LG Karlsruhe Beschluß vom 21.2.2014, 20 T 19/13 Zivilprozess: Verfahrensunterbrechung durch Nachlassinsolvenzverfahren bei unbeschränkter Erbenhaftung

Januar 22, 2018

LG Karlsruhe Beschluß vom 21.2.2014, 20 T 19/13

Zivilprozess: Verfahrensunterbrechung durch Nachlassinsolvenzverfahren bei unbeschränkter Erbenhaftung

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 22.11.2013 wird unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Pforzheim vom 18.11.2013 – Az. 2 C 404/13 – festgestellt, dass der Rechtsstreit aufgrund der durch Beschluss des Amtsgerichts Pforzheim vom 05.11.2013 – 3 IN 100/13 – erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass des am 05.07.2012 verstorbenen … nicht unterbrochen ist.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Beklagte wird als Erbin ihres Ehemannes auf Zahlung von stationären Behandlungskosten, im Zeitraum zwischen dem 20.10.2011 und dem 30.11.2011 in Höhe von insgesamt 1.862,08 EUR durch die Klägerin in Anspruch genommen.
2
Die Klägerin hat vor Einleitung des Verfahrens der Beklagten durch das Nachlassgericht eine Frist zur Erstellung eines Inventars gem. § 1994 BGB gesetzt, die von der Beklagten nicht eingehalten wurde.
3
Die Beklagte hat ihrerseits beim Amtsgericht Pforzheim die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahren s beantragt, dass am 05.11.2013 eröffnet wurde (Anl. B 1/As. 107).
4
Daraufhin hat das Amtsgericht Pforzheim mit Beschluss vom 18.11.2013 unter gleichzeitiger Aufhebung des Verhandlungstermins festgestellt, dass das Verfahren aufgrund des Nachlassinsolvenzverfahrens gem. § 240 ZPO unterbrochen sei (As. 109).
5
Hiergegen richtet sich die am 22.11.2013 beim Amtsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie vorträgt, wegen der unbeschränkten Haftung der Klägerin habe das Insolvenzverfahren keine Auswirkungen auf den streitgegenständlichen Prozess.
6
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, da sie durch Einleitung der Nachlassinsolvenz ihre Haftung beschränken könne und zudem bereits bei Setzung der Inventarfrist erkennbar gewesen sei, dass eine Überschuldung des Nachlasses vorliege. Daher fehle es an der für eine unbeschränkte Haftung notwendigen Gläubigerbenachteiligungsabsicht (§ 2006 BGB).
7
Das Amtsgericht Pforzheim hat mit Beschluss vom 27.11.2013 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (As. 117).
II.
8
1. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 252 ZPO in Verbindung mit den §§ 567 ff. ZPO statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
9
Durch den deklaratorischen Beschluss des Amtsgerichts wegen der vermeintlich gem. § 240 ZPO eingetretenen Verfahrensunterbrechung ist eine Stillstand des Verfahrens eingetreten, der im Ergebnis vergleichbare Auswirkungen hat wie eine Aussetzung des Verfahrens, mithin muss der Klägerin der Partei auch das hierfür vorgesehene Rechtsmittel gem. § 252 ZPO eröffnet sein (Zöller/Greger ZPO 30. Aufl., Rn. 1 zu § 252 BGB).
10
2. Die Beschwerde erweist sich auch als begründet, denn im konkreten Fall führt die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gem. den §§ 315 ff. der InsO entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Pforzheim nicht zu einer Unterbrechung des Prozessverfahrens gem. § 240 ZPO.
11
a) Zwar wird vom Amtsgericht zutreffend erkannt, dass grundsätzlich im Falle einer Nachlassinsolvenz es zu einer Unterbrechung aller Aktiv- oder Passivprozesse des Erben kommt, soweit darin Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden (OLG Köln, NJW-RR 2003, 47 ff. sowie Zöller/Greger a. a. O., Rn. 7 zu § 240 ZPO).
12
Dies ergibt sich daraus, dass der Erbe seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten gem. § 1975 BGB auf den Nachlass beschränken kann und bei Überschuldung desselben einen Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens stellen kann. Dies hat die Folge, dass während der Dauer dieses Verfahrens ein Nachlassgläubiger seine Ansprüche nur im Insolvenzverfahren geltend machen kann und erst nach Beendigung dieses Verfahrens gem. § 1989 BGB eine Haftung des Erben Platz greift.
13
Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine beschränkte Erbenhaftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten nach § 1967 BGB gegeben ist.
14
b) Haftet der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten jedoch unbeschränkt, so ergibt sich aus § 2013 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass die Haftungsbeschränkungen der §§ 1975, 1989 BGB nicht geltend gemacht werden können, sondern dass der Erbe von Nachlassgläubigern persönlich in Anspruch genommen werden kann (§ 784 Abs. 1 ZPO).
15
Daraus folgt, dass die haftungsbeschränkenden Wirkungen des Nachlassinsolvenzverfahrens nur bei einer beschränkten Erbenhaftung Anwendung finden, und zwar unabhängig davon, dass der Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens auch durch den unbeschränkt haftenden Erben gem. § 316 Abs. 1 der InsO möglich ist.
16
c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens eine Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO im konkreten Fall nicht eingetreten.
17
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin auf die ihr vom Nachlassgericht gesetzte Frist zur Inventarerstellung nicht reagiert hat. Daraus ergibt sich als Rechtsfolge deren unbeschränkte Erbenhaftung gem. § 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
18
Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass zum Zeitpunkt der Fristsetzung bereits die Überschuldung des Nachlasses absehbar gewesen wäre und sie daher nicht mit einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt habe.
19
Eine unbeschränkte Haftung des Erben ergibt sich bereits bei einer Inventarsäumnis gem. § 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB; ob darüber hinaus die Voraussetzungen einer Inventaruntreue gem. § 2005 Abs. 1 BGB vorliegen, ist deswegen unbeachtlich.
20
d) Diese Entscheidung steht auch nicht im Gegensatz zu der vom Amtsgericht Pforzheim im Nichtabhilfebeschluss vom 27.11.2013 zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung.
21
In den dort genannten Fällen ist jeweils von einer beschränkten Haftung der Erben ausgegangen worden, mit der Folge, dass die oben unter 2 a) aufgeführten rechtlichen Folgen aufgrund des Nachlassinsolvenzverfahren eintreten, mithin Klagen gegen Erben, mit denen Nachlassverbindlichkeiten gem. § 1967 BGB geltend gemacht werden, unterbrochen sind.
22
Im Gegensatz dazu haftet die Beklagte hier bei Inventarversäumnis nach § 1995 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch unbeschränkt
23
3. Auf die begründete Beschwerde der Klägerin war daher unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass eine Unterbrechung des Verfahrens durch das Nachlassinsolvenzverfahren nicht eingetreten ist.
III.
24
1. Bei Rechtsmitteln gem. § 252 ZPO ist eine Kostenentscheidung nicht erforderlich, da die entstandenen Kosten als Teil der Prozesskosten bei der Hauptsacheentscheidung zu berücksichtigen sind (BGH MDR 2006, 704 sowie Zöller/Greger a. a. O., Rn. 3 zu § 252 ZPO).
25
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weit die Entscheidung nicht in Abweichung von obergerichtlichen Entscheidungen ergangen ist und im Übrigen die Voraussetzungen für die Zulassung gem. § 574 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 ZPO nicht gegeben sind.

 

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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