Anhörungsrüge – BFH IX S 6/23

Juni 24, 2023

Anhörungsrüge – BFH IX S 6/23 Beschluss vom 02. Juni 2023, Verletzung des rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO

vorgehend BFH , 11. November 2022, Az: IX R 14/20

Zusammenfassung von RA und Notar Krau:

Der BFH wies eine Anhörungsrüge in einem Fall, in dem der Kläger das rechtliche Gehör verletzt sah, zurück.

Das Gericht erklärte, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nur dann verletzt sei, wenn das Gericht das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen habe.

In diesem Fall hatte das Gericht das Klägervorbringen berücksichtigt, daher wurde die Anhörungsrüge als unbegründet abgewiesen.

Inhaltsverzeichnis:

  1. Einleitung
    • BFH IX S 6/23 Beschluss vom 02. Juni 2023
    • Verletzung des rechtlichen Gehörs
    • Bezug zu Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO
  2. Vorangegangenes Verfahren
    • BFH Entscheidung vom 11. November 2022, Az: IX R 14/20
  3. Zusammenfassung der Entscheidung
    • Der BFH wies die Anhörungsrüge in einem Fall, in dem der Kläger das rechtliche Gehör verletzt sah, zurück.
    • Das Gericht erklärte, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nur dann verletzt sei, wenn das Gericht das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen habe.
  4. Zum Entscheidungstext
    • Erläuterung des Grundsatzes, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht.
    • Betonung, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen oder sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen.
    • Feststellung, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nur dann verletzt ist, wenn das Gericht Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat.
  5. Begründung der Entscheidung
    • Die Anhörungsrüge wurde als unbegründet zurückgewiesen.
    • Das Gericht hatte das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen und in der Entscheidung berücksichtigt.
  6. Klägervorbringen
    • Der Kläger argumentierte, dass das Gericht den Grundsatz der einheitlichen Abschreibung missachtet habe und dass die Anschaffungskosten des Tiefgaragenstellplatzes der gesamten Herstellungskosten zuzurechnen seien.
  7. Entscheidung zur Anhörungsrüge
    • Das Gericht hatte das Klägervorbringen im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen berücksichtigt.
    • Eine Gehörsverletzung lag nicht vor.
    • Eine Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung erneut inhaltlich zu überprüfen.
  8. Schlussfolgerung und Gebühr
    • Die Anhörungsrüge wurde abgewiesen.
    • Eine Gebühr in Höhe von 60 € wurde für die Entscheidung über die Anhörungsrüge erhoben, da das Verfahren vor Inkrafttreten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 anhängig wurde.

Zum Entscheidungstext:


NV: Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat.

Tenor


Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.11.2022 – IX R 14/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Anhörungsrüge – BFH IX S 6/23 – Gründe


Die Anhörungsrüge ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Sätze 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

Nach § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Anhörungsrüge – BFH IX S 6/23

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 FGO verpflichtet das Gericht unter anderem, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen.

Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen

(vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 11.06.2008 – 2 BvR 2062/07, Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056).

Das Gericht ist nach Art. 103 Abs. 1 GG auch nicht verpflichtet, sich mit jedwedem Vorbringen des Beteiligten in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen

(Entscheidungen des BVerfG vom 27.05.1970 – 2 BvR 578/69, BVerfGE 28, 378;

vom 10.06.1975 – 2 BvR 1086/74, BVerfGE 40, 101;

vom 05.10.1976 – 2 BvR 558/75, BVerfGE 42, 364

und vom 15.04.1980 – 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86).

Dies bedeutet, dass im Einzelfall eine Begründung ganz entfallen oder sich das Gericht lediglich mit den seiner Ansicht nach wesentlichen Gesichtspunkten der Begründungsschrift auseinandersetzen kann.

Vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten tatsächlich auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat

(BVerfG-Beschluss vom 15.04.1980 – 1 BvR 1365/78, BVerfGE 54, 43);

der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt ‑‑insbesondere mit Blick auf die Bestimmung des § 133a Abs. 4 Satz 4 FGO‑‑ deshalb auch nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen.

Anhörungsrüge – BFH IX S 6/23

Nach diesen Maßstäben ist der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat

(vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 27.10.2017 – IX S 21/17, BFH/NV 2018, 50, Rz 2).

b) Das ist vorliegend nicht der Fall. Der erkennende Senat hat den Vortrag des Klägers, Revisionsklägers und Rügeführers (Kläger) in seinem Schreiben vom 12.10.2022 gegen den Gerichtsbescheid des BFH vom 24.05.2022 – IX R 14/20 zur Kenntnis genommen und über das Vorbringen des Klägers entschieden.

Der Kläger bringt mit seiner gegen das Urteil vom 15.11.2022 – IX R 14/20 gerichteten Anhörungsrüge im Wesentlichen vor, der Senat berücksichtige nach wie vor nicht, dass die nachträglichen Anschaffungskosten des Tiefgaragenstellplatzes der einheitlichen Gebäudeabschreibung unter Berücksichtigung der gesamten bisherigen Herstellungskosten zuzurechnen seien. Dabei habe der Senat den Grundsatz der einheitlichen Abschreibung missachtet.

Der Senat habe zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die von ihm im Gerichtsbescheid vertretene Auffassung leichtfertig und auf unvollständiger Grundlage gebildet worden sei. Dies stelle einen Verfahrensmangel in der Tatsachenwürdigung dar.

Anhörungsrüge – BFH IX S 6/23

Dieses Vorbringen des Klägers aus seinem Antrag auf mündliche Verhandlung hat der Senat sowohl im Tatbestand des angefochtenen Urteils als auch in den Entscheidungsgründen berücksichtigt und ist darauf eingegangen.

Eine Gehörsverletzung liegt mithin nicht vor. Im Übrigen vertieft und ergänzt der Kläger mit seiner Anhörungsrüge sein bisheriges Vorbringen.

Mit der Wiederholung und Ergänzung der Begründung aus dem Revisionsverfahren kann der Kläger im Verfahren der Anhörungsrüge indes nicht gehört werden.

Denn eine Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung nochmals einer vollen inhaltlichen Überprüfung zuzuführen.

Von einer weiteren Begründung wird mit Blick auf § 133a Abs. 4 Satz 4 FGO abgesehen.

Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 60 € erhoben, da die Rüge sich auf eine gerichtliche Entscheidung bezieht, deren Verfahren vor dem 01.01.2021 und damit vor Inkrafttreten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3229) anhängig geworden ist

(Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes; BFH-Beschluss vom 16.02.2022 – X S 16/21, X S 17/21 (PKH), X S 20/21 (PKH), BFH/NV 2022, 423).

Anhörungsrüge – BFH IX S 6/23

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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