OLG Frankfurt am Main, 12.03.2015 – 20 W 76/15

April 9, 2019

OLG Frankfurt am Main, 12.03.2015 – 20 W 76/15
Leitsatz:

1.

Es kann nicht Inhalt einer Zwischenverfügung sein, auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts oder die Abgabe einer Bewilligung hinzuwirken, die ihrerseits erst Grundlage der einzutragenden Rechtsänderung sein sollen.
2.

Ein Nachlass kann nicht nur durch Erbteilsübertragung oder Vertrag nach §2042 BGB auseinandergesetzt bzw. geteilt werden. Vielmehr ist auch der Weg der sogenannten Abschichtung anerkannt. Hiernach kann ein Miterbe durch Vertrag mit den anderen Miterben aus der Erbengemeinschaft ausscheiden, indem er seine Mitgliedschaftsrechte an der Erbengemeinschaft aufgibt, so dass sein Erbteil den verbleibenden Miterben kraft Gesetzes anwächst.
3.

Gehört ein im Grundbuch eingetragenes Recht zum Erbe, so vollzieht sich der Wechsel des Berechtigten nach Abschluss eines derartigen Vertrags außerhalb des Grundbuchs; dieses ist dann entsprechend zu berichtigen.
4.

Diese Vereinbarung ist jedenfalls im Grundsatz formfrei möglich, auch wenn ein Grundstück oder ein grundstücksgleiches Recht zum Nachlass gehört.

Tenor:

Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gründe

I.

Unter dem 21.01.2015 hat die Beteiligte über ihre Verfahrensbevollmächtigte “Erbauseinandersetzungsvereinbarung(en) im Wege der Abschichtung” in unter- schriftsbeglaubigter Form beim Grundbuchamt eingereicht. Die Vereinbarungen wurden zwischen den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft nach dem am … 2014 verstorbenen A abgeschlossen, die in den beiden betroffenen Grundbüchern in Abt. I, lfd. Nrn. 6.2 bis 6.5, bzw. in Abt. I, lfd. Nrn. 3.3 bis 3.6., als Eigentümer eingetragen sind. Die Vereinbarungen enthalten jeweils unter III. die Bewilligung und Beantragung der Rechtsänderungen im Grundbuch. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarungen wird auf Bl. 2 ff. d. A. verwiesen. Ausweislich der angefochtenen Zwischenverfügung (Bl. 11 d. A.), auf deren Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird, hat die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt ein Hindernis benannt, zu dessen formgerechter Behebung gemäß § 18 GBO sie eine Frist von einem Monat gesetzt hat. Sie hat beanstandet, dass die Abschichtungsvereinbarungen der Form der notariellen Beurkundung gemäß § 2033 BGB bedürften. Die Abschichtung selbst sei – so der Inhalt der Zwischenverfügung – eine Verfügung über einen Erbteil und könne daher nicht formfrei bzw. lediglich mit beglaubigten Unterschriften übertragen werden. Gegen diese Zwischenverfügung hat die Beteiligte mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 05.02.2015 (Bl. 13 ff. d. A.) Beschwerde eingelegt, auf deren Begründung verwiesen wird. Durch Beschluss vom 26.02.2015 (Bl. 17 ff. d. A.) hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgehol- fen und hat sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch ansonsten zulässig. Die angefochtene Verfügung des Grundbuchamtes stellt nämlich eine an- fechtbare Zwischenverfügung dar. Nicht anfechtbar sind zwar in der Regel Verfügungen, die keine Zwischenverfügungen im Sinne des § 18 GBO sind, etwa rechtliche Hinweise mit verfahrensleitendem bzw. entscheidungsvorbereitendem Charakter, mit der das Grundbuchamt auf seine rechtliche Auffassung hinweist und den Beteiligten auf diese Weise Gelegenheit gibt, sich in ihrer Antragstellung oder in ihrem Vorbringen entsprechend einzustellen (vgl. dazu Demharter, GBO, 29. Aufl., § 71 Rz. 17 ff.). Ob demgegenüber eine anfechtbare Zwischenverfügung vorliegt, ist aufgrund des objektiven Erklärungsinhalts der Verfügung zu beurteilen, wobei allerdings ohne Bedeutung ist, ob das Grundbuchamt seine Verfügung als Zwischenverfügung bezeichnet hat oder behandelt wissen will (vgl. auch insoweit Demharter, a.a.O., § 71 Rz. 19 m. w. N.). Der Senat geht hier von einer anfechtbaren Zwischenverfügung aus, da die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt darin unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 18 GBO ein Hindernis dargelegt hat, zu dessen formgerechter Behebung sie eine Frist gesetzt hatte. Sie hat eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung erteilt und die Verfügung der Verfahrensbevoll- mächtigten als Zwischenverfügung förmlich zugestellt.

Ausgehend davon hat das Rechtsmittel der Beteiligten auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Zwischenverfügung kann schon aus formellen Gründen keinen Bestand haben. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass eine Zwischenverfügung nur dann in Betracht kommt, wenn das festgestellte oder mögliche Eintragungshindernis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung beseitigt werden kann. Es kann deshalb nicht Inhalt einer Zwischenverfügung sein, auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts oder die Abgabe einer Bewilligung hinzuwirken, die ihrerseits erst Grundlage der einzutragenden Rechtsänderung sein sollen (vgl. die vielfältigen Nachweise bei Senat NotBZ 2014, 56, zitiert nach juris). Ein solcher Fall liegt hier vor. Hier hält das Grundbuchamt, wie sich aus der Zwischenverfügung und ergänzend aus dem Nichtabhilfebeschluss ergibt, gerade eine rechtsändernde, formbedürfte Vereinbarung der Beteiligten aus materiellrechtlichen Gründen (§ 2033 BGB) für erforderlich, die noch zu erfolgen hat, um die beantragte Eintragung vornehmen zu können. Eine Zwischenverfügung mit diesem Inhalt ist unzulässig (vgl. auch OLG Hamm Rpfleger 2014, 479, [OLG Hamm 12.11.2013 – 15 W 43/13] zitiert nach juris).

Ist mithin die ergangene Zwischenverfügung unzulässig, so ist sie durch das Beschwerdegericht in jedem Fall ohne Sachprüfung aufzuheben. Die Entscheidung über den zugrundeliegenden Eintragungsantrag hat dagegen das Grundbuchamt zu treffen, da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Zwischenverfügung und die darin enthaltene Beanstandung und nicht der Antrag selbst ist. Die Entscheidung über diesen ist mithin beim Senat nicht angefallen (Senat NotBZ 2014, 56).

Lediglich wegweisend und angesichts der obigen Ausführungen ohne Bindungswirkung für das Grundbuchamt weist der Senat jedoch darauf hin, dass er sich der Rechtsauffassung des Grundbuchamts, die der Beanstandung in der angefochtenen Zwischenverfügung zugrunde liegt, nicht anzuschließen vermag. Darin hat das Grundbuchamt keine Beanstandung zum Inhalt der vorgelegten Abschichtungsvereinbarungen erhoben, so dass sich Ausführungen des Senats hierzu ver- bieten. Die vom Grundbuchamt ausschließlich für die Erbauseinandersetzung im Wege der Abschichtung für erforderlich erachtete Form der notariellen Beurkundung ist, wie die Verfahrensbevollmächtigte im Einzelnen in der Beschwerde dargelegt hat und was vom Grundbuchamt ausweislich des Nichtabhilfebeschlusses auch nicht in Abrede gestellt wird, nach ganz herrschender obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht erforderlich. Der Nachlass kann danach nicht nur durch Erbteilsübertragung (§ 2033 BGB) oder Vertrag nach § 2042 BGB auseinandergesetzt bzw. geteilt werden. Vielmehr ist auch der Weg der sogenannten Abschichtung anerkannt. Hiernach kann ein Miterbe durch Vertrag mit den anderen Miterben aus der Erbengemeinschaft ausscheiden, indem er seine Mitgliedschaftsrechte an der Erbengemeinschaft aufgibt, so dass sein Erbteil den verbleibenden Miterben kraft Gesetzes anwächst. Gehört ein im Grundbuch eingetragenes Recht zum Erbe, so vollzieht sich der Wechsel des Berechtigten nach Abschluss eines derartigen Vertrags außerhalb des Grundbuchs; dieses ist dann entsprechend zu berichtigen. Von daher handelt es sich nach dieser – vom Grundbuchamt abgelehnten – Rechtsauffassung gerade nicht um einen Fall des § 2033 BGB, sondern die Vereinbarung ist formfrei möglich, auch wenn ein Grundstück oder ein grundstücksgleiches Recht zum Nachlass gehört, es sei denn, als Abfindung soll ein solches Recht übertragen werden oder die Formbedürftigkeit ergibt sich aus anderen Gründen (vgl. die vielfältigen Nachweise zuletzt bei OLG München ZIP 2014, 482, [OLG München 20.01.2014 – 34 Wx 516/13] zitiert nach juris, und bei BeckOK GBO/Wilsch, Stand 01.01.2015, § 35 Rz. 169). Danach bedarf es der notariellen Beurkundung auch nicht im Hinblick auf § 29 GBO (vgl. hierzu auch BeckOK GBO/Wilsch, a.a.O., § 35 Rz. 171). Auf derartige Gesichtspunkte hat das Grundbuchamt hier auch nicht abgestellt. Auch der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsauffassung in Kenntnis und in Abgrenzung der vom Grundbuchamt im Nichtabhilfebeschluss nochmals dargelegten Gegenauffassung bereits mehrfach angeschlossen (vgl. etwa Beschlüsse vom 08.03.2011, 20 W 120/11, und vom 18.10.2012, 20 W 199/12, jeweils nicht veröffentlicht). Der Senat sieht keine Veranlassung, hiervon im Hinblick auf die vom Grundbuchamt in Bezug genommenen und in der Literatur vertretenen systematischen Bedenken, die er in den bezeichneten Beschlüssen bereits berücksichtigt hatte, nunmehr abzuweichen. Die Rechtsauffassung (auch) des Senats entspricht vielmehr einer zwischenzeitlich verfestigten Praxis, an der trotz der vom Grundbuchamt vorgetragenen dogmatischen Bedenken festzuhalten ist (vgl. dazu auch zuletzt OLG München ZIP 2014, 482 [OLG München 20.01.2014 – 34 Wx 516/13] mit Anmerkung Pluta/Heidrich, jurisPR-InsR 9/2014 Anm. 3; OLG Hamm Rpfleger 2014, 479, je zitiert nach juris).

Ist die Beschwerde mithin erfolgreich, bedarf es weder einer Kostenentscheidung noch Ausführungen zur Zulassung einer Rechtsbeschwerde.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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