AG Charlottenburg GnR 70 B

Januar 16, 2021

AG Charlottenburg GnR 70 B, Beschluss vom 08.03.2018, Bestellung eines Nachtragsliquidators richtet sich bei einer Genossenschaft analog nach § 273 Abs. 4 AktG,

1. Die Bestellung eines Nachtragsliquidators richtet sich bei einer Genossenschaft analog nach § 273 Abs. 4 AktG, wenn die Liquidatoren die Beendigung ihrer Vertretungsbefugnis und das Erlöschen der Firma angemeldet hatten und keine amtswegige Löschung wegen Vermögenslosigkeit erfolgt war.

2. Hatte eine Genossenschaft einen Doppelsitz, welcher vor dem Erlöschen der Firma wieder aufgehoben worden war, ist für das Verfahren nach § 273 Abs. 4 AktG das Gericht örtlich zuständig, bei dem der Sitz nach Aufhebung des Doppelsitzes verblieben war.

3. Ein Interessenkonflikt in der Person des Nachtragsliquidators ist nicht gegeben, wenn sich der Wirkungskreis des Nachtragsliquidators auf eine einzelne Aufgabe bezieht (hier Abgabe einer Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt) und der Nachtragsliquidator zugleich bei einem “Nachfolgeunternehmen” der gelöschten Genossenschaft tätig ist.

4. Für die Bestellung eines Nachtragsliquidators einer Genossenschaft, dessen einzige Aufgabe es ist, eine Löschungsbewilligung für eine Grundschuld abzugeben, die nach Maßgabe der Sicherungsabrede zurückzugewähren ist, ist ein abweichender Wert von 5.000 EUR anzusetzen.

Tenor

AG Charlottenburg GnR 70 B

In dem unternehmensrechtlichen Verfahren

der am 12. Februar 1986 gelöschten

… Bausparkasse eingetragene Genossenschaft

wird auf den Antrag von

Frau … …, geb. …,geboren am …,wohnhaft in …

vertreten durchNotar… … ……… …

vom 24. Januar 2018 in entsprechender Anwendung von § 273 Abs. 4 AktG zum Nachtragsliquidator bestellt:

Herr… …geschäftsansässig:… Bauspar AG…… …

Der Wirkungskreis des Nachtragsliquidators ist beschränkt auf die Vertretung und die Wahrnehmung der Rechte der gelöschten Genossenschaft hinsichtlich des im Grundbuch des Amtsgerichts … von … Blatt … eingetragenen Grundstücks.

Aus der Bestellung können Ansprüche gegen das Land Berlin auf Vergütung oder Auslagenerstattung nicht geltend gemacht werden.

Die Kosten des gerichtlichen Bestellungsverfahrens trägt die Antragstellerin. Der Geschäftswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe

Die bereits durch Beschluss der Vertreterversammlung vom 25. Juni 1973 aufgelöste Genossenschaft wurde am 12. Februar 1986 im Genossenschaftsregister gelöscht, nachdem die Liquidatoren das Erlöschen der Firma angemeldet hatten.

AG Charlottenburg GnR 70 B

Die Genossenschaft hatte vom 31. Dezember 1969 bis zum 6. November 1972 einen Doppelsitz in Hamburg; mit dem Sitz der Genossenschaft in Hamburg wurde sie am 26.03.1973 unter ihrer damaligen Firma als Berechtigte einer Grundschuld über 119.300 DM in Abteilung III des beim Amtsgericht … geführten Grundbuchs von … Blatt 415 eingetragen.

Soweit ersichtlich, ist vor der Löschung der Genossenschaft keine rechtsgeschäftliche Übertragung des dinglichen Rechts erfolgt. Nunmehr hat sich ein Bedürfnis für die Löschung dieses im Grundbuch eingetragenen Rechts ergeben.

Die Beteiligte hat daher vertreten durch Notar … mit dem am 26. Januar 2018 eingegangenen Antrag vom 24.01.2018 die Bestellung eines Nachtragsliquidators und die im Tenor getroffene Wertfestsetzung beantragt.

Das Verfahren zur Bestellung eines Nachtragsliquidators für eine nach Abschluss der ordentlichen Liquidation gelöschte Genossenschaft ist nicht gesetzlich geregelt. § 83 Abs. 5 GenG findet nur Anwendung, wenn die Genossenschaft wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde (h.M. vgl. Henssler/Strohn GesR/Geibel GenG § 83 Rn. 4), welches vorliegend nicht gegeben ist.

Soweit ersichtlich, richtet sich die Nachtragsliquidatoren analog zu § 273 Abs. 4 AktG (Ries, Praxis- und Formularbuch zum Registerrecht, 3. Aufl. Rz 9.138; für eine gelöschte DDR-LPG ThürOLG Jena, NZG 2001, 417).

AG Charlottenburg GnR 70 B

Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist Beteiligte im Sinne des § 273 Abs. 4 S. 1 AktG, weil sie ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die Abgabe von Erklärungen zu einer Bereinigung des Grundbuches führt, in dem sie in Abt. I eingetragen ist (vgl. hierzu Hüffer/Koch, 12. Aufl. 2016, AktG § 273 Rn. 15).

Obwohl im Grundbuch die Berechtigte mit Sitz “Hamburg” eingetragen ist, ist die Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg gegeben, weil die Genossenschaft einen Doppelsitz in Berlin und Hamburg hatte.

Dieser Doppelsitz änderte nichts daran, dass es sich um einen einheitlichen Rechtsträger handelte (Heider, Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 5 Rz 5) und daher nach Wegfall des Doppelsitzes die Zuständigkeit bei dem verbliebenen Gericht am Sitz der Genossenschaft in Berlin über das Ende der Genossenschaft hinaus auch für das Verfahren nach § 273 Abs. 4 AktG gegeben ist.

Der Antrag ist auch begründet, weil ein sonstiger Abwicklungsbedarf besteht, der die Bestellung eines Nachtragsliquidators erforderlich macht.

Dieser Abwicklungsbedarf ist darin zu sehen, dass nach der Auffassung des Grundbuchamtes beim Amtsgericht … für die gelöschte Genossenschaft noch grundbuchrechtliche Erklärungen, nämliche eine Löschungsbewilligung abzugeben sind.

AG Charlottenburg GnR 70 B

Dieses rechtfertigt die Bestellung eines Nachtragsliquidators (vgl. Henssler/Strohn GesR/Drescher, 3. Aufl. 2016, AktG § 273 Rn. 13). Es handelt sich auch nur um eine einzelne Tätigkeit, eine Wiedereintragung der Genossenschaft im Register wird nicht erforderlich.

Die gebotene Beschränkung des Wirkungskreises für den Nachtragsliquidator (KG NZG 1999, 163) erstreckt sich auf den im Tenor genannten Umfang.

Der bestellte Nachtragsliquidator hat auch die Bereitschaft erklärt, dieses Amt zu übernehmen und hat auf die Geltendmachung von Gebühren und Auslagen gegenüber dem Justizfiskus verzichtet. Er erscheint auch für diese Aufgabe geeignet.

Die Besorgnis einer objektiven Gefährdung des Abwicklungszweckes (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, RNotZ 2016, 113) durch den Umstand, dass er bei der der … Bauspar AG geschäftsansässig ist und offenbar für diese beruflich tätig ist, besteht nicht.

Die … Bauspar AG hat offenbar nahezu alle Ansprüche und Forderungen der Genossenschaft rechtsgeschäftlich erworben, die fehlende Löschungsbewilligung bezieht sich nicht auf ein interessenskonfliktfähiges Rechtsgeschäft zwischen der … Bausparkasse eingetragene Genossenschaft und der … Bauspar AG, sondern auf ein Rechtsgeschäft zwischen der der … Bausparkasse eingetragene Genossenschaft und der Antragstellerin.

AG Charlottenburg GnR 70 B

Die Kostenentscheidung folgt aus § 22 Abs. 1 GNotKG.

Die Wertfestsetzung erfolgt nach § 79 Abs. 1 GNotKG abweichend auf 5.000 EUR. Der regulär zu berücksichtigende Wert von 30.000 EUR würde nach § 3 Abs. 2 GNotKG i Vm Ziff. 13500 KVfg und der Wertetabelle zu § 34 GNotKG eine Gebühr von 812 EUR nach sich ziehen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend lediglich um die Abgabe einer Löschungsbewilligung gegenüber dem Grundbuchamt handelt.

Hinsichtlich der Eintragung im Grundbuch ist die Grundschuld entweder bereits erloschen oder ein Anspruch auf Abgabe einer Löschungsbewilligung nach Fortfall der Sicherungsabrede existent.

Das eingetragene Recht hat per se keinen eigenen wirtschaftlichen Wert mehr, sondern beschränkt den Antragsteller in der Verfügungsmacht über sein Eigentum, da sich das eingetragene Grundpfandrecht (als künftiges oder bereits entstandenes, allerdings unberichtigtes Eigentümerrecht) wertmindernd auswirkt.

Er kann auch ohne Beantragung des Nachtragsliquidators die Löschung dieses Rechts nicht auf anderem Wege erreichen.

AG Charlottenburg GnR 70 B

Die Beschränkung der Nachtragsliquidation auf den im Tenor genannten Umfang bewirkt, dass die Gebührenerhebung nach dem regulären Geschäftswert für den Antragsteller eine unbillige Härte darstellen würde und daher eine abweichende Wertfestsetzung geboten ist.

Für eine abweichende Bestimmung des Wertes einer bereits erloschenen, in ein Eigentümerrecht umgewandelten Grundschuld gibt es jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine angemessene Wertbestimmung, so dass der Regelwert von 5.000 EUR nach § 36 Abs. 3 GNotKG in Ansatz zu bringen ist, wodurch sich die Gebühr um 520 EUR reduziert.

Es kommt jedoch nicht darauf an, ob die Genossenschaft wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht wurde oder nach Beendigung der ordentlichen Liquidation auf Antrag derjenigen.

Es kommt vielmehr darauf an, dass § 67 GNotKG Anwendung findet auf alle Fälle, in den durch eine gerichtliche Entscheidung Personen bestellt oder abberufen werden.

Der primäre Anwendungskreis dieser Wertvorschriften bezieht sich typischerweise auf gerichtliche Handlungen, bei den ein vertretungsberechtigtes Organ bestellt wird, welches eine Handelsgesellschaft umfassend vertreten kann, wie z. B. Notgeschäftsführer oder Liquidatoren bei GmbHs.

Davon unterscheidet sich die vorliegende Bestellung, weil sich die Aufgabe des Nachtragsliquidators nicht auf eine umfassende Vertretung der Genossenschaft bezieht, sondern auf die Abgabe der besagten Löschungsbewilligung beschränkt ist.

Die für eine abweichende Wertfestsetzung erforderliche Darlegung der besonderen Gründe durch die Beteiligten (vgl. hierzu Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Auflage 2017 Rn. 14) ist hinreichend erfolgt.

AG Charlottenburg GnR 70 B

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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