Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung

August 25, 2024

Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung

RA und Notar Krau

Bei der Zuweisung einzelner Vermögenswerte durch letztwillige Verfügung stellt sich stets die Grundfrage, wenn der Wert des zugewiesenen Gegenstandes den Wert des durch Erbeinsetzung zugewiesenen Vermögens überschreitet:

Soll der Mehrwert gegenüber dem Erbteil ausgeglichen werden durch Rückzahlung an den Nachlaß?

Oder soll der Empfänger den Mehrwert behalten dürfen, obwohl er dann letztlich mehr erhält, als ihm durch Erbeinsetzung zugewiesen wurde?

Das Deutsche Erbrecht kennt hier die erbrechtlichen Instrumente

– der Teilungsanordnung (§ 2048 BGB)

– und des Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB)

Bei einer Teilungsanordnung ist der Mehrwert auszugleichen

Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung

Das Vorausvermächtnis hingegen gewährt einem Miterben einen Vermögensvorteil zusätzlich zu seinem Erbteil, wodurch ihm eine rechtliche Doppelstellung zukommt:

Er ist sowohl Miterbe als auch Vermächtnisnehmer.

Im Gegensatz zur Teilungsanordnung ist das Vorausvermächtnis bereits mit dem Erbfall fällig und kann vor der Auseinandersetzung eingefordert werden.

Es unterliegt auch nicht den Rechten eines Nacherben und ist von besonderer Bedeutung bei Erbschaftskauf oder Nachlassinsolvenz, da es in solchen Fällen vorrangig behandelt wird.

Die Unterscheidung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis ist im Einzelfall oft schwierig.

Es gibt verschiedene Abgrenzungskriterien:

Das Reichsgericht sah die Anrechnung auf den Erbteil als entscheidendes Kriterium:

Wird die Zuwendung auf den Erbteil angerechnet, handelt es sich um eine Teilungsanordnung, andernfalls um ein Vorausvermächtnis.

Der Bundesgerichtshof (BGH) führte das Kriterium des „Begünstigungswillens“ ein, das verlangt, dass der Erblasser den Begünstigten objektiv vermögensmäßig besserstellen wollte.

Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung

In der Literatur kritisiert Muscheler (ErbR 2008, 105) die Begrenztheit dieser Abgrenzungskriterien und plädiert dafür, den Begriff der rechtlichen Selbständigkeit stärker in den Vordergrund zu rücken.

Das Vorausvermächtnis gewähre dem Begünstigten einen eigenständigen Anspruch gegenüber der Erbengemeinschaft, unabhängig von seiner Erbenstellung.

Diese rechtliche Selbständigkeit sei der entscheidende Vermögensvorteil, der das Vorausvermächtnis charakterisiert.

Letztlich empfiehlt Muscheler, die Rechtsfolgen, die der Erblasser beabsichtigt, in den Mittelpunkt der Abgrenzung zu stellen, um so den Begünstigungswillen klarer zu definieren.

Persönliche Anmerkung Rechtsanwalt und Notar Krau:

Es gibt die Ansicht des Reichsgerichts, es gibt die Ansicht des Bundesgerichtshofes, es gibt unterschiedliche Ansichten in der Literatur. Das ist alles sehr interessant. Alle Ansichten verdienen Gehör. Alle Ansichten verdienen Respekt. Aber was hat der rechtsuchende Bürger davon?

Der rechtsuchende Bürger will Sicherheit. Wenn der rechtsuchende Bürger zu einem deutschen Notar geht und dieser seine Arbeit ordentlich macht, wovon ich einmal ausgehen will, dann wird deutlich in der letztwilligen Verfügung stehen, ob es sich um ein Vorausvermächtnis handelt oder ob es sich um eine Teilungsanordnung handelt.

Dann wird weiterhin sehr deutlich in der letztwilligen Verfügung stehen, ob der Zuwendungsempfänger bei Empfang eines Mehrwertes gegenüber dem Nachlass ausgleichspflichtig sein soll oder nicht.

Wenn das so deutlich in der letztwilligen Verfügung steht, dürfte für Streit und Auslegungsüberlegungen kein Anlass bestehen

Es ist schön, über rechtliche Probleme nachzusinnen und zu überlegen, was denn herauskommen möchte oder könnte

Für den rechtsuchenden Bürger ist dies weniger erfreulich.

Wenn seine letztwillige Verfügung unklar ist, dann können schnell fünfstellige Summen an Rechtsanwälte und Gerichte und Gutachter gehen für die Feststellung, wie es sich denn nun wirklich verhält.

Anders gesagt: Wenn hier gestritten und ausgelegt werden muss, hat der Verfasser der letztwilligen Verfügung seiner Aufgabe nicht erfüllt!

Die oben dargestellte Meinungsvielfalt ist also ein deutliches Plädoyer für die klare und unmissverständliche Regelung der letztwilligen Verfügung durch einen deutschen Notar.

Praktisch alle Urteile und Rechtsprobleme, die ich auf dieser Homepage darstelle, sollten für den Leser den klaren Anlass geben, zu überlegen, ob er denn nicht selbst eine klare Regelung trifft, um solche Auseinandersetzungen zu vermeiden

Es wird wenig Mandanten geben, die ihren Abkömmlingen und Nachfolgern wünschen, in der Unsicherheit zu leben, in den Streit zu investieren, den Nachlass vor Gericht zu verjubeln

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