FG Münster, Urteil vom 15.04.2021 – 3 K 3911/18 F

September 13, 2021

FG Münster, Urteil vom 15.04.2021 – 3 K 3911/18 F

Tenor
Der Feststellungsbescheid auf den 17.02.2012 vom 31.05.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.11.2018 wird dahingehend geändert, dass das Beteiligungsverhältnis der Gesellschafter am Vermögen der Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin als maßgebender Gewinnverteilungsschlüssel im Sinne des § 97 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BewG angewandt wird.

Die Berechnung wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Bewertung eines Anteils am Vermögen der Klägerin in Höhe von 5 Prozent ein vom Beteiligungsverhältnis abweichender Gewinnverteilungsschlüssel zu berücksichtigten ist.

Die am 17.02.2012 verstorbene Erblasserin, Frau F. A.-I., undihre Kinder, die beiden Beigeladenen, Frau D. D. und Herr S. A., schlossen am 19.01.1993 einen privatschriftlichen Schenkungsvertrag, in dem sie vereinbarten, dass die in dem Entwurf eines notariellen Übertragungsvertrags näher bezeichneten Vermögensgegenstände von der Erblasserin schenkweise zu je 47,5 Prozent an die Beigeladenen übertragen werden. Die Schenkung sollte durch die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit entsprechenden Beteiligungsverhältnissen und anschließender Einlage der Vermögenswerte in die Gesellschaft durch die Erblasserin erfolgen.

Mit notarieller Urkunde vom gleichen Tag (Nr. xxx der Urkundenrolle für 1993 des Notars I. T. in Dortmund,) gründeten die Erblasserin und die Beigeladenen die damals noch als A.-I. Vermögensverwaltung GbR firmierende Klägerin (Teil I. der Urkunde: Vertrag über die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts); die Erblasserin brachte die näher bezeichnete Vermögenswerte in die Klägerin ein (Teil II. der Urkunde: Vertrag über die Einbringung von Grundbesitz und sonstigen Vermögenswerten in die Gesellschaft).

Nach § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin waren am Vermögen der Klägerin die Erblasserin zu fünf Prozent und die Beigeladenen zu jeweils 47,5 Prozent beteiligt. In § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin wurde geregelt, dass abweichend von der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung die Erblasserin zu 90 Prozent und die Beigeladenen zu jeweils fünf Prozent am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt waren. Weiter wurde geregelt, dass die Gewinn- und Verlustbeteiligung des jeweiligen Gesellschafters seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen entsprechen sollte, sobald die Geschäftsführerstellung der Erblasserin – gleich aus welchem Grund – endete.

Entsprechend § 2 des Vertrags über die Einbringung von Grundbesitz und sonstigen Vermögenswerten brachte die Erblasserin die in § 1 dieses Vertrages näher bezeichneten Vermögensgegenstände bestehend aus Grundbesitz, GmbH-Beteiligungen, Bankguthaben, Wertpapieren und Pferden mit schuldrechtlicher Wirkung zum 01.01.1993 in die Klägerin ein.

Gegenüber den Beigeladenen wurde mit Bescheiden vom 20.11.1995 und geänderten Bescheiden vom 12.03.1996 Schenkungssteuer auf den 01.01.1993 durch das Finanzamt C-Stadt festgesetzt. Dabei wurden die übertragenen Vermögensgegenstände und die übernommenen Schulden bei den Beigeladenen – entsprechend ihrer Beteiligung am Vermögen der Klägerin – zu jeweils 47,5 Prozent berücksichtigt. Die abweichende Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung nach § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin wurde als nießbrauchsähnliches Nutzungsrecht berücksichtigt und hierfür sowie für ein zurückbehaltenes lebenslängliches Wohnrecht der Schenkerin eine Stundung nach § 25 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) a.F. gewährt.

Die nicht gestundeten Steuerbeträge sowie die Ablösungsbeträge der gestundeten Steuerbeträge wurden durch die Klägerin für die Beigeladenen am 21.12.1995 und 20.03.1996 vollständig bezahlt.

Die Klägerin war zunächst vermögensverwaltend tätig. Seit dem Jahr 1998 besteht zwischen der Klägerin als Besitzunternehmen und der X-GmbH eine Betriebsaufspaltung im ertragsteuerlichen Sinn.

Die Erblasserin verstarb am 17.02.2012.

In der am 22.07.2013 aufgrund der Aufforderung vom 07.12.2012 eingereichten Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts auf den 17.02.2012 gab die Klägerin in der Anlage Betriebsvermögen in der Zeile 55 unter “Maßgebender Gewinnverteilungsschlüssel des Gesellschafters” fünf Prozent an.

Mit Bescheiden vom 26.08.2013 unter anderem über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 Bewertungsgesetz (BewG)) auf den 17.02.2012 (Bewertungsstichtag) für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG folgte der Beklagte der Feststellungserklärung und stellte gegenüber der Klägerin und der aus den Beigeladenen bestehenden Erbengemeinschaft den Wert des Anteils am Betriebsvermögen auf 471.645 Euro gesondert und einheitlich fest. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Bei der Klägerin fand aufgrund der Prüfungsanordnung vom 20.09.2013 eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung J-Stadt statt, die durch die Prüfungserweiterung vom 10.07.2014 unter anderem auf die gesonderte Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen auf den 17.02.2012 erweitert wurde. Die Betriebsprüfer vertraten die Ansicht, dass der abweichende Gewinnverteilungsschlüssel des § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin bei der Bewertung des Anteils der Erblasserin zu berücksichtigen sei, sodass vom nach Abzug der Kapitalkonten verbliebenen Wert des Betriebsvermögens nicht fünf sondern 90 Prozent auf den Anteil der Erblasserin entfielen (vgl. Tz. 2.2.2 in Verbindung mit Anlagen 2.1 und 2.2 des Betriebsprüfungsberichts vom 15.07.2014).

Am 31.05.2016 ergingen an Herrn S. A. als Empfangsbevollmächtigten sowohl für die Klägerin als auch für die Erbengemeinschaft nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide unter anderem über die gesonderte Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 BewG) auf den 17.02.2012 (Bewertungsstichtag) für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Der Wert des Anteils am Betriebsvermögen wurde unter Berücksichtigung des Gewinnverteilungsschlüssels des § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin auf 5.021.878 Euro festgestellt. In der Anlage zum Feststellungsbescheid wurde als maßgebender Gewinnverteilungsschlüssel des Gesellschafters 90 Prozent angegeben.

Hiergegen erhob die Klägerin am 30.06.2016 Einspruch mit der Begründung, dass durch die Bescheide vom 20.11.1995 und 12.03.1996 bereits der Erwerb von 95 Prozent des Vermögens der Klägerin besteuert und die sich daraus ergebende Steuer bezahlt worden sei, sodass nunmehr in 2012 nur noch der restliche Anteil am Vermögen der Klägerin in Höhe von fünf Prozent der Erbschaftsteuer unterworfen werden könne. Ansonsten käme es zu einer Doppelbesteuerung. Bei dem der Erblasserin eingeräumten disquotalen Gewinnanteil handele es sich nicht um eine Änderung des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels, sondern um eine Nießbrauchsgestaltung. So sei der Sachverhalt auch vom Finanzamt C-Stadt im Jahr 1996 gewürdigt worden. Das mit dem Erbfall wegfallende Nießbrauchsrecht wirke sich auf die Bedarfswertermittlung für den übergegangenen Anteil nicht aus.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 30.11.2018 als unbegründet zurück.

Zur Begründung verwies er darauf, dass gemäß § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. b) BewG der nach § 109 Abs. 2 BewG ermittelte gemeine Wert des der Personengesellschaft gehörenden Betriebsvermögens, soweit dieser nicht auf die Kapitalkonten entfiele (vgl. § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. a) BewG), nach dem für die Gesellschaft maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter aufzuteilen sei. Der hier maßgebliche Gewinnverteilungsschlüssel ergebe sich aus § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, wonach die Erblasserin zu 90 Prozent am Gewinn und Verlust der Klägerin beteiligt sei. Ein hiervon abweichender Aufteilungsmaßstab könne wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. b) BewG nicht berücksichtigt werden.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der schenkungssteuerlichen Behandlung der in 1993 bewirkten Einbringung von Vermögensgegenständen anlässlich der Gründung der Klägerin. Nach Auffassung des Beklagten sei in § 6 Abs. 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin gerade kein Nießbrauchsvorbehalt vereinbart worden, sodass damals eine Schenkung lediglich in Höhe von insgesamt zehn Prozent tatsächlich vorgelegen habe. Sofern vom Schenkungssteuerfinanzamt damals eine andere Würdigung vorgenommen worden sei, könne diese wegen des eindeutigen Wortlauts der Norm hier nicht berücksichtigt werden. Eine vom Kläger behauptete Doppelbesteuerung läge wegen der umfangreichen Verschonungsregelung der §§ 13a und 13b ErbStG von bis zu 100 Prozent nicht vor. Selbst bei Vorliegen einer Doppelbesteuerung sei der Beklagte aufgrund des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung an die Vorschrift gebunden.

Mit der am 21.12.2018 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die nach § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin geregelte Beteiligung am Gewinn und Verlust der Klägerin sei von den Beteiligten von Anfang an nicht als disquotale Gewinnverteilung, sondern als Nießbrauch der Schenkerin am Gesellschaftsanteil verstanden worden. Entsprechend habe das Schenkungssteuerfinanzamt den Vermögensübergang im Jahr 1993 in Höhe von 95 Prozent erklärungsgemäß bei den Beigeladenen je zur Hälfte der Schenkungsteuer unterworfen. Das nießbrauchsähnliche Nutzungsrecht habe die jeweilige Schenkungssteuer nicht gemindert, sondern nur zu einer Stundung nach § 25 ErbStG a.F. geführt, die zwischenzeitlich vollumfänglich abgelöst worden sei.

Durch den Erbanfall am 17.02.2012 sei der Nießbrauch erloschen und nur der von der Erblasserin noch gehaltene Anteil in Höhe von fünf Prozent an der zwischenzeitlich aufgrund einer Betriebsaufspaltung gewerblichen Klägerin auf die Beigeladenen, jeweils zur Hälfte, übergegangen. Für Zwecke der Erbschaftsteuer müsse nur der Anteil bewertet werden, der Gegenstand des Erwerbs sei, wobei sich der maßgebliche Gewinnverteilungsschlüssel aus § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin ergebe.

Sofern entgegen der Auffassung der Klägerin davon auszugehen sei, dass die Regelung in § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin kein Nießbrauchsrecht darstelle, ändere dies nichts an der Auffassung der Klägerin, dass mit dem Tod der Erblasserin insgesamt lediglich ein Anteil an der Klägerin in Höhe von fünf Prozent auf die Erben übergegangen sei. Die übermäßige Gewinnbeteiligung der Schenkerin in Höhe von 85 Prozent, die in diesem Fall entweder als Vorabgewinn im Rahmen der Tätigkeit der Erblasserin als Geschäftsführerin der GbR oder als zeitlich befristetes Sonderrecht der Erblasserin angesehen werden könne, sei im Zeitpunkt ihres Todes erloschen, sodass sie nicht Gegenstand eines erbschaftssteuerbaren Vorgangs sein könne.

Sollte die übermäßige Gewinnbeteiligung doch als Gegenstand eines erbschaftssteuerbaren Vorgangs in Betracht kommen, sei zu gewährleisten, dass keine unzulässige Doppelbesteuerung erfolge. In diesem Zusammenhang weist die Klägerin darauf hin, dass die als vermögensverwaltende GbR gegründete Klägerin infolge der Betriebsaufspaltung im Jahr 1998 als Gewerbebetrieb angesehen werde, wodurch erst der Anwendungsbereich des § 97 BewG eröffnet worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Feststellungsbescheid auf den 17.02.2012 vom 31.05.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.11.2018 dahingehend zu ändern, dass das Beteiligungsverhältnis der Gesellschafter am Vermögen der Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin als maßgebender Gewinnverteilungsschlüssel im Sinne des § 97 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BewG angewandt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Weder § 97 BewG noch R B 97.3 Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 sehe die von der Klägerin begehrte Berechnung vor. Des Weiteren sei im hiesigen Verfahren der Anteil am Betriebsvermögen zu bewerten und nicht die Berücksichtigung im Rahmen der Erbschaftsteuer zu beurteilen.

Mit Beschluss vom 05.03.2021 hat das Gericht die Erben als Feststellungsbeteiligte im Sinne des § 154 BewG nach § 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig beigeladen. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Der Senat hat in der Sache am 15.04.2021 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Gründe
Die Klage ist begründet.

Der geänderte Bescheid vom 26.08.2013 über die gesonderte Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 BewG) auf den 17.02.2012 für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.11.2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Der Beklagte hat zu Unrecht die Regelung in § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin als maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssel im Sinne des § 97 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BewG herangezogen. Zwar stellt die Regelung in § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin- entgegen der Auffassung der Klägerin – nach Ansicht des Senats kein Nießbrauchsrecht und keine sonstige nießbrauchsähnliche Gestaltung, sondern einen von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel dar. Dieser ist jedoch mit dem Tod der Erblasserin, der zwangsweise ihre Geschäftsführerstellung beendete, entfallen, sodass das Beteiligungsverhältnis der Gesellschafter nach § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin als maßgebender Gewinnverteilungsschlüssel im Sinne des § 97 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BewG anzuwenden ist.

Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG ist unter anderem der Wert des Anteils am Betriebsvermögen gemäß §§ 95, 96 und 97 BewG gesondert festzustellen, wenn der Wert für die Erbschaftsteuer von Bedeutung ist.

Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 BewG bilden unter anderem alle Wirtschaftsgüter, die einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) gehören, einen Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat. Zum Gewerbebetrieb einer solchen Gesellschaft gehören nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 BewG auch die Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines Gesellschafters, mehrerer oder aller Gesellschafter stehen, und Schulden eines Gesellschafters, mehrerer oder aller Gesellschafter, soweit die Wirtschaftsgüter und Schulden bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen der Gesellschaft gehören (§ 95 BewG); diese Zurechnung geht anderen Zurechnungen vor.

Gemäß § 97 Abs. 1a BewG ist der gemeine Wert eines Anteils am Betriebsvermögen einer Personengesellschaft im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG wie folgt zu ermitteln und aufzuteilen:

1. Der nach § 109 Abs. 2 BewG ermittelte gemeine Wert des der Personengesellschaft gehörenden Betriebsvermögens (Gesamthandsvermögen) ist wie folgt aufzuteilen:

a) die Kapitalkonten aus der Gesamthandsbilanz sind dem jeweiligen Gesellschafter vorweg zuzurechnen;

b) der verbleibende Wert ist nach dem für die Gesellschaft maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter aufzuteilen; Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen.

2. Für die Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters ist der gemeine Wert zu ermitteln. Er ist dem jeweiligen Gesellschafter zuzurechnen.

3. Der Wert des Anteils eines Gesellschafters ergibt sich als Summe aus dem Anteil am Gesamthandsvermögen nach Nr. 1 und dem Wert des Sonderbetriebsvermögens nach Nr. 2.

Vorliegend ist zwischen den Beteiligten allein streitig, welcher Gewinnverteilungsschlüssel für die Aufteilung des nach Abzugs der jeweiligen Kapitalkonten verbleibenden Gesamthandsvermögens bei der Bewertung des von der Erblasserin gehaltenen Anteils an der Klägerin in Höhe von 5 Prozent maßgebend ist. Zu Unrecht wendet der Beklagte dabei den sich aus § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin ergebenden, von der Vermögensbeteiligung abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel an, nach welchem die Erblasserin abweichend von ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung zu 90 Prozent am Gewinn und Verlust der Klägerin beteiligt war.

Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich – entgegen der früheren (schenkungs-)steuerlichen Behandlung im Rahmen der Gründung der Klägerin im Jahr 1993 und der primären Ansicht der Klägerin – bei der Regelung in § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags zwar um eine abweichende Gewinnverteilungsvereinbarung, sodass diese grundsätzlich geeignet war, im Rahmen der Aufteilung nach § 97 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BewG eine von der Vermögensbeteiligung abweichende Zuordnung des Werts des nach Abzugs der Kapitalkonten verbleibenden Gesamthandsvermögens zu bewirken.

Die abweichende Gewinnverteilung in § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin ist ausdrücklich dergestalt an die Geschäftsführerstellung der Erblasserin gekoppelt, dass sie automatisch entfallen sollte, sobald die Geschäftsführerstellung der Erblasserin endete. Da die abweichende Gewinnverteilung die Gesellschafter der Klägerin namentlich nennt, ist bereits fraglich, ob es grundsätzlich möglich war, den mit der abweichenden Gewinn- und Verlustbeteiligung ausgestatteten Anteil der Erblasserin an der Klägerin zu erwerben. Jedenfalls war für den – vorliegenden – Fall des Erwerbs des Anteils der Erblasserin durch Erbanfall ein Übergang der abweichenden Gewinnverteilung auf den Erbwerber aufgrund der mit dem Erbfall zwingend eintretenden Beendigung der Geschäftsführerstellung der Erblasserin ausgeschlossen. Die abweichende Gewinnverteilung konnte als höchstpersönliches Recht der Erblasserin nicht durch Erbanfall auf die Beigeladenen übergehen. Vielmehr erlosch die abweichende Gewinnverteilung mit dem Tod der Erblasserin und war deshalb für die Verteilung nach § 97 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BewG nicht heranzuziehen.

Zwar hat der BFH in seinem Urteil vom 17.06.2020 (II R 43/17, BFHE 269, 364, unter 2. c)) klargestellt, dass die Vorgaben des in § 97 Abs. 1a BewG enthaltenen Aufteilungsschemas auch dann zu beachten sind, wenn im Einzelfall der nach der typisierenden und generalisierenden Methode ermittelte Wert des Anteils an einer Personengesellschaft von dem gemeinem Wert abweicht. Für den Fall, dass der Steuerpflichtige der Auffassung ist, dass der gemeine Wert des Anteils zu seinen Gunsten niedriger als der nach § 97 Abs. 1a BewG ermittelte Wert ist, steht ihm der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch einen zeitnahen Verkauf oder durch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, der den Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode ermittelt, offen (BFH, Urteil vom 17.06.2020 II R 43/17, BFHE 269, 364, unter 2. f)).

Vorliegend steht jedoch nicht die typisierende und generalisierende Methode zur Aufteilung des ermittelten Werts des Anteils an einer Personengesellschaft zur Entscheidung, sondern die Vorfrage, welcher Gewinnverteilungsschlüssel im Sinne des § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. b) BewG als maßgebend heranzuziehen ist. Diese Vorfrage ist losgelöst von dem sich daran anknüpfenden Aufteilungsschema wie dargestellt zu klären.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

3. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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