OLG Stuttgart 8 W 64/21 – Pflichtteilsberechtigter übergangen

August 9, 2022

OLG Stuttgart 8 W 64/21 – Pflichtteilsberechtigter übergangen

1. Ein Pflichtteilsberechtigter, der mit einem Vermächtnis bedacht wurde, ist auch dann nicht übergangen im Sinne von § 2079 Satz 1 BGB, wenn der Wert der Vermächtniszuwendung hinter dem Pflichtteil zurückbleibt.

2. Das Fehlen der Voraussetzungen des § 2079 Satz 1 BGB schließt es nicht aus, eine Anfechtung auf § 2078 Abs. 2 BGB zu stützen.

3. Das auf Irrtum beruhende Unterlassen der Errichtung eines (neuen) Testaments ist nicht nach § 2078 BGB anfechtbar.

Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Esslingen – Nachlassgericht – vom 21.11.2019 (Az.: 4 VI 777/18) wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.230.000 EUR festgesetzt.

Zusammenfassung

OLG Stuttgart 8 W 64/21 – Pflichtteilsberechtigter übergangen

In dem Fall OLG Stuttgart 8 W 64/21 ging es um die Anfechtung eines Testaments durch eine Pflichtteilsberechtigte (Beteiligte zu 1),

die nach der Testamentserrichtung durch Eheschließung pflichtteilsberechtigt wurde.

Das Testament, das der Erblasser im Jahr 2002 verfasst hatte, sah vor, dass seine Ehefrau (die Beteiligte zu 1) mit einem Vermächtnis bedacht wurde, jedoch nicht als Erbin eingesetzt war.

Nach dem Tod des Erblassers fand das Amtsgericht Esslingen, dass das Testament weiterhin gültig sei und zog den Erbschein, der die Beteiligte zu 1 als Miterbin auswies, ein.

Die Beteiligte zu 1 legte daraufhin Beschwerde ein und focht das Testament nach § 2079 BGB an, da sie meinte, sie sei als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden.

Das Oberlandesgericht Stuttgart wies die Beschwerde zurück und entschied, dass die Anfechtung des Testaments nach § 2079 BGB nicht zulässig sei,

weil die Beteiligte zu 1 durch das Vermächtnis im Testament nicht übergangen worden sei.

In der Rechtsprechung ist umstritten, wann eine Person als übergangen gilt.

OLG Stuttgart 8 W 64/21 – Pflichtteilsberechtigter übergangen

Das Gericht folgte der Ansicht, dass ein Pflichtteilsberechtigter nur dann übergangen ist, wenn er weder als Erbe eingesetzt noch durch ein Vermächtnis bedacht wurde.

Da die Beteiligte zu 1 im Testament bedacht wurde, lag kein Übergehen im Sinne des § 2079 BGB vor.

Darüber hinaus entschied das Gericht, dass auch eine Anfechtung nach § 2078 BGB nicht erfolgreich sei.

Es konnte nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass der Erblasser das Testament anders formuliert hätte, wenn er seine spätere Eheschließung bedacht hätte.

Auch das Fehlen eines neuen Testaments aufgrund eines Irrtums war kein ausreichender Anfechtungsgrund.

Die Entscheidung bestätigt, dass die bloße Benachteiligung eines Pflichtteilsberechtigten durch ein Vermächtnis

unterhalb des Pflichtteilsanspruchs keine Anfechtung des Testaments rechtfertigt, wenn der Berechtigte nicht vollständig übergangen wurde.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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