Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23

August 25, 2023

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23 – vom 06.04.2023 -Bindungswirkung

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

In dem Fall “OLG Frankfurt 21 W 3/23” ging es um die Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung und deren Bindungswirkung.

Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten ein gemeinschaftliches Testament erstellt, in dem sie den Sohn und die Enkel als Erben einsetzten.

Nach dem Tod des Ehemannes verfasste die Erblasserin ein eigenes handschriftliches Testament, in dem sie den Sohn als Alleinerben einsetzte.

Der Sohn beantragte einen Erbschein, doch das Nachlassgericht wies den Antrag zurück, da das gemeinschaftliche Testament wechselbezügliche Verfügungen enthielt.

Der Sohn legte Beschwerde ein, argumentierte jedoch, dass das spätere Testament keine Schlusserbeneinsetzung enthielt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt wies die Beschwerde ab und erklärte, dass das gemeinschaftliche Testament die Erbfolge abschließend regelte und die Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung auch durch Anwachsung bestehen blieb.

Somit wurde der Sohn nicht Alleinerbe, und der Beteiligte zu 2) wurde ebenfalls Miterbe.

Inhaltsverzeichnis

I. Einführung

  • Fall “OLG Frankfurt 21 W 3/23”
  • Thema: Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung und deren Bindungswirkung

II. Fallbeschreibung

  • Erblasserin und Ehemann erstellen gemeinschaftliches Testament
  • Erblasserin erstellt später ein handschriftliches Testament
  • Sohn beantragt Erbschein, Nachlassgericht weist den Antrag zurück

III. Gerichtsverfahren

  • Sohn legt Beschwerde ein
  • Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt wies die Beschwerde ab
  • Begründung der Entscheidung

IV. Entscheidungstext

  • Zurückweisung der Beschwerde des Beteiligten zu 1)
  • Kosten des Beschwerdeverfahrens
  • Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren

V. Sachverhalt und Auslegung des Testaments

  • Identische Erbeinsetzungen in gemeinschaftlichem Testament
  • Späteres handschriftliches Testament der Erblasserin
  • Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments
  • Regelungen in § 3 des Testaments

VI. Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung

  • Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung gemäß § 2270 BGB
  • Individuelle Auslegung der Wechselbezüglichkeit

VII. Anwachsung der Erbteile

  • Anwachsung des Erbteils des vorverstorbenen Ehegatten
  • Wechselbezüglichkeit der Anwachsung

Zum Entscheidungstext:


Ein bei Eintritt der Anwachsung sich vergrößernder Erbteil kann insgesamt eine auf einer wechselbezüglichen Verfügung beruhende Erbeinsetzung darstellen.


Tenor


Die befristete Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 13.12.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 29.11.2022 wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen des Beteiligten zu 2) zu tragen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 320.000 € festgesetzt.

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23 – Gründe


I.

Der Beteiligte zu 1) ist der Sohn der Erblasserin, der Beteiligte zu 2) der Sohn des Beteiligten zu 1).

Der weitere Sohn des Beteiligten zu 1), X, ist im Jahr 2016 kinderlos vorverstorben und wurde von den Beteiligten zu 1) und 2) beerbt (Bl. 48 d. Testamentsakte).

Die Erblasserin war seit dem XX.XX.2015 verwitwet.

Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehemann mit notarieller Urkunde vom 12.01.2004 ein gemeinschaftliches Testament errichtet.

Darin hatten die Ehegatten unter § 1 und § 2 jeweils identische Erbeinsetzungen vorgenommen, in dem sie den anderen Ehegatten, den Beteiligten zu 1), sowie beide Enkel anteilig zu ihren Erben einsetzten und Teilungsanordnungen trafen.

Dabei hatte der vorverstorbene Ehemann in § 1 folgende Anordnungen getroffen:

„1. Ich, …, setze

a) meinen Sohn (…) zu 40 %,

b) dessen Kinder (…) zu je 15 % und

c) meine Ehefrau (…) zu 30 %

als meine Erben ein.

  1. Ich treffe folgende Teilungsanordnung:

a) Für die 40 % erhält mein Sohn (…) das mir zur Hälfte gehörende Firmengrundstück (…) und die dort betriebene Einzelfirma (…).

b) Meine Ehefrau erhält für ihre 30 % die ideelle Hälfte des mir gehörenden Hausgrundstücks (…) sowie die Hälfte meiner Eigentumswohnung (…).

c) Meine Enkelkinder (…) erhalten für ihre je 15 % alles übrige Vermögen, insbesondere das noch vorhanden Land je zur Hälfte.“

Die Erblasserin hatte in § 2 wie folgt verfügt:

„1. Ich, …, setze

a) meinen Sohn (…) zu 40 %

b) dessen Kinder (…) zu je 15 % und

c) meinen Ehemann (…) zu 30 %

als meine Erben ein.

  1. Ich treffe folgende Teilungsanordnung:

a) Für die 40 % erhält mein Sohn (…) meine ideelle Hälfte an dem Firmengrundstück (…) sowie das mir allein gehöhrende Hausgrundstück (…).

b) Mein Ehemann erhält für die 30 % meine ideelle Hälfte an dem Hausgrundstück (…) und meine ideelle Hälfte an der Eigentumswohnung (…).

c) Meine Enkelkinder (…) erhalten für ihre je 15 % alles übrige Vermögen, insbesondere das noch vorhanden Land je zur Hälfte.“

In § 3 wurde Testamentsvollstreckung angeordnet und der Beteiligte zu 1) zum Testamentsvollstrecker ernannt. Diesem wurde zur Auflage gemacht, dass der aufgebaute Betrieb und das Betriebsgrundstück im Familienbesitz bleiben solle. In § 4 wurden für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Beteiligte zu 1) als Erbe zu ½ und der Beteiligte zu 2) sowie dessen Bruder als Erben zu jeweils ¼ bestimmt. Wegen des Inhalts des Testaments im Einzelnen wird auf die notarielle Urkunde (Bl. 8 ff der Testamentsakte Bezug genommen).

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23

Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Erblasserin am 15.09.2015 ein handschriftliches Testament, in dem sie den Beteiligten zu 1) zu ihrem Alleinerben einsetzte (Bl. 2 d.A.).

Der Beteiligte zu 1) beantragte am 19.05.2022 die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerbe ausweist (Bl. 8 d.A.). Dabei hat er u.a ausgeführt, das Verhältnis der Erblasserin zu ihren Enkelkindern sei schwierig gewesen.

Mit Verfügung vom 10.08.2022 (Bl 18 d.A.) hat das Nachlassgericht auf Bedenken an dem Erbscheinsantrag hingewiesen, weil eine Bindung an das gemeinschaftliche Testament vorliegen würde.

Sodann hat das Nachlassgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Erbeinsetzungen in dem gemeinschaftlichen Testament seien wechselbezüglich, so dass die Erblasserin an dieses gebunden wäre und nicht abweichend hätte testieren können. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 29.11.2022 (Bl. 23 ff d.A.) Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss, der dem Beteiligten zu 1) durch Aufgabe zur Post zugestellt worden ist (Bl. 27 d.A.), hat dieser mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 13.12.2022 (Bl. 29 d.A.) Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, das gemeinschaftliche Testament stehe der Wirksamkeit des Testaments vom 15.09.2015 nicht entgegen, da dieses keine Schlusserbeneinsetzung enthalte sondern lediglich wechselbezügliche Verfügungen für den ersten Erbfall. Da es sich um ein notarielles Testament gehandelt habe, sei eine Schlusserbenregelung bewusst unterblieben.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30.12.2022 (Bl. 33 d.A.) nicht abgeholfen sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Nach einem Hinweis der Berichterstatterin zur Erfolgsaussicht der Beschwerde vom 08.02.2023 (Bl. 44 ff d.A.) hat der Beteiligte zu 1) seine Auffassung vertiefend dargelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens im Beschwerdeverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

II.

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Der zulässigen Beschwerde bleibt der Erfolg versagt. Der Beteiligte zu 1) ist nicht aufgrund des Testaments vom 15.09.2015 Alleinerbe nach der Erblasserin geworden. Denn der Beteiligte zu 2) ist aufgrund des gemeinschaftlichen Testament vom 21.01.2004 jedenfalls Miterbe nach der Erblasserin geworden.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses bei dem Nachlassgericht eingegangen (§ 63 FamFG). Dies unabhängig von der fehlerbehafteten, auf eine sofortige Beschwerde gerichteten Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Beschluss, da das Rechtsmittel jedenfalls rechtzeitig eingelegt worden ist. Zudem ist der Beteiligte zu 1) wegen der Zurückweisung seines Erbscheinsantrags beschwerdebefugt.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Der Beteiligte zu 1) ist nicht Alleinerbe nach der Erblasserin geworden. Die Erblasserin hat den Beteiligten zu 2) in dem gemeinschaftlichen Testament vom 12.01.2004 in § 2b) als Miterben eingesetzt. An diese Miterbeneinsetzung war die Erblasserin gemäß § 2271 Abs. 2 S.1 BGB gebunden, so dass ihre Verfügung in dem späteren Testament, soweit sie die Miterbeneinsetzung des Beteiligten zu 2) aufheben würde, entsprechend § 2289 BGB unwirksam ist.

a) Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) enthält das gemeinschaftliche Testament vom 12.01.2004 eine abschließende Regelung der Erbfolge nach den testierenden Ehegatten für deren beider Todesfälle und nicht lediglich eine Regelung für den Fall des Erstversterbens. Dies ergibt die Auslegung des Testaments.

Die Testamentsauslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Dieser ist jedoch nicht bindend. Vielmehr sind der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben hat, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH, Urteil v. 07.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256 m.w.N.). Maßgeblich ist insoweit allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe (BGH, Urteil v. 28.01.1987 – IVa ZR 191/85, FamRZ 1987, 475, 476; Grüneberg/Weidlich, BGB, 2022, § 2084 Rn. 1).

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23

Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen (BGH, Urteil v. 07.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256 m.w.N.). Solche Umstände können vor oder auch nach der Errichtung des Testamentes liegen.

Dazu gehört das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen (Grüneberg/Weidlich, a.a.O., § 2084 BGB Rn. 2 m.w.N.), jedoch müssen sich mit Blick auf die Formerfordernisse des § 2247 BGB für einen entsprechenden Willen des Erblassers in der letztwilligen Verfügung – wenn auch nur andeutungsweise – Anhaltspunkte finden lassen (vgl. BGH, Beschluss v. 09.04.1981 – IVa ZB 4/80, NJW 1981, 1737; Z 80, 242, 244; BGH, Urteil v. 08.12.1982 – IVa ZR 94/81 BGHZ 86, 41; Grüneberg/Weidlich, a.a.O., § 2084 Rn. 4). Da es sich um eine gemeinschaftliche letztwillige Verfügung handelt ist zudem auf den übereinstimmenden Willen der Ehegatten abzustellen.

Dabei ist gemäß § 2084 BGB im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann, wenn der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zulässt. Der Umstand, dass es sich bei dem gemeinschaftlichen Testament um eine notarielle Urkunde handelt, steht der Auslegung nicht entgegen (Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2023, § 2084 Rn. 2).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das gemeinschaftliche Testament dahingehend auszulegen, dass die Ehegatten mit den jeweiligen Erbeinsetzungen gemäß der §§ 1 und 2 ihre Erbfolge abschließend regeln wollten und dies unabhängig davon, wer von ihnen als erster und wer als zweiter versterben sollte. Dabei war die Erbfolge darauf gerichtet, dass das überwiegend gemeinschaftliche Vermögen nach dem Tod des Letztversterbenden auf den Sohn und die Enkel übergehen sollte.

Es handelt sich bei der Gestaltung der Erbfolge allerdings nicht um den häufig anzutreffenden Fall eines sog. „Berliner Testaments“, in dem sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben und sodann als Schlusserben ihre Kinder – oder wie vorliegend auch Enkel – einsetzen. Vielmehr haben die Ehegatten bereits beim ersten Erbfall eine anteilige Berücksichtigung ihrer gesetzlichen Erben vorgesehen. Es geht daher auch nicht um die Frage, ob die Ehegatten in dem Testament etwa stillschweigend Schlusserben eingesetzt hätten.

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Ausgehend von den Teilungsanordnungen einerseits und der Regelung in § 3 andererseits kam es den Ehegatten allerdings darauf an, dass das Betriebsgrundstück in einer Hand vereinigt wird und der Betrieb in Familienbesitz verbleiben solle, wobei ab Vollendung des 25. Lebensjahres beider Enkel gemeinsame Entscheidungen getroffen werden sollten. Daher war der gemeinsame Wille erkennbar darauf gerichtet, dass mit dem Testament die Zusammenführung des jeweiligen, insbesondere des überwiegend in hälftigem Miteigentum stehenden Grundbesitzes nach dem Tod des Letztversterbenden auf den Sohn aber auch auf die Enkel als Erbengemeinschaft übergeht. Hierfür spricht auch die Regelung in § 4 des gemeinschaftlichen Testaments, der dieses Ergebnis auch für den Fall des gleichzeitigen Versterbens vorsieht.

Dieses Ergebnis wird bei Anwendung der Erbfolgeregelung nach dem notariellen Testament herbeigeführt, unabhängig davon, welcher der Ehegatten zuerst verstirbt. Bei Tod des Erstversterbenden findet die entsprechende Erbeinsetzung Anwendung mit der Folge, dass eine Erbengemeinschaft bestehend aus dem überlebenden Ehegatten, dem Sohn und der Enkel entstanden ist. Nach dem Tod des Zweitversterbenden richtet sich die Erbfolge nach dessen Erbeinsetzung. Da der – denknotwendig – vorverstorbene Ehegatte dann nicht mehr Erbe werden kann, weil dieser weggefallen ist, wird dem jeweiligen Erblasserwillen dadurch Rechnung getragen, dass der Erbteil den übrigen Miterben anwächst.

Ausgehend von diesem Verständnis kann die Erbfolge nach der Erblasserin unmittelbar auf ihre Verfügungen in § 2 gestützt werden. Diese entsprechen dem gemeinschaftlichen Willen, dass das Vermögen nach dem Tod des Längstlebenden auf die in dem gemeinschaftlichen Testament bereits als Erben vorgesehene Abkömmlinge, den gemeinschaftlichen Sohn und die Enkelkinder, übergeht. Der Eintritt der Anwachsung entsprach daher auch dem in dem Testament zum Ausdruck gekommenen gemeinschaftlichen Willen der testierenden Ehegatten, da durch diese die testamentarischen Verfügungen auch für den Fall des Letztversterbens Erfolg haben (§ 2084 BGB).

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) in dem Schriftsatz vom 06.03.2023 handelt es sich bei diesem Ergebnis nicht um eine Auslegung entgegen des ausdrücklichen Wortlauts. Der Wortlaut deckt die Erbeinsetzung aufgrund Anwachsung vielmehr ab. Die Erbeinsetzung der Erblasserin in § 2 enthält nach dem Wortlaut schon keine Begrenzung auf einen etwaigen „ersten“ Erbfall. § 2 regelt die Erbfolge nach der Erblasserin, ohne dass sich eine Einschränkung ergibt. Der Wortlaut des Testaments spricht nicht gegen die Auslegung des Senats, sondern deckt diese ab.

Dass die Ehegatten, die ausweislich der Regelung in § 3 konkrete Vorstellungen für eine Zusammenführung ihres Vermögens für den Sohn und die Enkel entwickelt hatten, mit dem ausführlichen notariellen Testament lediglich den ersten Erbfall hätten regeln wollen, bleibt fernliegend. Insbesondere enthält § 3 entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) eine erbrechtliche Bindung insoweit, als dieser die Auflage enthält, den Betrieb und das Betriebsgrundstück im Familienbesitz zu erhalten.

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23

Diese Auflage endet auch nicht etwa mit der Vollendung des 25. Lebensjahres der Enkel. Vielmehr ergibt sich aus § 3, dass sodann mit den Enkeln eine einvernehmliche Regelung zu erzielen ist. Die Regelung in § 3 enthält somit einen deutlichen Anknüpfungspunkt für die Willensrichtung der Ehegatten bei Testamentserrichtung, die nur dann zu verwirklichen ist, wenn das gemeinschaftliche Testament die Erbfolge nach ihrem jeweiligen Tod abschließend regelt.

b) In § 2 b) hat die Erblasserin den Beteiligten zu 2) als Miterben zu 15 % eingesetzt. An diese Erbeinsetzung war die Erblasserin nach dem Tod des Ehemannes gemäß § 2271 Abs. 2 S.1 BGB gebunden, da diese ausgehend von dem Regelungskonzept des gemeinschaftlichen Testaments bereits aufgrund individueller Auslegung als wechselbezüglich i.S.d. § 2270 Abs. 1 BGB anzusehen ist.

Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind die in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, oder anders ausgedrückt, wenn jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen ist und nach dem Willen der Erblasser mit ihr stehen und fallen soll (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1997, 1574, 1575; OLG München, Beschluss vom 07.12.2017 – 31 Wx 337/17; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2270 Rn. 1). Dabei muss die Wechselbezüglichkeit für jede einzelne Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments gesondert geprüft werden (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1410; BayObLG NJW 1993, 1158; Grüneberg/Weidlich, BGB, aaO).

Ob zwischen Verfügungen von Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament der in § 2270 BGB umrissene Zusammenhang der Wechselbezüglichkeit besteht, bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden übereinstimmenden Willen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1997, 1574, 1575; Grüneberg/Weidlich, aaO, § 2270 Rn 2). Die in § 2270 Abs. 2 BGB enthaltene Auslegungsregel greift erst bei einem nicht eindeutigen Auslegungsergebnis.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ausgehend von dem dargelegten gemeinschaftlichen Willen der testierenden Ehegatten, dass das gemeinschaftliche Vermögen letztlich in der Hand des Sohnes und der Enkel zusammengeführt werden soll, die jeweils gegenseitige – anteilige – Erbeinsetzung auch im Verhältnis zu der jeweiligen – anteiligen – Erbeinsetzung des Sohnes und der Enkel als wechselbezüglich anzusehen.

Dies gilt insbesondere für die Erbeinsetzung des Sohnes verbunden mit der entsprechenden Teilungsanordnung, dass diesem der jeweils im hälftigen Miteigentum stehende Anteil am Betriebsgrundstück zugewiesen wurde. Nichts anderes kann dann aber bei verständiger Würdigung für den Enkeln zugewiesenen Erbteil angenommen werden, der ebenfalls Grundbesitz umfasst hat.

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Bei diesem Verständnis erfolgt auch gerade keine Zersplitterung der Eigentumsverhältnisse, wie von dem Beteiligten zu 1) in dem Schriftsatz vom 06.03.2023 auf Seite 7 angeführt. Vielmehr wäre – wenn man der Auffassung des Beteiligten zu 1) folgen würde – eine Zersplitterung hinsichtlich des Firmengrundstücks dann möglich gewesen, wenn die Erblasserin zuerst verstorben wäre und der Ehemann anderweitig hätte verfügen können.

Dass das Testament – wenn auch seiner Auffassung nach nur teilweise – wechselbezügliche Verfügungen enthält, war von dem Beteiligten zu 1) mit der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen worden. Er hat vielmehr in der Beschwerdeschrift auf Seite 1 und 2 ausdrücklich ausgeführt, dass solche für den ersten Erbfall – jedenfalls im Verhältnis der Ehegatten zueinander – anzunehmen seien.

Nichts anderes wurde in dem Hinweis der Berichterstatterin vom 08.02.2023 zum Ausdruck gebracht, so dass die Ausführungen auf Seite 6 oben des Schriftsatzes vom 06.03.2023 nicht nachvollzogen werden konnten. Soweit im folgenden wieder mit der Erforderlichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung des „ersten“ und „zweiten“ Erbfalles argumentiert wird, so greift dieser Einwand ausgehend von der gewählten Konstruktion des Testaments, die für den jeweiligen Erbfall bis auf den denknotwendig erfolgenden Eintritt der Anwachsung keine Differenzierung enthält, nicht durch.

Dass die Ehegatten eine Wechselbezüglichkeit hinsichtlich der Einsetzung der Enkel zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht gewollt hätten, kann hingegen auch unter Berücksichtigung der von dem Beteiligten als schwierig dargestellten Persönlichkeiten beider Enkel nicht festgestellt werden.

Der Beteiligte zu 1) hat erstinstanzlich vorgetragen, dass er hinsichtlich des im Jahr 1990 geborenen Beteiligten zu 2) schon seit dessen 8. Lebensjahr um eine Diagnose bemüht war. Schwierigkeiten waren daher bei der Testamentserrichtung im Jahr 2004 bekannt, auch wenn eine Diagnose erst im Jahr 2005 erfolgt sein soll. Hinsichtlich des vorverstorbenen Bruders X hat der Beteiligte zu 1) dargelegt, dass dieser zeitweise bei seinen Eltern gelebt hätte und es zu Problemen gekommen sei.

Obwohl nach den Angaben des Beteiligten zu 1) in dem Erbscheinsantrag vom 19.05.2022 seine Eltern in diesen Situationen Angst vor ihrem Enkel gehabt hatten, haben sie dieses – unabhängig von der konkreten zeitlichen Einordnung der Vorfälle – nicht zum Anlass genommen, X nicht bzw. nicht mehr als Erben zu berücksichtigen.

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Jedenfalls würde sich die Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung in § 2b) aus § 2270 Abs. 2 BGB ergeben.

Daher ist der Beteiligte zu 2) gemäß § 2 b) des gemeinschaftlichen Testaments mindestens Miterbe nach der Erblasserin zu 15 % geworden, so dass die Beschwerde bereits aus diesem Grund zurückzuweisen war.

c) Nach Auffassung des Senats ist der Beteiligte zu 2) zudem Miterbe zu 43 % geworden. Denn dieser nimmt an der Anwachsung der Erbteile seines verstorbenen Bruders und Großvaters teil. An die sich aus der Anwachsung ergebende Vergrößerung des Erbteils war die Erblasserin auch gebunden.

Ob und in welchen Fällen ein bei Eintritt der Anwachsung sich vergrößernder Erbteil als eine auf einer wechselbezüglichen Verfügung beruhende Erbeinsetzung anzusehen ist, welche für den überlebenden Ehegatten bei einem gemeinschaftlichen Testament bindend wird, ist in der Literatur und Rechtsprechung umstritten. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob in diesem Fall die Wechselbezüglichkeit auch aufgrund der Regelung in § 2270 Abs. 2 BGB vermutet werden kann.

aa) Hinsichtlich der für den Erbteil des vorverstorbenen Ehegatten im Testament angelegten Erhöhung des Erbteils durch Anwachsung ist die Wechselbezüglichkeit bereits aufgrund individueller Auslegung anzunehmen.

Ausgehend von der herrschenden Meinung, der sich der Senat anschließt, wird der durch Anwachsung vergrößerte Erbteil jedenfalls dann von der Wechselbezüglichkeit erfasst, wenn diese nicht ausschließlich aufgrund des § 2094 BGB eintritt (OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.04.2017 – 1 W 642/17, juris Rn. 20-22; OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2015 – 15 W 503/14, juris Rn. 27,30; Burandt/Rojahn/ Czubayko, 4. Aufl. 2022, BGB, § 2094, Rn. 8; BeckOGK/Gierl, Stand 01.12.2022, 3 2094 Rn. 43; Keim ZEV 2019,683,684, Litzenburger, FD-ErbR 2020, 433980).

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Dass die Ehegatten für den Fall ihres Nachversterbens die Erbeinsetzungen in den §§ 1 und 2 jeweils dahingehend verstanden wissen wollten, dass der Erbteil des vorverstorbenen Ehegatten den übrigen Miterben anwachsen sollte, ist bereits dargelegt worden. In diesem Fall beruht die Zuweisung des Erbteils des vorverstorbenen Ehegatten schon nicht allein auf der gesetzlichen Regelung in § 2094 BGB, sondern auf dem in dem Testament hinreichend zum Ausdruck gebrachten Willen der Ehegatten.

Hiervon ausgehend ergibt bereits die individuelle Auslegung, dass die Ehegatten für diesen Fall auch die Wechselbezüglichkeit dieser sich mit einer erhöhten Erbquote ergebenden Erbeinsetzung gewollt haben, wofür wiederum die Regelung in § 3 herangezogen werden kann. Den Ehegatten kam es erkennbar darauf an, ihr gemeinschaftliches Vermögen zusammenzuführen und im Ergebnis dem Sohn und den Enkeln zukommen zu lassen. Eine wesentliche Besserstellung sollte dabei dem Sohn nach den Regelungen in §§ 1,2 – aber auch etwa unter Berücksichtigung des § 4 – schon nicht zukommen.

Dass bei einem entsprechenden, feststellbaren Willen der Erblasser auch der sich durch Anwachsung vergrößernde Erbteil an der Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung teilnehmen kann, wird von der überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung nicht ernsthaft in Zweifel gezogen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.04.2017 – 1 W 642/17, juris Rn. 20-22; Burandt/Rojahn/ Czubayko, 4. Aufl. 2022, BGB, § 2094, Rn. 8; BeckOGK/Gierl, Stand 01.12.2022, 3 2094 Rn. 43; Keim ZEV 2019,683,684, Litzenburger, FD-ErbR 2020, 433980).

Etwas anderes lässt sich auch der – insoweit bereits nicht tragenden – Begründung der Entscheidung des OLG München vom 05.11.2020 (31 Wx 415/17) nicht entnehmen, da diese sich mit der – ausschließlich – auf § 2094 BGB beruhenden Anwachsung befasst.

bb) Aber auch hinsichtlich der aufgrund des Vorversterbens des Enkels X eingetretenen Anwachsung, die gemäß § 2094 Abs. 1 S.2 BGB allein dem Beteiligten zu 2) zufällt, ist eine Wechselbezüglichkeit gemäß § 2270 Abs. 2 BGB anzunehmen mit der Folge, dass die Erblasserin betreffend dieser 15 % nicht mehr – durch Zuweisung an den Beteiligten zu 1) – abweichend verfügen konnte.

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23

Für den Fall, dass die Anwachsung nicht aufgrund einer entsprechenden Verfügung in dem Testament, etwa im Falle der Verwirklichung einer Pflichtteilsstrafklausel, beruht, hat das OLG München allerdings in Frage gestellt, ob die infolge Wegfalls eines Bedachten nach § 2094 BGB eintretende Anwachsung sich als vertragsmäßige Verfügung i.S.d. § 2278 BGB darstellt und insoweit einer Bindungswirkung unterliegen kann (OLG München, Beschluss vom 05.11.2020 – 31 Wx 415/17, juris Rn. 12,13 für einen Erbvertrag).

Der Senat teilt diese Bedenken nicht, sondern schließt sich der Auffassung des Oberlandesgericht Nürnberg (aaO) an, dass die Wirkungen der Anwachsung grundsätzlich von der Wechselbezüglichkeit umfasst sind.

Zwar ist dem OLG München im Ausgangspunkt zuzugeben, dass es sich bei dem Eintritt der Anwachsung gemäß § 2094 nicht um eine Verfügung i.S.d § 2278 Abs. 2 BGB handelt und die Anwachsung als solche damit auch nicht wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB sein kann. Zutreffend ist ebenfalls, dass die Anwachsung als solche nicht angeordnet, sondern gemäß § 2094 Abs. 3 BGB nur ausgeschlossen werden kann. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da maßgeblich die Erbeinsetzung des bzw. der verbleibenden Miterben ist, hinsichtlich der die Wechselbezüglichkeit festzustellen ist.

Die Anwachsung betrifft die Erhöhung des bereist zugewiesenen Erbteils, die kraft Gesetz eintritt. Sie setzt die Einsetzung mehrerer Erben voraus und beruht damit auf einer gewillkürten Erbeinsetzung (OLG Nürnberg, aaO, Keim, aaO). Dabei ist der anwachsende Erbteil als solcher rechtlich nicht selbständig. Er kann gemäß § 1950 BGB auch nicht selbständig angenommen oder ausgeschlagen werden (BeckOGK/Gierl, aaO, Rn. 43; Burandt/Rojahn, aaO, Rn. 7).

Der vergrößerte Erbteil wird lediglich in Ausnahmefällen als selbständiger Teil fingiert. Hieraus kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass der Erbteil hinsichtlich der Frage der Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung in einen unmittelbar zugewiesenen sowie in einen durch Anwachsung erhöhten Erbteil getrennt werden könnte (vgl. hierzu Keim, aaO).

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23

Soweit das Oberlandesgericht München den Einwand der Einheitlichkeit des Erbteils unter Hinweis auf die begrenzte Wirkung der Unwirksamkeit i.S.d. § 2289 Abs. 1 S.2 BGB, die nur Teile einer letztwilligen Verfügung erfassen kann („soweit“), als nicht durchgreifend erachtet (in diesem Sinne auch Braun, DNotZ 2018, 148, 155), so vermag dies nicht zu überzeugen. Denn auch der Umfang der Beeinträchtigung lässt sich nur ausgehend von dem als Erbeinsetzung zu beurteilenden erhöhten Erbteil einschließlich des rechtlich gerade nicht selbständig zu beurteilenden, angewachsenen Anteils feststellen.

Macht der Erblasser nicht von der Möglichkeit Gebrauch, die Anwachsung auszuschließen oder einen Ersatzerben einzusetzen, liegt eine Erbeinsetzung vor, wie sie sich nach den gesetzlichen Regelungen, mithin unter Einbeziehung des durch Gesetz erhöhten Erbteils, ergibt (OLG Nürnberg, aaO, juris Rn. 25). Es handelt sich daher auch nicht um zwei teilbare Erbeinsetzungen, die zu unterschiedlich zu beurteilenden Beeinträchtigungen führen.

Dann bestehen aber keine durchgreifenden Bedenken, die Bindungswirkung auch dann anzunehmen, wenn die Wechselbezüglichkeit nicht bereits aufgrund individueller Auslegung des Testaments sondern aufgrund der Auslegungsregelung in § 2270 Abs. 2 BGB zum Tragen kommt.

Zutreffend weist das Oberlandesgericht Nürnberg darauf hin, dass eine Vergleichbarkeit mit der vom Bundesgerichtshof in dem Beschluss vom 16.01.2002 (IV ZB 20/01) entschiedenen Frage zur Nichtanwendbarkeit von § 2270 Abs. 2 BGB im Falle einer ausschließlich auf § 2069 BGB beruhenden Ersatzerbeinsetzung, nicht gegeben ist. Denn im Falle der Anwachsung haben die Testierenden eine die gesetzliche Erbfolge ausschließende gewillkürte Erbfolge für bestimmte Personen bereits vorgesehen.

Anders als im Fall der auf § 2069 BGB gestützten Ersatzerbeneinsetzung der gesetzlichen Erben wird in diesem Fall nicht eine möglicherweise andere Person sondern die im Testament bereits als begünstigt vorgesehene Person geschützt.

Auch der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung maßgeblich darauf, dass § 2270 Abs. 2 BGB die Annahme einer Wechselbezüglichkeit an die Einsetzung bestimmter Personen als Erben im gemeinschaftlichen Testament anknüpfe (BGH aaO, juris Rn. 17).

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23

Entgegen der Auffassung von Braun (aaO) führt dies auch nicht zu Wertungswidersprüchen für den Fall, dass der vorversterbende Miterbe Abkömmlinge hat. Zwar kann dies für den Fall, dass eine Ersatzerbeneinsetzung der Abkömmlinge sich nicht im Wege der individuellen Auslegung sondern nur gestützt auf § 2069 ergeben würde, dazu führen, dass hinsichtlich dieser Erbeinsetzung dann keine Wechselbezüglichkeit mehr vorliegen würde. Dann würde wegen des Vorranges der Ersatzerbeneinsetzung die Anwachsung nicht eingreifen und der überlebende Ehegatte wäre insoweit nicht mehr gebunden. Dieses Argument führt jedoch nicht zu einer anderen Betrachtungsweise.

So hängt es bereits von den jeweils im konkreten Fall zu beachtenden Umständen ab, ob überhaupt ein Wertungswiderspruch vorliegen würde. Etwaige – theoretisch denkbare – Widersprüche dürften sich zudem in der Regel bereits im Rahmen der gebotenen Auslegung auflösen lassen (vgl. hierzu Keim, ZEV 2019, 683,686).

Für die Entscheidung dieses Verfahrens kommt es hierauf jedoch schon nicht an. Insoweit war ein weiterer Hinweis bzw. die Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu dieser Frage, wie auf Seite 9 des Schriftsatzes vom 06.03.2023 erbeten, nicht veranlasst.

cc) Hieraus ergibt sich eine Erbquote für den Beteiligten zu 1) in Höhe von 57 % und für den Beteiligten zu 2) in Höhe von 43 %.

d) Ergänzend wird für ein weiteres Erbscheinsverfahren noch darauf hingewiesen, dass die in § 3 angeordnete Testamentsvollstreckung hinfällig geworden ist, nachdem der Beteiligte zu 2) das 25. Lebensjahr vollendet hat.

Die Anordnung ist bei verständiger Würdigung dahingehend auszulegen, dass diese nur bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres gelten sollte. Da der Beteiligte zu 2) mittlerweile unter rechtlicher Betreuung steht, würde sich auch im Rahmen einer etwaigen ergänzenden Auslegung kein anderes Ergebnis ergeben.

Auf die in dem Schriftsatz vom 06.03.2023 geäußerte Auffassung des Beteiligten zu 1), es habe schon keine Anordnung einer Testamentsvollstreckung vorgelegen, kommt es daher ebenfalls nicht mehr an. Im Übrigen bestehen ausgehend von der ausdrücklichen Anordnung in § 3 unter Benennung des Beteiligten zu 1) als Testamentsvollstrecker keine ernsthaften Zweifel an dem Willen der Erblasser, Testamentsvollstreckung anzuordnen.

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23

Entsprechend hat der Beteiligte zu 1) die Anordnung auch nach dem Tod des Ehemannes der Erblasserin verstanden, als er das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen und die Erteilung einer entsprechenden Bescheinigung beantragt und erhalten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Besondere Gründe hiervon ausnahmsweise abzuweichen sind weder ersichtlich noch dargetan.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Die Frage, ob, in welchen Fällen und ggf. in welchem Umfang ein durch Anwachsung erhöhter Erbteil als wechselbezüglich anzusehen ist, war für die Entscheidung des Verfahrens nicht erheblich. Folglich ist kein ordentliches Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Senats gegeben.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus §§ 61, 40 GNotKG. Sie richtet sich gemäß § 61 Abs. 1 GNotKG nach dem Wert der Interessen, denen das Rechtsmittel ausweislich des Antrags des Beschwerdeführers dient. Mit der Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1) sein Ziel, einen Alleinerbschein zu erhalten, weiter.

Damit ist für den Geschäftswert auch des Beschwerdeverfahrens die spezielle Regelung betreffend der Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins in § 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG heranzuziehen, wonach maßgeblich der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls ist, von dem nur die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten abgezogen werden.

Den Wert des Nachlasses schätzt der Senat, wie in dem Hinweis vom 08.02.2023 ausgeführt, auf ca. 300.000,- €.

Weitere Darlegungen zum Wert des Nachlasses sind auf den Hinweis nicht erfolgt. Hieraus ergibt sich die Festsetzung bis zur nächsten Wertstufe gemäß der Anlage 2 zum GNotKG.

Wechselbezüglichkeit einer Erbeinsetzung bei Anwachsung – OLG Frankfurt 21 W 3/23

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