BAG 2 AZR 485/08 – Außerordentliche Kündigung – rechtswidrige Videoüberwachung

August 27, 2017

BAG 2 AZR 485/08 – Außerordentliche Kündigung – rechtswidrige Videoüberwachung

RA und Notar Krau

Kernthema:

Das Urteil befasst sich mit der Frage, ob eine außerordentliche Kündigung wegen der bestimmungswidrigen

Einlösung von Rabatt-Coupons durch eine Verkäuferin/Kassiererin wirksam ist, wenn die Kenntnis des Arbeitgebers von diesem Verhalten auf rechtswidriger Videoüberwachung beruht.

Sachverhalt:

Die Klägerin war als Verkäuferin/Kassiererin in einem Drogeriemarkt beschäftigt. Der Arbeitgeber installierte eine Videokamera im Kassenbereich, ohne die Arbeitnehmer darüber zu informieren.

Durch die Auswertung der Videoaufnahmen stellte der Arbeitgeber fest, dass die Klägerin Rabatt-Coupons für Produkte einlöste, die sie nicht gekauft hatte.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin außerordentlich.

Verfahrensgang:

BAG 2 AZR 485/08 – Außerordentliche Kündigung – rechtswidrige Videoüberwachung

  • Arbeitsgericht: Die Klage wurde abgewiesen.
  • Landesarbeitsgericht: Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.
  • Revision der Klägerin beim BAG.

Entscheidung des BAG:

Das BAG wies die Revision zurück. Die außerordentliche Kündigung ist wirksam.

Begründung:

  1. Kündigungsbefugnis und Vollmacht:

Das BAG stellte fest, dass die Kündigung nicht wegen fehlender Kündigungsbefugnis oder fehlender Vollmacht unwirksam ist.

Die Klägerin hatte die Kündigung nicht unverzüglich zurückgewiesen und der Arbeitgeber hatte die Kündigung genehmigt bzw. die Kündigungsbefugnis im Prozess bestätigt.

  1. Wichtiger Grund zur Kündigung:

Das BAG bestätigte das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Kündigung.

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Die Klägerin hatte sich durch die bestimmungswidrige Einlösung der Rabatt-Coupons einen Vermögensvorteil verschafft und damit ihre Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt.

Dies rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung, auch wenn der Arbeitgeber keinen Schaden erlitten hat.

  1. Entbehrlichkeit einer Abmahnung:

Eine Abmahnung war entbehrlich, da die Klägerin vorsätzlich gegen ihre Vertragspflichten verstoßen hatte und das Vertrauen des Arbeitgebers nachhaltig beeinträchtigt war.

  1. Verhältnismäßigkeit der Kündigung:

Die außerordentliche Kündigung war auch verhältnismäßig, da dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten war.

  1. Verwertung von Videoaufnahmen:

Das BAG entschied, dass die unstreitigen Tatsachen, die durch die Videoüberwachung bekannt geworden waren, verwertet werden dürfen.

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  • Kein generelles Verwertungsverbot: Der Umstand, dass Informationen rechtswidrig erlangt wurden, führt nicht zu einem generellen Verwertungsverbot.

  • Verwertungsverbot bei unstreitigen Tatsachen: Bei unstreitigen Tatsachen besteht ein Verwertungsverbot nur, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm dies zwingend erfordert.

  • Güterabwägung: Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an der Verwertung der unstreitigen Tatsachen das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Privatsphäre.

  • Keine Verwertung der Videoaufnahmen: Die Videoaufnahmen selbst wurden nicht verwertet, sondern lediglich die daraus gewonnenen Erkenntnisse, die auch auf andere Weise erlangt werden konnten.

Fazit:

Das Urteil des BAG verdeutlicht die Grenzen der Zulässigkeit von Videoüberwachung am Arbeitsplatz und die Voraussetzungen für ein Verwertungsverbot von rechtswidrig erlangten Informationen.

BAG 2 AZR 485/08 – Außerordentliche Kündigung – rechtswidrige Videoüberwachung

Es stellt klar, dass auch bei einer rechtswidrigen Videoüberwachung unstreitige Tatsachen verwertet werden dürfen, wenn dies zum Schutz überwiegender Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist.

Die Entscheidung hat Bedeutung für die Praxis der Beweisführung in Arbeitsgerichtsprozessen und die Zulässigkeit von Überwachung am Arbeitsplatz.

Zusätzliche Anmerkungen:

  • Das BAG bekräftigt seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Verwertung rechtswidrig erlangter Informationen.
  • Das Urteil betont die Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
  • Die Entscheidung verweist auf die Möglichkeit einer Güterabwägung im Einzelfall.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Urteil des BAG eine wichtige Entscheidung zur Verwertbarkeit von

Informationen aus rechtswidriger Videoüberwachung darstellt und die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Verwertungsverbots präzisiert.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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