Auslegung einer offensichtlich sinnwidrigen letztwilligen Verfügung eines gemeinschaftlichen Testaments – BGH IVa ZR 231/83

Mai 12, 2020

Auslegung einer offensichtlich sinnwidrigen letztwilligen Verfügung eines gemeinschaftlichen Testaments – BGH IVa ZR 231/83

Zur Auslegung einer offensichtlich sinnwidrigen letztwilligen Verfügung eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem sich Ehegatten gegenseitig zu Erben und ihre Kinder zu Erben des Letztversterbenden eingesetzt haben und über die Nachlaßregelung bei Wiederverheiratung des Letztversterbenden

Die Klägerin war mit dem am 13. November 1981 verstorbenen Erblasser in dessen zweiter Ehe verheiratet.

Die Beklagten sind die ehelichen Kinder des Erblassers aus dessen erster Ehe.

Durch gemeinschaftliches notarielles Testament vom 28. Mai 1955 hatten sich der Erblasser und seine erste Frau gegenseitig zu Erben eingesetzt.

Der Längstlebende sollte der Alleinerbe des Erstversterbenden sein.

Zu Erben des Letztversterbenden setzten sie die beiden gemeinsamen Kinder, die Beklagten, ein.

Unter Ziff. 3 enthält das Testament weiterhin folgende Regelung:

“Sollte sich der Überlebende von uns wiederverheiraten,
so tritt eine bedingte Nacherbschaft
ein. Der Überlebende von uns erhält
seinen 1/4 gesetzlichen Erbanteil in
Geld. Im übrigen fällt der Nachlaß des Überlebenden
den gemeinschaftlichen Kindern als
Nacherben zu.”

Auslegung einer offensichtlich sinnwidrigen letztwilligen Verfügung eines gemeinschaftlichen Testaments – BGH IVa ZR 231/83

Nach dem Tode seiner ersten Frau heiratete der Erblasser 1975 die Klägerin.

Eine neue Verfügung von Todes wegen traf er nicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, nach ihrer Heirat mit dem Erblasser sei die Einsetzung der Beklagten als Schlußerben in dem Testament gegenstandslos geworden; es gelte jetzt wieder die gesetzliche Erbfolge.

Sie hat um Feststellung gebeten, daß der Erblasser im Wege der gesetzlichen Erbfolge durch sie zu 1/2 und durch die Beklagten zu je 1/4 beerbt worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht bezüglich dieses Antrages zurückgewiesen, jedoch auf den in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag der Klägerin festgestellt, “daß der Klägerin der gesetzliche Erbteil nach dem am 13. November 1981 zu R verstorbenen J P zusteht”.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Hauptantrag weiter.

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Die Kernsätze der BGH-Entscheidungsbegründung lauten:

“Ob die gesetzliche Erbfolge, deren Feststellung die Klägerin begehrt, eingetreten ist, hängt davon ab, ob die in dem gemeinschaftlichen Testament vom Erblasser getroffene Verfügung über seinen Nachlaß, nämlich die Einsetzung der Beklagten als seiner Schlußerben weiterhin gilt, oder ob diese Verfügung mit der Wiederheirat des Erblassers unwirksam geworden ist.

Es handelt sich um die Auslegung einer letztwilligen Verfügung.

Maßgeblich ist deshalb zunächst der wirkliche Wille der testierenden Ehegatten.

Läßt sich ihr Wille im einen oder anderen Sinn feststellen, so ist für eine weitere Auslegung kein Raum mehr.”

Die Leitsätze des BGH lauten demgemäß:

  1. Läßt sich der wirkliche Wille der testierenden Ehegatten trotz der Auswertung aller zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlichen Umstände nicht feststellen, dann muß der Richter sich damit begnügen, den Sinn zu ermitteln, der dem mutmaßlichen Erblasserwillen am ehesten entspricht.
  2. Der Senat sieht derzeit keine Veranlassung zu der viel erörterten Streitfrage Stellung zu nehmen, ob in der Regel davon auszugehen ist, die wechselbezügliche Einsetzung von Schlußerben oder Nacherben werde im Falle der Wiederheirat des Längerlebenden ohne weiteres wirkungslos.

RA und Notar Krau

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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