BAG 2 AZR 483/21 – Einhaltung der Kündigungsfrist

August 25, 2022

BAG 2 AZR 483/21 – Einhaltung der Kündigungsfrist

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Tenor:

  • Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg wird aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Ulm zurückgewiesen hat.
  • Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Kernaussage:

  • Ein Arbeitgeber kann sich nicht auf die Einhaltung der Kündigungsfrist für eine außerordentliche Kündigung berufen, wenn er zielgerichtet verhindert hat, dass eine kündigungsberechtigte Person früher Kenntnis von den Kündigungsgründen erlangt hat, oder wenn die späte Kenntniserlangung unredlich erscheint.

Sachverhalt:

  • Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Umgang mit vertraulichen Dokumenten der Bundeswehr.
  • Die Kündigung erfolgte nach einer internen Untersuchung durch eine Rechtsanwaltskanzlei.
  • Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Klägers statt, das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück.
  • Die Beklagte legte Revision ein und argumentierte, dass die Kündigungsfrist eingehalten wurde, da die Geschäftsführung erst kurz vor der Kündigung von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt habe.
  • Der Kläger behauptete, die Beklagte habe die Kenntnisnahme der Geschäftsführung treuwidrig verzögert.

Entscheidungsgründe:

BAG 2 AZR 483/21 – Einhaltung der Kündigungsfrist

  • Kündigungsfrist:
    • Die Kündigungsfrist beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte Kenntnis von den Kündigungsgründen erlangt.
    • Bei juristischen Personen ist die Kenntnis des zuständigen Organs maßgeblich.
    • Die Kenntnis anderer Personen, auch wenn sie Vorgesetztenfunktionen haben, ist grundsätzlich unbeachtlich.
  • Treuwidrige Verzögerung der Kenntnisnahme:
    • Ein Arbeitgeber kann sich nicht auf die Einhaltung der Kündigungsfrist berufen, wenn er die Kenntnisnahme der Kündigungsgründe durch eine kündigungsberechtigte Person zielgerichtet verhindert oder treuwidrig verzögert hat.
    • Dies ist der Fall, wenn die Verspätung auf einer unsachgemäßen Organisation beruht oder der Informationsfluss bewusst behindert wurde.
    • Es reicht nicht aus, dass eine nicht kündigungsberechtigte Person (z. B. der Leiter der Compliance-Abteilung) früher Kenntnis hatte, es sei denn, diese Person hat eine herausgehobene Position und konnte den Sachverhalt umfassend klären.
  • Bewertung im konkreten Fall:
    • Das Landesarbeitsgericht hatte nicht festgestellt, dass der Leiter der Compliance-Abteilung bereits früher vollständige Kenntnis von allen relevanten Tatsachen hatte.
    • Es gab auch keine Anhaltspunkte für eine treuwidrige Behinderung des Informationsflusses zur Geschäftsführung.
    • Die Erstellung eines Zwischenberichts für die Geschäftsführung war sachgerecht.
    • Die Einrichtung einer Compliance-Abteilung und die Unterbrechung der Untersuchung zur Erstellung des Zwischenberichts sprechen eher für die Redlichkeit des Unternehmens.

Fazit:

Das Urteil hebt hervor, dass Arbeitgeber die Kenntnisnahme von Kündigungsgründen durch kündigungsberechtigte Personen nicht treuwidrig verzögern dürfen. Die bloße Einrichtung einer Compliance-Abteilung und die Erstellung eines Zwischenberichts stellen keine solche Verzögerung dar. Das Landesarbeitsgericht muss nun prüfen, ob die Kündigung aus anderen Gründen unwirksam ist.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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