§ 2077 I BGB enthält keine widerlegliche Vermutung sondern eine dispositive Auslegungsregel – OLG Rostock 3 W 80/20

Oktober 14, 2021

§ 2077 I BGB enthält keine widerlegliche Vermutung sondern eine dispositive Auslegungsregel – OLG Rostock 3 W 80/20

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

Der Erblasser verstarb am 07.06.2017.

Der Beteiligte zu 1) ist das einzige leibliche Kind des Erblassers.

Der Erblasser war in erster und einziger Ehe mit der Beteiligten zu 2) verheiratet.

Die Ehe wurde am 26.10.2001 geschlossen und mit Rechtskraft vom 06.04.2006 durch das Amtsgericht Güstrow geschieden.

Am 02.05.2000 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 2) vor der Notarin U. T. in P. einen Erbvertrag.

In diesem Erbvertrag setzten sich beide gegenseitig zu Allleinerben ein und bestimmten zum Erben der Letztversterbenden die Tochter der Beteiligten zu 2), Ta. P., sowie den Beteiligten zu 1).

Der Erbvertrag wurde durch das erstinstanzliche Gericht am 30.06.2017 eröffnet.

Am 22.08.2017 hat der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins dahin beantragt, dass er alleiniger gesetzlicher Erbe nach dem Erblasser F.P. geworden sei.

Er hat die Auffassung vertreten, die letztwillige Verfügung des Erblassers und seiner geschiedenen Ehefrau sei gemäß §§ 2279, 2077 BGB mit der Auflösung der Ehe unwirksam geworden.

§ 2077 BGB finde auch bei einer späteren Heirat Anwendung.

§ 2077 I BGB enthält keine widerlegliche Vermutung sondern eine dispositive Auslegungsregel – OLG Rostock 3 W 80/20

Der Beschluss des Amtsgerichts Ludwigslust, Zweigstelle Parchim, vom 09.03.2020, der den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) zurückwies, wurde durch die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) angefochten.

Das OLG Rostock bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies die sofortige Beschwerde zurück.

Es betonte, dass § 2077 BGB keine Anwendung findet, wenn ein Erbvertrag zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geschlossen wurde.

Zudem sei die Vermutung, dass der Erbvertrag nicht mit der Scheidung seine Wirksamkeit verlieren sollte, durch die im Erbvertrag vorgenommene Schlusserbeneinsetzung gestützt.

Das Gericht führte weiter aus, dass die Anwendung des § 2077 BGB auf nichteheliche Lebensgemeinschaften nicht eindeutig ist.

Es sei vielmehr entscheidend, den tatsächlichen Willen des Erblassers bei der Errichtung des Testamentes oder des Erbvertrages zu ermitteln.

Da im vorliegenden Fall keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Änderung des Erbvertrages aufgrund der späteren Ehescheidung gefunden wurden, wurde die Beschwerde abgewiesen.

Insgesamt kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Erbvertrag zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 2) weiterhin gültig ist, und wies die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beteiligten zu 1) zu.

§ 2077 I BGB enthält keine widerlegliche Vermutung sondern eine dispositive Auslegungsregel – OLG Rostock 3 W 80/20 – Inhaltsverzeichnis:

  1. Einleitung
  2. Sachverhalt
  3. Antrag des Beteiligten zu 1)
  4. Entscheidung des Amtsgerichts Ludwigslust
  5. Sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1)
  6. Begründung des OLG Rostock
  7. 6.1. Rechtliche Einordnung von § 2077 I BGB
  8. 6.2. Anwendung von § 2077 BGB auf nichteheliche Lebensgemeinschaften
  9. 6.3. Auslegung des Erbvertrags im vorliegenden Fall
  10. Ergebnis
  11. Kostenentscheidung
  12. Geschäftswert

Zum Entscheidungstext:

1. § 2077 Abs. 1 BGB enthält keine widerlegliche Vermutung, sondern eine dispositive Auslegungsregel.

2. Haben die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einen Erbvertrag geschlossen oder der Erblasser zu Gunsten seines Partners ein Testament errichtet und heiraten die Partner später, findet auch im Fall der Scheidung vor dem Tod § 2077 BGB keine entsprechende Anwendung

(vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 9. April 2009 – 3 U 43/08).

Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ludwigslust, Zweigstelle Parchim – Nachlassgericht – vom 09.03.2020 wird zurückgewiesen.

2. Der Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 96.250,00 € festgesetzt.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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