enthaltenen Klausel. Hierfür spricht auch, daß die Beteiligte zu 2 im Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments ihren Unfall, an dessen Folgen sie immer noch leidet, bereits erlitten hatte. Es ist nicht anzunehmen, daß die Ehegatten den Überlebenden von ihnen daran hindern wollten, der Tochter gegebenenfalls durch Geldzahlungen beizustehen, sofern dies notwendig sein sollte. Die in den Quittungen enthaltenen Hinweise auf die “Erbschaft” und den “Pflichtteil” können in diesem Zusammenhang auch als Anordnung der Ausgleichung (§ 2050 Abs.3 BGB) verstanden werden, durch die eine gerechte Verteilung des Nachlasses zwischen den beiden Schlußerben sichergestellt werden sollte.
(3) Wenn unter diesen Umständen das Landgericht die Pflichtteilsklausel dahin ausgelegt hat, daß die Entgegennahme einer von dem überlebenden Ehegatten angebotenen Zahlung durch die Beteiligte zu 2 noch nicht als Pflichtteilsverlangen im Sinne der Klausel anzusehen ist, auch wenn die Zahlung aus dem Nachlaß des erstverstorbenen Vaters geleistet worden ist, so ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Rechtsbeschwerdeführer übersieht bei seiner Argumentation, daß es nicht darauf ankommt, ob der Beteiligten zu 2 etwas unter Anrechnung auf ihren Erbteil oder Pflichtteil ausgezahlt worden ist oder nicht, sondern darauf, welches Verhalten der Beteiligten zu 2 als “Verlangen” im Sinne der Klausel gewertet werden kann. Umstände die insoweit das Auslegungsergebnis des Landgerichts in Frage stellen und von den Vorinstanzen nicht berücksichtigt worden sind, trägt er nicht vor. Insbesondere läßt das von ihm erwähnte Schreiben der Erblasserin vom Juni 1987 keine Rückschlüsse in dem von ihm angestrebten Sinn zu, weil es auch in Richtung einer Anordnung der Ausgleichung (§ 2050 Abs.3 i.V.m. § 2052 BGB) verstanden werden kann. Im Ergebnis versucht der Beschwerdeführer, seine eigene Auslegung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen. Damit kann er im Verfahren der weiteren Beschwerde keinen Erfolg haben (vgl. BayObLGZ 1991, 173/177).
cc) Die Vorinstanzen haben festgestellt, daß die Beteiligte zu 2 nicht von sich aus an die Erblasserin mit dem Ansinnen herangetreten ist, einen Betrag aus dem Nachlaß des Vaters ausgezahlt zu erhalten. Vielmehr habe die Erblasserin der Beteiligten zu 2 den ausgezahlten Betrag geben wollen, weil sie die Sache habe “endlich vom Tisch haben” wollen. Diese Feststellungen sind verfahrensfehlerfrei getroffen, insbesondere sind die Beweisanforderungen für ein “Verlangen” nicht zu niedrig angesetzt. Sie sind daher für den Senat bindend (§ 27 Abs.1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Sie lassen den Schluß zu, daß die Voraussetzungen eines Pflichtteilsverlangens, wie sie das Landgericht durch Auslegung ermittelt hat, nicht vorliegen. Damit hat die Schlußerbeneinsetzung in Abschnitt 1 des gemeinschaftlichen Testaments weiterhin Gültigkeit.
3. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist nicht veranlaßt. Gemäß § 13a Abs.1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 1 der Beteiligten zu 2 die ihr im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
4. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird gemäß § 31 Abs.1 Satz 1, § 131 Abs.2, § 30 Abs.1 KostO unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Beteiligten zu 1 am Erfolg seines Rechtsmittels festgesetzt. Der Senat schätzt dieses Interesse, im wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Landgericht, auf 35.000 DM.
5. Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde kann der Beteiligten zu 2 nicht bewilligt werden. Ihr Rechtsmittel ist zwar erfolgreich, sie ist jedoch nicht bedürftig. Die Beteiligte ist Miterbin zur Hälfte nach ihrer Mutter. Zum Nachlaß gehört Geldvermögen in Höhe von weit über 100.000 DM. Auch unter Berücksichtigung der Vermächtnisse sowie von Ausgleichsverpflichtungen, die sich bei der Nachlaßteilung zu Lasten der Beteiligten zu 2 auswirken können, liegt der Wert ihres Anteils am Nachlaß so hoch, daß sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung aufbringen kann (§ 14 FGG i.V.m. § 114 Satz 1, § 115 Abs.2 ZPO, § 88 Abs.2 BSHG). Hinzu kommt, daß ihr der Beteiligte zu 1 die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu erstatten hat und hierzu anhand der ihm zufließenden Nachlaßwerte auch ohne weiteres in der Lage ist.

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