Verlustausgleichshaftung im faktischen GmbH Konzern – Tiefbau – BGH II ZR 167/88

April 18, 2019

Verlustausgleichshaftung im faktischen GmbH Konzern – Tiefbau – BGH II ZR 167/88

RA und Notar Krau

Der Bank zuzurechnende Beteiligung ihres Vorstandsmitglieds an Schuldner-GmbH, Verlustausgleichshaftung im faktischen GmbH-Konzern – Tiefbau

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Fall „Tiefbau“ vom 19. Dezember 1989 wichtige Grundsätze zur Verlustausgleichshaftung im faktischen GmbH-Konzern aufgestellt.

Kernaussagen des Urteils:

  1. Zurechnung der Beteiligung: Die Beteiligung eines Vorstandsmitglieds an einem Schuldnerunternehmen kann der Bank als Treugeberin zugerechnet werden, wenn alle Vor- und Nachteile aus der Beteiligung der Bank zufallen und das Vorstandsmitglied die rechtliche Macht hat, dies zu bewirken.

  2. Verlustausgleichsanspruch: Eine abhängige GmbH hat gegen das herrschende Unternehmen einen Anspruch auf Verlustausgleich in entsprechender Anwendung des § 302 AktG, wenn das herrschende Unternehmen die Geschäfte der GmbH im finanziellen Bereich dauernd und umfassend geführt hat und nicht beweisen kann, dass die Verluste nicht auf seiner Geschäftsführung beruhen.

Sachverhalt des Falls „Tiefbau“:

Ein Tiefbauunternehmer (S) geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Seine Hausbank (Beklagte) gründete daraufhin eine GmbH (Gemeinschuldnerin), die den Betrieb von S übernahm. Gesellschafter der GmbH waren S und zwei Angestellte der Bank.

Die Bank gewährte der GmbH Kredite.

Verlustausgleichshaftung im faktischen GmbH Konzern – Tiefbau – BGH II ZR 167/88

Die GmbH geriet in Konkurs.

Der Konkursverwalter (Kläger) verklagte die Bank auf Zahlung von rund 2,9 Mio. DM.

Er begründete dies mit verschiedenen Maßnahmen, die die GmbH geschädigt haben sollen, z.B. die Übernahme von überhöhten Verbindlichkeiten von S und die Zahlung überhöhter Pacht an eine Tochtergesellschaft der Bank.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück.

Er stellte fest, dass die Klage unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten begründet sein kann.

1. Ansprüche nach §§ 30, 31 GmbHG

  • Die Bank konnte als mittelbare Gesellschafterin der GmbH angesehen werden, da die beiden Angestellten der Bank ihre Anteile treuhänderisch für die Bank hielten.
  • Die GmbH hatte gegen die Bank Ansprüche auf Rückzahlung von Geldern, die entgegen dem Verbot des § 30 GmbHG an die Bank geflossen waren, z.B. die Erlöse aus den von S übernommenen Aufträgen und überhöhte Pachtzahlungen.
  • Die Bank konnte mit ihren Darlehensrückzahlungsansprüchen aufrechnen, soweit die Darlehen zur Finanzierung der schädigenden Maßnahmen verwendet wurden.

Verlustausgleichshaftung im faktischen GmbH Konzern – Tiefbau – BGH II ZR 167/88

2. Anspruch auf Verlustausgleich analog § 302 AktG

  • Die GmbH war von der Bank abhängig, da die Mehrheit der Gesellschafter ihre Anteile treuhänderisch für die Bank hielten.
  • Die Vorschriften über den aktienrechtlichen Vertragskonzern waren entsprechend anwendbar, da die Bank die Geschäfte der GmbH im finanziellen Bereich dauernd und umfassend geführt hatte.
  • Die GmbH hatte gegen die Bank einen Anspruch auf Verlustausgleich, es sei denn, die Bank konnte beweisen, dass die Verluste nicht auf ihrer Geschäftsführung beruhten.

3. Anspruch aus § 826 BGB

  • Die Bank hatte der GmbH in sittenwidriger Weise Geldmittel entzogen, was zur Schädigung der Gläubiger führte.
  • Die Bank musste sich das Verhalten ihres Vorstandsvorsitzenden zurechnen lassen, der die schädigenden Maßnahmen veranlasst hatte.
  • Der Anspruch auf Schadensersatz war jedoch auf die Rückgewähransprüche nach §§ 30, 31 GmbHG beschränkt.

4. Ansprüche aus Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung

  • Der BGH verneinte Ansprüche aus Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung.

Bedeutung des Urteils „Tiefbau“:

Verlustausgleichshaftung im faktischen GmbH Konzern – Tiefbau – BGH II ZR 167/88

Das Urteil „Tiefbau“ hat die Rechtsprechung zur Verlustausgleichshaftung im faktischen GmbH-Konzern weiterentwickelt.

Der BGH hat klargestellt, dass eine abhängige GmbH gegen das herrschende Unternehmen einen Anspruch auf Verlustausgleich hat,

wenn das herrschende Unternehmen die Geschäfte der GmbH dauernd und umfassend geführt hat und die Verluste auf seiner Geschäftsführung beruhen.

Das Urteil stärkt den Schutz der Gläubiger von GmbHs, die in einen Konzern eingebunden sind. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der GmbH als Rechtsform.

Konsequenzen für die Praxis:

  • Unternehmen, die die Geschäfte einer abhängigen GmbH dauernd und umfassend führen, müssen sich bewusst sein, dass sie für Verluste der GmbH haften können.
  • Gläubiger von GmbHs, die in einen Konzern eingebunden sind, sollten die Voraussetzungen einer Verlustausgleichshaftung prüfen, um ihre Ansprüche im Falle einer Insolvenz der GmbH durchsetzen zu können.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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